- Chapter 40 -
Alec
Das erste, was Alec spürte, als er aufwachte war ein entsetzlicher Schmerz in seinem Kopf.
Und eine Übelkeit, die sich anfühlte, als würde sein Eingeweide jeden Moment in seinem Körper explodieren.
Verwirrt öffnete er die Augen. Sein Blickfeld war verschwommen und obwohl er in seinem Bett lag, drehte sich alles.
Er hatte das Gefühl jeden Moment umzukippen und spürte, wie sich Panik seine Kehle hoch schlich.
Alec schluckte krampfhaft, doch der Kloß in seinem Hals ließ ihn hektisch nach Luft schnappen.
Sein Herz klopfte ihm schnell und laut gegen seinen Brustkorb.
Er versuchte sich daran zu erinnern, was passiert war und wieso er sich plötzlich so krank fühlte.
Doch da war nichts. Es herrschte nichts als Leere in seinem Kopf, der einfach nicht aufhören wollte zu dröhnen.
Vorsichtig sah er sich um, ohne seinen Kopf auch nur einen Millimeter zu bewegen.
Er spürte, dass er sich sonst übergeben würde.
Der Brechreiz saß ihm trotzdem hartnäckig in der Kehle, als er seinen Blick wandern ließ.
Sein Körper fühlte sich unangenehm heiß an und er spürte, wie ihm nasser Schweiß auf der Stirn lag.
Noch immer nahm Alec seine Umgebung etwas verzerrt wahr und seine Augen fühlten sich an so schwer wie Blei.
Sein Herz machte jedoch vor Überraschung einen Satz, als er Magnus plötzlich entdeckte.
Seltsamerweise lag er aber nicht wie gewohnt neben ihm, sondern saß auf einem Stuhl, der ziemlich hart aussah, neben seinem Bett.
Alec runzelte irritiert die Stirn und zuckte zusammen als ein stechender Schmerz durch seinen Kopf jagte.
Die Übelkeit nahm, je länger er die Augen geöffnet ließ, zu.
Trotzdem ließ er seine Augen Magnus' finden.
Erschrocken stellte Alec fest, dass Magnus' Blick voller Angst über sein Gesicht huschten.
Wieder runzelte er die Stirn, obwohl er sich dadurch nur erneut Schmerzen zu fügten, die sich anfühlten, als würde er jeden Moment auseinander gerissen werden.
Alecs Herz klopfte noch immer schnell und er fragte sich, wieso Magnus ihn so seltsam ansah.
Es kam ihm fast so vor, als würde Magnus damit rechnen, dass er ihn verloren hatte.
Nicht im Sinne von sterben, sondern auf die andere Weise.
Noch mehr Verwirrung machte sich in Alec breit und er hätte am liebsten den Kopf geschüttelt, doch er hielt sich zurück.
Es ergab für ihn keinen Sinn, wieso Magnus plötzlich davon ausgehen sollte, dass er nicht mehr er selbst sein würde, wenn er aufwachte.
Denn so war es nicht. Er war komplett klar. Kein beklemmendes Gefühl. Keine erstickende Todesangst. Keine Anzeichen, die ihn selbst darauf hinwiesen, dass sich etwas in ihm veränderte.
Alec öffnete leicht seinen Mund, der so staubtrocken war, dass ihn ein heftiger Würgereiz durchschüttelte.
Eine zerschmetternde Verzweiflung durchfuhr ihn, als er die Lippen bewegte, um etwas zu sagen.
Er wollte Magnus zeigen, dass er sich irrte. Er wollte ihm sagen, dass immer noch der Alec war, mit dem er seine Zukunft verbringen wollte.
Doch es kam kein Ton über seine Lippen. Es war, als hätte er das Sprechen verlernt.
Das Gefühl von aufsteigenden Tränen brannte in seiner Kehle als er noch immer die Angst und Verzweiflung in Magnus' Augen sah, die er nicht einmal versuchte zu verstecken.
Alecs Herz brannte wie Feuer, blieb für einen sehr langen Moment stehen und zog sich dann so schmerzhaft zusammen, dass er dachte, er würde sterben.
