- Chapter 20 -
Alec
Tage vergingen. Tage, die an Alec vorbeizogen wie sein bisheriges Leben hinter gläsernen Gittern.
Gleichzeitig fühlte er eine Art von Unruhe in sich, die er nicht zuordnen konnte.
Es fühlte sich so an, als würde er auf etwas warten. Etwas, das alles verändern würde.
Vorher hätte er so ein Gefühl nie herausfiltern können, doch in den letzten Wochen schien alles viel, viel klarer um ihn herum zu werden.
Alec verstand es nicht. Es verwirrte ihn. Es gab ihm das Gefühl, noch viel angreifbarer zu sein als zuvor.
Es machte ihm Angst. Er hatte das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Er durfte nicht die Kontrolle verlieren, doch die Versuchung war einfach zu groß.
Vor allem, wenn er in seiner Nähe war.
Magnus löste ihn ihm Dinge aus, die sich Alec selbst nicht erklären konnte.
Und genau das verwirrte ihn so sehr. Wieso fühlte er so? Er kannte Magnus nicht. Er vertraute Menschen wie Magnus nicht.
Eigentlich.
Er wusste nur, dass...
Alecs Herz stoppte für eine Sekunde und hinterließ eine hohle, sehnsüchtige Leere.
...dass Magnus ihm Sicherheit gab.
Bei Magnus fühlte er sich sicher. Aufgehoben. Nicht wertlos.
Ein bekannter Druck breitete sich plötzlich in seinem Brustkorb aus.
Alec atmete aus und schloss seine Augen qualvoll.
Alles um ihn herum schien anfangen zu schwanken und zu verschwimmen.
Sein Kopf fühlte sich an, als würde er schraubstockartig zusammen gepresst werden.
Er presste die Lippen krampfhaft zusammen. Ihm war eiskalt.
Alles um ihn herum verblasste.
Er vergrub seine Finger in seinen Haaren und zog verzweifelt an ihnen.
Seine Fingernägel streiften schmerzhaft über seine Kopfhaut.
Alles, woran er in den letzten Tagen so krampfhaft festgehalten hatte, schien plötzlich verschwunden zu sein.
Nichts blieb.
Das schwarze Loch, das er über dem Herzen trug, saugte alles in sich ein.
Es ließ nichts zurück. Nicht ein einziges Gefühl, das ihn daran glauben ließ, dass er nicht bedeutungslos war.
Innerhalb einer Sekunde war in Alec nichts mehr übrig.
-
Magnus
Tage vergingen. Tage, in denen Magnus sich nur auf sich selbst konzentrierte und sich dabei sogar ertappte, wie er es genoss, für eine Weile von den Lightwoods entfernt zu sein.
Jeden Morgen war er aufgestanden, ohne das Gefühl zu haben, jeden Moment alles kaputt zu machen.
Am Anfang war es nicht leicht gewesen, die Schuldgefühle und das schlechte Gewissen auszublenden, doch mit der Zeit war es einfacher geworden.
Er schaffte es jetzt sogar, über Alec nachdenken, ohne dass sein Herz anfing schneller zu schlagen oder dass seine Gedanken komplett abdrifteten.
Magnus war stolz auf sich. Es wäre nicht gut ausgegangen, wenn er seine Gefühle zugelassen hätte.
Allerdings fühlte er eine Art Nervosität und Aufregung in sich, die er nicht beschreiben konnte.
Magnus lächelte abwesend in sich hinein, gleichzeitig spürte er einen heftigen Schmerz in seinem Herzen, den ihn zusammen zucken ließ.
Das zum Thema Gefühle kontrollieren können, dachte er ironisch und atmete aus.
Vielleicht war es doch nicht so einfach.
Vielleicht hatte er in den letzten Tagen sich doch erlaubt, an Alec zu denken und hatte auch das nervöse Flattern in seinem Bauch zugelassen.
Doch diese Momente waren kurz gewesen, denn ironischerweise war Izzy jedes Mal bei ihm gewesen und hatte ihn mit ihrem Gerede zurück in die Gegenwart geholt.
Izzy wusste, dass er alles dafür tat, gegenüber Alec tough und professionell zu wirken, so wie er es in der Öffentlichkeit und auch gegenüber fremden Menschen schaffte.
Sie hatte wirklich alles versucht und letztendlich hatte es funktioniert.
Allerdings wusste Magnus nicht, ob er ihr dafür danken sollte, denn jetzt fühlte sich sein Körper hohl und dumpf an.
Auch sein Kopf schien wie in Watte gepackt zu sein.
