- Chapter 4 -

Magnus

"Mr Bane."

Magnus stand mechanisch auf, zupfte sein blusenartiges Oberteil zurecht und wischte sich die vor Nervosität nassen Händen an seinen schwarzen Skinny-Jeans ab.

Alles wird gut.

Er versuchte sich die Anspannung nicht anmerken zu lassen und folgte der Bankangestellten in ihr Büro.

Die Frau hatte einen blauen Anzug an, der sie etwas kastenförmig erscheinen ließ.

Ihre braunen Haare klebten fast schon auf ihrer Kopfhaut und der Knoten auf ihrem Hinterkopf glänzte vor Haarspray.

Unter anderen Umständen hätte Magnus etwas angewidert die Nase gerümpft.

Die Frau war ein einziges Modedisaster.

"Setzen Sie sich.", wies ihn die Angestellte mit strenger Stimme an.

Ärger stieg in Magnus auf, doch er setzte sich, wenn auch betont langsam.

Gleichzeitig war ihm übel.

"Sie haben unseren Brief erhalten?"

Sonst wäre ich ja jetzt nicht hier, dachte sich Magnus genervt und spielte ungeduldig mit dem Ring an seinem Daumen.

"Am Freitag.", bestätigte er trotzdem und presste nun seine Handflächen aneinander.

"Das ist drei Tage her.", sagte die Frau missbilligend und ihr eh schon schmaler Mund wurde noch schmäler.

Sie hatte sich ebenfalls gesetzt und hat eine Mappe aufgeschlagen in die sie ab und zu einen Blick hineinwarf.

Magnus wäre am liebsten aufgestanden und wieder gegangen.

Er hatte schon als er die Bank betreten hatte, bemerkt dass dieser Termin ganz und gar nicht angenehm werden würde.

Wäre er jetzt zu der Bank gegangen, zu der er Normalerweise ging, hätte er keinerlei Bedenken gehabt.

Doch das hier war ein Bank in der Stadt.

Magnus' Dorf war von hier fast zwei Stunden entfernt und das Geld, das er für den Zug hatte zahlen müssen, hatte ihm fast den Boden unter den Füßen weggezogen.

50$.

Magnus schluckte schwer und ihm wurde noch übler als ihm einfiel, dass er auf dem Rückweg genauso viel zahlen musste.

"Wieso bin ich hier?", wechselte er das Thema und setzte ein leises Lächeln auf, das seine Verunsicherung und Übelkeit kaschieren sollte.

Die Bankangestellte atmete tief aus und widmete sich erneut ihrer Mappe.

"Es geht um das Haus Ihrer Familie."

Magnus' Lächeln verschwand sofort und er spürte wie alle Farbe aus seinem Gesicht wich.

Sein Herz klopfte unnatürlich schnell und er spürte wie die Angst seine Kehle zuschnürte.

"Unser Haus?", brachte er mit krächzender Stimme heraus und bohrte seine Finger in seinen Oberschenkel.

Die Bankangestellte nickte mit ernster Miene und sah ihn mit ihren kalten, blauen Augen direkt an.

"Ihre Familie hat seit sechs Monaten die Miete nicht gezahlt. Das Haus gehört seit dem Tod ihres Vaters der Bank. Wir können Ihnen das nicht länger durchgehen lassen, Mr Bane."

Magnus klappte vor Sprachlosigkeit die Kinnlade nach unten.

"A-Aber...", begann er stotternd und blinzelte schockiert.

Die Frau schüttelte jetzt fast schon etwas mitleidig den Kopf. "Die Räumungsklage wurde schon abgesendet. Bis zum Ende des Monats muss Ihre Familie das Haus verlassen. In dem Brief wird alles drin stehen, was Sie, beziehungsweise Ihre Familie, beachten muss."

Magnus schloss für einen Moment die Augen.

Das war nur ein Albtraum. Nur ein böser Albtraum. Ganz sicher.
In ein paar Minuten werde ich aufwachen und feststellen, dass das alles hier aus meiner verrückten Fantasie entsprang.

"Mr Bane, ich weiß, das ist sehr schwer für Sie, dennoch brauche ich von Ihnen ein schriftliche Bestätigung, dass Sie über die Hausräumung informiert wurden und keine Gegenklage einfordern."

Magnus blinzelte heftig und kehrte aus seiner Gedankenwelt zurück.

Plötzlich war alles klar und er richtete sich auf seinem Stuhl auf.

Das würde er ganz sicher nicht auf sich sitzen lassen.

"Dieses Haus gehört meiner Familie. Mein Urgroßvater hat es gebaut. Meine Familie lebt seit Generationen dort. Sie können uns das nicht einfach so von heute auf morgen wegnehmen."

Seine Stimme hörte sich überraschend sicher an, obwohl er innerlich zitterte.

Magnus war zwar tough, doch bei so etwas Persönlichem knickte selbst er ein.

Er wusste seit Jahren was auf dem Spiel stand.

Er wusste, dass dieser Tag irgendwann kommen würde. Durch den Tod seines Vaters hatte das ganze nur noch beschleunigt.

Magnus' Herz füllte sich mit Trauer und Schmerz als ihm plötzlich das Gesicht seines Vaters vor seinen Augen sprang.

Was würde er an meiner Stelle tun?

Ist er enttäuscht von mir?

Ich habe versagt. Ich hatte eine Aufgabe. Mehr nicht. Und ich habe versagt. Mal wieder.

Magnus senkte den Blick. Tränen zwängten sich in sein Blickfeld. Er konnte sie nur mit Mühe unterdrücken.

