Kapitel 16

𝕋𝕙𝕖 𝔾𝕣𝕖𝕒𝕥 ℕ𝕚𝕘𝕙𝕥𝕞𝕒𝕣𝕖

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𝕸𝖆𝖙𝖙𝖊𝖔

Der dumpfe Klang von Metall auf Metall hallte durch die Kantine des Gefängnisses. Gabeln kratzten über die Tabletts und gedämpfte Gespräche schwebten durch den Raum, vermischt mit gelegentlichen Anordnungen der Wärter. Ich saß am Rand, fernab der anderen. Das Essen schmeckte nach nichts, so wie immer. Ich stocherte in dem grauenhaften Brei, den sie uns als Mittagessen auftischten, aber Hunger hatte ich keinen. Der Lärm um mich herum war gedämpft, als wäre ich in einer Blase gefangen.

In meinem Kopf drehte sich alles um dasselbe: Wie war ich bloß hier gelandet?

Ein Teil von mir wollte es immer noch nicht wahrhaben. Ich hatte nichts getan. Und doch saß ich hier, mitten unter Kriminellen. Wegen ihm. Wegen Isabellas Vater. Ein tiefer, brennender Zorn kochte in mir hoch, doch ich versuchte, ihn hinunterzuschlucken. Es brachte nichts, sich darüber aufzuregen.

Es brachte mich nicht hier raus.

Plötzlich spürte ich, wie sich jemand zu mir setzte. Instinktiv versteifte ich mich, hielt den Kopf gesenkt und ließ meinen Blick starr auf dem Tablett ruhen. Ich traute niemandem hier, nicht nach allem, was ich erlebt hatte, seit ich hier drin war.

„Hey, was hast du verbrochen, dass du hier landest?" fragte eine raue Stimme. Ich hob den Kopf nur leicht, sah aus den Augenwinkeln einen Mann neben mir sitzen. Groß, stämmig, vielleicht Mitte dreißig. Seine Arme waren mit Tattoos übersät und er lächelte ein bisschen zu freundlich für meinen Geschmack. Sofort ging eine Alarmglocke in meinem Kopf los.

War das eine Falle?

Wollte er mich nur aushorchen, mich in Schwierigkeiten bringen?

Ich zuckte nur mit den Schultern und sagte nichts. Mein Misstrauen hielt mich zurück. Jeder hier hatte seine eigenen Absichten und ich hatte nicht vor, mich in etwas reinziehen zu lassen.

Der Mann lachte leise. „Schon gut, kein Problem. Kann verstehen, wenn du nicht gleich reden willst." Er nahm einen Bissen von seinem Essen und schien mich nicht weiter zu bedrängen. Das machte mich fast noch misstrauischer. „Ich bin hier, weil ich 'ne Bank überfallen hab'," sagte er plötzlich, als wäre es das Normalste der Welt. „Naja, und weil es schiefgelaufen ist." Er grinste breit, als ob er eine alte Anekdote erzählen würde. „Hätte beinahe geklappt, aber dann kam die Polizei ein paar Minuten zu früh."

Wieder schwieg ich. Der Mann ließ sich aber nicht verschrecken. „Und du? Komm schon, du musst ja was angestellt haben, um hier zu sein."

Nach einer Weile seufzte ich. Vielleicht war es sinnlos, weiter zu schweigen. „Ich hab nichts gemacht. Ich bin unschuldig."

Sein Grinsen erstarb und er sah mich neugierig an. „Unschuldig? Die sind wir hier doch alle, oder?" Er lachte wieder, aber ich blieb ernst.

„Nein, wirklich. Ich sitze hier, weil der Vater einer verfeindeten Familie mich reingebracht hat. Der glaubt, ich hätte auf seinen Neffen geschossen. Aber ich war's nicht." Meine Hände ballten sich zu Fäusten, als ich daran dachte, wie mir alles genommen wurde, wegen eines Missverständnisses, wegen Machtspielchen zwischen unseren Familien.

Der Typ sah mich lange an, als würde er nach Anzeichen dafür suchen, ob ich log. „Das klingt... beschissen. Tut mir leid, Mann." Er lehnte sich zurück, schien nachzudenken. „Weißt du, manchmal braucht man hier drinnen jemanden, der einem den Rücken freihält. Ich hab Verbindungen. Leute, die Dinge regeln können. Vielleicht kann ich dir helfen, hier rauszukommen."

Ich schaute ihn misstrauisch an. Hilfe von einem Fremden? Das klang zu gut, um wahr zu sein. Aber bevor ich etwas sagen konnte, knallte plötzlich ein Tablett auf den Tisch.

„Na, na, na... Was haben wir denn hier?" Eine tiefe, aggressive Stimme ließ uns beide zusammenzucken. Ein anderer Gefangener, größer und einschüchternder als der Mann neben mir, stand nun direkt vor uns. Ich erkannte ihn sofort, er war einer von denen, die mich schon seit meiner ersten Nacht hier drin auf dem Kieker hatten. Seine Augen funkelten vor Bosheit und ich wusste, dass, das kein friedliches Gespräch werden würde.

„Was willst du, Grimaldi?" knurrte der Mann neben mir und richtete sich auf. Aber der Neuankömmling ignorierte ihn und fixierte nur mich mit seinem hämischen Grinsen.

„Unschuldig, was? Kleiner Junge spielt den Saubermann. Mal sehen, wie lange du das hier drin durchhältst."

Mein Puls beschleunigte sich, meine Muskeln spannten sich an. Ich hatte keine Lust auf einen Streit. Aber hier drinnen konnte man Schwäche nicht zeigen. Nicht, wenn man überleben wollte. „Lass mich in Ruhe," fauchte ich, stand auf und ballte die Fäuste.

