4 (neue Fassung)
Nach diesem langen Tag ging ich zuerst nach Hause, diesmal ohne Begleitung und auch ohne Chips. Zuhause erwartete mich meine Mutter mit einem groß gedeckten Tisch. ,,Heute ein Festmahl?", fragte ich sichtlich verwundert. ,,Ja tatsächlich, es kommen neue Kollegen von deinem Vater, er lud sie zum Essen- und besseren Kennenlernen ein. Nett, oder?", sagte sie voller Freude. In mir grummelte es, denn ich kannte diese Essen. Es ging bei diesen hauptsächlich um die Arbeit, Aufträge und was man in letzter Zeit im Büro erlebt hat. Es ist erstaunlich, in welchen Massen Männer lästern können. Für mich ist das nichts.
,,Muss ich heute dabei sitzen?", fragte ich mit einem Blick, dem sie nicht widerstehen konnte. ,,Nein, musst du nicht. Du kannst einen Happen essen und danach in dein Zimmer gehen. Oder was auch sonst du tun möchtest. Vielleicht einen netten jungen Herren treffen?", zwinkerte sie mir zu. ,,Was denn für einen ,,jungen netten Mann?", brachte ich sarkastisch hervor. ,,Hast du denn noch niemanden kennengelernt?", mir war nicht wohl bei diesem Gespräch, denn meine Mutter wusste nichts von meiner sexuellen Orientierung. Ich stand überhaupt, aber auch wirklich gar nicht auf Männer, jedoch könnte ich ihr das niemals sagen, da sie mich sicher hinaus werfen würde. ,,Nein, noch keinen, der zu mir passen würde.", sagte ich vorsichtig. Theoretisch dürfte meine Mutter daraus keine Vermutungen ziehen, doch ich kannte sie und sie malte sich grundsätzlich Dinge aus, die ihren Vorstellungen gar nicht entsprechen. Das ist auch der Grund, warum ich oftmals für Dinge büßen musste, die ich nie begangen habe. ,,Muss ich heute noch irgendwelche Hausarbeiten erledigen, bevor die Gäste kommen?", fragte ich, um vom Thema ab zu lenken. ,,Ja, es wäre schön, wenn du das Haus noch saugen- und Staub wischen würdest.", antwortete sie überrascht, da ich normalerweise nie freiwillig nach Aufgaben fragte, sondern sie auf mich zukam um mir zu sagen, was noch zu tun ist.
Nickend ging ich also nach Oben und stellte zuerst meine Schultasche ab und sah mich etwas um. Als ich nur kurz aus dem offenem Balkonfenster herausblickte, sah ich, wie eine braunhaarige Frau, in Sportkleidung, die Straße entlang lief. Sie streckte ihre Arme in die Höhe, um sich zu dehnen. Ihr Körper sah perfekt aus. Sie ist die Sorte Frau, an der ich großes Interesse habe. Ihre Gangart und Silhouette kamen mir nicht unbekannt vor und plötzlich würde mir klar, wen ich da gerade mit meinem Blick auszog. Ich identifizierte sie als Frau Schleier und der Gedanke wurde mir auf einmal sehr unangenehm. Was tat sie hier? Leicht verwundert sah ich ihr noch etwas nach, bis sie nicht mehr in Sichtweite war.
,,Sophie, kommst du bitte den Staubsauger betätigen?", kam die Frage von meiner Mutter hoch gerufen. ,,Bin auf dem Weg!", rief ich schon die Treppen hinunterlaufend.
X
,,Und dann fing der an durch das ganze Büro zu brüllen. ,,Wo zum Teufel ist mein beschissener Pudding?", selbst verständlich hatte sich keiner gemeldet, allerdings war ihm das wohl auch klar. Und außerdem hat er sich zur Lachnummer der Abteilung gemacht.", alle lachten. Der Altersdurchschnitt an diesem Tisch lag weit über meinem. Tatsächlich haben die Kollegen meines Vaters doch alle denselben Humor. Ich wusste nicht, wie er das aushielt. Egal wo er arbeitete, waren alle gleich. ,,Danke Mama, das Essen war sehr lecker. Darf ich jetzt gehen?", fragte ich. ,,Ach, bleib doch noch kurz Kleine, es ist doch gerade so schön!", kam es von einem der Kollegen meines Vaters. Graue Haare, jemand der seine Sekretärin vögeln würde und ein größeres Ego, als ein bockiges Pferd hatte. Allein sein schmieriger Blick widerte mich an, es wirkte, als hätte er ein Auge auf mich geworfen. ,,Ja Schatz, darfst du.", lächelte meine Mutter, unangenehm berührt. ,,Ach komm schon, bleib doch noch.", kam es erneut von derselben Person. Ich blickte überfordert zu meinen Eltern, doch diese schienen nichts dazu sagen zu wollen. ,,Nein tut mir leid, ich habe heute noch etwas vor.", gab ich dann etwas genervt von mir. ,,Sei doch nicht so, ich kann dir auch gerne helfen.", er zwinkerte mir zu. ,,Es reicht, Karsten. Sie möchte nicht, das sollte dir genügen.", schritt nun mein Vater ein. Er nickte mir zu und das war mein Zeichen.