Er war am Boden. Machtlos. Planlos.

Noch mehr denn je spürte er, wie wenig sein Leben doch Wert war.

"Wo muss ich unterschreiben?", lenkte er mit leiser Stimme ein.

Sein Kampfgeist und seine Entschlossenheit waren erloschen.

Er hatte erkannt, dass er keine Chance hatte.

Er würde sich nur lächerlich machen, wenn er jetzt anfangen würde zu betteln.

Aber das war nicht Magnus' Stil. So war er einfach nicht.

---

Die nächsten Tage waren kaum erträglich.

Zu Hause herrschte eine angespannte Stimmung.
Der Brief trudelte schon am nächsten Tag ein und hinterließ nichts als Verzweiflung.

Wo sollten sie in drei Wochen hin?

Sie hatten keine Verwandten bei denen sie unterkommen könnten.

Magnus hatte nichts anderes mehr im Kopf als die Sorge um seine Familie.

Auf der Arbeit lief seit diesem Tag auch vieles schief.

Magnus hatte panisch Angst davor, dass sein Chef ihn bald feuern würde.

Und noch immer war Magnus nicht hinter den Namen A. Lightwood gekommen.

Wer könnte das sein?

Er traute sich nicht nachzufragen.

Er konnte spüren, dass dieser Name in ein gefährliches Terrain führte.

Gerade lag er in seinem Zimmer auf seinem Bett.

Es war Freitag. Und es war kurz nach 21 Uhr.

Normalerweise wäre Izzy jetzt hier, neben ihm.

Magnus atmete schwer aus und fuhr sich über die ungeschminkten Augen.

Ihm wurde so langsam bewusst, dass es knapp wurde.

Die 100$, die er am Montag durch die Hin- und Rückfahrt in die Stadt ausgegeben hatte, waren sein ganzes Erspartes der letzten drei Monate.

In der Haushaltskasse lagen weniger als 100$.
Mit diesem Geld musste seine Familie noch bis zum Ende des Monats auskommen.
Wenn nicht sogar länger.

Er brauchte einen zweiten Job, doch er hatte einfach keine Zeit für einen zweiten Job.

Der Professor brauchte ihn förmlich rund um die Uhr.

Und außerdem hatte er ein schlechtes Gewissen wegen Izzy.

Sie hatten sich seit einer Woche nicht gesehen und hatten auch kaum miteinander geredet.

Er hatte ihr nicht gesagt, was bei ihm gerade alles im Leben los war.

Magnus merkte, dass es ihm nicht gut tat, Izzy Dinge zu verschweigen, die ihn innerlich zerstörten.

Für eine Sekunde zögerte als er sein Handy in die Hand nahm und Izzys Nummer wählte.

Will sie überhaupt mit mir reden?

Magnus' Finger schwebte zögernd über der grünen Taste.

Sie wird mich verstehen.

Also drückte er die Taste und hielt sich das Handy ans Ohr.

Sein Herz klopfte schnell. Sein Körper fühlte sich ganz heiß an.

"Mags?" Izzys Stimme hörte sich ganz normal an.

Erleichtert fing Magnus an zu Grinsen.

"Magnus?", fragte Izzy erneut. Sie schien verwirrt, aber jetzt auch etwas aufgebracht.

"Izzy.", sagte er etwas atemlos und drehte sich auf seinen Bauch, den Kopf auf seine freie Hand aufgestützt.

"Was willst du?", fragte Izzy distanziert.

Magnus' Herz rutschte in seine Hose.

Magnus seufzte leise. "Es tut mir leid."

"Was tut dir leid?", Izzys Stimme zitterte leicht. "Etwa, dass du mich seit einer Woche ohne Grund ignorierst? Kein Problem, dafür musst du dich nicht entschuldigen; ich habs schon verstanden."

Die Enttäuschung und der Schmerz in Izzys zitternder Stimme machte ihn fertig.

"Nein, du hast das falsch verstanden...", versuchte er die Situation zu klären.

"Wie hätte ich es denn deiner Meinung nach verstehen sollen?", konterte Izzy patzig.

In Magnus' Kehle bildete sich ein dicker Kloß.
Verzweifelt versuchte er in seinem Kopf einen passenden Satz zusammen zu setzen, doch sein Kopf war wie leer gefegt.

Vielleicht sollte er einfach mit der Wahrheit anfangen anstatt sich für etwas entschuldigen, über das Izzy keine Ahnung hatte.

"Die Bank hat uns das Haus endgültig weggenommen."

Für einen Moment herrschte eine Totenstille.

"Du verarschst mich.", erwiderte Izzy schockiert.

Magnus schüttelte den Kopf, obwohl sie ihn gar nicht sehen konnte.

Er spürte wie seine Augen etwas feucht wurden, doch er versuchte sich zusammenzureißen.

Weinen machte es nicht besser.

"Wir müssen in drei Wochen ausziehen."

Izzy machte ein ersticktes Geräusch. "Aber...wieso?!"

Magnus atmete tief aus. "Ich habe es nicht geschafft die Miete zu zahlen."

Izzy schnaubte empört. "Nur weil du einmal die Miete nicht gezahlt hast? Das kann doch nicht sein."

Magnus lachte humorlos. "Ich bekomme die 600$ seit sechs Monaten nicht zusammen."

"Was?!"

"Ich weiß, ich hätte etwas sagen sollen..."

"Und ob du etwas sagen hättest sollen! Mensch, Magnus, wieso hast du mir das verschwiegen? Wir hätten zusammen eine Lösung finden können. So wie wir das immer tun."

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