Kapitel 1

Als er erwachte, bemerkte er sofort den Temperaturunterschied, der in der Luft lag. Die sibirische Kälte war verschwunden. Er ließ seine Augen geschlossen, und lenkte seine Konzentration auf seine Ohren. Das Rauschen des Winterwindes, das Knarzen der sich biegenden Baumstämme und auch das Knirschen und Knistern des Schnees unter seinen Füßen war verschwunden. Stattdessen füllte ein leises und kontinuierlich monotones Brummen seinen Kopf. 

Es störte ihn ungemein. Aber außer diesem Geräusch vernahm er nichts, was auf Gefahr hindeutete, weshalb er es wagte, langsam die Augen zu öffnen. Peter ließ seinen Blick sofort durch seine neue Umgebung schweifen. Er war, wie bereits erahnt, allein in dem quadratischen Raum mit hellen Wänden. Allein, ohne seinen Soldaten. Ohne sein Herz. 

In den oberen Ecken des Zimmers registrierte er jeweils eine Kamera, winzig klein, aber dennoch für seine Augen sichtbar. Das Licht kam von einer modernen Lampe, welche an der hohen Decke angebracht war und ihn mit ihren grellen Strahlen blendete. 

Er spürte seine Glieder kaum, und als er versuchte, sie zu bewegen, bemerkte er sofort, dass ihn etwas daran hinderte. Fesseln. An seinen Hand – und Fußgelenken. Und sie waren auf jeden Fall stärker, als gewöhnliche Fesseln. Seine Entführer mussten Kenntnis davon haben, dass er über fast übermenschliche Kräfte verfügte. 

Peter versuchte gar nicht erst, sich zu befreien. Er drehte leicht den Kopf, wohlwissend, dass sicherlich jede seiner Bewegungen aufgezeichnet und gemeldet wurde, was hieß, dass er bald nicht mehr allein war. 

Konnte es etwa Hydra sein? Hatten sie ihn wieder geschnappt und zurückgebracht? Panik ergriff ihn. Was, wenn das hier eine neue, grausame Art war, um ihn für sein Fehlverhalten zu bestrafen? Der Raum an sich war nicht vergleichbar mit dem, was Peter bisher von Hydra kannte, denn alles hier war irgendwie zu freundlich, aber ihm war klar, dass der Schein trügen konnte. Was hatten sie nun mit ihm vor?

 Er lauschte erneut. Noch war außer dem Brummen, welches sicherlich von der Deckenlampe kam, nichts weiter zu vernehmen. Hieß das, er war erstmals sicher? Oder wollten sie ihn mit Absicht warten lassen, um seine Angst zu schüren? 

Um sich zu beruhigen zwang er sich dazu, tief einzuatmen und an etwas Schönes zu denken. Nicht, dass es da so viele Möglichkeiten gab, denn er besaß keinerlei Erinnerungen mehr an sein Leben bevor er in Hydras Klauen gelandet war. Er war sich ja noch nicht einmal sicher, ob „Peter" überhaupt sein richtiger Name war. Es war einfach nur ein Fetzen eines Gefühls, dass dieses Wort Bedeutung für ihn hatte – oder ihm zumindest aus anderen Zeiten bekannt vorkam und in Erinnerung geblieben war. 

Letzten Endes fixierten sich seine Gedanken auf alle möglichen Ereignisse, die er gemeinsam mit seinem Partner erlebt hatte. Peter fand es mehr als traurig, dass er weder bei seinem eigenen Namen sicher war, noch den seines einzigen Verbündeten wusste. Er hatte einmal einen der Agents gehört, wie er ihn „Winter" genannt hatte. Die Abkürzung war nett, aber es war nicht das Richtige. Es war nicht vergleichbar damit, wenn man einen richtigen Namen besaß. Ihnen war dieses Privileg nicht gegönnt; Waffen durfte man nicht vermenschlichen. 

Peter bemerkte wohl das Gefühl von einer tiefgreifenden Sehnsucht die ihn ergriff, als er an seinen Freund dachte. Er hatte keine Ahnung, wo er war und wie viele abertausende Kilometer sie jetzt vielleicht schon trennten. Die Vorstellung, nicht mehr zu ihm zurückzufinden, war grässlich. Er wünschte, er hätte ihn nicht in diesem dunklen Raum, eingeschlossen in einer kalten Kammer umgeben von Eis zurücklassen müssen. In den Händen ihrer Händler, ihrer Auftraggeber. In Hydras Händen. Aber er hatte keine andere Wahl gehabt. Er hoffte, irgendwann könnte der Soldat ihm verzeihen, dass er hatte gehen müssen – zu ihr beider Wohl. 

Peters Muskeln spannten sich sofort an, als er plötzlich andere Geräusche vernahm. Er zwang sich, sein ausdrucksloses Gesicht beizubehalten und herauszufinden, was genau für Geräusche das waren, die er nun hörte. 

Es dauerte nicht einmal fünf Sekunden, und er hatte es als Schritte und Stimmen von mindestens zwei Personen identifiziert. Beide unverkennbar männlich. Jetzt konnte er nur beten, dass es nicht Hydra war. 

