Kapitel 3

»Máxima?«
Máxima sah auf. Anas Stimme klang sehr besorgt.
»Ist was passiert?«
Ihre Freundin legte einen Zettel auf Máximas Schreibtisch.
»Ist das nicht Fabio?«
Máxima riss den Zettel an sich. Das konnte nichts Gutes bedeuten! Mit zitternden Händen faltete sie das Blatt auseinander. Ihre schwitzenden Finger hinterließen kleine Flecken auf dem weißen Papier. Fabio blickte ihr entgegegen. Aber das war nicht ihr Fabio. Dieser Fabio sah brutaler aus. Seine Gesichtszüge waren härter, seine Augen zusammengekniffen. Aber es war Fabio.
Máxima vergrub ihren Kopf in den Händen. Das konnte doch nicht sein! Das durfte nicht sein! Ein Schluchzen durchschüttelte sie.
»Hey, Máxima. Das ist bestimmt ein Missverständnis!«
Ana rüttelte sie leicht an der Schulter.
Natürlich war es ein Missverständnis! Fabio war doch kein Krimineller! Aber wen interessierte es, ob es ein Missverständnis war? Hauptsache die Justiz hatte einen Schuldigen gefunden.
Máxima richtete den Kopf auf.
»Wieso?«
Ana schluckte.
»Dieser Mann...«
Máxima war froh, dass sie nicht »Fabio« sagte.
»Dieser Mann hat die Tochter von Hernán Ruiz beleidigt.«
Máxima musste fast lachen.
»Das ist alles?«
Ana zuckte mit den Schultern.
»Ruiz hat eine Anzeige gegen den Mann erstattet. Er wird wohl eine Geldbuße zahlen müssen.«
Máxima lief ein kalter Schauer den Rücken herunter. Eine Geldbuße? Woher sollte Fabio das Geld kriegen?
Somit rückte ihr Traum von der Hochzeit und dem gemeinsamen Leben immer weiter in die Ferne.
Máxima stand auf.
»Ich muss zu ihm!«

***

»Fabio Pérez Díaz?«
»Das bin ich!«
Fabio wischte sich die Hände an einem Lappen ab.
»Wir kommen von der Polizei und würden Sie gerne für morgen, elf Uhr, aufs Revier bestellen.«
Fabio hob überrascht eine Augenbraue.
»Mich?«
»Gibt es hier sonst noch einen anderen Fabio Pérez?«
»Das nicht, aber...«
»Sehen Sie!«
»Worum geht es denn überhaupt?«
»Um Beleidigung.«
Fabio brach in ein verzweifeltes Lachen aus.
»Wen soll ich denn beleidigt haben?«
»Ich rate Ihnen, morgen zu erscheinen, Pérez!«
Der Polizist drehte sich um und lies Fabio stehen. Dieser schüttelte ungläubig den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein! Vielleicht hatte er mal jemanden beleidigt, er war schließlich kein Unschuldsengel. Aber dass er direkt eine Anzeige an den Hals bekam... Fabio stöhnte. Was würde nur Máxima dazu sagen? Sie würde verdammt enttäuscht sein. Fabio biss sich auf die Lippe. Sie hatte ihm vertraut. Er hatte Monate gebraucht, um ihr zu zeigen, dass er es ernst meinte. Dass er nicht so war wie alle anderen. Dass er immer für sie da sein würde.
Außerdem brauchte er sie. Máxima war immer so erwachsen, so vernünftig. Ohne sie hätte er sein Leben bestimmt schon weggeschmissen. Aber Máxima hatte sein Leben einen Sinn gegeben. Und jetzt?
»Fabio!«
Fabio zuckte zusammen und fuhr herum. Es war Señor Barragan.»Was wollte die Polizei hier, Fabio?«
»Er ... hat mich zu einem Verhör gebeten.«
Fabio brach der Schweiß aus. Das Gespräch verlief in eine überhaupt nicht gute Richtung.
Doch der alte Mann wurde nicht wütend. Er guckte vielmehr ... enttäuscht. Und besorgt. Er seufzte tief.
»Ich frage dich nicht, welches Verbrechen du begangen hast. Du bist ein erwachsener Mann. Du bist in der Lage, die Konsequenzen für dein Handeln selbst einzuschätzen. Ich bin nicht dein Vater. Trotzdem bin ich enttäuscht. Ich dachte, du hättest es kapiert. Du weißt, dass mir alle anderen davon abgeraten haben, dich als Lehrling zu nehmen. Ich tat es trotzdem. Ich wollte die eine Chance geben. Und was hast du mit dieser Chance gemacht?«
Fabio wünschte, Señor Barragan hätte ihn angeschrien.
»Es tut mir leid.«
Mehr brachte er nicht über seine Lippen. Ein Kloß saß in seinem Hals und schnürte ihm die Luft ab.
Señor Barragan seufzte abermals.
»Geh, Fabio. Ich schaffe den Rest allein.«
Fabio drehte sich um und ging mit hängendem Kopf zur Tür. Draußen atmete er tief den Geruch des Meeres ein. Das beruhigte ihn ein bisschen.
Fabio steckte die Hände in die Hosentaschen und schlenderte am Hafen entlang. Hinter sich hörte er Schritte. Er drehte sich um. Ein paar Meter weiter sah er Máxima den Weg herunterlaufen. Ihre schwarzen Haare flatterten im Wind. Fabio kamen die Tränen  bei dem Gedanken, dass er vielleicht auch sie verlieren würde. Er wollte sich diesen Moment aufsparen. Auf keinen Fall durfe sie ihn so sehen. Eilig drehte Fabio sich um. Wohin sollte er gehen? Es war noch zu früh, um nach Hause zu gehen. In dieser kleinen Wohung würde er wahnsinnig werden. Außerdem wollte er den Blicken seiner Mitbewohner entgehen. Fabio hielt auf eine Kneipe zu. Hier würde ihn wenigstens keiner ansprechen.
Wie ein Tag, der so gut angefangen hatte, in einen absoluten Albtraum enden konnte.

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