"Magnus?", schallte Izzys Stimme plötzlich herüber. Magnus zuckte erschrocken und hob vorwurfsvoll eine Augenbraue.
"Musst du so schreien?"
Izzy schnaubte. "Ja! Muss ich! Du hörst mir nicht einmal zu."
Magnus rollte mit den Augen und machte eine abwertende Bewegung mit seinen Fingern.
Izzy lachte und schüttelte ihren Kopf. "Du bist unmöglich."
Magnus hob nur eine Augenbraue und seufzte träge.
Izzy stieß ihn gegen die Rippen. "Hey, du liegst seit über einer Woche nur in deinem Bett herum. Solltest du nicht so langsam wieder zu unserem Psycho?"
Magnus schlug ihre Hand weg. "Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du ihn so nicht nennen sollst?!"
"Jaja, schon gut.", lenkte Izzy ein und warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. Ihre Augenbrauen hoben sich spielerisch.
Magnus starrte herausfordernd zurück. "Ich glaube es wäre besser, wenn du jetzt gehst."
Izzy lachte herzlich und bewegte sich auf ihn zu. Er wich genervt zurück.
"Du willst nicht, dass ich gehe. Du brauchst mich.", gluckste sie, schlang ihre Arme um seinen Bauch und zog ihn an sich.
Magnus strich ihr liebevoll über das Haar und drückte sie fest. "Bilde dir bloß nichts ein."
Empört gab sie ihm einen erneuten Stoß. Magnus zuckte zusammen
"Und wenn du so weiter machst, suche ich mir eine neue beste Freundin."
Izzy schüttelte den Kopf. "Niemals."
Magnus lächelte leicht und sah ihr tief in die Augen.
"Niemals.", sagte er eine Weile später.
Für einige Minuten herrschte eine angenehme Stille. Sie war so angenehm, dass Magnus fast eingeschlafen wäre, wenn Izzy sich nicht ruckartig aufgesetzt hätte.
Magnus folgte ihr und sah ihr etwas überrumpelt ins Gesicht.
"Alles in Ordnung?"
Izzy sah ihn flehend in die Augen. "Bitte versprich mir, dass du mich nicht hassen wirst."
Magnus schloss für eine Sekunde die Augen. Dennoch spürte er den Ärger seine Kehle hoch kriechen.
"Was hast du mir vergessen zu sagen?", fragte er und sah ihr direkt in die Augen.
Izzy senkte den Blick und biss sich auf die Unterlippe. "Ich hab es nicht direkt vergessen...ich wollte eigentlich nur den richtigen Zeitpunkt abwarten..."
Magnus hob amüsiert eine Augenbraue. "Und dieser richtige Zeitpunkt ist jetzt? Nach dem du wie eine Gestörte dich aufgesetzt und mich darum gebettelt hast, dich nicht zu hassen?"
Izzy rollte mit den Augen. "Kannst du nicht für eine Sekunde mal ernst bleiben?"
Magnus zuckte unbeholfen mit den Schultern.
Izzy seufzte. "Erinnerst du dich an das Gespräch am Telefon mit dem Angestellten in der Klinik?"
Magnus nickte.
"Er hat mir nicht einfach so gesagt, wo sich Alec befindet."
"Was willst du mir damit sagen, Iz?", fragte er sie zögerlich und verengte die Augen zu Schlitzen.
"Ich habe möglicherweise zugesagt als der Typ gefragt hat, ob er im Gegenzug mit meinem Bruder ausgehen dürfe."
Magnus war komplett sprachlos.
Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet.
"Wieso?"
Izzy seufzte. "Mir war bewusst, dass du keine Sekunde länger mehr in diesem Auto ausgehalten hättest, wenn ich einfach aufgelegt hätte und wir mit nichts in den Händen weiter gefahren wären."
"Also hast du zugesagt...ohne mich zu fragen.", murmelte Magnus und stützte seinen Kopf in seine Hände ab.
Für ein Date hatte jetzt überhaupt keinen Nerv.
Vor allem nicht auf eins, das Izzy für ihn arrangiert hatte.
Izzy zuckte hilflos mit den Schultern. "Er klang nett am Telefon."
Magnus warf ihr einen tötenden Blick zu. "Das hilft gerade echt nicht."
"Es tut mir leid. Ich hätte das nicht hinter deinem Rücken tun sollen."
"Und wieso hast du es dann getan?", fragte er sie kalt und stand auf, um Abstand zwischen ihr und ihm zu bekommen.
Er konnte ihr nicht ins Gesicht sehen.
Der Schmerz des Verrates brannte durch seinen Körper und er konnte nicht mehr klar denken.
