Kapitel 18 - ?$!0#@%

"Lilly, sag mal, hast du eigentlich schon deine Prüfungsergebnisse?", erkundigte sich Mama, als ich gerade auf dem Weg zur Arbeit war. "Ava hat gestern ihre bekommen. Dann müsste es bei dir doch auch bald soweit sein, oder?"
Ich hielt inne und überlegte, ob das der Moment war, in dem ich Mama die Wahrheit sagen sollte. Meine Hände wurden schwitzig and Herzschlag kräftiger.

"Nein, noch nicht", hörte ich mich selbst sagen. Ich versuchte so entspannt wie möglich zu wirken. "Ich schätze mal, Ava hat gut abgeschnitten, oder?", fragte ich, um von mir selbst abzulenken.

"Ja, ihrem Jura-Studium sollte nichts mehr im Weg stehen. Aber mach dir kein Stress! Wenn keine eins vor dem Komma ist, dann ist das auch nicht schlimm. Ich möchte nicht, dass ihr euch miteinander messt."

Ich atmete tief durch. Die Tatsache, dass ich gar kein Abi haben werde, würde sie hart treffen. Doch nicht heute. Heute war kein guter Zeitpunkt, um ihr das zu sagen.

"Mal schauen", antwortete ich vage. "Ich muss jetzt los."

Ich war schon fast aus der Tür raus, als Mama fragte: "Wohin gehst du denn? In letzter Zeit bist du oft weg."

Es glich fast einem Wunder, dass ihr das aufgefallen war. In letzter Zeit war sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Aufgrund der Umstände konnte ich es ihr nicht einmal übel nehmen. Da ich im Kino jedoch Vollzeit angestellt war, glänzte ich zuhause tatsächlich viel mit Abwesenheit.

"Ich habe ein paar neue Leute kennengelernt", antwortete ich sogar ehrlich.

Mama lächelte.

"Das freut mich. Ich hatte in den letzten Jahren das Gefühl, dass du immer einsamer geworden bist. Man merkt, wie du aufblühst. Das freut mich! Du hast auch abgenommen, oder?"

Ich lief rot an. Es war mir unangenehm darüber zu sprechen. Also zuckte ich nur mit den Schultern. Innerlich freute ich mich aber doch, dass offenbar erste Ergebnisse sichtbar wurden.

"Ich muss jetzt los", würgte ich sie ab und ergriff die Flucht.

Pepe arbeitet zwar zur gleichen Zeit wie ich, doch wir waren unterschiedlichen Etagen zugeordnet worden. Daher trafen wir uns erst in der Mittagspause wieder. Der Pausenraum war klein und hatte nicht einmal ein Fenster, doch ich genoss Pepes Anwesenheit. Er hatte die großartige Begabung Geschichten auf eine sehr lustige Art und Weise zu erzählen, sodass ich in seiner Anwesenheit immer viel lachte.

"Du siehst wieder besser aus", ließ er mich wissen, nachdem wir wieder auf das ernste Thema meines Angriff gekommen waren.

Mein Auge war mittlerweile wieder abgeschwollen. Dort, wo ich ein Hämatom an meiner Brust gehabt hatte, war nur noch ein grüner Fleck zurück geblieben. Körperlich ging es mir gut.

"Danke. Es geht mir auch wieder besser. Der erste Schock ist überwunden."

"Hast du es dir noch einmal durch den Kopf gehen lassen, ob du nicht doch zur Polizei gehen willst?"

Ich schüttelte entschieden den Kopf.

"Nein, ich denke, das war eine einmalige Sache."

Vor allem wollte ich nicht, dass meine Eltern von dem Vorfall etwas erfuhren. Sie hatten momentan schon genug Probleme. Da brauchten sie nicht noch eines extra oben drauf.

"Ich hoffe, es sehr. Ich kann nicht versprechen, dass ich beim nächsten Mal wieder rechtzeitig zur Stelle bin. Auch wenn ich natürlich mein Bestes gebe."
Er war schon ein Süßer.

"Keine Sorge. Es wird nicht mehr vorkommen."

Ich konnte nur beten, dass Dzanas, Mathildes und Charlys Rachegefühle nun erloschen waren. Tatsächlich glaubte ich wirklich nicht daran, dass sie es noch einmal tun würden. Ich hatte viele Jahre mit ihnen verbracht und kannte sie trotz allem gut. Neulich war eine Kurzschlussreaktion gewesen. Und deshalb würden sie es auch nicht noch einmal tun.

Für einen Moment schwiegen Pepe und ich. Er nahm einen Schluck Wasser und ich steckte mir eine Weintraube in den Mund.

