Kapitel 1
"Nun rück schon mit der Sprache raus!", forderte Frida und trank den letzten Schluck ihres Cocktails, der vermutlich nur noch aus dem geschmolzenen Wasser der Eiswürfel bestand. Der Papierstrohhalm hatte am unteren Ende mittlerweile auch die Konsistenz von Pappmasché angenommen.
Finn grinste und schien es zu genießen, uns auf die Folter zu spannen. Dabei bildeten sich kleine Grübchen schräg über seinen Mundwinkeln, von denen er genau wusste, dass sie ihn noch attraktiver machten, als er eh schon war.
"Finn!", forderte nun auch Ruben, der vor Ungeduld eine Salzstange zwischen Daumen und Zeigefinger zerbrach. "Wir sind hier nicht bei Deutschland sucht den Superstar, nicht im Dschungelcamp und auch nicht bei The Masked Singer! Also hör auf, uns so auf die Folter zu spannen!"
Finn atmete tief ein und schien es zu genießen, uns hinzuhalten.
"Ich habe Maddy gefragt, ob sie meine Frau werden möchte", ließ er die Bombe platzen. Ruben, Frida und ich zogen überrascht die Luft ein. Die Explosion der Bombe fuhr durch meinen gesamten Körper und hinterließ Risse in meinem Herzen. "Und sie hat 'Ja' gesagt", fügte er der Vollständigkeit noch hinzu und goss somit noch Säure in die Wunden des Taktgebers meines Körpers.
Ich zwang mir trotzdem ein Lächeln auf. Genauso wie Frida und Ruben es taten. Doch keines wirkte echt. Man konnte unsere Zähne sehen und die Mundwinkel waren nach oben gezogen, doch das Lachfältchen um die Augen suchte man vergebens.
Maddy und Finn waren seit 6 Jahren ein Paar und keiner von uns Dreien hatte je verstanden, was er an dieser Frau fand. Insgeheim hatten wir immer noch gehofft, dass er irgendwann aufwachen würde und erkannte, welche Frau er sich da ausgesucht hatte. Finn hätte jede haben können, doch ausgerechnet die personifizierte Überheblichkeit hatte er als seine Partnerin gekürt.
"Wow", sagte Finn enttäuscht und sah verbittert in die Runde. "Ich weiß ja, dass sie nicht eure beste Freundin ist, aber müsste ihr echt so lange Gesichter machen? Könnte ihr euch nicht mal ein bisschen für mich freuen? Hasst ihr sie wirklich so sehr?"
Er presste seine Lippen zusammen und schüttelte ungläubig den Kopf.
Die ehrliche Antwort auf seine Frage wäre "Ja" gewesen. Doch ich hatte immerhin genug Anstand, um das nicht auszusprechen.
"Tut mir leid", sagte ich rasch und versuchte meinen Gesichtsausdruck in eine positivere Richtung zu lenken. "Wir freuen uns, dass du deine Liebe gefunden hast. Wichtig ist, dass du mit ihr glücklich bist. Dann sind wir es auch!"
Meine Worte schienen ihn nicht aufzuheitern.
"Ist das euer Ernst? Ihr tut so, als wäre sie eine Kreuzung aus Cruella de Vil und Ursula als Ariel."
"Nein! Nein!", widersprach ich sofort. "So ist das nicht! Wirklich! Ich freue mich für euch! Ich weiß doch, wie glücklich sie dich macht!"
Ruben und Frida waren auffällig ruhig geblieben. Sie wussten ganz genau, dass ich log. Schließlich waren wir schon oft genug in Finns Abwesenheit über Maddy hergezogen. Diese Frau war aber auch schrecklich. Sie war arrogant und oberflächlich. Früher oder später würde sie eh Finn das Herz brechen und ich wünschte, dass ich ihn irgendwie davor bewahren könnte.
Finn lächelte schwach in meine Richtung und schien meine Lüge nicht enttarnt zu haben.
"Danke, Ilvi", sprach er sanft. "Wenigstens eine, die sich für mich freuen kann!" Dann blickte er böse in Rubens und Fridas Richtung.
Frida piekste mit ihrem zerfallenden Strohhalm in ihrem Glas herum, während Ruben gar kein Geheimnis daraus machte, wie wenig er von den Hochzeitsplänen seines besten Kumpels hielt.