Nie im Leben hätte er gedacht, dass Izzy so etwas tat, ohne ihn zu fragen, ob es für ihn okay war.
Noch nie hatte seine beste Freundin so etwas getan, da sie ja normalerweise wusste, dass er solche Aktionen hasste.
Es war sowieso nicht leicht für ihn, sich auf Männer einzulassen.
Noch dazu hatte sich Magnus die Person gar nicht aussuchen dürfen, sondern musste sich mit einem fremden Mann treffen und zusammen essen gehen.
Schon allein bei dem Gedanken wurde Magnus kotzübel.
"Ich wollte, dass es dir besser geht. Du hättest zu hundert Prozent das gleiche getan, wenn du dich selbst an diesem Tag gesehen hättest. Ich wollte einfach nur, dass du wieder der Magnus bist, den ich kenne."
Magnus schüttelte abwehrend den Kopf. Ein dicker Kloß bildete sich in seiner Kehle und auch Tränen spürte er in seinen Augenwinkeln.
"Ich war selbst während der Autofahrt, der Magnus, den du kennst. Ich kann nicht immer dieser fröhliche Junge sein, bei dem es so scheint, als müsste er sich nur um seine tägliche Dosis Glitter kümmern. Ich bin ein Mensch. Genauso wie du. Genauso wie Alec. Genauso wie jede andere Person in diesem Universum. Du kannst von mir nicht verlangen, dass ich immer glücklich bin, Izzy. Das hast du noch nie zuvor getan. Wieso gerade jetzt? Jetzt, wo es mir offensichtlich nicht gerade leicht fällt, mein Leben so fortzusetzen, wie es vor einem Monat war?"
Izzy schwieg für einige Minuten. Magnus wagte es nicht, sich umzudrehen und ihr in die Augen zu schauen.
Seine Hände waren so fest zur Fäusten geballt, dass sich seine Fingernägel schmerzhaft in seine Handflächen vergruben.
Magnus atmete tief durch. Verärgert musste er fest stellen, dass ihm eine Träne über die Wange lief.
Eilig wischte er sie weg. Er war es leid zu weinen. Am liebsten würde er einfach seine ganze Umgebung für immer ausblenden und komplett neu anfangen.
Er hatte genug. Er wollte nicht mehr. Er hasste dieses Dorf. Er hatte genug von diesem Haus, von seinem Zimmer. Einfach von allem, das er seit zweiundzwanzig Jahren jeden Tag sehen musste.
Magnus wollte einfach nur noch weg von hier.
"Mir war klar, dass Alec dich komplett aus der Bahn werfen würde, wenn du ihn in dieser Klinik siehst. Ich wollte, dass du jemanden, an dem du dich festhalten kannst, weil Alec nicht gut für dich ist."
Aufgebracht drehte sich Magnus zu Izzy um. "Du hattest kein Recht das zu tun. Du hast kein Recht überhaupt so zu denken. Seit Anfang an hast du etwas gegen Alec, dabei kennst du ihn nicht einmal."
"Kennst du ihn denn?", konterte Izzy eisig.
Magnus' Herz stoppte für einen Moment. Eine eisige Kälte umfing seinen Körper, die ihm solche Angst machte, dass er nach Luft schnappen musste.
"Er ist mein Klient.", sagte er mit zitternder Stimme.
"Falsch. Du arbeitest für ihn. Du bist nur einer von vielen. Genauso wie dieses Hausmädchen. Und Gärtner oder der Koch. Du bedeutest den Lightwoods gar nichts. Genauso wenig, wie du Alec etwas bedeutest. Du bist für sie ein Nichts. Nur ein alberner Dorfjunge, der seit Jahren den hirnrissigen Traum hat, irgendwann die Welt bereisen zu können. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass du aufwachst und siehst, wie dein Leben eigentlich ist."
Jedes einzelne Wort, das Izzy aus dem Mund kam, traf ihn so hart, dass er sich an seinem Schrank festhalten musste.
Noch nie zuvor hatte sie so mit ihm geredet. Noch nie zuvor hatte er sich so gedemütigt gefühlt.
Verletzt und wütend sah er ihr in die Augen. "Ach ja? Wie ist denn mein Leben?"
Izzy holte laut Luft. Sie schien kein einzelnes Wort zu bereuen. "Du bist arm. Du hast einen ziemlich miesen Job. Du wohnst in einem kleinen Zimmer in deinem Elternhaus. Mit 22! Du wirst für immer hier sein, Magnus. Wieso verstehst du das denn nicht? Wieso siehst du nicht, dass du hier für immer fest stecken wirst?"