Doch er ermahnte sich selbst, fokussiert zu bleiben, auch wenn es ihm wie eine Sache der Unmöglichkeit vor kam.
Er schloss seine Augenlider für eine Sekunde, versuchte seine körperlichen Schmerzen zu ignorieren und konzentrierte sich.
Als er sich einigermaßen sich war, dass es mit dem Sprechen dieses Mal klappen würde, öffnete er seine Augen wieder und zuckte innerlich heftig zusammen, als Magnus' besorgter Blick sein Gesicht streifte.
"Magnus."
Alec keuchte atemlos. Es hatte ihn eine unheimliche Kraft gekostet diesen Namen, der für ihn einfach alles bedeutete, auszusprechen.
Es war für ihn noch immer ein Rätsel, wieso es ihm so schlecht ging. Es machte ihm Angst.
Er sah, wie Magnus ihn ungläubig anblinzelte. Schock huschte über seine angespannten Gesichtszüge.
Alecs Herz zog sich erneut heftig zusammen. Jede einzelne Zelle wollte Magnus berühren und ihm versichern, dass es ihm gut ging...den Umständen entsprechend.
"Alexander." In Magnus' Augen glitzerte es verdächtig. Seine Pupillen waren geweitet und sein Atem ging unregelmäßig.
Alec blinzelte erschöpft, sein Herz machte einen wehmütigen Satz.
"Was ist pa-..."
Weiter kam er nicht.
Eine heftige Welle der Übelkeit übermannte ihn plötzlich wie es dem Nichts.
Ihm wurde schwarz vor Augen und sein Magen verknotete sich so schmerzhaft, dass er laut aufstöhnte.
Erstickende Panik breitete sich in ihm aus, als er Säure unaufhaltsam seine Kehle hinauf steigen spürte.
Alec würgte, sein Hals brannte wie Feuer.
Sein Herz klopfte so schnell, dass es immer wieder stolperte. Seine Atemzüge waren unregelmäßig. Jeder einzelne Atemzug fühlte sich an, als würde er sengendes Feuer einatmen.
Aus der Entfernung hörte er, wie Magnus hastig seinen Stuhl weg schob und sich über ihn beugte.
Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er in Watte gepackt und er schaffte es gerade noch in der letzten Sekunde sich auf die Seite zu drehen, bevor er sich mitten auf seinem Bett mit einem hässlichen Geräusch übergab.
Sein Körper zitterte heftig vor Anstrengung. Sein Kopf war völlig leer.
Er spürte, wie Magnus beruhigend über seine zitternde, nackte Schulter strich und konnte selbst jetzt die elektrisierende Spannung spüren, die sie verband.
Alec versuchte sich auf Magnus zu konzentrieren. Verfolgte das Gefühl von Magnus' Fingern auf seiner erhitzten Haut.
Doch Magnus zog seine Finger viel zu schnell wieder zurück und für Alec fühlte es sich so an, als hätte er ihn verloren.
Als hätte er seinen Anker verloren, der ihn festhielt und ihm Kraft gab.
Wieder und wieder zog sich Alecs Herz schmerzhaft zusammen und in seinem Körper brannte es, als würde flüssige Säure durch seine Adern fließen.
Ihm entfuhr ein erleichtertes Wimmern, als er wie aus dem Nichts wieder Magnus' Hand auf seiner Haut spüren konnte.
Er presste seine kühle Handfläche auf die Stelle zwischen Alecs Schulterblättern und verlieh Alec automatisch das Gefühl, wieder vollständig zu sein.
Sein Kehle brannte noch immer wie Feuer und seine Augen tränten. Sein Körper zitterte, als wäre ihm kalt, doch innerlich fühlte es sich so an, als würde er verbrennen.
Sein Magen rebellierte erneut und er krümmte sich qualvoll zusammen. Seine Hände gruben sich in die Bettlaken unter ihm.
Mit purer Verzweiflung versuchte er der Übelkeit zu entfliehen, doch er gab schließlich auf.
Er wurde sie nicht los.
