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Dort saß er. Stillschweigend über ein Buch gebeugt, ganz gespannt darauf sie wieder zu sehen. Mit seinen Fingerkuppen klopfte er auf den Tisch. Eine sachte Melodie, die aber nach wenigen Sekunden von einem Räuspern des neben ihm sitzenden Glatzkopfs unterbrochen wurde. Nun legte er seine Hand auf den Tisch.
Wartete gespannt auf das Knarzen der Tür.

Sie hingegen blickte auf ihr Armbanduhr, würde sie es noch rechtzeitig in die Bibliothek schaffen. Immerhin stand sie schon seit Ewigkeiten an diesem Gleis und wartete auf die sich verspätende Bahn.
Sie schwelgte in Gedanken an den Fremden und wurde mit einem Mal aus ihrer Trance gerissen.
Vor ihr öffnete sich die Bahntür. Verschiedenste Menschen drangen ihr entgegen, während andere wiederum hineinströmten.

Er blickte auf, als das Geräusch ertönte, auf das er so sehnlichst gewartet hatte. Doch im nächsten Moment schon schwelgte Enttäuschung in ihm auf.
Dort am Eingang stand nicht sein Mädchen.
Nein, irgendein Typ war über die Schwelle getreten und steuerte nun geradewegs auf ihren Platz zu.
Dann setzte er sich auf den Stuhl, welcher definitiv nicht auf ihn gewartet hatte.

Nun endlich war sie an der Station angekommen, auf die sie seid gefühlten Ewigkeiten gewartet hatte.
Die Türen öffneten sich und heraus trat sie.
Im Schlepptau ihr unverkennbares Lächeln.

Entschuldigung?", hörte er sich selbst im nächsten Moment fragen. Jetzt gab es wohl oder übel keinen Ausweg mehr.

Sie betrat die Bibliothek, er sah auf und für einen kurzen Moment streiften sich ihre Blicke.
Auf seinen Lippen lag ein zartes Lächeln. Sie hingegen strahlte schon den ganzen Tag über, immerzu in Gedanken bei ihm. Wann waren Donnerstage zu ihren Lieblingstagen geworden?

Er blickte zurück in sein Buch, nicht ohne sie unauffällig beim Näherkommen zu betrachten.
Wie schön ihr Harr dieses Mal lockig über ihre Schultern fiel. Erst jetzt bemerkte er das seine Lippen ein stilles oh geformt hatten. Er lächelte in sich hinein, doch ganz konnte er nicht verbergen, was er gerade empfand.
Wieder legte sie ihren schweren Mantel um die Stuhllehne.
In diesem Moment, dachte er daran, was er dem armen Jungen erzählt hatte, damit dieser den Stuhl frei machte.
Etwas von wegen Übelkeit oder dem Luftzug,  musste er ihm näher gebracht haben.
Doch so genau erinnerte er sich nicht mehr, als sie ihm direkt in die Augen blickte und sein Herz für einen Moment still stand.
Aus einem Impuls heraus wendete er den Blick ab und ertönte leicht. Wie gerne er sie weiter angesehen hätte.

Sie setzte sich, holte ihr Buch heraus und begann zu lesen.

Gelegentlich warfen sie sich verstohlene Blicke zu. Keiner der beiden konnte sich auf die Seiten vor sich konzentrieren.
Und auch wenn sie kein einziges Wort wechselten, genoßen sie dennoch die Anwesenheit ihres Gegenübers.

Nach ein paar Momenten, musste er jedoch gehen. Er blickte ihr entgegen, speicherte ihre Erscheinung für die kommende Woche ab.
Träumte insgeheim schon von der nächsten Begegnung und räumte all sein Zeug in seinen Rucksack.
Dann machte er sich auf den Weg zur schweren Holztür. Er öffnete sie, ehe er noch einen letzten Blick in ihre Richtung warf.

Sie blickte ihm entgegen. Und blau traf auf braun und braun traf auf blau.

Ich werde hier sein, vergewisserte er sich.

Ich werde her kommen, vergewisserte sie sich.

Vielleicht wird er die Stille brechen, hoffte sie.

Vielleicht reden wir dann miteinander, hoffte er.

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