Kapitel 21
Ich hatte mir das Fahrrad meiner Mutter ausgeliehen, um zu meinem Treffen mit Finn zu fahren. Heute war der große Tag. Ich würde es ihm sagen und dieses Mal würde ich keinen Rückzieher machen. In meinen Gedanken war ich bereits alle Szenario durchgegangen und hatte mich mental darauf vorbereitet, ihm in jedem Fall die Wahrheit zu sagen. Es musste endlich raus. Jetzt gab es wirklich kein Zurück mehr.
Finn wartete bereits vor dem Café auf mich. Je näher ich kam, desto irritierter war ich. Er hatte zwar Blumen in der Hand - immerhin war heute mein Geburtstag - doch er sah so gar nicht freudig aus.
Ich hielt mit dem Rad neben ihm.
"Hey", sagte ich sichtlich verunsichert aufgrund seiner dunklen Mine. "Alles okay bei dir?"
Was war los? Wenn mich nicht alles täuschte, war er stinksauer und zwar auf mich. Sein Blick war voller Abscheu.
Ich hatte ihn noch nie zuvor so erlebt. Es machte mir Angst.
Er schien um Worte zu ringen.
"Finn? Was ist passiert?", fragte ich vorsichtig und stellte mein Fahrrad ab. "Irgendetwas ist doch."
"Das fragst du noch?"
Er wusste es. Verdammt. Jemand hatte es ihm gesagt! Ruben! Oder Frida. Jemand musste sich verplappert haben. Er wusste, dass ich von ihm schwanger war.
"Es tut mir leid", war alles, was ich hervorbrachte.
"Es tut dir leid? Wie kann es dir leid tun, wenn du es doch mit voller Absicht gemacht hast?"
Seine Stimme war so aggressiv, dass es mir Angst machte.
"Was habe ich mit Absicht gemacht?"
Es war sicherlich nicht mein Plan gewesen, von ihm schwanger zu werden. War es das, was er dachte?
"Wie viel Mist hast denn noch gebaut, wenn du nicht einmal weißt, was ich meine?" Er verschränkte seine muskulösen Arme vor seiner Brust.
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
"Das Foto", feuerte er mir voller die zweite Worte entgegen.
"Das Foto?", stammelte ich verwirrt. Welches Foto?
Ich hatte komplett den Anschluss verloren. Wovon sprach er?
"Ich weiß nicht, von welchem Foto du sprichst."
"Tu doch nicht so! Du hast Maddie das Foto zugespielt. DAS Foto. Weißt du eigentlich, was du damit alles kaputt gemacht hast. Du hast versprochen, dass du es wegschmeißen wirst! Erinnerst du dich?"
Scheiße.
Jetzt verstand ich, wovon er sprach.
Der Fotostreifen.
Ich nickte, denn ich hatte tatsächlich versprochen, die Bilder zu entsorgen. Doch ich hatte es nicht getan. Offenbar hatte Basti es gefunden und an Maddie geschickt.
"Es tut mir leid", wiederholte ich mich. "Es stimmt, dass ich es nicht weggeschmissen habe, aber ich habe es nicht Maddie zugespielt.
"Ist klar! Das soll ich dir glauben?"
Er verletzte mich, dass er so mit mir sprach.
"Ja, Finn", sagte ich enttäuscht. "Ich bin dein beste Freundin. Glaubst du wirklich, dass ich deine Beziehung kaputt machen würde, indem ich deiner Verlobten ein Kussfoto von uns schicke? Schätzt du mich wirklich so ein? Du kennst mich! Du müsstest es besser wissen!"
Er sah mich mit großen entsetzten Augen an.
"Ilvi, du hast das Foto damals an dich genommen. Du hast gesagt, dass du es wegschmeißen würdest! Und jetzt sag mir eins: Hast du es weggeschmissen?"
Nein, das hatte ich nicht. Und das konnte er mir tatsächlich vorhalten.
Ich schüttelten den Kopf.
"Siehst du! Warum hast du es nicht getan?"
Weil es ein so wundervoller Moment gewesen war, den ich nie vergessen wollte.
"Warum?", fragte er mit Nachdruck.