Es vergingen ein paar unheilvolle, quälend lange Minuten, in denen er nur auf das Näherkommen der beiden Personen lauschte. Leider konnte er den genauen Wortlaut ihrer Konversation nicht verstehen. 

Erst, als sie dem Raum, in dem er sich befand, ganz nah wahren, meinte er, ein paar Worte herauszuhören. Es ging um Vertrauen, extreme Stärke und – „Dieses Kind ist gefährlich, Steve! Hast du nicht gesehen, dass wir alle zusammen arbeiten mussten, um ihn unter Kontrolle zu bringen?" 

Sie hatten den Raum betreten. Peter spürte, wie sich sein Herzschlag minimal beschleunigte, aber er wusste, dass er das nicht zeigen durfte. Weder seinen Feinden, noch seinen Verbündeten. Nicht, dass er letzteres überhaupt besaß. 

Ihm war klar, dass es in dem Gespräch der Beiden wohl um ihn gehen musste. Etwas anders kam so gut wie nicht in Frage, da sich das Wort Kind, welches einer der Männer benutzt hatte, wohl ihn bezeichnen sollte. Er sah jünger aus, als er war, so viel wusste er. Auch wenn er keine genaue Zahl kannte, er war erwachsen. 

„Er gehört zu Hydra. Ich dachte, die wären deine Erzfeinde. Warum nimmst du ihn in Schutz?" Wieder sprach die erste Stimme. 

Peter hörte aufmerksam zu und saugte jede Information auf, die er kriegen konnte. Es war wichtig, so schnell wie möglich die Schwächen anderer zu erkennen. Nur so konnte er im Notfall auch die Überhand behalten. 

Jetzt meldete sich auch endlich der andere Mann zu Wort. „Ich nehme ihn nicht in Schutz. Aber ich denke, wir sollten dieses Gespräch nicht hier ausführen. Er hört zu." Die Schritte bewegten sich um ihn herum. 

Peter blieb still liegen, worauf auch immer sie ihn gefesselt hatten. Es könnte beinahe ein Bett sein, weil es sich so weich unter seinem Körper anfühlte. Es war ein ungewohntes Gefühl, aber nicht unwillkommen. Im Gegenteil, eigentlich empfand er es als recht angenehm. Er wünschte seinem Partner, dass er irgendwann genau das Gleiche fühlen durfte. 

Als Peter die Blicke zweier Augenpaare – die Kameras ließ er aus, da er nicht einschätzen konnte, wie viele Menschen ihn dadurch beobachteten – auf sich spürte, widersetzte er sich dem Drang, seinen Kopf anzuheben und zurück zu starren. Stattdessen zwang er sich dazu, mit einem stumpfen und ausdruckslosen Blick wieder die Decke und die grässlich blendende Lampe zu betrachten. 

Es verstrichen ein paar Momente, in denen keiner etwas sagte. Schließlich klatschte einer der beiden in die Hände, und wieder sprach die erste Stimme. „Na dann J, lass uns doch mal ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht mit Caps neuem Freund führen." 

Wer auch immer „J" und „Cap" waren – Peter gelang es, immer noch keinerlei Regung zu zeigen, als er sich plötzlich aufzurichten begann, oder besser das, woran man ihn gefesselt hatte. Er war dankbar dafür, wie gut er seine Reflexe unter Kontrolle hatte. Ordnung durch Schmerz hatte vielleicht auch seine guten Seiten. 

Schließlich war das Bett, er behielt die Annahme dafür, dass er daran gebunden war, fast vollkommen vertikal ausgerichtet, sodass sich nun seine beiden Besucher endlich auch in seinem Blickfeld befanden. Sofort huschte ihr Blick über ihre Gesichter, ihre Körper, während sein Kopf bereits kalkulierte, welche Gefahr sie für ihn darstellen könnten. 

Einer der beiden Männer war recht klein, dunkelhaarig und hatte eine Art Leuchten auf der Brust. Peter identifizierte ihn als niemand geringeren als Tony Stark. Und auch der andere hatte einen Platz in seinem Gedächtnis; groß und breit gebaut, blond – wohl ohne Zweifel Steve Rogers. Er hätte es sich bereits denken können, als der Name Steve gefallen war. Das hieß, er war ein paar der größten Feinde Hydras in die Fänge gegangen. Leider konnte er nicht abschätzen, ob das gut oder schlecht war. 

Schließlich richtete Stark das Wort an ihn, und er verhielt sich genauso, wie Peter es erwartet hätte. „Hey Kleiner." Am liebsten hätte er die Augen verdreht, aber er zwang sich weiterhin zu seiner ausdruckslosen, leeren Miene. „Du hast dir jetzt ganz schön viel Ärger eingehandelt. Aber ich muss dir ein Kompliment machen – du hast uns ganz schön auf Trab gehalten." 

Das bestätigte endgültig, dass Pieters Probleme vielleicht gerade um einiges größer geworden waren. Denn mit „uns" meinte Stark nicht nur sich und Rogers. Es ging um die ganzen Avengers – und das machte es deutlich schwieriger, seinen soeben gefassten Fluchtplan durchzuführen. 

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