6 (neue Fassung)
Inzwischen war es 23:00 Uhr. Wir saßen auf der Couch bei angenehmen Licht, welches das Kaminfeuer erzeugte. ,,Und wie sind Sie hierher gekommen?", fragte mich Frau Schleier, mit gemütlich angezogenen Beinen. ,,Mein Vater wurde versetzt, das Unternehmen, in dem er arbeitet fragte ihn, ob er eine Stelle in Berlin annehmen würde, mit natürlich einem höherem Rang und mehr Geld." Ich zog auch die Füße an und hielt das Weinglas nachdenklich in der Hand. ,,Nur haben sie mich nicht gefragt, ich musste tun was sie sagten und mich dem Ganzen anpassen. Dafür habe ich natürlich mein Leben dort aufgeben müssen, habe mich von all meinen Plänen und Freunden verabschieden müssen und die Einzige, die mir geblieben ist, meldet sich sehr selten. Aber so ist das, wenn man im Leben weiter geht. Immerhin bin ich jetzt in Berlin, was irgendwie ein kleiner Trost ist, denn ich bin jetzt in der Hauptstadt Deutschlands und da wird es mir hoffentlich nicht so schwer fallen, meinen Weg so fort zu führen, wie ich ihn gern hätte." Ich tat mich sehr schwer damit nach Berlin zu ziehen. An meiner Heimat lag mir viel, dort war ich fest integriert. Jetzt wusste ich nicht mehr wo ich stand und wie ich damit umgehen sollte, denn mich erdrückte das Gefühl der Ungewissheit. Ich kannte niemanden und zu diesem Zeitpunkt wäre ich auch noch ohne mit der Wimper zu zucken zurück in meine Heimat gegangen. ,,Das klingt alles so bedrückend, wie Sie es mir erzählen. Ich kenne das Gefühl nicht, ich komme aus dem Raum Berlin-Brandenburg und mich hat niemand aus meinem gewohnten Umfeld gerissen. Meine Familie wohnt eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt und die meisten meiner Freunde kenne ich, seit ich in dem Alter war wie Sie es sind.", ich sah ihrem Mund gespannt dabei zu, wie er sich bewegte. Bei jedem Wort, schmiegten sich ihre Lippen perfekt aneinander. Kurz dachte ich darüber nach, wie sie sich auf meinen anfühlen würden und dass diese Lippen sicher sehr gut küssen konnten. ,,Wissen Sie, wenn ich genauer darüber nachdenke, denke ich, dass der Weg hierher zu kommen kein Fehler war. So wie ich das bisher beobachten konnte, rennen hier zwar viele Menschen mit etwas seltsamen Zügen herum, allerdings sind bisher alle nett zu mir gewesen. Bis auf die ein- oder andere Verkäuferin, aber das wird wohl nicht bedenklich sein. Ein Neuanfang kann nicht schaden, es ist zwar schade, dass er so früh kam, allerdings denke ich, wäre ich den Weg vermutlich niemals von selbst gegangen. Ich bin dankbar dafür, überhaupt ein ordentliches Leben führen zu dürfen.", nun sah Frau Schleier mich eindringlich an. ,,Das klingt weise.", lachte sie. Ich lachte mit, es lockerte die Situation etwas auf. ,,Merken Sie den Alkohol auch so stark?" Frau Schleier kicherte erneut und streckte sich einmal kurz in die Höhe. ,,Ja. Absolut.", sagte ich dann. Frau Schleier fing an ernst drein zu blicken. ,,Sag mal, rauchen Sie manchmal?" Die Frage kam ziemlich plötzlich, ich wusste nicht sofort eine Antwort darauf zu finden, deswegen fing ich an zu lachen. ,,Ja, manchmal, aber eigentlich nur auf Partys, wenn ich Alkohol getrunken habe.", antwortete ich ihr. Die Antwort war wohl nur so ehrlich, weil ich tatsächlich angetrunken war. Wenn ich angetrunken war, fielen mir die Worte bloß so aus dem Mund. ,,Haben Sie Lust eine mit mir zu rauchen? Wir sind zwar auf keiner Party, allerdings haben wir Alkohol getrunken.", versuchte sie mich zu überzeugen. Nun fing ich wieder an zu lachen, nahm einen Schluck von meinem Wein. ,,Gut dass ich schon 18 bin. Ja, hätte ich. "
X
Dieser Abend war ein verrückt, ich hatte meine Lehrerin auf eine Art und Weise kennengelernt, wie ich noch nie jemanden kennen lernte. Verwunderlich, allerdings ist sie eine wundervolle Gesprächspartnerin, nur doof ist es, dass sie meine Lehrerin war und unsere Beziehung zueinander so eigentlich nicht verlaufen durfte. Ich wusste nicht, ob so etwas wie Freundschaft zwischen Lehrer und Schüler überhaupt existieren durfte, allerdings machte Frau Schleier auch keinerlei Andeutungen, dass es nicht so sein durfte. Sie lebte ganz unbeschwert in den Moment hinein und zog mich in ihrer Art gleich mit sich mit. Ich fand, dass Frau Schleier ein sehr interessanter Mensch war. Vielleicht war es die Art von Charakter, die mich so stark anzog. Zuvor hatte ich noch nie einen so charakterstarken und offenen Menschen kennengelernt, wie sie. Sie war ein verdammt interessantes Individuum für mich und ich wünschte mir, dass sich unsere Beziehung zueinander in diesem Sinne auch vertiefen würde. Allerdings wusste ich nicht wie, dementsprechend beschloss ich einfach das Ganze auf mich zukommen zu lassen.
