- Chapter 5 -
Magnus
Nur noch eine Woche. Nur eine Woche bis sie das Haus für immer verlassen mussten.
Magnus hatte das Gefühl als hätte sich die ganze Welt gegen ihn verschworen.
Der einzige Lichtblick war Izzy.
"Wieso fragst du nicht deinen Boss, ob er dir mehr bezahlen kann? Du arbeitest dort seit Jahren und dank dir läuft auch das Geschäft.", schlug diese gerade mit mitleidigem Blick im Gesicht vor.
Magnus seufzte und schüttelte müde den Kopf. "So einfach ist das nicht, Iz."
Seine beste Freundin verdrehte die Augen und legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel.
"Wieso machst du dich so klein? Hör auf dich selbst zu bemitleiden. Das ist nicht der Magnus Bane, den ich kenne."
Izzys Worte zauberten Magnus ein ungewolltes Lächeln auf die Lippen.
"Jetzt steh auf, mach dich fertig und geh zur Praxis. Wenn du willst, gehe ich auch mit."
Izzys Ton erlaubte keine Widerrede.
Magnus seufzte noch einmal tief auf. "Nein, bleib hier, das ist meine Sache. Außerdem wird er mir ja nicht den Kopf abreißen."
Izzy zuckte mit den Schultern. "Für mich ist er schon immer etwas unberechenbar gewesen, um ehrlich zu sein."
Magnus rollte mit den Augen und erhob sich.
Aus seinem Kleiderschrank zog er eine enge schwarze Jeans und ein dunkelgraues Hemd über das er eine schwarze ärmellose Weste zog.
Izzy beobachtete ihn stumm während er sich vor ihr umzog und sich dann an seinen Schminktisch setzte, um sein Gesicht zu contourieren und zu highlighten.
"Du siehst so jung aus, wenn du ungeschminkt bist."
Magnus zuckte erschrocken zusammen als er die Stimme seiner Mutter erkannte.
Überrascht sah er zu seiner Zimmertür, die jetzt offen stand, seine Mutter am Türrahmen gelehnt.
"Mom?", fragte er besorgt und wollte aufstehen, doch seine Mutter gab ihm beruhigend das Zeichen sitzen zu bleiben.
"Dein Boss...", ihre Stimme zitterte leicht. "er hat gerade angerufen."
Magnus und Izzy tauschten überraschte Blicke.
Noch nie hatte der Professor bei ihm zu Hause angerufen.
Magnus hatte nicht mal gewusst, dass sein Boss überhaupt ein Telefon bedienen konnte.
"Was wollte er?", fragte er seine Mutter überrascht.
Komischerweise hatte kein ungutes Gefühl, obwohl es eine etwas beunruhigende Situation war.
Seine Mutter zuckte mit den Schultern. Magnus sah, dass sie kurz davor war in Tränen auszubrechen.
Also stand er doch auf, drückte seiner Mom einen Kuss auf die Stirn und zog sie an sich.
Sie war viel kleiner als er. Ihr Kopf reichte gerade mal bis zu seiner Brust.
Die Größe hatte er von seinem Vater geerbt. Das sagte jeder in Dorf, wenn er sich mit Menschen unterhielt und das tat er ziemlich oft.
Doch der ständige Vergleich mit seinem toten Vater machte Magnus traurig.
Trotzdem lächelte er jedes Mal, wenn er darauf angesprochen wurde. Er wusste nur nicht, ob er lächelte, weil er es musste, oder weil er sich doch insgeheim darüber freute, mit seinem Vater verglichen zu werden.
Sanft strich Magnus seiner Mutter über den Rücken. "Alles wird gut. Ich wollte sowieso gerade zur Praxis. Der Professor wird sicher nur über die Akten unterhalten wollen. Das tut er gerne."
Magnus konnte sich ein schmunzeln nicht verkneifen.
Schon oft hatte der Professor an seinen guten Tagen ihn gebeten noch etwas länger zu bleiben, um die Akten seiner Klienten durchzugehen und Magnus' Meinung über den ein oder anderen Patienten einzuholen.
