Achtung Strom auf der Intensivstation und ackern wie ein Gaul im OP

Meine letzte Woche war zweigeteilt, sowohl vom Lerneffekt als auch von der Behandlung als Studentin her. Die ersten beiden Tage war ich auf der Intensivstation, was super war, die anderen Tage leider nur als Lückenfüller im OP.

Jede Menge Schläuche, BGAs, Kardioversion: Neue Aufgaben auf der Intensivstation

Montag und Dienstag durfte ich auf der Intensivstation mitarbeiten, was bei einem bis zum Bersten vollgestopften OP-Plan nur dank einer Famulantin (Medizinstudentin zwischen drittem und sechstem Studienjahr) möglich war. Sie war nämlich drei Wochen lang mit mir und der anderen PJ-Studentin auf der Allgemeinchirurgie und half uns bei allen anstehenden Aufgaben. Beinahe wäre meine selbst organisierte Rotation (musste drei verschiedene Leute fragen, ob ich auf die Intensivstation darf, habe also richtig darum gekämpft ;-)) trotzdem baden gegangen, denn die andere PJ-Studentin war Anfang der Woche krank und die Famulantin zweifelte, ob sie von früh bis spät alleine im OP durchhalten würde. 

Kurz dachte ich darüber nach, meine Rotation zu verschieben, doch dann setzte mein Kämpferwille ein: Ich hatte mich sehr für die Mini-Rotation eingesetzt, sie war mir bewilligt worden und wer sagt schon, dass an einem anderen Tag nicht wieder was dazwischen kommt, weil jemand krank ist? Auf der Intensivstation würde ich richtig was lernen und ich fand den Gedanken nicht fair, stattdessen wieder als Hakenhalterin in OPs zu müssen, die ich inzwischen schon in und auswendig kannte. Mal ehrlich, zwei Tage sind sehr wenig und wenn man das ganze restliche Tertial brav stundenlang im OP steht und Verbände wechselt und damit die interessanten Aufnahmen in der Notaufnahme verpasst, hat man es sich verdient, mal zwei Tage lang was anderes zu sehen. Also sagte ich der Famulantin, dass die Chirurgen einen ihrer Assistenzärzte in den OP schicken müssten, wenn es ihr zu viel wird. Denn Studenten sind offiziell keine regulären Arbeitskräfte, sondern zusätzlich (!) da. Wir sollten niemanden ersetzen, sondern vor allem lernen (deswegen wird an manchen Kliniken für's PJ auch gar nichts beziehungsweise lächerliche 200 Euro pro Monat bezahlt, rechnet das mal als Stundenlohn um). 

Glücklich, mal nicht die Studentin gespielt zu haben, die sich vom Krankenhausbetrieb ausbeuten lässt und deswegen erkämpfte, wichtige Erfahrungen sausen lässt, kam ich schließlich im Besprechungsraum der Intensivstation an. Die PJ-Studentin aus der Anästhesie ist im Moment auch dort, was sehr praktisch war, da sie mir so einiges zeigen konnte. Vom Arbeitsklima auf der Intensivstation war ich sehr angetan. Von der Hektik und der Massenabfertigung wie auf Normalstation war dort nichts zu sehen, stattdessen besprach man erst einmal eine halbe Stunde lang ausführlich die Patienten, die dort und auf der IMC liegen. Die IMC ist die intermediate care Station, was bedeutet, dass die Patienten dort nicht intensivmedizinisch behandelt werden, aber die Vitalparameter durchgehend überprüft werden müssen und sie eine engmaschigere Betreuung benötigen als die Patienten auf Normalstation (die IMC ist also die Behandlungsstufe zwischen Normal- und Intensivstation). Die Patienten sind im Regelfall älter und haben verschiedene, schwere Krankheiten auf einmal, was die Behandlung sehr komplex macht. Unter den häufigsten Krankheitsbildern finden sich auf der Intensivstation vor allem schwere Lungenentzündungen, COPD (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung) und Patienten, die nach einer großen OP, wie einer Darmresektion, noch nicht wieder stabil sind. Auf der IMC liegen Patienten nach dem Einbau eines künstlichen Hüftgelenks (OP mit möglichem starkem Blutverlust), aufgrund einer Einblutung in die Nasennebenhöhlen nach einem Unfall oder nach einem erstmalig aufgetretenen Krampfanfall bei anderen Vorerkrankungen wie einer bekannten Niereninsuffizienz. 

