Knochenarbeit: Durchgeschwitzter Kittel, kein Mittagessen, Müdigkeit

Mein Beitrag über die letzte Woche in der Unfallchirurgie wird ein wenig kürzer ausfallen als sonst, da ich mich leider ein wenig angematscht fühle (kein Corona, Test war negativ). 

TEP, TEP, TEP: Ich kann keine Prothesen mehr sehen

Die ersten paar Male war's interessant zu sehen, wie eine Hüfte eröffnet, der Kopf des Oberschenkelknochens herausgesägt und die Prothese eingesetzt wurde (TEP steht für die sperrige Langform "Totalendoprothese"). Mittlerweile freue ich mich allerdings nicht mehr, wenn ich im OP-Plan dafür eingeteilt werde. Erstens sieht man nichts Neues mehr und zweitens sind TEPs für einen Studenten mega anstrengend. Der Grund: Man wird meistens als zweiter Assistent eingeteilt, der mit den Riesenhaken (ich vergesse immer, wie die heißen, der größte ist wohl der Lieblingshaken vom Chef :D) das OP-Gebiet offenhalten darf. Das heißt, vom interessanten Teil der OP (wo säge ich den Femurkopf ab, wie bohre ich für den Prothesenschaft) sieht man nicht viel, die Hände krampfen dafür aber mehr, unter anderem weil die meisten Patienten ein wenig kräftiger gebaut sind und man deshalb umso mehr Kraft braucht, die Fett- und Muskelschicht mit den Haken zurückzuhalten. Auch das Hochhalten des Beines vor Beginn der OP, damit der Chirurg es desinfizieren und steril einwickeln kann, lässt oft jeden Besuch im Fitnessstudio überflüssig erscheinen.  

Während der OP läuft dann der Schweiß in Strömen den Rücken hinunter, wozu die Röntgenschürze, die man trägt, falls zwischendrin die Lage der Prothese kontrolliert werden muss, ihren Teil beiträgt. Natürlich ist Trinken, Essen oder aufs Klo gehen streng verboten und hinsetzen darf man sich meist auch nicht. Glücklicherweise dauern die meisten TEPs nicht länger als zwei Stunden, aber ab und an geht mal was schief und dann steht man drei Stunden gekrümmt über dem Patienten. Besonders lustig wird es, wenn der Chirurg nicht möchte, dass man zum Haken halten auf der Seite steht, auf der man logischerweise stehen sollte. Zitat: "Das stört mich, wenn Sie da stehen, wenn ich operiere." Anderer Chirurg: "Aber wie soll sie sonst die Haken halten?" Erster Chirurg: "Das ist meine OP und da organisiere ich alles so, dass es mir am besten damit geht." Resultat: Student steht noch gekrümmter über dem Patienten, der Rücken eines Untertanen ist Chirurg Nummer eins egal. Wozu auch, der kann ja ausgetauscht werden, wenn er kaputt geht, ist ja kein wertvoller dauerhafter Mitarbeiter^^ (sonst war besagter Chirurg ganz nett, hat anscheinend nur diese Marotte, dass es ihn verrückt macht, wenn bei der OP jemand neben ihm steht)

Mittagessen kann man oft vergessen und Kopfweh, Schnupfen und "ich glaub ich hab Corona-Symptome" am OP-Tisch

