Kapitel 4
„Er weiß etwas! Und ich weiß, dass er das tut!" Mit einer Geste der Verzweiflung hieb Steve so heftig auf den Tisch, dass das teure Holz gefährlich laut knackte. „Wie oft muss ich es dir noch sagen, Rogers, das da ist ein Kind!", fuhr Tony sofort dazwischen. Seit einer geschlagenen halben Stunde versuchte er nun schon, seinen Teamkollegen zu beschwichtigen, aber Steve hatte sich bereits zu sehr in die Sache hineingesteigert. Und Tony kannte seinen eigenen hitzigen Kopf nur zu gut – lange würde er selbst ebenfalls nicht mehr die Nerven behalten können. „Und lass meinen Tisch heil. Der hat beinah mehr Geld gekostet, als dein Schild.", setzte er mit hintendran. Steve schnaubte nur und drehte sich aufgebracht um. Mit großen Schritten und trotzig verschränkten Armen begann er, wie ein gefangenes Tier im Käfig hin und her zu laufen. Abrupt drehte er sich immer wieder um und stakste in die andere Richtung, nur um dann erneut ruckartig umzudrehen. So aufgewühlt hatte ihn keiner seiner Freunde bisher erlebt. „Bisher hat er doch keinerlei klare Aussagen getätigt.", mischte sich nun Natascha ein, die ihren aufgebrachten Kollegen ebenfalls nicht aus den Augen ließ. Diese Unruhe, die Aufgebrachtheit . . . all das passte gar nicht zu Steve. Selbst ein Blinder würde ihm wohl in diesen Momenten anmerken, wie sehr ihm alles unter die Haut ging. „Offensichtlich ist er schwer traumatisiert." Ihr kritischer Blick huschte hinüber zu den großen, in die Luft projizierten Bildschirmen, die den jungen Mann, den sie nur mit geballter Kraft in Gewahrsam hatten nehmen können, aus allen möglichen Blickwinkeln zeigte. Sie hatte jede seiner Bewegungen genauestens analysiert, seitdem Jarvis sein Aufwachen gemeldet hatte. Alles an ihm war . . . anders. Sie wurde das Gefühl einfach nicht los, dass ihn eine Art Geheimnis umgab. Und sie würde auch noch dahinter kommen, was genau das war. „Und was genau willst du mir damit sagen?", fragte Steve gereizt. „Wer sagt denn, dass es an dich gerichtet war?", entgegnete sie und zog minimal ihre Augenbrauen in die Höhe, den Rest ihres Gesichts zu einer spöttisch anmutenden Miene verzogen. „Lass die Psychospielchen, Natascha.", zischte der Blonde. Sie gab sich mit einem leisen Seufzen geschlagen. In dieser Verfassung war es geradezu zu einfach den sonst so ruhigen und gefassten Charakter des Captains zu provozieren. Seine Stimmung jetzt war geradezu gefährlich und selbst sie wollte da lieber kein Risiko eingehen, wenn sogar Tony sich verhältnismäßig zurückhielt. „Ich würde sagen, wir warten erst einmal ab.", schlug sie vor, um die Situation ein wenig zu deeskalieren. „Wie reagiert er auf mehrere Tage in der Zelle? Wie ändert sich sein Verhalten, wenn Menschen in der Nähe sind? Schlafrhythmus und Wachzustände, eventuell laute Gedankengänge – wir haben genug technische Möglichkeiten, um ihn genau zu analysieren. Dann können wir einschätzen, wie viel Gefahr er für uns birgt und wie belastbar er in welchen Hinsichten ist." „Und genügend Zeit, um mehr über ihn herauszufinden bleibt mir dann auch.", schaltete sich Tony wieder ein. Steve sah mit zusammengekniffenen Augen zwischen ihnen hin und her. „Was, wenn das alles nichts bringt? Der Junge ist ein verschlossenes Buch, und wenn er wirklich von Hydra kommt dann werden wir ihn so vielleicht niemals zum Reden bringen!" „Aber mit deinen Methoden wird es sicherlich auch nicht funktionieren. Du kannst ihn nicht auf Knien anflehen, dir zu sagen wo dein Schätzchen ist. Er wird's dir dann auch nicht zu Tränen gerührt sagen!", zischte Tony, dem langsam der Kragen platzte. Steves Gesicht wurde tiefrot. Ob aus Wut oder Scham war nicht zu sagen. „Vorsichtig, Stark.", sagte er mit gefährlich tiefer Stimme. „Sonst was, Rogers? Willst du mich mit deinem Schild verprügeln? Mich mit bloßen Händen erwürgen? Willst du das mit mir machen, was du dem Jungen antun würdest, wenn er nicht redet, und damit deine sonstige Moral komplett über Bord schmeißen?", entgegnete der Milliardär provozierend. Steve hielt inne, als schienen diese Worte endlich zu ihm vorzudringen. Dann gab er ein gereiztes Schnauben von sich und stürmte aus dem Raum. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, bot Jarvis an, ihn ihm Blick zu behalten und ihm den Eintritt zum Verhörraum mit dem Jungen zu verwehren. Tony gab seine Zustimmung. „Er ist irgendwie so unberechenbar geworden.", meinte er nachdenklich und rieb sich dabei das Kinn. „Ich glaube, dass da mehr zwischen ihnen gewesen sein muss, als nur Freundschaft. Ich erkenne ihn gar nicht wieder, das sind ganz andere Wesenszüge. Das zeigt deutlich, dass da irgendwas tief in ihm verwurzelt ist. Nichts an seinem Verhalten passt zu dem Steve, den wir kennen, als hätte man ihn ausgetauscht.", ergänzte Natascha. „Ich versteh einfach nicht, wie er plötzlich sogar dazu bereit sein kann, dem Jungen Gewalt anzutun, wenn er nicht redet. Wir können nur ahnen, dass ihm etwas Schlimmes passiert sein muss, ich glaube nicht, dass er sich freiwillig Hydras Experimenten unterzogen hat. Wie kann Steve, der sich sonst so für Mitleid und zweite Chancen einsetzt, dann auf einmal so kaltherzig sein? Was ist an seinem Bucky so besonders, dass er ihn so unbedingt retten will?" Natascha seufzte. „Er hat ihn zweimal verloren, ich denke, er will es nicht noch ein drittes Mal tun." Irritiert blickte Tony zu der rothaarigen Frau hinüber. „Was weißt du schon wieder, was ich nicht weiß?" Natascha lächelte, aber es war ein freudloses Lächeln. „Du warst damals nicht dabei, als sie sich wiedergesehen haben. Hast du schon einmal etwas vom Winter Soldier gehört?"
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