Auch während der Visite auf der Intensivstation wird sich für jeden Patienten ausreichend Zeit genommen und man trägt den Bewusstseinszustand (wach? orientiert?), Blutdruck, Temperatur, Sauerstoffsättigung sowie den Untersuchungsbefund für Abdomen (weich? Darmgeräusche auskultierbar?) und Lunge (Rasselgeräusche, die auf eine Pneumonie hindeuten?) in die Akte ein. Nur in die Covid-Zimmer geht nur ein Arzt alleine, denn hierfür muss man sich einen Plastikkittel, Handschuhe und ein Gesichtsvisier anziehen, was aufwändig ist. Bei zwei Covid-Patienten hat die Intensivstation glücklicherweise noch ausreichend Kapazitäten für andere Patienten. Teilweise liegen die Patienten auch nicht wegen Corona auf der Intensivstation, sondern wegen einer anderen Erkrankung und haben zusätzlich Corona. 

Nach der Visite zeigte die andere Studentin mir, wie man BGA's (arterielle Blutgasanalyse) abnimmt. Normalerweise nimmt man Blut aus der Vene ab, wenn man bestimmte Parameter wie Sauerstoff- und Kohlendioxid-Verteilung im Blut sowie den Säure-Basen-Haushalt bestimmen möchte, braucht man sauerstoffreiches, arterielles Blut. Hierfür punktiert man in einem 30 Grad-Winkel die Arteria radialis am Unterarm mit einer speziellen Spritze. Die muss dann noch so an ein BGA-Analysegerät gehalten werden, dass das Blut dort angesaugt werden kann (Hält man die Spritze schief oder zieht sie zu früh weg, ist das Blut futsch und man muss die Patientin nochmal pieksen. Ist mir während meiner Pädiatrie-Famulatur ein paar Mal passiert und bei Kindern ist das natürlich noch unangenehmer). Das Gerät spuckt dann einen Zettel mit Werten wie Sauerstoffpartialdruck, Basenüberschuss und Glucosekonzentration aus. Mit Hilfe der Werte erkennt man, ob der Patient eventuell ein EK (Erythrozytenkonzentrat) braucht, weil der Hämoglobingehalt zu niedrig ist oder der pH-Wert zu niedrig (Azidose) oder zu hoch (Alkalose) ist. Da man auf der Normalstation nur selten BGAs abnimmt, habe ich darin noch keine Übung und muss es erst noch richtig lernen. 

Manchmal kann man die BGAs auch direkt aus einem Schläuchesystem abnehmen, das am Intensiv-Patienten angelegt wurde. So kommt man dank eines dauerhaften arteriellen Zuganges an das Blut des Patienten, ohne ihn ständig pieksen zu müssen. Man dreht den roten Dreiwegehahn auf, entnimmt das arterielle Blut, spült mit Natriumchlorid durch und schließt den Hahn wieder. Hierbei muss man aufpassen, den Dreiwegehahn in die richtige Richtung zu drehen, sonst sprudelt das Blut weiter heraus und man verspritzt Blut auf der Patientendecke. Zusätzlich haben viele Patienten noch einen ZVK (zentraler Venenkatheter) am Hals, denn über die dicke Halsvene können Elektrolytlösungen oder mehrfache Bluttransfusionen, die die peripheren Venen zu stark reizen oder überlasten würden, gegeben werden. Insgesamt haben mich die unzähligen Schläuche und Kabel, an denen die Intensiv-Patienten hingen, ein wenig verwirrt, denn man muss sich erstmal orientieren, was wozu gehört und was man wofür öffnen muss. Neben arteriellen und venösen Zugängen gibt es da nämlich noch EKG- und Blutdruckmessgerätkabel, ein Pulsoxymeter (misst die Sauerstoffsättigung) und so weiter. 