Tja, wie oben schon erwähnt gehört Essen im OP zu den absoluten No-go's. Gerne finden die OPs auch zwischen 12 und 14 Uhr statt und oft steht man nicht auf dem OP-Plan und wird kurzfristig angerufen, sodass man vorher keine Zeit mehr für eine Banane oder einen Müsliriegel hat. Also heißt es Magenknurren ignorieren und so tun, als ob nichts wäre. Viele der Chirurgen essen zwischen Frühstück und Abendessen überhaupt nicht (von ein paar Toffifees aus dem Schwesternzimmer mal abgesehen) und man muss als Student aufpassen, es ihnen aus falschem Solidaritätsgedanken nicht nachzumachen. Klar kommt man sich blöd vor, wenn alle gestresst aufs Essen verzichten und man sich in die Kantine davonschleicht, aber man muss im Krankenhaus lernen, auch an sich selbst zu denken. Es hilft keinem, wenn man nicht isst und dann im OP doch umkippt (hab einmal das Frühstück ausgelassen, wurde spontan in den OP geschickt und mich mit Müh und Not durch die OP gequält). Man lernt auch schnell, dann zu essen wenn man gerade Zeit hat. Wenn die Kantine um 12 aufmacht und der Studentenunterricht um 14:00 anfängt, sollte man sich trotzdem nicht erst um 13:30 mit den anderen Studenten treffen, denn dann macht einem das Studenten-Telefon garantiert einen Strich durch die Rechnung. Das klingt jetzt, als wäre ich besonders gefräßig, aber man lernt regelmäßiges Essen wirklich zu schätzen, wenn man häufig keine Möglichkeit dazu hat. 

Auch von der Vorstellung, dass wie in anderen Berufen Rücksicht darauf genommen wird, wenn man sich angematscht mit fiesem Kopfweh, laufender Nase oder schmerzenden Armen auf die Arbeit quält, sollte man sich verabschieden. Aus Personalmangel gibt es keinen netten Kollegen, der deinen Platz im OP einnehmen kann und es kommt nicht selten vor, dass der Nachbar am OP-Tisch sich genauso grottig fühlt wie du. Da reicht die Schwester noch schnell eine Ibuprofen-Tablette, der Rotz aus der Nase bleibt unter dem Mundschutz kleben oder wird hochgezogen, damit man die Erkältung ja nicht los wird, sich bei Schwindel gegen den Patienten gelehnt, damit die Haken irgendwie gehalten werden können und los geht's. Corona-Symptome sind auch keine Ausrede, wenn der Schnelltest negativ ist, wird man trotzdem im OP erwartet. 

Auch wenn man sich bei Erkältung und grippalen Infekten schonen sollte-TEPs sind nun mal Schwerarbeit und man muss sich in dem Moment zusammenreißen. Ich muss manchmal lachen, wenn ich Arbeitsschutzinfos lese, was wem bei welchen Symptomen zugemutet werden kann und was nicht-für Krankenhausmitarbeiter gelten auf jeden Fall andere Regeln. Die sollen bitte auch infiziert mit Corona Schwerstarbeit verrichten, irgendjemand muss in dieser Gesellschaft ja die Arschkarte ziehen, während alle anderen Rechte genießen. 

Ich wage mal zu behaupten, dass der Großteil der arbeitenden Bevölkerung solche Bedingungen nicht tolerieren würde: bei regelmäßig fehlendem Mittagessen und anstrengender körperlicher Arbeit trotz Unwohlseins wären die meisten wohl auf den Barrikaden. Wütend machen einen auch die Patienten, die sich trotz allem (in welchem anderen Land bekommt man schon so eine sauteure OP wie eine TEP, die körperliche Schwerstarbeit unter anderem für den Studenten mit dem 2-Euro-Stundenlohn erfordert, komplett von der Kasse bezahlt?) über alles beschweren. Zu lange auf OP-Termin gewartet, Essen schmeckt nicht, der Arzt hat einen Akzent (in der Abteilung sind 80% der Ärzte keine Deutschen, wer soll euch bitte dann operieren?)... Manchmal wissen die Leute hier echt nicht, wie gut sie es haben. Aber natürlich gibt es auch die nette Omi, für die sich die harte Arbeit lohnt, wenn sie danach wieder schmerzfrei laufen kann.