"Weil ich es schön fand, okay?", offenbarte ich meine innersten Gefühle, die ich mir selbst kaum eingestehen konnte.
Finn hielt kurz inne, doch seine Wut wich nicht aus seinem Gesicht.
"Ist das der Grund, warum du meine Beziehung kaputt machen willst? Weil du heimlich auf mich stehst?"
"Nein!", beteuerte ich sofort. "Ich wollte nie deine Beziehung kaputt machen!"
"Hast du aber! Du hast das Foto in einen an Maddie adressierten Umschlag in unseren Briefkasten gesteckt. Und du willst mir erzählen, dass du damit nicht meine Beziehung kaputt machen wolltest?"
"Das war ich nicht."
"Als ob! Ich dachte wirklich, dass wir beste Freunde sind, aber momentan weiß ich nicht, wie ich dir das verzeihen soll. Die Hochzeit ist abgeblasen und Maddie vorerst zu ihren Eltern gezogen. Und all das, weil du ein bisschen für mich schwärmst?"
Ich war zutiefst getroffen, dass er mir tatsächlich zutraute, dass ich ihm das antun würde.
Heute sollte ein schöner Tag sein. Es war mein Geburtstag, doch tatsächlich hatte ich mich schon seit langem nicht mehr so schlecht gefühlt. Nicht einmal an dem Tag, an dem ich erfahren hatte, dass ich schwanger war.
"Es tut mir leid, dass deine Beziehung vor dem Aus steht", sagte ich nun verbittert. "Aber gib nicht mir die Schuld. Denn der Grund, warum so ein Foto überhaupt existiert, ist die Tatsache, dass du sie betrogen hast. Das scheinst du zu verdrängen, oder? Und wie du dich vielleicht auch erinnern kannst, war es nicht nur ein Kuss! So ganz unschuldig bist du an der Situation also nicht."
Mir war bewusst, dass ich mit dieser Aussage die Lage nur noch mehr eskalieren ließ, doch ich hatte mir meine Worte nicht verkneifen können. Ich war nicht die einzige Schuldige.
"Es war ein Ausrutscher! Es war ein einziges Mal. Wir waren betrunken und es hatte nichts zu bedeuten!" Wenn er nur wüsste. Diese Nacht bedeutete mittlerweile alles. "Und wir waren uns einig, dass wir nie wieder darüber reden und es einfach vergessen!"
Genau genommen, hatten wir uns nicht darauf geeinigt. Er hatte es mir angewiesen. Doch das spielte keine Rolle. Denn ich hatte das Foto nicht an Maddie geschickt. Es war in den letzten Monaten nicht einmal mehr in meinem Besitz gewesen. Ich hatte das Buch mit dem Foto und dem Brief in der Wohnung zurückgelassen. Basti musste es gefunden haben und in seiner angekratzten Ehre an Maddie geschickt haben. Entweder um mir ein auszuwischen oder aber, weil Finn mich geküsst und geschwängert hatte. Das bedeutete auch, dass Basti mittlerweile wissen oder zumindest ahnen musste, dass das Kind von Finn war.
"Ich dachte wirklich, du würdest mich besser kennen", sagte ich mit vorwurfsvoller Stimme.
"Das dachte ich auch", erwiderte er und sah mich an, als wäre ich Abschaum
Er versetzte mein Herz in einen Ausnahmezustand. Es schlug schnell und kraftvoll. Als würde es versuchen aus meiner Brust zu fliehen.
Ich könnte Finn jetzt erzählen, dass Basti es geschickt hatte, doch es würde nichts ändern. Denn allein die Tatsache, dass er mir zutrauen würde, dass ich so hinterhältig war, enttäuschte mich. Es spielte für mich keine Rolle mehr, dass er die Wahrheit erfuhr. Der Schaden war schon entstanden.
Ihm jetzt von der Schwangerschaft zu erzählen, war nicht mehr vorstellbar. Vermutlich würde er mir noch unterstellen, dass ich das Kondom manipuliert hatte, um ihn an mich zu binden. Ich wusste nicht, wie es mit uns weitergehen sollte, aber ich wusste, dass ich hier nur noch weg wollte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top