Wenn Patienten erfreulicherweise von der ITS oder IMC auf die Normalstation verlegt werden, müssen wie überall Berichte geschrieben werden, doch die sind meiner Meinung nach viel übersichtlicher als auf anderen Stationen. Man nennt die Diagnose, welche Untersuchungen auf Station gemacht wurden, welche Medikamente der Patient im Moment bekommt, schreibt eine kurze Zusammenfassung (weshalb wurde der Patient aufgenommen? wie ist sein Zustand jetzt?) und gibt Empfehlungen für die weitere Behandlung (hierzu gibt es Standardempfehlungen je nach Diagnose, man muss als Studentin also das Rad nicht neu erfinden). 

An meinem zweiten Tag auf der ITS und IMC durfte ich gemeinsam mit der anderen Studentin eine Patientin aufnehmen, die nach dem Einbau eines künstlichen Hüftgelenks geplant einen Tag lang auf die IMC kam. Wir fragten nach ihren Schmerzen, hörten Herz und Lunge ab, überprüften DMS (Durchblutung, Motorik, Sensibilität) an der operierten Seite und versuchten, eine BGA abzunehmen (auch ich hab mein Glück probiert, es allerdings genau wie die andere Studentin leider nicht geschafft, weshalb uns eine Ärztin helfen musste-aber nur durch Üben lernt man!). Außerdem fühlte sich die Patientin nach der OP psychisch belastet und gemeinsam mit dem pflegerischen Leiter redeten wir mit ihr, um ihr zu zeigen, dass sie nicht allein gelassen wird. Dank des guten Personalschlüssels auf der ITS und IMC kann man sich im Gegensatz zur Normalstation mehr Zeit für Gespräche nehmen, was ich sehr schön fand. Patienten aufnehmen und untersuchen kann man in der Allgemeinchirurgie leider viel zu selten und mir persönlich macht das viel mehr Spaß als im OP zu stehen und man lernt meiner Meinung auch mehr als bei der zehnten Cholezystektomie (Entfernung der Gallenblase).

Allgemein ist die Atmosphäre im Team und die Lehre auf der Intensivstation wirklich top. Wir hatten immer einen Ansprechpartner, wurden miteinbezogen und bekamen viel erklärt. Auch die Intensivpfleger haben uns einiges gezeigt und oft wusste ich nicht, ob mir gerade ein Arzt oder Pfleger gegenüber steht, da sich alle perfekt auskannten und unglaublich kompetent wirkten. Auf die Intensivstation kommt man auch erst nach längerer Ausbildung (Assistenzärzte erst nach mehreren Jahren Normalstation und Pfleger nach der Grundausbildung, sie machen danach noch eine Zusatzausbildung). 

Mein Highlight stand am zweiten Tag auch noch an, denn ich durfte einen Patienten kardiovertieren! Eine Kardioversion habt ihr bestimmt schon mal bei Greys Anatomy oder Scrubs gesehen, denn hierfür reibt der Arzt im Film die gelbeschmierten Pads (siehe Bild oben) aneinander und schockt den Patienten. Mittlerweile wird allerdings kein Gel mehr verwendet, was das Aneinanderreiben überflüssig macht. Inzwischen gibt es geleartige Unterlagen, die man auf den Brustkorb und die Seite des Patienten klebt und auf die man die Pads drückt. So eine Kardioversion wird bei Vorhofflimmern oder Vorhofflattern eingesetzt, um den Herzrhythmus des Patienten wieder in einen normalen Sinusrhythmus zu verwandeln. Vorher muss der Patient allerdings sediert werden (wofür Propofol über einen Zugang gegeben wird), denn wach geschockt zu werden ist bestimmt nicht angenehm. Ein wenig mulmig war mir schon zu Mute, denn ich hatte Angst, mich mitzuschocken, aber ich wollte mir diese Lernmöglichkeit nicht entgehen lassen. Also drückte ich die Pads fest auf die Geleeunterlagen (ohne die verbrennt man die Haut des Patienten), drückte auf den Ladeknopf und achtete darauf, mit dem restlichen Körper vom Patienten weg zu sein. Dann wartete ich auf den Stromschlag, bei einer Kardioversion wird der Patient nämlich nicht irgendwann geschockt, sondern wenn sich die Herzkammern kontrahieren (reduziert das Risiko für Kammerflimmern). Irgendwann kam er auch und der Patient zuckte und auch sein Arm flog mir entgegen. Glücklicherweise hatte ich mich nicht mitgeschockt, aber da man nicht genau weiß, wann der Schock abgegeben wird, wenn man mit dem Rücken zum EKG-Monitor steht, habe ich mich erschrocken. Danach fand ich es aber mega cool, dass ich etwas machen durfte, was man sonst nur in Filmen sieht und zu sehen, wie der Herzrhythmus des Patienten sich von einem Augenblick auf den anderen wieder normalisierte, war ein tolles Gefühl. Mit Hilfe der Kardioversion kann man Patienten sehr schnell helfen, was man sonst in der Klinik nicht oft sieht. 