Magnus liebte diese Tage an denen sein Boss ihn in seine Arbeit mit einbezog. Denn an solchen Tagen konnte Magnus mit seiner Personenkenntnis glänzen.
Er fühlte sich manchmal wie geboren für den Job seines Professors, denn die Gespräche mit seinem Boss zeigten, dass Magnus mit seinen Beobachtungen fast nie falsch lag.
Doch in letzter Zeit gab es diese Tage fast gar nicht.
"Machen Sie sich keine Sorgen, Mrs Bane.", schaltete sich Izzy jetzt ein.
Magnus ließ seine Mom los, damit sie Izzy in die Augen sehen konnte.
Er liebte Izzys Gabe Menschen Kraft geben zu können, egal wie schlecht es ihnen ging.
Izzys Worte waren zwar einfach, doch Magnus merkte, was für eine Wirkung sie auf seine Mutter hatten.
"Isabelle, was würden wir nur ohne dich tun.", murmelte Mrs Bane jetzt leise und sah Magnus' bester Freundin dankbar in die Augen.
Magnus lächelte in sich hinein und setzte sich wieder an seinen Schminktisch, um seine Haare zu stylen.
Izzy gab ein gerührtes Geräusch von sich. Magnus grinste. Er wusste, dass Izzy keine Ahnung hatte, was sie auf die Worte seiner Mutter reagieren sollte.
In solchen Situationen war Izzy zu sehr überfordert, um einen passenden Satz zu formulieren.
"Wie wäre es, wenn ihr zwei euch jetzt in die Küche setzt, eine Tasse Kaffee trinkt und Izzy dir den neusten Tratsch aus dem Dorf erzählt. Kleiner Spoiler; Unser Pfarrer hat sich als schwul geoutet."
Magnus lachte innerlich über seine eigenen Worte und wusste gleichzeitig, dass er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hatte.
Mrs Bane hatte sich halb entsetzt halb amüsiert die Hand vor den Mund geschlagen, während Izzy in sich hinein kichert.
"Das ist doch...das kann doch nicht...", stotterte seine Mom etwas verlegen und starrte Izzy an.
Izzy stand auf, warf Magnus einen dankbaren Blick zu und legte Mrs Bane sanft einen Arm um die Schultern.
"In der Küche lässt sich so etwas viel besser bereden, denken Sie nicht auch?", und schob Magnus' Mutter sanft aber bestimmt aus Magnus' Zimmer.
Magnus schüttelte nur amüsiert den Kopf, zog sich seine schwarzen Stiefel an und verließ das kleine Haus mit einem leicht mulmigen Gefühl.
Was war, wenn der Professor nicht über seine Klienten sprechen wollte?
Aber worüber wollte sein Boss denn sonst mit ihm reden?
Allein, dass er bei ihm zu Hause angerufen hatte, macht die Situation noch seltsamer.
Magnus versuchte seine negativen Befürchtungen zu ignorieren und dachte stattdessen darüber nach, wie es wohl sein würde, Europa zu bereisen.
Er war noch nie verreist, aber er sehnte sich so sehr danach. Seine Seele brannte darauf in ein Flugzeug zu steigen, um die Welt endlich mit eigenen Augen zu sehen.
Italien, Spanien, Frankreich, Kroatien, England. Magnus' Herz fing heftig an zu klopfen.
Er würde alles dafür geben, um ein einziges Mal diese Länder bereisen zu dürfen.
Er würde alles dafür tun, um einmal ein originales British Breakfast zu essen oder in Italien abends in einem alten, aber dennoch wunderschönen Restaurant zu sitzen und sich durch typisch italienische Gerichte durchzuessen.
Ein Gefühl von Vorfreude machte sich in Magnus' Bauch breit und ließ ihn aufgeregt kribbeln.