"Sie hat meinen 30.Geburtstag versaut, indem sie auf meinen Kuchen gekotzt hat" erinnerte Ruben an den Tag, den wir noch alle gut im Gedächtnis hatten. "Und sie hat sich bis heute nicht entschuldigt! Was erwartest du?"
"Sie hat dir eine Flasche Sekt und eine Entschuldigungskarte geschickt", wandte Finn ein. "Findest du nicht, dass du ein bisschen nachtragend bist?"
Ruben verdrehte daraufhin die Augen.
"Wir alle wissen, dass die von dir war!", konterte Ruben.
Ertappt sah Finn ihn an.
"Das ist nicht wahr", sagte er wenig überzeugend. Wir alle wussten, dass er selbst die Karte geschrieben hatte. Seine Versuche die Handschrift abzuändern waren kläglich gewesen. Es gab keinen Zweifel daran, dass er sie geschrieben hatte.
"Finn", mischte sich Frida mit ihrer ruhigen Stimme ein. Sie sah zu Finn auf und suchte den Blickkontakt. "Tut mir leid, dass ich keine Freudensprünge mache. Maddy hat mehr als einmal deutlich gemacht, dass sie nicht viel von uns hält. Und das ist okay. Wir sind mit dir befreundet und nicht mit ihr. Wenn du mit ihr glücklich bist, dann freuen wir uns für dich! Wirklich! Aber bitte erwarte nicht, dass sie unsere beste Freundin wird."
Damit traf sie es gut auf den Punkt. Wir hatten Maddy nicht nur eine Chance gegeben zu unserer Clique dazu zu gehören. Es lag nicht an uns, dass wir mit ihr in einem unausgesprochenen Waffenstillstand waren.
Mit angespannten Kiefer nickte Finn. Ihm musste das auch bewusst sein.
"Ein kleines Weizen und ein Aperol Spritz?", wurden wir von der Kellnerin unterbrochen. Sie schob das Tablett und ihren überdurchschnitlich großen Busen zwischen Finn und mich und sah fragend in die Runde.
"Hier", sagte Ruben sofort und schien sichtlich erfreut über die Unterbrechung. "Ich habe Aperol Spritz."
Er griff nach dem orangenen Getränk und stellte es vor sich ab. Ich, die in ihrer gesamten Unizeit gekellnert hatte, funkelte ihm böse zu. Nehme niemals einem Keller ein Glas vom Tablett. Glücklicherweise war unsere Bedienung profession genug, um die Balance des Tabletts zu halten und sich nichts anmerken zu lassen.
"Und ich habe das große Weizen", sagte ich und bekam das Glas vor die Nase gestellt.
"Ich nehme noch einen Sex on the Beach", meldete sich Frida zu Wort und schob ihr leeres Glas der Kellnerin zu.
"Noch etwas?", fragte die Kellnerin in die Runde und sah dabei insbesondere zu Finn.
Dieser schüttelte nur traurig den Kopf. Es tat mir leid, dass wir nicht so reagiert hatten, wie er es sich erhofft hatte. Doch es blieb mir ein Rätsel, was er an dieser Frau fand. Wenn ich das Ausschlussprinzip anwandte, konnte es nur guter Sex sein.
"Alles klar, falls ihr noch etwas braucht, lasst es mich wissen", säuselte sie und verschwand dann wieder.
"Sex on the beach?", fragte Ruben in Fridas Richtung. "Der einzige Sex, den du momentan bekommst, oder?"
Sie schmunzelte tapfer. Frida und Ruben hatten ihre ganz eigene Art miteinander zu reden.
"In der Tat! Ich habe keine Ahnung, wie andere alleinerziehende Mütter Sexualpartner finden. Meine Vagina war das letzte Mal geöffnet, als ich ein Kind durchgepresst habe!"
Ruben lachte schallend, während ich in Finns Gesicht ein wenig Fremdscham sah.
"Was ist denn mit deinem Kollegen? Wie hieß er? Gregor?", hakte Ruben nach und schien dankbar für einen Themenwechsel. "Ich dachte, ihr hättet schon ein paar heiße Nachrichten ausgetauscht."
Frida seufzte und machte mit ihren hochgezogenen Augenbrauen klar, dass Gregor keine Option mehr war.
"Ja, schon. Doch dann fing er an, davon zu sprechen, dass er auf Golden Showers steht."