Kurz noch zum Unterschied zwischen Kardioversion (die auch ein Herzschrittmacher macht)  und Defibrillation: Bei der Defibrillation werden ebenfalls Pads auf den Patientenkörper aufgeklebt, die an einen Defibrillator angeschlossen sind. Sie wird eingesetzt, wenn ein bewusstloser Patient keinen Puls mehr hat und gibt ein nicht-koordiniertes elektrisches Signal ab (nicht an einer bestimmten Stelle im EKG). Die Kardioversion dagegen stellt den Sinusrhythmus durch ein synchronisiertes Signal (an bestimmter Stelle während der Herzaktion) wieder her. 

Fließbandarbeit im OP: Wie man StudentInnen verheizen kann

Die Arbeit auf der ITS war so, wie man es sich im PJ wünscht: Man hilft zwar auch mit wie bei den BGAs, aber ist in erster Linie zum Lernen da und wird von den Ärzten nicht mit Arbeit zugeschüttet, die sie selbst nicht machen wollen. So sollte zum Beispiel jemand die Corona-PCR-Abstriche in der Notaufnahme machen und einer der Assistenzärzte ist gegangen, weil sie der Meinung waren, dass man Studenten nicht jedes Mal die unliebsamen Handlangertätigkeiten aufschwatzen sollte. Logischerweise wollte ich von der ITS gar nicht mehr weg und wäre gerne die ganze Woche lang dort geblieben, was auch sinnvoll gewesen wäre, da es noch viel zu lernen gab. 

Nur leider war die andere Studentin noch immer krank und die Famulantin nach zwei vollen OP-Tagen erschöpft und mit Kopfweh geplagt. Auch abgesehen davon bin ich mir nicht sicher, ob die Chirurgen mir erlaubt hätten, länger auf der ITS zu bleiben, da einer ihrer Assistenzärzte immer noch in Quarantäne war und dementsprechend das mögliche Personal fürs Verbände wechseln auf der Station und die Arbeit im OP noch knapper war. Klar ist Corona eine Ausnahmesituation, aber hieran merkt man, dass die Behauptung, Studenten sind im PJ ja keine regulären Arbeitskräfte, sondern zum Lernen da, schlicht und einfach GELOGEN ist. Wenn den ganzen Tag lang nur Studenten (oft auch in zwei OP-Sälen parallel) eingeteilt sind, um den Oberärzten bei den OPs zu assistieren, stimmt es nicht, dass man niemanden ersetzt und nur zusätzlich da ist. Teilweise war nämlich tagsüber aufgrund von Personalmangel und Quarantäne nur ein Assistenzarzt da, der für die Station und die Notaufnahme verantwortlich war (plus der Arzt, der vor zwei Wochen neu angefangen hat und oft noch beim erfahreneren Assistenzarzt mitläuft). Ohne uns Studentinnen hätten die Chirurgen also die OP-Säle schließen müssen, irgendwo eine zusätzliche OTA zum Haken halten finden (wobei es von denen ja auch nicht so viele gibt) oder sich alleine durch die OP quälen müssen (fürs Kamera, zwei Klemmen und Kauter halten während der Gallenblasen-Resektion müssten ihnen dafür jedoch noch ein zusätzliches Paar Arme wachsen). 