Jedoch kehrte die Anspannung zurück, als er die Tür zur Praxis aufstieß und sein Professor schon fast erwartungsvoll auf dem Stuhl hinter dem Schreibtisch stand.
Magnus sah sich kurz um. Alles war wie immer. Der Schreibtisch war so sauber, wie er ihn gestern zurück gelassen hatte.
Der Aktenschrank war zu, jedoch konnte Magnus nicht sagen, ob ihn jemand durchgestöbert hatte.
Ein zorniges Gefühl machte sich in Magnus breit, als er darüber nachdachte, wie der Professor sich durch seine Arbeit durchsuchte.
Es war Magnus ganz allein zu verdanken, dass hier solch eine Ordnung herrschte und es machte ihn irgendwie wütend, wenn er sich vorstellte, dass der Professor selbstständig eine Akte aus dem Schrank zog und sie hinterher wahllos wieder zurück steckte.
Magnus wollte sich gar nicht vorstellen, wie der Aktenschrank nach kurzer Zeit aussehen würde, wenn er jemals gefeuert werden sollte.
Ihm wurde plötzlich ganz schlecht.
"Sie haben bei mir zu Hause angerufen."
Sein Boss hob beruhigend die Hände. "Aus Ihrem Mund hört sich das so an, als hätte ich ein schweres Verbrechen begangen."
Magnus senkte beschämt den Blick. Er hatte sich wirklich etwas harsch angehört.
"Entschuldigen Sie, ich wollte nicht unhöflich klingen."
Zu seiner Überraschung lächelte sein Boss leicht. "Ihre Mutter hat mir von Ihren Problemen zu Hause erzählt. Sie dachte, ich würde anrufen, weil ich Sie entlassen will, Magnus."
Magnus errötete. Verdammt, Mom!
"Sie macht sich Sorgen Sie, Magnus. Sie hat Angst davor, was aus Ihnen wird. Sie möchte nicht, dass Ihre Familie so abhängig von Ihnen ist, Mr Bane."
Magnus holte bestürzt Luft. "Das hat sie Ihnen erzählt?"
Normalerweise sprach seine Mutter nicht über ihre Gedanken und Gefühle. Vor allem nicht mit Fremden.
"Nein, aber ich wäre hier wohl fehl am Platz, wenn ich solche Dinge, nicht erkennen würde."
Richtig, sie befanden sich hier ja nicht umsonst in der Praxis eines Psychiaters.
"Ich wollte nicht, dass Sie mit meinen privaten Problemen in irgendeiner Weise belästigt werden.", sagte Magnus stotternd.
Es machte ihn nervös, dass sein Boss so entspannt war.
Normalerweise war der Professor immer in Bewegung und hielt sich nicht lange in einem Gespräch zwischen ihm und Magnus auf.
"Ich finde es interessant, um ehrlich zu sein. Ich weiß, was bei Ihnen zu Hause herrscht, Magnus. Ich weiß, woher Sie dieses unermüdliche Engagement für Ihren Job herziehen. Gleichzeitig weiß ich, dass das nicht reicht. Zumindest nicht für Sie."
Magnus erstarrte. War das der Moment? Würde er jetzt entlassen werden?
Angst strömte durch seinen Körper und ließ ihn panisch zurück.
"Aber...aber...", Magnus wusste nicht, was er sagen sollte.
Der Professor hatte den Kopf leicht schräg gelegt und musterte ihn genau.
Sieht er so auch seine Klienten an?, fragte sich Magnus.
Er fühlte sich unwohl in seiner eigenen Haut. Was ging dem Professor wohl gerade durch den Kopf?
"Ich möchte Ihnen helfen, Magnus.", sagte der Professor nach ein paar Momenten der Stille. "Sie haben potential, Mr Bane. Zwar haben Sie das Fach Psychologie nie studiert, doch ich möchte Sie mit einer meiner schwierigsten Klienten vertraut machen."
Magnus fühlte wie seine Augen sich weiteten und sein Herz fast vor Erleichterung aus seiner Körper hüpfte.