Ruben war der einzige, der darauf reagierte, in dem er das Gesicht verzog und sich die Hand vor den Mund hielt. Finn und ich sahen uns derweil nur ahnungslos an. Ich konnte mit dem Begriff Golden Shower nichts anfangen.
"Ich musste es auch erst googlen", sagte Frida in unsere Richtung. Ihr war unsere Unwissenheit nicht entgangen. "Er steht auf Natursekt", klärte sie uns auf.
Nun ließen auch Finn und ich uns unseren Ekel anmerken. Meine Lippen konnten schon mal eine Willkommensparty für einen neuen Herpesausbruch vorbereiten.
"Es gibt halt echt keinen Fetisch, den es nicht gibt", sprach Finn mit angewiderten Blick.
"Ja, und vor allem scheint es keine Männer zu geben, die noch normale Sexvorstellungen haben. Pornos machen Männern Vorstellungen, die jenseits von Gut und Böse sind! Frei nach dem Motto: Wenn sie nicht schreit, ist es nicht genug... "
"Dein Sex on the Beach", meldete sich die Kellnerin wieder zu Wort, die scheinbar aus dem Nichts gekommen war. Sie stellte den Cocktail vor Frida ab.
Diese nahm sofort einen großen Schluck.
"Lasst uns das Thema wechseln! Über ein nicht vorhandenes Sexleben kann man eh nicht viel sprechen", sagte sie schließlich und drehte ihren Kopf in meine Richtung. "Ilvi, was gibt es bei dir Neues?"
"Nichts", sagte ich schulterzuckend.
"Mit Basti läuft alles gut?", erkundigte sich Ruben misstrauisch.
Nichts lief gut mit Basti. Seitdem er aus Afghanistan zurückgekommen war, war er nicht mehr derselbe gewesen. Er schien das Lachen genauso wie das Schlafen verlernt zu haben. Er war ein komplett anderer Mensch geworden. Doch das musste ich mit ihm ausmachen. Ich wollte unsere Probleme nicht in die Welt hinausposaunen.
"Ja", log ich. "Bei uns ist alles gut."
Basti schämte sich. Er wollte nicht, dass jemand wusste, wie traumatisiert er aus dem Nahen Osten zurückgekommen war. Für ihn war es wichtig, dass er noch immer der große, starke Mann war, der keine Schwächen hatte.
"Und du Ruben? Wie läuft es mit Matteo?", fragte ich, um nicht weiter mit Fragen gelöchert zu werden.
Sofort wurden seine Gesichtszüge weicher. Ruben liebte diesen Mann mehr alles andere auf dieser Welt und das sah man ihm an. Ich nutzte den Moment, um einen großen Schluck von meinem Bier zu nehmen.
"Wir haben in zwei Wochen unseren fünften Hochzeitstag und es könnte nicht besser laufen!" Ihm nahm ich das Glück sogar ab. Mit Matteo hatte er einfach seinen Seelenverwandten gefunden. "Außer, dass Matteo seit gestern auf Dienstreise ist und erst in drei Wochen wiederkommt."
"Wo ist er dieses Mal?", erkundigte sich Finn.
"Mali", seufzte Ruben sehnsüchtig.
Matteo war Arzt und flog in seiner freien Zeit oft in Entwicklungsländer, um dort für Ärzte ohne Grenzen zu arbeiten. Er hatte ein wirklich großes Herz, dass nicht nur Platz für Ruben hatte, sondern auch für all die Millionen Benachteiligten dieser Welt.
"Also verbringt ihr Weihnachten gar nicht zusammen", stellte ich traurig fest.
"Ja, aber das ist in Ordnung. Ich werde bei meiner Oma sein. So wie es aussieht, wird es ihr letztes Weihnachten. Deshalb bin ich dieses Mal auch hier geblieben. Ich wollte noch dieses letztes Weihnachtsfest mit ihr haben."
Rubens Oma war schwer an Lungenkrebs erkrankt und man gab ihr nicht mehr viel Zeit. Er hing sehr an seiner Oma, da er seit dem 5. Lebensjahr von ihr großgezogen worden war. Auch jetzt konnte ich wieder beobachten, wie seine Augen wässrig wurden. Das taten sie in letzter Zeit immer, wenn es um seine Oma ging.