Das ganze System funktioniert also nur, solange man genügend Studenten zum Lücken stopfen hat. Gedankt wird es einem allerdings nicht, denn wie schon erwähnt, gilt man als Student nicht als Arbeitnehmer und kann folglicherweise von den Rechten, die diese haben, nur träumen. Mindestlohn: Hättest du wohl gerne! (Manche Kliniken zahlen gar nichts, großzügigere einen Stundenlohn von zwei Euro). Krankheitstage: Gibt's nicht! (Man hat im PJ 30 Fehltage. Ob man Urlaub macht oder krank ist spielt keine Rolle. Da man sich ungefähr 20 davon zum Lernen vor der Prüfung am Ende des PJ aufheben sollte, macht das in fast einem ganzen Jahr nur zwei Wochen für Erholung und Krankheit. Das führt dazu, dass sich sämtliche Studenten krank zur Arbeit schleppen, denn nur Corona-Quarantäne zählt nicht zu den Fehltagen, hat man die Grippe oder Migräne, fällt dafür der Urlaub flach). Wie die OTAs abgelöst werden, wenn man acht Stunden lang in der Klinik war, aber die OP noch länger geht: Davon träumst du! 

Ich fand es ganz schön heftig, dass wirklich durchgehend im OP-Plan Studenten eingeteilt waren. Bei mehreren Studenten ist das ja okay, aber wenn wegen Krankheit einer alleine das schaffen muss, ist das Horror. Keiner der Assistenz- oder Oberärzte musste von früh bis spät in den OP, die hatten alle zwischendurch Pausen zum Erholen oder Essen. Nur die dummen Studenten können sich ja nicht wehren.  Am Mittwoch ging es noch, da es sich um höchstens zweistündige OPs handelte und man zwischendurch was trinken konnte. Donnerstag und Freitag stand aber jeweils eine dreieinhalbstündige Darmresektion auf dem Plan und da die anderen Studentinnen sich nicht fit genug für den OP fühlten (waren aber trotzdem in der Klinik anwesend, um keine Fehltage aufgeschrieben zu bekommen), musste an beiden Tagen ich mit rein, obwohl ich ebenfalls erkältet war und mich allgemein nicht fit fühlte (siehe Frauenprobleme im OP). Während der OPs war mir schwindlig und übel, meine Beine schmerzten und zu allem Übel wurde ich nur ab und an mal zum Haken halten gebraucht, hatte also das Gefühl, dass die OP auch ohne Student prima gelaufen wäre und dass sie nur einen eingeteilt haben, weil sie es können. Oft habe ich vom Operationsgebiet auch nichts gesehen, weil es durch den Oberkörper eines der Chirurgen verdeckt war, sodass ich wenig gelernt habe. Logischerweise war ich dann relativ unmotiviert und konnte mich schlecht konzentrieren. Am Ende beim Zunähen sagte ich dem Chirurgen auch zweimal, dass mir schwindlig ist und ich mich nicht gut fühle, ich durfte trotzdem nicht früher gehen. Anscheinend muss man wirklich richtig umkippen, bevor man aus dem OP entlassen wird. 