Keuchend und am ganzen Körper zitternd versuchte er sich aufzurichten und wich, angeekelt von sich selbst, von der Stelle zurück, auf der sein kompletter Mageninhalt ausgebreitet lag.
In seinem Kopf drehte sich alles.
Tränen der Anstrengung liefen ihm über das Gesicht. Sie fühlten sich brennend heiß auf seiner Haut an.
Doch plötzlich hörte er Magnus' leise Stimme gegen sein Ohr prallen. Er flüsterte ihm beruhigende Worte zu, die Alecs Herzschlag verlangsamten und ihn ruhig werden ließen.
Magnus' Stimme hatte diese Magie in sich, die Alec einfach jedes Mal beruhigte und sich sicher fühlen ließ.
Selbst in diesem Moment, in dem er sich so sehr vor sich selbst ekelte, dass es ihn in Stücke zerriss.
Gleichzeitig hatte er unglaubliche Angst vor der Wahrheit. Er wollte nicht mehr wissen, wie er in diesen Zustand gerutscht war.
Es war plötzlich eine unglaubliche Erleichterung für ihn, dass er sich an nichts mehr erinnern konnte.
Wie durch Nebel bekam er mit, dass Magnus ihn vom Bett hob und aus dem Zimmer trug.
Als er wenige Minuten später einen härteren Stoff unter sich spürte, wusste er, dass er auf der Couch in seinem Wohnzimmer lag.
Die Erschöpfung und Müdigkeit erschlugen ihn förmlich, doch er wehrte sich für einen Moment dagegen.
Bis er schließlich einsah, dass er keine Chance hatte und sich dem Schlaf ergab.
-
Als Alec wieder aufwachte, befand er sich noch immer auf der Couch.
Er erinnerte sich mit einem Schlag daran, wie er sich auf seinem eigenen Bett, vor Magnus' Augen, übergeben hatte.
Ein entsetzliches Schamgefühl erfasste ihn und er spürte, wie er rot wurde.
Alec konnte Magnus' Gegenwart spüren. Er spürte, dass er bei ihm war und wie er ihn nicht aus den Augen ließ, als hätte er Angst, dass Alec jeden Moment explodieren oder sich in etwas Bösartiges verwandeln würde.
Noch immer konnte er sich nicht erklären, wieso Magnus ihn so ansah.
Alec bereute es schon in der nächsten Sekunde überhaupt darüber nachgedacht zu haben.
Denn sein Schädel fing plötzlich wieder heftig an zu pochen und der Brechreiz raubte ihm den klaren Verstand.
Trotzdem zwang er sich mühsam seine schweren Augenlider zu öffnen.
Es würde ihn sonst umbringen, wenn er Magnus nicht zeigte, dass er bei Bewusstsein war.
Er wollte diese entsetzliche Angst aus seinem Gesicht löschen, denn Alec ertrug es nicht länger, mit diesem Blick angesehen zu werden.
Die Sorge in Magnus' Augen machte ihm selbst auch Angst.
Es versetzte ihn plötzlich wieder in Panik, dass er sich an nichts erinnern konnte.
Die Dinge, die er noch wusste, passten einfach nicht mit seinem jetzigen Zustand zusammen.
Alec ließ sein Blick über Magnus' angespanntes Gesicht wandern. Er sah ihm an, dass er kurz davor war zu explodieren.
Aus welchen Gründen auch immer.
Sein Kopf fühlte sich ebenfalls an, als würde er jeden Moment explodieren.
"Hey, du bist ja wach.", hörte Alec Magnus' sanfte Stimme an seinem Ohr und er ließ sich sofort in dem Gefühl von Verborgenheit fallen. "Wie geht es dir, Darling?"
Die Sorge in Magnus' Stimme trieb Alec Tränen in die Augen. Sein Herz fing erneut an zu brennen. Er konnte das überwältigende Gefühl in seiner Brust nicht beschreiben, das ihm solche Schmerzen zufügte.
Alec spürte, wie Magnus' Fingerspitzen vorsichtig über seine verschwitzte Stirn fuhren.