"Tut mir wirklich leid", drückte ich mein Beileid aus.
Ich nickte und schluckte schwer. Es fiel ihm sichtlich schwer darüber zu sprechen.
"Ich hoffe, dass sie bald erlöst wird", sagte er schließlich mit heiserer Stimme. !Sie hat unglaubliche Schmerzen und quält sich nur noch. Ic wünsche ihr einfach nur noch, dass sie ihren Frieden finden kann."
Es entstand ein kurzer Moment der Stille und das, obwohl um uns in der Bar das Leben tobte. An der Dartscheibe wurde gerade der Treffer der Mitte gefeiert, am Nachbartisch gab der Chef eine Runde aus und an der Bar war eine leidenschaftliche Diskussion über die Legalisierung von Kokain ausgebrochen.
Ich trank mein Bier aus und sah dann in die Runde.
"Ich denke, ich werde mich auf den Weg machen. Basti mag ich es nicht, wenn ich so spät allein noch unterwegs bin", versuchte ich die passende Worte zu finden, um mich für heute zu verabschieden.
"Aber wir gehen doch zusammen", merkte Finn an.
Er und Maddy wohnten direkt gegenüber. Wir konnten uns aus unseren Küchenfenstern sogar zuwinken.
"Du kannst noch bleiben! Aber ich bin wirklich müde und Basti wartet auf mich. Ich habe ihm versprochen, dass ich nicht allzu lange bleibe."
In Wirklichkeit hatte er darauf bestanden, dass ich vor Mitternacht zuhause sein sollte. Ich mochte seine dominante Art nicht, doch ich versuchte Verständnis für seine Situation aufzubringen. Er war erst vor ein paar Wochen aus einem Kriegsgebiet zurückgekehrt. Natürlich brauchte er ein bisschen Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten. Und diese Zeit würde ich ihm geben.
"Nein, nein", sagte Finn sofort. "Ich komme auch mit. Es ist dunkel und um diese Zeit ist keine Menschenseele mehr im Park. Ich will auch nicht, dass du da allein durchgehst. Außerdem freut sich Maddy sicherlich auch, wenn ich früher zuhause bin und sie mich mit Servietten-Designs und Varianten von Buttercremetorten für die Hochzeit belagern kann."
Frida sah nun auf die Uhr.
"Ihr habt Recht. Meine Schwester will sicherlich auch endlich vom Babysitten abgelöst werden. Olivia ist kaum ins Land der Träume zu befördern, wenn ich nicht zuhause bin."
Ruben lachte und verdrehte gleichzeitig die Augen.
"Wann sind wir eigentlich so alt und spießig geworden? Hört euch doch mal selber zu! Es ist gerade mal um elf."
Wir Vier waren seit der 5. Klasse befreundet. Für das Studium waren wir zwar alle in unterschiedliche Städte gegangen, doch an den Wochenenden und insbesondere in den Semesterferien hatten wir uns immer wieder in dieser Bar getroffen. Mit dem Unterschied, dass unser Treffen erst in den Morgenstunden geendet hatten.
"Wir sind keine Zwanzig mehr", sagte Finn auf eine Art und Weise, wie es auch mein Opa hätte sagen können.
"Aber auch keine 80", entgegnete Ruben, der noch am ehesten im jugendlichen Wahn stecken geblieben war. Zwar war er verheiratet, doch abgesehen davon, ließ nichts darauf schließen, dass er bereits 32 war. Rubens Kleidung spiegelte alle Farben des Regenbogens wieder, seine Haare hatten selten seine Naturhaarfarbe und nur Frida zuliebe verzichtete er auf Anglizismen. Als Deutschlehrerin war Frida jedes englisch Wort, welches auch eine deutsche Übersetzung hatte, ein Dorn im Auge.
"Ein anderes Mal halten wir vielleicht länger durch, aber nicht heute, Ruben. Sei uns nicht böse."
Versöhnlich sah er mich.
"Euch könnte ich nur böse sein, wenn ihr behaupten würdet, dass Adam Lambert ein besserer Lead Sänger als Freddie Mercury wäre."
Er stand vom Stuhl auf und tätschelte meine Schulter. Dann reichte er mir meinen Mantel.
Es war kurz vor Weihnachten, doch auf Schnee warteten wir bisher vergeblich. Bitterkalt war es trotzdem.