,,Sophie, Frühstück!", kam der Ruf meines Vaters die Treppen hochgeschallt. Ich hievte mich aus dem Bett und stellte mich auf meine Füße. Ich fühlte mich nicht sonderlich gut, sehr ausgelaugt und fertig lief ich also die Treppen hinunter in das Esszimmer hinein. ,,Na, wie war dein Abend? Hast du Kopfschmerzen?", kam es sofort von meiner Mutter. ,,Nein, Kopfschmerzen habe ich keine, habe nur einen riesen Durst." Meine Mutter erhob sich und schob mir den Krug Orangensaft vor die Nase. ,,Hier hast du was zu trinken. Wie war es denn gestern Abend? Wo habt ihr euch rum getrieben?" Bevor ich antwortete trank ich erstmal ein Glas Saft auf ex. ,,Wir waren nur bei Louise zuhause. Es waren noch zwei andere Mädels dabei, aber deren Namen habe ich vergessen. Auf jeden Fall haben wir viel geredet und viel getrunken. Es war schön und witzig. Gegen zwölf bin ich wieder hier gewesen.", antwortete ich. Die Geschichte hatte ich mir bereits am Donnerstag parat gelegt. ,,Ja, das habe ich gehört.", schmunzelte mein Vater. ,,Ja, das habe ich auch gehört.", antwortete ich ihm, denn ich habe gehört, wie plötzlich die Toiletten Spülung los ging. Ich bekam Angst, dachte das Haus wäre von Geistern befallen und rannte sofort in mein Zimmer, weil mir die ganze Sache zu heikel wurde. Unangenehmes Gefühl, daran erinnerte ich mich noch ganz genau. Als ich dann aber die Schlafzimmertür klacken hörte, wusste ich, dass es einer meiner Eltern gewesen war.
,, Ich Wette ihr habe auch über Jungs gelästert.", sagte meine Mutter mit einem gewissen Unterton. Und schon wieder kochte die Unsicherheit in mir. ,,Die Mädels erzählten von ihren teilweisen unmöglichen Freunden. Was die für Dinge abziehen ist furchtbar." Vor ein paar Tagen hatte Louise mir kurz erläutert, wie es bei ihr in der Beziehung aussah. Sie sagte, ich könne froh sein, Single zu sein bei den Kerlen in Berlin. Gut, ich war nicht unbedingt froh Single zu sein, jedoch war ich ganz froh, dass sich keiner der Kerle bisher an mich ran gemacht hatte. ,,Vielleicht sollte ich mal nach jemanden für dich suchen?" Meine Mutter sah meinen Vater an. ,,Spinnst du? Das liegt nicht in deiner Verantwortung, Birgit.", sprach mein Vater und schüttelte den Kopf. ,,Mama, ich denke wohl kaum, dass du mir jemanden aussuchen wirst. Wir sind hier nicht bei Schwiegertochter gesucht. Ich brauche deine Hilfe nicht und bin einfach noch nicht bereit für eine Beziehung mit jemanden!" Im letzten Teil des Satzes erhob sich meine Stimme, denn die Wut in mir kochte. Sie konnte das Thema einfach nicht sein lassen. ,,In deinem Alter war ich schon mit deinem Vater zusammen und wir sind jetzt noch immer zusammen, glücklich. Stimmt's André?", mein Vater riss den Mund auf. ,,Das hat überhaupt gar nichts damit zu tun, dass wir schon so lang zusammen sind. Die Zeit heute ist eine ganz andere und wenn Sophie noch nicht bereit für jemanden in ihrem Leben ist, dann ist das so. Du musst sie nicht ständig kontrollieren, sie muss ihr eigenes Leben leben und ihre eigenen Entscheidungen treffen können." Durchaus versuchte mein Vater ruhig zu bleiben und er meisterte es ganz gut, allerdings sprach der verzweifelte Unterton in seiner Stimme Bände. ,,Wisst ihr was, mir wird das hier gerade zu viel. Ich gehe jetzt in mein Zimmer und bleibe dort, bis ich einen anderen Weg gefunden habe heute nicht Zuhause zu sein." Meine Beine trugen mich aus dem Esszimmer heraus und ich schmiss mich auf mein Bett. Eine Träne kullerte meine Wange hinunter und landete in meinem Haar.
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