Er schloss sofort seine Augen und genoss Magnus' Nähe, schöpfte daraus so viel Kraft wie er konnte.
"Mir ging es nie besser.", scherzte Alec halbherzig und fing keuchend an zu husten.
Magnus lachte tonlos und fuhr sich dann seufzend mit der freien Hand über das Gesicht.
Alec stellte mit Entsetzen fest, wie müde und erschöpft Magnus wirkte.
Seine Augen waren seltsam trüb, als würde er trauern. Keine Spur von diesem hitzigen Funken, den er sonst in seinen Augen mit sich trug.
Dieser Anblick versetzte Alec einen heftigen Stich gegen sein wundes Herz.
Er konnte spüren, dass es in Magnus' Inneren fast genauso aussah, wie bei ihm selbst.
Diese Feststellung erdrückte ihn. Er wollte nicht, dass Magnus das gleiche durchmachte wie er.
Er wollte nicht, dass Magnus' Schmerzen hatte. Schmerzen, die er nicht lindern konnte, weil die unerreichbar wirkten.
Ein erneuter, noch schmerzhafterer Stich donnerte gegen sein Herz, als er sah, wie sich Magnus' Lippen zu einem leichten Lächeln zwangen.
Alec versuchte sich davon abzulenken. Es würde ihn sonst nur noch mehr verzweifeln und in Rage bringen.
"Was ist passiert?", formte er mit seinem Lippen und stellte überrascht fest, dass seine Stimmbänder ihn dieses Mal nicht im Stich ließen.
"Du erinnerst dich nicht?", fragte Magnus erstaunt. Er wirkte fast schon verstört.
Alec schüttelte vorsichtig den Kopf und runzelte dann konzentriert die Stirn. "Zumindest nur schleierhaft."
Magnus schluckte schwer. In seinen Augen zeichnete sich etwas ab, das Alec nicht in Worte fassen konnte.
"Was ist das letzte woran du dich erinnerst?", wollte er dann wissen. Seine Stimme hörte sich seltsam drängend an.
Alec versuchte krampfhaft nachzudenken, doch die Übelkeit, die seinen Magen verknotete, machte es unmöglich und er schüttelte schließlich verzweifelt den Kopf.
Erneut brannten Tränen in seinen Augen. Er fühlte sich so hilflos...und leer.
"Ich weiß es nicht.", antwortete er mit erstickter Stimme und sah Magnus verzweifelt an.
Magnus' Miene wurde augenblicklich weicher. Alec stockte der Atem als Magnus sich vor beugte und ihm einen langen Kuss auf die Stirn gab.
In Alecs Körper begann es sofort zu kribbeln und sein Herz machte einen Sprung.
"Du musst dir keine Sorgen machen. Du solltest dich etwas ausruhen. Wir reden später. Versprochen.", Magnus Stimme hatte etwas einschläferndes.
Er wollte dagegen ankämpfen, wollte erfahren, was passiert war, auch wenn ihm Magnus versicherte, dass er sich keine Sorgen machen musste.
Er musste es wissen, damit er endlich verstehen konnte, wieso es ihm so schlecht ging und wieso Magnus die nackte Angst ins Gesicht geschrieben war.
Doch er trieb wie ein kleiner, unbedeutender Ast auf einem großen See davon und verlor seinen zweiten Kampf gegen den betörenden Schlaf kläglich.
-
Julia
Sie fand ihn in einem der vielen Badezimmer.
Julia hatte gefühlte Stunden damit verbracht die vielen Zimmer des Hauses nach ihm zu durchsuchen, doch jedes Mal ohne Erfolg.
Bis jetzt.
Als sie die Tür aufstieß, blieb sie sofort wie angewurzelt stehen und ließ die Tür achtlos hinter ihr zu schlagen.
Ihr Herz setzte für eine Sekunde aus und Mitleid und Sorge ließen es so schwer werden, dass sie dachte, sie würde in den Boden gepresst werden.
Ihr Blick war auf ihn gerichtet. Sie konnte nicht wegsehen, obwohl es ihr schrecklich weh tat.
Magnus saß auf dem Boden und lehnte gegen der gefliesten Wand des Gästebadezimmers.
