- Chapter 12 -
Magnus
Ohne noch länger über die Folgen nachzudenken eilte Magnus zu Alec, der sichtlich schockiert war.
Noch immer liefen Alec Tränen über die Wangen und noch immer spürte Magnus diesen schmerzenden Stich in seiner Brust, als er die Qual in Alecs Augen sah.
Magnus blieb etwa zwei Meter entfernt von ihm stehen und sah Alec einfach nur stumm in die Augen.
Er war sich unsicher, wie Alec auf plötzlichen Körperkontakt reagieren würde.
Vor allem in so einer Situation wie dieser.
Immer mehr Schmerz, immer mehr Angst, immer mehr Verzweiflung.
Magnus atmete tief durch.
Er machte schließlich probeweise einen Schritt auf Alec zu, der prompt zusammenzuckte aber nicht zurück schreckte.
Das schenkte Magnus mehr Selbstvertrauen und er machte nun vorsichtig mehrere kleine Schritte auf Alec zu.
Alecs Atem ging stoßweise und noch immer schimmerte ein Schweißfilm auf seiner Stirn.
Er weinte nicht mehr, aber noch immer waren seine Wangen feucht und in seinen Augen wirbelte ein scheinbar unzähmbarer, grauer Wirbelsturm.
Magnus wusste für einen Moment nicht, was er tun sollte.
Ihm kam es plötzlich total albern vor, dass er sich fast förmlich auf Alec gestürzt hatte, um sicher zu gehen, dass es ihm gut ging.
Dabei hatte er für einen Moment gar nicht darauf geachtet, dass Alec eine Person, die den Kontakt mit Menschen gar nicht richtig kannte.
Magnus musste sich immer wieder neu selbst daran erinnern, dass er, was Alec anging, sehr geduldig sein musste.
Alec war keine Person, die er nach dem zweiten Treffen umarmen konnte, so wie er es bei anderen Menschen immer tat.
Also blieb ihm nur noch die Rolle des Betreuers.
Als wäre es etwas völlig normales ging Magnus also an Alec vorbei, streifte dabei aus Versehen dessen Arm mit seinem und setzte sich auf die Couch.
Die Luft knisterte vor Spannung.
Alecs Augen folgten Magnus' Bewegungen ganz genau. Für einen Moment schien er ratlos.
Doch dann streifte er sich seine zu langen Pulloverärmel über seine Hände und tat etwas, das Magnus nie von Alec erwartet hätte;
Alec setzte sich auf den Fußboden, etwa zwei Meter von Magnus entfernt.
Sie waren ungefähr auf gleicher Augenhöhe und Magnus fühlte sich ausnahmsweise nicht unbehaglich.
Unbekümmerte setzte er sich nun im Schneidersitz auch auf den Boden, lehnte sich mit dem Rücken an der Couch an und beobachtete, wie Alec ihm nachahmte als wäre er sein Spiegelbild.
Magnus musste unwillkürlich lächeln. Ihm gefiel dieser Gedanke.
Alecs Blick war noch immer auf ihn gerichtet.
Seine haselnussfarbene Augen wirkten bei diesem Lichteinfall fast schon tannengrün und hoben sich von seiner blassen, aber dennoch leicht olivfarbenen Haut ab.
Magnus räusperte sich und sah sich interessiert im Wohnzimmer um.
Hier war alles so steril und überhaupt nicht gemütlich.
Magnus war sich sicher, dass Maryse wahrscheinlich einen Schreikrampf bekommen würde, wenn sie sein Zimmer im Vergleich sehen würde.
Fast hätte er bei dieser Vorstellung laut aufgelacht, doch Alecs plötzlich abwesender Gesichtsausdruck hinderte ihn daran.
Hellwach beugte Magnus sich etwas näher zu Alec vor und musterte diesen leicht besorgt.
Alec saß da wie ein Junge, der nicht wusste wo sein Platz in dieser großen, weiten Welt war.
Und Magnus wurde schmerzlich bewusst, dass das bei Alec nicht nur so aussah, sondern auch zu traf.
"Alec.", wisperte er vorsichtig und zog sich wieder etwas zurück.
Sicher war sicher.
Alec blinzelte irritiert, sein Blick klärte sich und er schien aufnahmefähiger als noch vor ein paar Momenten.
Erleichterung durchströmte Magnus' Körper.
"Was war das vorhin mit der Scheibe?", fragte er vorsichtig und mit Bedacht.
Alec blinzelte stumm.
Magnus erwartete keine Antwort von ihm, um ehrlich zu sein.
Um Alec nicht unter Druck zu setzen, sah er sich erneut in der Wohnung um und musste wieder feststellen, wie lieblos hier alles aussah.
Luxusmöbel, alles schön und gut, aber sie brachten überhaupt keine heimische Atmosphäre mit sich.
Ihm juckte es in den Fingern einfach das ganze Apartment mit Farbe und Glitzerpartikeln zu überschütten.
Das Endergebnis würde zumindest tausendmal besser sein als dieser Anblick, da war sich Magnus hundertprozentig sicher!
"Ich...ich weiß es nicht."