Ich ging schnellen Schrittes aus dem Esszimmer heraus und die Treppen hinauf in mein Zimmer. Die Situation war mir sehr unangenehm. Ich wusste nicht damit umzugehen, noch nie wurde ich von jemandem Mann so behandelt. Materiell, kann man schon sagen. Die Luft in meinem Zimmer wurde mir zu dick und der Raum zu klein um diesem Geschehnis eben zu entkommen. Also entschied ich mich dafür hinaus zu gehen. Ich zog die feine Seiden Bluse aus und zog mir einen dünnen Pullover an, danach griff ich nach meinen Schuhen und ging wieder nach unten. ,,Mama, Papa, ich gehe noch eine Runde spazieren.", rief ich kleinlaut in das Esszimmer und verschwand dann durch die Tür ins Freie.
Berlin war wirklich interessant. Zumindest das, was ich von Berlin bisher kannte. Im Urlaub vor einigen Jahren wurde mir von meiner Mutter beigebracht, dass ich in der Stadtmitte niemals allein unterwegs sein sollte, aber da ich etwas Außerhalb der Stadtmitte lebte, ging ich davon aus, relativ sicher in den Straßen zu sein. Also lief ich durch sie hindurch, mit Musik im Ohr, um sie mir etwas genauer an zu sehen und ein zu prägen. Sogar auf einem Feld war ich, bis ich den Heimweg wieder antrat, aufgrund meines leeren Handy-Akkus.
Es begann mittlerweile zu dämmern und so waren die Lichter in den Zimmern der Häuser an. Ich sah durch die Fenster hindurch wunderschön eingerichtete Häuser, was mir etwas Inspiration für die weitere Gestaltung meines eigenen Zimmers brachte. Und als ich wieder in meiner Straße ankam, fiel mir auf, dass eine Person in einem der Fenster stand. Ich kam mir vor wie ein Stalker. Wieder einmal kam mir die Silhouette dieser Person mehr als bekannt vor. Nach einem etwas genauerem Hinsehen sah ich, dass es Frau Schleier war, die scheinbar gerade auf dem Weg auf ihren Balkon war. Schnell blickte ich weg, als sie drohte mich zu sehen und lief zügig weiter. Ich wollte nicht als Stalker dastehen. ,,Hallo Sophie!", hörte ich sie rufen. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Warum war ich ihr aufgefallen oder besser noch, warum rief sie nach mir? Ich drehte mich langsam in die Richtung, aus der der Ruf kam. Und dann tat ich auch noch so, als würde ich den Ruf suchen, obwohl ich genau wusste, woher er kam. ,,Oh hallo, Frau Schleier? Sind Sie es?", Ich habe nie behauptet lügen zu können. ,,Richtig geraten, Sherlock. Sie wohnen hier?", Frau Schleier lehnte sich elegant an ihr Balkongeländer. ,,Ja, gleich da vorne. Vier Häuser weiter.", Sie stellte sich wieder Aufrecht hin. ,,Ach wirklich? Seltsam, dass wir uns noch nicht über den Weg gelaufen sind.", sagte sie und verfiel daraufhin in ein kurzes Kichern. ,,Na ja, vielleicht sind wir das schon und haben es nur einfach nicht bemerkt.", etwas ungeniert biss ich mir auf die Unterlippe. ,,Ja vielleicht. Tut mir übrigens Leid, dass ich keinen Willkommenskuchen oder derartiges vorbei brachte. Ich bin eine miserable Köchin.", lachte sie nun. ,,Quatsch, das kann ich nicht glauben.", stimmte ich mit ein. ,,Doch doch, ich kann es Ihnen gern beweisen. Ich meine, Sie wohnen ja direkt nebenan.", lachte sie erneut. Doch ich erstarrte zu Eis. Im Grunde war das eben eine Einladung. ,,Ich meine Sie müssen nicht, wenn Sie nicht wollen, das war auch nur", ich unterbrach sie. ,,Nein nein, ich finde das Angebot gut. Soll ich für den Notfall ein paar instant-Nudeln mitbringen?", brachte ich etwas angespannt hervor. ,,Wirklich?", sagte sie mit erhobener stimme. ,,Na dann. Die Nudeln können Sie gerne mitbringen, ein Plan B ist vermutlich notwendig. Wie wäre es, wenn ich morgen in der Schule nochmal auf Sie zurückkomme?", ein Kloß blieb mir im Hals stecken, dennoch konnte ich einigermaßen krächzend etwas hervorbringen. ,,Okay, ich erwarte Sie. Haben Sie noch einen schönen Abend.", meine Beine waren ganz wackelig. Damit habe ich ganz und gar nicht gerechnet. ,,Ihnen auch, bis morgen.", brachte Frau Schleier dann hervor und ich ging nach Hause.
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