Despair

„Nichts ist unmöglich! Bitte, Lars, gib nicht einfach so auf!"
Ich konnte die heißen Tränen spüren, die sich quälend langsam über meine geröteten Wangen kämpften. Der eisige Wind zerrte an meinem dicken Pullover und obwohl ich noch ein weiteres Shirt darunter trug, fröstelte ich.
Aber das war mir egal. Meine ganze Konzentration lag nur auf Lars. Lars, der gerade dabei war, seine ganze Hoffnung über den Haufen zu werfen.

Sein trostloses Lachen wurde vom Wind davongetragen und sauste über die gekräuselte Wasseroberfläche. Lars wandte seinen Blick nicht von den bäumenden Wellen ab, als er zu mir sprach.
„Nichts ist unmöglich? Das aus dem Mund einer Medizinstudentin zu hören, ist schon ziemlich schräg."
Ein trauriges Lächeln zupfte an seinen Lippen, als er kurz die Augen schloss – Vermutlich, um sich Erinnerungen aus vergangener Zeit hinzugeben. Erinnerungen, in denen er noch Lachen konnte.

„Lars!", wisperte ich verzweifelt und strich mir ziellos ein paar Strähnen aus dem Gesicht. „Bitte tu mir das nicht an!"
Endlich wandte er mir den Kopf zu. Sein strohblondes Haar glitzerte golden in der Abendsonne und hob seine braunen Sommersprossen hervor, die im späten Herbst eher seltener zu sehen waren.
Sein Gesicht war mir so vertraut. Von seinem markanten Kinn, bis zu den wohl geformten Wangenknochen und der, etwas zu spitzen, Nase.
Meine Brust zog sich schmerzhaft zusammen, als mir der Gedanke kam, dass ich dieses Gesicht heute vielleicht zum letzten Mal sehen könnte.

„Ella...", seufzte Lars mit einer verbissenen Grimasse auf. Schmerz, Angst, aber auch Entschlossenheit strahlten mir entgegen. „Versteh doch, dass ich so nicht weitermachen kann... Ich möchte so nicht weiterleben."
Mit einer verzweifelten, fast frustrierten, Geste, deutete er auf die Verstüppelung an seinen Knien, wo einst seine Füße geruht hatten.

„Du kannst!", widersprach ich schnell. Mit einer fahrigen Bewegung trocknete ich meine nassen Wangen und wagte einen vorsichtigen Schritt in Lars' Richtung.
„Ich werde dir helfen, wo ich nur kann! Und irgendwann werden sie Prothesen anfertigen können! Du wirst wieder laufen können, dass... dass verspreche ich."

Ein bitteres Lächeln ließ Lars' Mundwinkel nach oben wandern.
„Ich will dir nicht dein Leben verbauen, Ella. Das hast du nicht verdient", murmelte er leise und ließ seinen Blick wieder auf die Weiten des Meeres hinaus gleiten.
„Weißt noch, als wir jeden Sommer hier verbracht haben? Jetzt kann ich für immer hierbleiben. Ich kann endlich frei sein, so wie wir es immer wollten."

„La-"
Meine Stimme erstarb, als Lars die Bremsen seines Rollstuhls löste. Die Reifen quietschten leise, als sie von den Gewichten, die Lars sorgfältig an den Lehnen angebracht hatte, vorwärtsgetrieben wurden.

Als ich mich aus meiner Erstarrung löste und nach vorne stürzte, drang bereits ein Geräusch an mein Ohr, dass mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
„Lars! Nein!", schrie ich verzweifelt auf und beugte mich über den Rand des Stegs hinweg.
Blubberblasen und kleine Wellen tanzten an der Stelle, an der die Tiefen des Meeres an Lars' dürrem Körper zerrten. Ich konnte die dunklen, flimmernden Schatten seiner Gestalt erkennen, die langsam immer tiefer und tiefer sank...

-Geschrieben am 25.10.2018-

499 Wörter

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