Man konnte unseren Atem sehen, als wir durch die Holztür nach draußen traten.
Finn und ich verabschiedeten uns von den anderen beiden mit einer herzlichen Umarmung.
Dann hakte ich mich bei ihm unter, um etwas Wärme von ihm klauen.
Wir liefen durch den dunklen Park, in dem nur sehr vereinzelt Laternen standen. Ich war froh ihn an meiner Seite zu haben, denn Finn war niemand, den man angreifen würde. Er war groß und hatte ein breites Kreuz. Kriminelle konnten sich definitiv leichtere Opfer aussuchen.
"Es tut mir wirklich leid, dass deine Verlobung so schlecht aufgenommen wurde."
Er zuckte mit den Schultern.
"Was habe ich eigentlich erwartet? Ich weiß doch, dass ihr nicht mit ihr klarkommt und sie nicht mit euch. Ich glaube, ich hatte in meiner Euphorie einfach falsche Erwartungen."
"Es ist nicht einfach, wenn die besten Freunde sich nicht mit der Partnerin verstehen, oder?"
Ich schwieg für einen Moment, ehe er eine Antwort formulieren konnte.
"Ich weiß auch nicht, warum das so ist. Maddy ist eine wundervolle Frau und ihr seid sowieso die Besten. Ich verstehe einfach nicht, warum es zwischen euch nicht passt."
Zum Glück konnte er in der Dunkelheit meinen perplexen Gesichtsausdruck nicht sehen. Denn die Antwort war denkbar simpel. Maddy und wir drei anderen waren uns so ähnlich, wie Bananen und Salami oder wie ein Weihnachtsbaum und ein Duftbäumchen.
"Menschen sind vielfältig", antwortete ich und bemerkte, dass meine Stimme vor Kälte zitterte. "Wir bedienen anderen Charaktereigenschaften von dir, als Maddy es tut."
"Hmm", kam es nachdenklich über seine Lippen.
Mittlerweile hatten wir die Grünanlage wieder verlassen. Ich konnte unsere Wohnhäuser schon sehen.
Finn wohnte in dem Haus seiner Großeltern, das er vor einigen Jahren geerbt hatte. Während ich in dem Mietshaus gegenüber lebte.
"Ist das Maddy?", fragte ich, als ich eine Silhouette vor seinem Haus erkannte.
"Ja", sprach er mehr zu sich selbst. "Was macht sie da?"
Als wir näher kamen, bemerkte sie uns.
"Da bist du ja endlich", sprudelte es vorwurfsvoll aus ihr heraus. Dann sah sie, dass ich mich bei ihm untergehakt hatte und missbilligte mich mit einem tadelnden Blick. Sofort löste ich mich von ihm, auch es nichts zu bedeuten hatte. Finn war einer meiner besten Freunde und nicht mehr.
"Ich habe doch gesagt, dass es spät werden kann", erkläre sich Finn kleinlaut.
"Ja, aber das war bevor wir überfrierende Glätte hatten. Was meinst du, warum ich draußen in der Kälte stehe und streue? Hast du meine Nachrichten nicht gelesen?"
Er schüttelte den Kopf.
"Tut mir leid, ich habe mein Handy nicht rausgeholt."
"Wozu nimmst du es dann überhaupt mit?"
Diesen Dialog wollte und konnte ich mir nicht länger antun. Ich rieb meine Hände aneinander, um zu zeigen wie kalt es war.
"Ich werde mal reingehen und mich aufwärmen", unterbrach ich sie. Dann wandte ich mich an Finn. "Es war ein schöner Abend", ließ ich ihn wissen. Ich sah zu Maddy und presste ein "Herzlichen Glückwunsch zur Verlobung" hervor. "Macht euch noch einen schönen Abend!"
"Bis morgen zur Weihnachtsfeier!", rief Finn mir noch hinterher.
Wir hatten denselben Arbeitgeber: Chocluck. Ein Schokoladenhersteller, der auf tierische Produkte verzichtete und umso mehr Wert auf Fairtrade, Bio und kreative Sorten legte. Während ich jedoch im Marketing arbeitete, war Finn direkt in der Fabrik eingesetzt und wartete dort die Maschinen. Im Alltag liefen wir uns selten über den Weg, doch immerhin die Weihnachtsfeiern konnten wir gemeinsam zelebrieren.
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