"Was läuft eigentlich zwischen dir und Bela?", durchbrach er die Stille.

Beinahe hätte ich mich an meiner Weintraube verschluckt.

"Nichts", antwortete ich wahrheitsgetreu. Was sollte diese Frage? "Aber wir fahren bald zusammen nach Australien und machen Work and Travel", ließ ich ihn wissen.

Sofort zog Pepe skeptisch die Stirn in Falten.

"Bela geht mit nach Australien?", fragte er ungläubig, als wäre es eine Sache der Unmöglichkeit.

"Ja, wir gehen zusammen. Vermutlich im Oktober, wenn dort der Sommer anfängt."

Pepe sah mich immer noch sehr immer misstrauisch an.

"Und Bela hat dir gesagt, dass er mitkommt?", hakte er noch einmal nach.

"Ja. Warum fragst du so? Ist das denn so abwegig?"

Sein Gesichtsausdruck sagte eindeutig "Ja", doch verbal beantwortete er meine Frage nicht.

"Du willst nicht, dass ich nach Australien gehe, oder?", hakte ich vorsichtig nach.

Er seufzte und war sichtlich bedrückt.

"Doch schon. Es wäre für dich eine unglaubliche Erfahrung. Aber ich würde dich auch sehr vermissen."

Er sah mich mit einem Blick an, den sonst nur Hundewelpen auflegen konnten. Ich wusste nicht so recht, was ich darauf sagen sollte.

"Lilly", sprach er sanft und ich spürte, wie er Blickkontakt aufbauen wollte. Ich sah jedoch zu Boden. Also hob er mit seinem Zeigefinger leicht mein Kinn an. "Du weißt schon, wie sehr ich dich mag, oder?"

Ich war es nicht gewohnt, solche Geständnisse von Männern zu bekommen. Ich konnte damit nicht umgehen. Meine Wangen wurden heiß und ich konnte seinem Blick nicht standhalten.

Wir waren uns so nahe, sodass ein Kuss im Rahmen des Wahrscheinlichen lag. Noch nie zuvor hatte mich ein Junge geküsst.

"Magst du mich auch?", flüsterte er.

Diese Situation war innerhalb von Sekunden intim geworden. So schnell kam weder mein Herz noch mein Verstand mit.

Instinktiv nickte ich. Natürlich mochte ich ihn. Aber mochte ich ihn auf diese Art und Weise? Ich hatte darauf keine Antwort. Mein Fokus hatte stets auf Bela gelegen.

Plötzlich berührte seine Lippen meine. Ich erschrak, bewegte mich jedoch nicht. Ich ließ es einfach geschehen und wusste nicht, was ich denken oder gar tun sollte.

Hilfe!

Warum tat er das?

Ich war zu einer Statue erstarrt.

Dann löste er sich von mir. Ganz offensichtlich hatte er gemerkt, dass ich den Kuss nicht erwidert hatte.

Er senkte seinen Kopf ein wenig. Vermutlich um seine Enttäuschung zu verbergen.

"Tut mir leid", nuschelte er.

"Nein", fand ich meine Sprache wieder. "Entschuldige dich nicht! Ich bin einfach nur überfordert und durcheinander."

Er lächelte schwach.

"Du bist in Bela verliebt. Das ist es. Habe ich recht?"
Ich antwortete nicht.

"Ist okay", sagte Pepe. "Ich kann es ja verstehen. Euch verbindet viel, aber tu mir einen Gefallen und verrenn dich nicht zu sehr in ihn. Es wird dir nicht gut tun! Glaube mir!"

Verwirrt sah ich ihn an. Was sollten diese Worte bedeuten? Es klang so, als hätten sie einen tieferen Sinn. Einen Sinn, den ich noch nicht kannte.

Doch ehe ich nachfragen konnte, öffnete sich die Tür zum Pausenraum und unser Kollege Konstantin kam herein.

"Pepe, deine Pause ist vorbei. Du sollst Saskia an der Kasse ablösen."

Sofort erhob er sich und ging in Richtung Tür. Doch bevor er den Raum verließ, drehte er sich noch einmal um und sah zu mir. Ich konnte seinen Blick nicht einordnen. War er verletzter Stolz? Oder Sorge?

Er schien etwas sagen zu wollen, entschied sich dann jedoch dagegen und wandte mir wieder den Rücken zu.
Dann verschwand er.

Ich blieb mehr als ratlos zurück. Was hatte das zu bedeuten?

Zudem wünschte ich mir, dass mein erster Kuss anders verlaufen wäre. Konnte man das überhaupt als ersten Kuss bezeichnen?

***

Lillys Instagram Account: upsanddownsoflilly

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