Die letzten drei Tage im OP fühlte ich mich richtig ausgenutzt. Wie eine wertlose, billige Arbeitskraft. Klar teilen die Chirurgen den PJ-Studenten nicht aus Böswilligkeit den ganzen Tag im OP ein, sondern aus Mangel an Alternativen, aber wenigstens ab und an könnten sie trotzdem den neuen Assistenzarzt mal in den OP schicken. Einer der Oberärzte meinte auch, er fände es komisch, wenn die Assistenzärzte vielleicht zweimal pro Woche bei kleineren OPs dabei sind und stattdessen die Studenten jeden Tag mit in den OP müssen. In seinem Heimatland wäre das undenkbar, schließlich wollen die Assistenzärzte (im Gegensatz zu vielen Studenten, die nicht freiwillig im OP sind!) Chirurgie machen und das lernt man schließlich nur, indem man operiert. Ich finde es auch völlig okay, im OP mitzuhelfen, irgendwer muss natürlich Haken halten, aber so gar nicht daran zu denken, dass es den meisten Studentinnen zu viel wird, wenn man sie ständig nur in den OP schickt, finde ich nicht nett. Schließlich haben nicht alle den besten Kreislauf und nicht alle sind für den OP geeignet (wie gesagt, im PJ muss da jeder hin, ob man will oder nicht). Außerdem fehlt die Zeit, in der Notaufnahme Anamnese und körperliche Untersuchung zu üben, wenn sofort das OP-Telefon klingelt, wenn ein interessanter Patientenfall aufgenommen wird. Und in der Prüfung am Ende des PJ kommt nun mal die körperliche Untersuchung und Diagnosestellung dran, wir werden nicht im OP geprüft! Neulich fragte einer der Oberärzte, weshalb ich denn auf Station keinen eigenen Patienten betreue (das heißt: dort Visite machen, Medikamente anordnen, Untersuchungen anfordern). Er hat wohl nicht daran gedacht, dass für so etwas Sinnvolles keine Zeit bleibt, wenn man der OP-Sklave ist (auch wenn er sonst ganz nett ist).

                                                               *

Wie ihr merkt, bin ich momentan genervt, übermüdet, fühle mich inzwischen in der Allgemeinchirurgie ausgenutzt für unliebsame Aufgaben, die mir die Zeit klauen, wichtige Dinge wie körperliche Untersuchung und Patientenzimmer betreuen zu lernen und habe die Nase voll von der Chirurgie. Glücklicherweise sind es nur noch zwei Wochen und danach muss ich nie mehr in den OP und obwohl ich es bis letzte Woche weniger schlimm fand als erwartet, freue ich mich sehr darauf, mit Chirurgie endlich fertig zu sein. Im Winter erkältet ständig in stundenlange OPs geschickt zu werden ist kein Spaß. Hoffentlich ist die andere PJ-Studentin morgen wieder fit, denn die Famulantin hat ihr Praktikum beendet und morgen steht eine fünf-Stunden-OP an (mein Rekord war vier Stunden, danach bin ich immer umgekippt, meine Beine schmerzen noch von letzter Woche und ich fühle mich nicht fit, also bin ich nicht erpicht darauf, mit in die OP zu müssen). Allgemein war der OP-Plan aus studentischer Sicht für nächste Woche so vollgestopft, dass mir schlecht geworden ist, als ich ihn gesehen habe. 

Ich habe mir vorgenommen, dass ich den Chirurgen sage, dass es so nicht geht, wenn die andere Studentin und ich die ganzen OPs körperlich einfach nicht mehr schaffen sollten. Wie gesagt-wir sind zum Lernen da und keine regulären Arbeitnehmer und da der Arzt, der in Quarantäne war, ab nächster Woche wieder kommen sollte, spricht nichts dagegen, dass sie ihre eigenen Assistenten mal mit in den OP schicken. Man kann Studenten nicht wie das Röntgengerät ohne Rücksicht auf die körperliche Belastung in eine OP nach der anderen schicken und erwarten, dass sie schon nicht kaputt gehen, sondern schön brav weiter funktionieren. Irgendwann muss man sich wehren, wenn man in der Krankenhaus-Maschinerie keinen Burn-Out bekommen will. Wenn nie jemand den Mund aufmacht, wird den Chirurgen auch nicht klar, dass das OP-Pensum zu viel ist bzw. sie nutzen es aus, dass man sich verheizen lässt. Vermutlich wird einem dann vorgeworfen, man sei faul und unmotiviert, aber wenn man sich jeden Tag stundenlang in den OP quält, obwohl man sich körperlich dazu nicht in der Lage fühlt, macht man sich kaputt.

Lichtblick: Ab morgen läuft der zehn-Tage-Countdown, dann heißt es "Bye,bye Chirurgie" :-) 

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