Vielleicht hat man gemerkt, dass ich gerade ein wenig gestresst und genervt bin und an dieser Stelle: Leute, ein Bürojob ist nicht so schlecht! Ihr könnt euch angematscht mit einer Tasse Tee auf einen gemütlichen Stuhl hocken! Als PJ-Studentin zählen meine Krankheits- wie Urlaubstage, deswegen kann ich leider nicht immer zuhause bleiben, wenn es mir scheiße geht.

Omi, Omi, Omikron... Ausbruch bei den OTA's: Wird der OP geschlossen?

So, nach dem ein oder anderen Omikron-Fall bei den Ärzten, der den OP- und Dienstplan gehörig durcheinandergewirbelt hat, weil es sowieso schon zu wenig Personal gibt, hat es nun auch die operationstechnischen Assistenten erwischt. Hauptthema im OP: Wer darf in Quarantäne? Ja darf, denn die meisten Kontaktpersonen der Corona-positiven OTA wollen in Quarantäne, um eine Pause vom täglichen Klinik-Wahnsinn zu haben. Bis klar ist, ob sie Omikron hat, müssen die drei allerdings noch arbeiten. Fallen die drei aus, bedeutet das: vier OTA's weniger, ein OP-Saal muss geschlossen werden. Nur blöd, dass jede Fachrichtung im Moment den OP-Plan auch mit elektiven Eingriffen zustopft wie verrückt. Anscheinend wollen alle so viel wie möglich durchboxen, bevor noch mehr Personal ausfällt. HNO, Gynäkologie, Allgemein- und Unfallchirurgie, Thoraxchirurgie... Manchmal findet der Chef nicht mal mehr freie Termine für seine TEPs im Plan. Außerdem denkt ständig jemand, er/sie habe Symptome, die Schnelltests sind zwar meist negativ, aber ein komisches Gefühl bleibt trotzdem. 

Fazit meiner Zeit in der Unfallchirurgie und Hallo Allgemeinchirurgie

Fazit: Es war ganz interessant, die OPs zu sehen und sich Röntgenbilder von gebrochenen Knochen anzuschauen. Die Leute waren sehr nett und ein paar Grundfertigkeiten (Verbände anlegen, Fäden ziehen, Klammern, Untersuchung, Zugänge legen) habe ich auch gelernt, aber praktisch hätte ich gerne noch mehr gemacht (vielleicht mal im OP die Wunde zuzunähen oder eine Schraube zu entfernen). Allgemein bin ich froh, demnächst keine schwere Röntgenschürze mehr während der OP tragen zu müssen und auch vom Kraftaufwand werden die allgemeinchirurgischen OPs wohl nicht so schlimm wie die künstlichen Hüft- und Kniegelenke sein. Damit hatte ich wirklich Probleme, manchmal musste der Arzt mit seinem Ellenbogen meinen Haken mitrunterdrücken, weil ich nicht genug Kraft hatte. Von Prothesen hab ich mittlerweile auch die Nase voll und freue mich, endlich was anderes zu sehen.

Erwartungen an die Allgemeinchirurgie: Vom Kraftaufwand wird's wohl nicht so schlimm, von der Länge der OPs manchmal schon (5 Stunden Colonresektion, mir graut es davor). Das Spektrum ist allerdings breiter und ich persönlich finde es auch interessanter als in der Unfallchirurgie (Schilddrüse, Darm, Herzschrittmacher-Einbau). Zudem gibt es dort statt einem drei Studenten, das heißt man kann sich mit den OPs abwechseln, wenn sich jemand nicht fit fühlt. Und man kann die anderen um Hilfe bitten, wenn man nicht gleich den Assistenzarzt fragen möchte: Teamwork makes the dream work :-)

                                                                                *

So, ich leg mich jetzt nochmal hin und erhol mich, der Schnelltest war wie gesagt heute Morgen negativ, aber ich hatte die Nacht über Schüttelfrost und fühl mich insgesamt schlapp. Bis nächste Woche und meinem ersten Erfahrungsbericht aus der Allgemeinchirurgie! Wenn ihr noch was Bestimmtes wissen wollt, fragt gerne.

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