Magnus' Kopf schnellte in Alecs Richtung.
Ein Gefühl des Triumphs durchströmte seinen Körper und gleichzeitig war er schockiert.
Alec hatte ihm gerade geantwortet. Schon wieder!
Und Magnus war sich zu hundert Prozent sicher, dass Alec gerade sogar, den Umständen entsprechend, sehr klar und aufnahmefähig war.
Natürlich waren da noch immer dieses große Misstrauen und auch leichte Wut in Alecs Augen, doch diese Emotionen schienen Alec zum ersten Mal nicht ganz so Besitz zu ergreifen.
"Jeder hat, glaube ich, diese Tage an denen er alles am liebsten kaputt schlagen würde.", sagte Magnus und schmunzelte über diese leichten Worte, die ihm genauso leicht über die Lippen gegangen waren.
Natürlich gab es bei Alec einen ganz anderen und viel, viel komplizierteren Grund für dessen Verhalten, doch Magnus kümmerte das jetzt nicht, denn darauf kam es auch gerade überhaupt nicht an.
"Ich würde am liebsten jede Sekunde etwas um mich herum zerstören."
Magnus blieb für einen Moment der Mund offen stehen.
Was hatte er getan? Wieso unterhielt Alec sich mit ihm? Ausgerechnet ihm!
"Wieso?", entgegnete Magnus nach ein paar Momenten der Stille und stützte sein Kinn interessiert auf seiner Handfläche ab.
Alecs Körper durchfuhr ein heftiges Zittern.
Magnus konnte den Zwang mit dem Alec gerade kämpfte förmlich durch dessen Körper rasen sehen.
Letztendlich schien dieser zu siegen, denn Alec ahmte Magnus Position haargenau nach, was Magnus jetzt doch etwas befremdlicher vorkam als vor ein paar Minuten.
"Es ist einfach so.", meinte Alec unterkühlt.
Magnus nickte und presste die Lippen fest zusammen.
"Hast du dich verletzt?", fragte Magnus vorsichtig und musste unwillkürlich auf Alecs verbundene Hand schauen.
Bilder vom letzte Tag raste ihm durch den Kopf.
Das viele Blut. Alecs zitternde, blutüberströmte Hand. Magnus erschauderte.
Alecs Blick verhärtete sich sichtlich als er Magnus' Blick folgte und zog mit zitternden Finger den Pulloverärmel über seine verletzte Hand.
"Ich brauche deine Hilfe nicht.", zischte Alec feindselig und aufgebracht. Seine Augen huschten hin und her und sein Körper war sichtlich angespannt.
Magnus seufzte und schüttelte bedauernd den Kopf. "Dr. Bruce hat..."
"Das ist mir egal! Ich brauche deine Hilfe trotzdem nicht!", unterbrach Alec ihn kalt.
Magnus nickte bedächtig. "Okay." Dann erhob er sich betont leichtfüßig und unbekümmert und lief einfach an Alec vorbei.
Wenn Alec sich von ihm nicht helfen lassen wollte, dann war das sein Problem.
Magnus würde sich nicht extra verbiegen, um Alec zumindest eine einzige positive Reaktion zu entlocken und das wollte er ihm ganz klar zeigen!
Betont langsam schritt er auf die Grenze zwischen Alecs Apartment und der "Freiheit", wie es Magnus heimlich nannte, zu
Als er sich zu Alec umdrehte, trafen sich ihre Blick fast sofort.
Erneut toste dieser heftige Wirbelsturm in Alecs Augen.
Magnus konnte nicht einschätzen, was Alec gleich machen würde, deshalb entschied er sich dazu, die Plexiglasscheibe wieder herunterzufahren.
Entschlossen lief er zu dem Knopf und sah Alec erst wieder ins Gesicht als er diesen betätigte.
Alecs Augen waren völlig leer. Es schien fast so als würde der Junge vor ihm nichts spüren.
Ein beklemmendes Gefühl machte sich in Magnus breit als er Alec so musterte.
Sein Herz fühlte sich leer an, doch er ließ sich davon kaum beirren.
Schließlich war die Plexiglasscheibe wieder unten und die Fahrstuhltüren offen.
Mit erhobenem Kopf nahm er seinen Block und Stift und schritt in den Fahrstuhl.
Er würdigte Alec dabei keines Blickes.
Gleichzeitig suchte er nach einer Lösung.
Etwas, dass diese immer wieder auftretende Anspannung zwischen Alec und ihm schwächte, damit Magnus an Alec zumindest etwas herankommen konnte.
Geduld.
Das war das einzige, das er haben musste. Sonst würde er nie diese eine Lösung finden.
Das wusste er.
Vielleicht würde es nur Tage dauern bis er sie fand, doch die Zeit bis sie dann wirklich Wirkung zeigen würde, würde viel, viel länger dauern als nur Tage.
Doch Magnus fühlte sich bereit dafür.
Er wollte Alec nach wie vor helfen. Da konnte sicher dieser so viel wehren wie er konnte.
Aber ob er sich dabei immer an die Regeln halten würde, die er übrigens heute schon wieder gebrochen hatte, war eine ganz andere Frage.
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