Grimaldi lachte nur. „Oder was? Willst du mich umlegen, Kleiner? Glaub mir, ich brech dich schneller, als du ‚unschuldig' sagen kannst."

Der Mann, der sich zu mir gesetzt hatte, versuchte zu intervenieren. „Beruhig dich, Grimaldi. Lass den Jungen in Ruhe."

Doch das reichte nicht. Grimaldi trat einen Schritt näher und sein Gesicht war nur Zentimeter von meinem entfernt. „Na los, zeig's mir. Zeig mir, was du kannst."

Die Wut, die ich die ganze Zeit unterdrückt hatte, brach plötzlich durch. Bevor ich richtig nachdenken konnte, hatte ich ihm schon einen Schlag ins Gesicht verpasst.

Alles ging so schnell.

Grimaldi taumelte zurück, spuckte Blut aus und griff dann seinerseits nach mir. Fäuste flogen, es gab Schreie und plötzlich stürmten die Wärter in den Raum.

„Stopp! Aufhören!" schrie einer der Polizisten, aber es war zu spät. Grimaldi und ich wurden auseinandergerissen, jeder von uns wurden von mehreren Wärtern gepackt. Sie drückten uns brutal zu Boden, legten uns Handschellen an und zogen uns hoch.

„Du verdammter Idiot," flüsterte Grimaldi, während wir weggeführt wurden. „Das wird nicht das letzte Mal sein."

Die Polizisten zerrten uns durch die Gänge zurück zu unseren Zellen. Mein Herz hämmerte in meiner Brust und ich wusste, dass dieser Kampf noch nicht vorbei war.

Zurück in meiner Zelle ließ ich mich auf die schmale Pritsche fallen. Der dumpfe Klang des sich schließenden Metalltores hallte in meinen Ohren nach und die Schritte der Wärter verklangen langsam im Flur. Der Raum war kalt und karg, die Wände schienen enger zu kommen, als wollte das Gefängnis selbst mich erdrücken. Mit einem tiefen Atemzug vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen.

Ich konnte nicht mehr. Der ständige Druck, die ständige Angst, jeden Moment attackiert zu werden, das Gefühl der Hilflosigkeit... Es war alles zu viel.

Ich war nie jemand gewesen, der sich in Selbstmitleid suhlte, doch hier drinnen, in dieser trostlosen Zelle, konnte ich dem Schmerz nicht länger entkommen. Ohne es zu wollen, spürte ich, wie die Tränen in meinen Augen brannten. Ich versuchte sie zurückzuhalten, doch es war sinnlos. Der Knoten in meiner Brust löste sich und die Stille um mich herum wurde von meinem leisen Schluchzen durchbrochen. Es war nicht laut, aber es fühlte sich an, als würde ich innerlich zerbrechen.

Wie war ich bloß hier gelandet?

Warum musste alles so schiefgehen?

Ich wollte einfach nur raus. Raus aus diesem Albtraum. Zurück zu meinem alten Leben, zurück zu dem, was ich kannte. Doch selbst das schien unerreichbar. Das Schlimmste war nicht einmal der körperliche Schmerz, sondern der ständige mentale Kampf. Jeden Tag die gleichen Gedanken und die gleichen Ängste.

Dann, plötzlich, tauchte das Bild von Isabella in meinem Kopf auf. Ihre Augen, ihr Lächeln, es war wie ein leises Flüstern in meinem Chaos. Für einen Moment spürte ich, wie der Schmerz nachließ, wie eine unerwartete Ruhe in mir aufstieg. Sie war der einzige Grund, warum ich nicht vollkommen durchdrehte. Sie hatte an mich geglaubt, während alle anderen mich verurteilten.

Ich musste stark bleiben. Ich durfte nicht aufgeben. Wenn ich hier drin den Kopf verlor, würde ich nie wieder rauskommen. Ich musste einen Weg finden, diesen Albtraum zu überstehen.

Mit zitternden Fingern wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und setzte mich auf. Meine Gedanken rasten. Ich musste mit ihr sprechen. Ich hatte das Recht auf einen Anruf und dieses Recht würde ich jetzt einfordern. Ohne zu zögern, stand ich auf und ging zur Zellentür.

„Wärter!" rief ich mit einer Festigkeit in der Stimme, die ich selbst nicht ganz glauben konnte. „Ich will telefonieren. Ich habe das Recht darauf!"

Es dauerte einen Moment, bis sich Schritte näherten. Ein Polizist, den ich schon häufiger gesehen hatte, erschien vor meiner Zelle. Er sah mich skeptisch an. „Was gibt's, Moretti?"

„Ich will meinen Anruf. Jetzt." Meine Stimme war bestimmt und ohne Raum für Diskussionen.

Der Wärter schnaubte und schien kurz zu überlegen, dann nickte er. „In Ordnung, komm mit." Er schloss die Tür auf und führte mich durch die kalten, grauen Flure des Gefängnisses. Jeder Schritt hallte in der gespenstischen Stille wider und mein Herz schlug schneller.

Gleich würde ich ihre Stimme wieder hören, nachdem ich es vorhin so Vermasselt hatte.

Nach ein paar Minuten standen wir vor einem kleinen Raum mit einem Telefon an der Wand. Der Polizist ließ mich alleine, aber ich wusste, dass er draußen Wache hielt. Ich nahm den Hörer in die Hand und meine Finger zitterten leicht. Kurz starrte ich das Telefon an, dann wählte ich die Nummer, die ich inzwischen auswendig kannte.

Es dauerte nur wenige Sekunden, doch jede Sekunde fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Dann, endlich, ein Klick am anderen Ende der Leitung, gefolgt von einer vertrauten Stimme.

„Hallo, Isabella Rossi hier."

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