"Ich betreue diesen Klienten jetzt schon sehr lange, jedoch komme ich noch immer nicht zu ihm durch."
"Und Sie glauben, ich könnte das?", unterbrach Magnus seinen Boss erstaunt.
Der Professor lächelte leicht. "Nein, das glaube ich nicht. Niemand kann zu ihm durchdringen. Das ist einfach so. Damit muss man sich abfinden."
Diese Worte verwirrten Magnus.
Wer war dieser Klient? Magnus kannte diesen Fall nicht. Er hatte noch nie eine Akte in der Hand gehalten, die zu dieser Beschreibung passte.
Eine seltsame Vorahnung machte sich in Magnus breit.
"Und wieso wollen Sie dann, dass ich Ihnen bei diesem Fall helfe?", fragte Magnus etwas zweifelnd.
Er konnte die Gedankengänge seines Bosses nicht nachvollziehen.
Er war und blieb eben ein komischer Kauz.
"Sie bringen frischen Wind in die Sache. Jedoch muss ich Sie vorwarnen. Dieser Klient wird sie verletzen - psychisch. Allein die Art wie er Sie ansehen wird...das ist nichts für schwache Nerven, Magnus."
Um ehrlich zu sein, konnte sich Magnus nicht vorstellen, dass es solch eine Art von Mensch überhaupt gab.
Dennoch war sein Interesse geweckt. Er wollte mit eigenen Augen sehen, ob diese verstörenden Vorwarnungen seines Bosses zu trafen.
Magnus wollte herausfinden, ob diesem Klienten wirklich nicht zu helfen war.
"Ist er im System?"
Diese Frage war Magnus gerade so durch den Kopf geschossen.
Der Professor wiegte den Kopf leicht hin und her. "Ja und nein. Ich habe seinen Namen erst vor kurzem in das System eingespeichert."
"Wie lange betreuen Sie diesen Klienten jetzt schon?", fragte Magnus weiter.
Sein Körper sehnte sich nach Informationen.
"Zwölf Jahre."
Magnus machte große Augen. "Wie alt ist er?"
Der Professor lächelte leicht. "Alexander ist neunzehn."
Alexander?
Magnus Gehirn arbeitete auf Hochtouren.
A.Lightwood, schoss ihm plötzlich durch den Kopf.
Alexander Lightwood.
Magnus schnappte nach Luft. Er hatte geahnt, dass dieses Gespräch über diesen mysteriösen Klienten etwas mit dem unbekannten Namen im System zu tun hatte.
Sollte er seinen Boss darauf ansprechen?
Er konnte nicht einschätzen, wie der Professor darauf reagieren würde, obwohl dieser gerade ziemlich gut gelaunt war.
Zumindest wirkte es so.
"Wie ist sein Nachname?", brach es aus Magnus etwas zu wissbegierig heraus.
Der Professor zog die Augenbrauen zusammen. "Vielleicht sind Sie doch nicht die richtige Person für diesen Fall, Magnus. Ich habe das Gefühl, dass sie diese Sache nicht ernst genug nehmen. Solche Leute brauche ich nicht, vor allem nicht in Alexanders Nähe. Er wird es spüren und dann werden Sie nicht nur diese Chance sondern auch ihren Job verlieren."
"Es tut mir leid, es ist nur gerade etwas viel.", erwiderte Magnus hastig.
Sein Herz stolperte vor sich hin.
Sein Boss nickte. "Das verstehe ich, dennoch sind Sie doch erwachsen genug, um diesem Klienten seriös gegenüber zu treten. Sie wissen, dass sie keine andere Wahl haben, als diese Chance anzunehmen, also hören Sie auf mich mit unwichtigen Fragen zu löchern. Wir treffen uns morgen um sechs Uhr früh hier in diesem Büro. Ziehen Sie das an, was Sie gerade tragen, rasieren Sie sich und kämen Sie die Haare zurück."
"Natürlich, Sir. Ich werde Sie nicht enttäuschen, versprochen!"
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