Er zitterte am ganzen Körper. Als wäre er unter Schock. Als hätte er etwas gesehen, das ihn zutiefst verstört hatte.
Julia sah sofort Alecs Gesicht vor ihrem inneren Auge und musste sich zusammen reißen, um Magnus nicht sofort mit Fragen zu löchern.
Ihr Herz brannte, als sie seine Augen sah, die einfach nur vor sich hin starrten.
Sein Blick war so leer und verletzlich, dass es Julia Angst machte.
So kannte sie Magnus nicht. Wo war der leuchtende Funke? Wo war seine Lebensfreude?
Spuren von Tränen zeichneten sich auf seinem Gesicht hab, das völlig ausdruckslos war.
Seine Haare waren unordentlich und seine Hände waren fast schon verzweifelt in ihnen vergaben.
Es versetzte Julia einen heftigen Stich gegen ihr Herz, Magnus so zu sehen.
Am Boden. Entwaffnet. All das was ihn ausmachte, schien gerade nicht mehr zu existieren.
Gleichzeitig spürte sie Panik. Kehle zu schnürende Panik.
Es musste einen Grund geben, wieso Magnus sich in diesem Zustand befand. Irgendetwas musste passiert sein.
Seine Verzweiflung konnte sie förmlich schmecken. Es war eine Verzweiflung, die einem im Herzen weh tat.
Julia wollte sich gar nicht vorstellen, was in Magnus gerade alles vor ging.
Sie rümpfte die Nase, als plötzlich ein säuerlicher Geruch sich in ihre Nase eindrängte und sich dort festsetzte.
Ihr Blick fiel automatisch zur Toilette, die wenige Schritte von Magnus entfernt war.
Er musste sich vor wenigen Momenten übergeben haben, erkannte Julia und musste selbst einen Brechreiz unterdrücken.
Ihr Magen krampfte sich zusammen.
Sie sagte nichts, während sie sich auf Magnus zu bewegte und sich dann nach kurzem Zögern stumm neben ihm setzte.
Julia merkte, wie er erstarrte. Als wäre er gelähmt.
Sie schluckte schwer.
Der Grund, wieso Magnus so am Boden war, war eindeutig und doch hätte sie alles dafür getan, dass es nicht so war.
Es war Alec.
Was war passiert? Ging es Alec wirklich so schlecht?
Die einzige Person, die ihr diese Fragen beantworten konnte, saß direkt neben ihm.
Sie musterte ihn kurz von der Seite. Für einen Moment zögerte sie, wollte Magnus nicht noch mehr belasten, in dem sie ihn darüber sprechen ließ.
Doch gleichzeitig brannte sie darauf, zu wissen, was los war.
"Wie geht es ihm?"
Julia beobachtete Magnus ganz genau, obwohl es ihr in der Seele weh tat, als sie sah, wie er zusammen zuckte, als sie Alec erwähnte.
Er sagte erst nichts und Julia war kurz davor, sich wirklich, richtige, panische Sorgen um Alec und ihn zu machen.
Magnus saß da wie ein Häufchen Elend.
Doch dann ließ er seine Arme langsam sinken. Seine Augen strahlten noch immer diese Verletzlichkeit aus, die Julia das Herz zusammen zog.
Magnus drehte langsam den Kopf. In ihre Richtung.
Julia hielt automatisch für mehrere Sekunden die Luft an.
Er sah sie für eine Weile nur stumm an, dann schloss er die Augen. Als würde er sich sammeln.
Julias Herz raste. Ihr Puls pochte ihr laut in den Ohren. Sie konnte ihr Blut rauschen hören.
Alles in ihr war angespannt.
Sie wappnete sich innerlich vor dem Schmerz, der in ihr explodieren würde, wenn Magnus jetzt das bestätigte, was sie nachts oft wach hielt.
Zu ihrer Überraschung bildete sich aber völlig unerwartet ein kleines Lächeln auf Magnus' Lippen, als er seine Augen wieder öffnete.
Es strahlte eine solche Traurigkeit und Sehnsucht aus, dass es Julia einen Stich versetzte.