Erneut wusste Magnus nicht, was er vor Sprachlosigkeit sagen sollte.
Viel zu sehr war er damit beschäftigt sich selbst vor der Härte dieser Worte zu schützen.
Dennoch fühlte sich jeder Satz wie eine Ohrfeige mitten ins Gesicht an.
Jedoch stieg mit jedem Satz auch der Wille, Izzy klar zu machen, wie falsch sie lag.
Vor allem machte es ihn wütend, wie sie über die Lightwoods und Alec sprach.
Izzy war doch eigentlich diejenige, die keine Ahnung hatte.
Magnus hielt sich aber in der letzten Sekunde noch zurück.
Es brachte nichts. Das wurde ihm in diesem Moment klar, als er den Mund lautlos wieder schloss.
Izzy würde es nie verstehen. Sie würde nie erkennen, wie wichtig es ihm war, bei Alec zu sein.
Natürlich musste sein Herz in dieser Sekunde einen riesigen Hüpfer machte, den er im ganzen Körper widerhallen spürte.
Magnus presste die Lippen zusammen und atmete angestrengt durch.
Alles tat ihm weh. Am meisten sein Herz, das so tiefe Wunden von diesem Streit zugefügt worden war, dass er Angst hatte, sie würden nie wieder verheilen.
Sein ganzer Körper sehnte sich plötzlich nach dieser Nacht, in der er Alec im Arm gehalten hatte.
Noch immer träumte er ab und zu davon und noch immer warf es ihn völlig aus der Bahn.
Er fühlte sich wie in einem Rausch.
"Ich möchte, dass du gehst."
Izzy sah ihn verstört an.
Angewidert drehte er den Kopf zur Seite. Er konnte sie nicht einmal mehr ansehen, so sehr saß die Enttäuschung und der Schmerz.
"Magnus..."
"Ich werde es nicht noch einmal sagen.", knurrte er jetzt wütend und zeigte zur geschlossenen Zimmertür.
Erneut brannten Tränen in seinen Augen. Erneut gab er alles, um sie zu unterdrücken.
Doch es war schwerer, wenn Izzy bei ihm war. Wenn er sie auch nur ansah, fühlte er, wie er in ein tiefes schwarzes Loch fiel.
Es fühlte sich an, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen werden.
Und er fiel. Immer weiter. Es hörte nie auf.
Angestrengt schloss er die Augen.
Er hörte, wie sich Izzy erhob und langsam aus dem Zimmer lief.
Als er hörte, wie sich die Zimmertür schloss, ließ er sich kraftlos auf sein Bet fallen.
Doch bevor er völlig zusammenbrechen konnte, klingelte sein Handy.
Mit viel Überwindung nahm er ab. Doch als er sich meldete, zitterte seine Stimme.
Eine völlig fremde Stimme hörte er am anderen Ende seinen Namen sagen.
"Ja, ich bin Magnus Bane.", antwortete er überrumpelt.
"Hier ist Julia Lightwood, Alecs Schwester."
Magnus' Herz setzte aus. Schon allein, wenn er seinen Namen hörte, spielte sein Körper verrückt.
"Alecs Schwester?", wiederholte er überrascht.
"Ja, ich wohne eigentlich in New York. Ich habe erst vor wenigen Tagen erfahren, dass mein kleiner Bruder wieder in der Klinik ist."
New York? Wow!, dachte Magnus beeindruckt.
"Wieso rufen Sie an?", fragte er lauernd.
"Ich soll Ihnen ausrichten, dass Alec ab morgen wieder zu Hause ist."
Magnus schluckte schwer. "Wie geht es ihm?"
Julia lachte freudlos. "Wie es ihm geht? Sein Zustand ist unverändert. Sie kennen Ihn doch."
Sein Zustand ist unverändert.
Magnus schloss verkrampft die Augen und holte tief Luft.
Das bedeutete wohl, dass Alec wieder in sein altes Muster zurück gefallen war.
"Ich werde morgen um sieben Uhr da sein.", sagte er und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr es ihn traf, dass Alec den Kampf gegen sich selbst erneut verloren hatte.
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I'm back bitcheeeees.
Ich hab euch alle so krass vermisst.
Die Woche in Berlin war mega und danke nochmal an alle, die mir viel Spaß gewünscht haben.
Das beste ist aber, dass ich seit Dienstag endlich 16 bin.
Ich hab euch das am Dienstag vergessen zu sagen, als ich die A/N hochgeladen habe. (oops)
Ab jetzt gibt's wieder regelmäßige Updates, versprochen!
Was war Eure Lieblingsstelle in diesem Chapter? 🤔
Love you! ❤️
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