"Er hat sich übergeben. Heftig.", Magnus' Stimme stockte.
Julia blinzelte. Sie hatte fast vergessen, was sie ihn gefragt hatte.
Doch Magnus' Antwort war nicht die gewesen, vor der sie sich gefürchtet hatte.
"Das beantwortet nicht meine Frage. Nicht wirklich. Wie geht es ihm wirklich?"
Magnus schnappte heftig nach Luft. Sie beobachtete ihn dabei, wie er eine Hand fast schon schützend auf sein Herz legte.
Eine Geste, die Julia bis ins Mark traf und berührte.
Sie sah den Schimmer von Tränen in seinen Augen und spürte einen verdächtigen Kloß in ihrer Kehle.
Sie ging automatisch vom Schlimmsten aus.
"Es geht ihm gut...er hat mich erkannt. Der Alkohol hat ihn nicht verändert."
Julia blinzelte überrascht. Gleichzeitig atmete sie erleichtert aus und rechnete damit, dass sich Magnus' Miene ebenfalls entspannte, doch das tat sie nicht.
Sie verkrampfte sich nur noch mehr.
Julia konnte Magnus' innere Schmerzen förmlich sehen.
"Das ist doch gut...oder etwa nicht?", fragte sie vorsichtig und sah ihn unsicher an.
Magnus schluckte. "Er erinnert sich nicht an letzte Nacht. An nichts."
Seine Stimme war rau und kraftlos. Es lag keine Melodie mehr mit in ihr.
Julia versuchte zu verstehen, was Magnus ihr damit sagen wollte.
Magnus sah sie direkt an und Julia sank das Herz, wie ein schwerer Stein im Wasser.
Er erinnert sich an nichts, schoss es ihr durch den Kopf und schluckte, obwohl ihre Kehle brannte.
"Du musst es ihm sagen, Magnus.", in ihrer Stimme lag leichte Verzweiflung, aber auch Eindringlichkeit. "Wenn wir Pech haben, zählen die Medien eins und eins zusammen und stehen in wenigen Stunden vor dem Tor."
Julia rechnete fest damit, dass Magnus ihr zu stimmte.
Umso mehr schockierte es sie, als er zur Antwort den Kopf schüttelte.
Entsetzt starrte sie ihn an. Ihr Mund stand einen Spalt offen.
"Ich glaube nicht, dass sie in so kurzer Zeit überhaupt einen Hauch von der Wahrheit erkennen werden. Bis jetzt sind es nur Fotos von dir, wie du eine Party mit Freunden verlässt. Wen interessiert es, dass Alec dabei war?"
Julia verstand, auf was Magnus hinaus wollte.
Es bestand wirklich eine sehr geringe Chance, dass sofort alles aufgedeckt werden würde.
"Du musst es ihm trotzdem sagen. Um seinetwillen. Er muss sich darauf einstellen, dass es sein kann, dass alles an die Öffentlichkeit kommt. Es braucht nur ein Gerücht und alles wird zusammen brechen.", sagte sie eindringlich.
Magnus schwieg für einen Moment. In seinem Gesicht spiegelten sich viele entsetzliche Gefühle ab, die Julia im Herzen weh taten.
"Ich habe ihm versprochen, dass ihm nichts passieren wird.", setzte er zitternd an. "Hätte ich nicht besser aufgepasst, dann wäre überhaupt nicht in die Nähe von Alkohol gekommen. Dann wäre das alles gar nicht passiert."
Julia starrte ihn bestürzt an.
"Glaubst du das wirklich?! Glaubst du wirklich, dass er dir die Schuld geben wird, wenn er erfährt, dass dir Drogen verabreicht wurden?! Du weißt, dass er das niemals tun würde. Er würde es verstehen. Er wird mit der Wahrheit klar kommen."
Magnus sah ihr wieder lange in die Augen und blieb stumm.
Doch sein Blick reichte, damit Julia begriff.
Sie schnappte schockiert und ungläubig nach Luft. Das konnte doch nicht sein Ernst sein...
"Du wirst es ihm nicht sagen.", hauchte sie und alles begann sich in ihr zu sträuben.
Magnus blinzelte nur. Sein Blick war plötzlich wieder völlig ausdruckslos.
"Magnus, was hast du vor? Was bringt es dir, wenn du es ihm nicht erzählst? Wenn er sich irgendwann doch wieder erinnert..." Julia sprach schnell, ihre Stimme wurde immer dünner und versagte schließlich.
Sie verstand ihn nicht. Konnte seine Gedankenzüge nicht nachvollziehen.
"Ich weiß, Julia.", meinte er nur.
"Wieso?", wollte sie wissen. In ihrer Stimme schwang Trotz mit.
Ihr Herz schmerzte so sehr, dass sie sich fragte, wie sich Magnus gefühlt hatte, als er diese verdammt dumme und völlig unlogische Entscheidung getroffen hatte.
"Weil ich ihn liebe." Magnus' Blick hatte wieder etwas unendlich verletzliches und verzweifeltes.
Julia schüttelte den Kopf. "Das reicht nicht."
Magnus zögerte für einen Moment und starrte auf seine Hände, als könnten die ihm weiter helfen.
"Weil er an der Wahrheit kaputt gehen würde.", sagte er schließlich leise.
"Aber du hast doch selbst gesagt, dass es unmöglich ist, dass die Presse die ganze Sache aufdecken wird.", beharrte Julia hartnäckig.
So leicht kam er ihr nicht davon. Sie konnte immer noch nicht begreifen, dass Magnus wirklich davon überzeugt schien, dass er das richtige tat.
"Das Risiko ist trotzdem zu groß.", meinte er müde.
Als hätte er sich damit schon abgefunden.
Julia spürte Wut in sich aufkochen. "Du setzt eure ganze Beziehung unnötig aufs Spiel, Magnus. Du wirst ihn verlieren, wenn er es irgendwann doch erfährt. Das ist dir doch bewusst, oder?"
Magnus' Blick war so voller Verzweiflung, Angst, Sehnsucht, Scham und Trauer, dass Julia zum ersten Mal seinem Blick ausweichen musste.
Ihr Herz zog sie heftig zusammen. Sie sah, wie er litt. Wie er unter seiner eigenen Entscheidung litt.
Es machte sie krank, dass er nicht sah, dass er etwas völlig Unnötiges tun wollte.
"Du hast seine Angst nicht gesehen. Er hat panische Angst davor, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Schon allein, dass die Möglichkeit besteht, dass alles aufgedeckt wird...", Magnus' Stimme stockte. Tränen brannten in seinen Augen. "Ich würde ihn so oder so verlieren."
Und plötzlich verstand Julia. Doch es zerriss ihr das Herz. So sehr, dass es ihr ebenfalls Tränen in die Augen trieb.
"Du möchtest, dass er weiterhin glücklich sein kann. Du opferst dich und eure Beziehung für etwas, das ihn letztendlich doch unglücklich machen wird, wenn er es erfährt. Du möchtest ihn beschützen, vor etwas, das du nicht in den Händen hast."
Magnus lächelte sie schwach an. Tränen rollten über sein Gesicht und auch aus Julias Augen lösten sich heiße Tropfen.
Er holte zitternd Luft. Schon jetzt sah man ihm an, wie er sich selbst mit seiner Entscheidung folterte.
Wie würde das in Zukunft sein? Würde er überhaupt fähig sein, seine Geheimnis vor Alec zu verstecken?
"Jeder spielt eine gewisse Rolle in dieser Geschichte.", hörte sie ihn plötzlich sagen. "Ich habe erkannt, dass sich ersetzbar bin. Wenn er es erfahren sollte und ich gehe, rückst du automatisch an meine Stelle. Du wirst ihm dann Kraft geben und festhalten, damit er nicht den Kopf verliert und darüber hinweg kommt. Du bist sein Anker, genauso wie ich es bin."
Julia schüttelte heftig den Kopf. Die Tränen rollten ihr jetzt unaufhaltsam über die Wangen.
Es tat ihr in der Seele weh, was Magnus für Alec tat, nur um ihn zu schützen.
"Es wird nicht dasselbe sein. Hast du eine Ahnung, was du ihm da zumutest? Er wird es nicht überstehen, er wird sich wieder ändern, zurück fallen."
Doch Magnus schüttelte entschlossen den Kopf. "Nein, er ist jetzt stark genug. Er übersteht es, glaub mir. Es ist alles geplant, Julia. Ich bin der Auslöser. Wenn die Wahrheit an die Öffentlichkeit kommt, wird sich alles fügen und Alec wird für immer frei sein. Das war doch unser Ziel, vergessen?"
Julia konnte sich damit nicht abfinden. Wie konnte Magnus erwarten, dass sie das einfach so hinnahm?
Wie konnte er erwarten, dass Alec nicht völlig den Verstand verlieren würde, wenn er begriff, was Magnus getan hatte?
"Es ist nicht fair. Ihr verdient es gemeinsam eine Zukunft zu haben. Nach allem was ihr zusammen durchgestanden habt, lässt du einfach zu, dass alles was euch ausmacht, mit einem Schlag zerstört werden kann?"
"Das Leben ist nun mal nicht fair, Julia.", entgegnete Magnus nur.
Sein Blick zeigte ihr, dass sie ihn nicht davon abbringen konnte.
Sie sah ein, dass sie Magnus' Entscheidung respektieren musste, auch wenn es sich falsch anfühlte.
Diese ganze Situation und dieses Gespräch fühlte sich falsch an.
So falsch, dass es Julia schlecht wurde.
Sie holte tief Luft. Eine Sache musste sie noch los werden, sonst würde sie sich nie mit diesem Wahnsinn abfinden können.
Falls das überhaupt möglich war.
"Eine Sache musst du mir aber versprechen, wenn du willst, dass ich den Mund halte. Versprich mir, dass du jeden einzelnen Tag, den du noch mit Alec hast, genießen wirst. Zeig ihm nicht, dass du ihm etwas verheimlichst. Er soll sich keine Sorgen machen. Er soll nicht merken, dass sich etwas verändern wird. Das bist du mir schuldig."
Julia war sich bewusst, dass sie automatisch zur Komplizin wurde.
Sie wusste, dass es Magnus schaffen konnte, Alec völlig im Dunkeln zu lassen.
Alec würde weiterhin glücklich sein. Das, was er sich so hart erkämpft hatte, zusammen mit Magnus.
Der Fall jedoch, wenn die Wahrheit ans Licht kommt, würde umso brutaler sein, denn Alec wird nicht damit rechnen.
Weil er nie Verdacht geschöpft hatte. Weil Magnus ihm nicht die Chance gegeben hatte.
Weil Magnus Julia jetzt dieses Versprechen gleich geben würde, worum sie ihn bat.
Letztendlich war sie nicht besser als Magnus und das wussten sie beide.
"Ich verspreche es.", sagte er schließlich laut und deutlich.
Julia hatte sich noch bis zum letzten Moment erhofft, dass Magnus merkte, war für einen riesigen Fehler er beging.
Vielleicht war es ihm ja bewusst, doch er stellte Alec vor sich selbst. Damit er nicht an der Last der Ungewissheit, ob die Wahrheit jede Sekunde ans Licht kommen würde, kaputt ging.
Er stellte ihn vor sich selbst. So wie er es immer tat. Er liebte ihn. So sehr, dass er alles für ihn opferte.
Bis zur letzten Sekunde hatte sich Julia gewünscht, dass Magnus seine Entscheidung änderte, doch es war zu spät.
Jetzt konnte sie nur noch zusehen, wie die Geschichte ihren Lauf nahm und was die Zukunft für Alec und Magnus brachte.
Wie lange hatten die beiden noch Zeit? Wie lange dauerte es, bis die Wahrheit aufgedeckt wurde?
Tage? Monate? Jahre?
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Raise your hand when your heart hurts as much as mine 🙋🙋♂️
Die nächsten Wochen werden schwer, be prepared!
Love you all (pls don't hate me) ❤️❤️
-M
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