Kapitel 13
𝕀 𝕙𝕒𝕧𝕖 𝕥𝕠 𝕤𝕒𝕧𝕖 𝕙𝕚𝕞
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𝕴𝖘𝖆𝖇𝖊𝖑𝖑𝖆
Einige Tage waren vergangen, seit Matteo festgenommen worden war, und noch immer spürte ich dieses mulmige Gefühl in meinem Magen, das mich nicht losließ. Die Erinnerung daran, wie er meine Hand umklammert hatte, die Angst in seinen Augen, als sie ihn wegführten, jagte mir immer wieder Gänsehaut über den Rücken. Er war genauso verängstigt gewesen wie ich.
Seir diesem Zeitpunkt herrschte Stille zwischen meinem Vater und mir. Wir hatten seitdem kaum ein Wort miteinander gewechselt. Etwas in unserer Beziehung war unwiderruflich zerbrochen, als er zugelassen hatte, dass Matteo wie ein Krimineller behandelt wurde,
ohne Beweise,
ohne ein richtiges Urteil.
Einerseits verstand ich, warum er das getan hatte, er glaubte, uns zu beschützen zu müssen, vielleicht glaubte er auch, dass er das Richtige tat.
Aber andererseits bestrafte er jemanden, der unschuldig war und das konnte ich ihm nicht verzeihen. Immer wieder starrte ich auf mein Handy, in der verzweifelten Hoffnung, dass eine Nachricht von Matteo kommen würde.
Aber das Display blieb leer.
Ich wusste, dass ich etwas tun musste. Ich konnte ihn nicht einfach da sitzen lassen, unschuldig oder nicht, das spielte für mich keine Rolle. Ich musste ihm helfen. Aber wie?
Mit einem entschlossenen Ruck stand ich auf, zog hastig meine Jeans an und griff nach meiner Jacke. Mein Kopf war voller wirrer Gedanken, als ich die Treppe hinunterlief und zur Haustür stürmte. Draußen angekommen, sah ich meine Schwester, die gerade mit einer Freundin nach Hause kam. Sie warf mir einen verwirrten Blick zu, als ich in Richtung Auto eilte.
„Wo willst du denn hin?" fragte sie und ihre Augen sahen mich skeptisch an.
„Ich... ich habe etwas zu erledigen," stammelte ich hastig, aber bevor ich weitergehen konnte, griff sie nach meiner Hand und hielt mich zurück. Sie schaute mich eindringlich an.
„Vergiss ihn, Isa. Bitte. Das tut dir nicht gut..." Ihre Stimme war leise, fast flehend und ich spürte, wie mein Herz schmerzte bei ihren Worten. Sie meinte es nur gut, das wusste ich. Aber sie verstand es nicht. Niemand verstand es.
Ich atmete tief durch und zwang mich zu einem entschlossenen Blick. „Ich fahre nur zu Alessio," sagte ich schnell, in der Hoffnung, dass sie keine weiteren Fragen stellen würde.
Sie ließ meine Hand widerwillig los und sah mir nur noch nach, als ich ins Auto stieg und den Motor startete. Die Räder knirschten auf dem Kies, als ich losfuhr. Während ich die Straßen entlangfuhr, raste mein Kopf.
Der Himmel war düster und ich spürte, wie eine unbehagliche Spannung in der Luft lag. Es fühlte sich an, als ob sich etwas zusammenbraute, etwas, das uns alle noch viel härter treffen würde als alles bisher. Aber ich verdrängte das Gefühl und konzentrierte mich auf mein Ziel. Ich wusste, dass ich Antworten brauchte.
Ich blieb an der Kreuzung stehen und das rote Licht der Ampel schien länger zu leuchten als sonst. Es fühlte sich an, als würde die Zeit langsamer vergehen, um mir die Entscheidung schwerer zu machen. Mein Atem ging flach, als ich auf das Straßenschild starrte.
Links zum Gefängnis, geradeaus zum Krankenhaus.
Mein Herz hämmerte in meiner Brust und für einen Moment war ich mir nicht sicher, wohin ich eigentlich wollte. Alessio wäre vielleicht die einfachere Wahl gewesen. Er war zwar noch schwach, aber immerhin wach. Doch tief in mir wusste ich, dass es dort keine Antworten gab, nur Schmerzmittel und stilles Leiden. Außerdem war da Felicia, die jede Sekunde bei ihm wachte.
Fast wie in Trance setzte ich den Blinker nach links. Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich den Blinker klicken hörte, doch ich tat es. Ohne nachzudenken, trat ich aufs Gaspedal, fuhr auf die Schnellstraße entlang und ließ das Krankenhaus hinter mir.
Mein Ziel war nun klar.
Matteo.
Nach zwanzig Minuten fahrt, in denen ich mich immer wieder fragte, ob ich gerade den größten Fehler meines Lebens machte, erreichte ich schließlich das Gefängnis. Es war nicht zu übersehen, das graue, massive Gebäude auf der anderen Straßenseite. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich auf dem Parkplatz zum Stehen kam. Meine Hände ruhten schwer auf dem Lenkrad und für einen Moment überkam mich die Panik.
War das wirklich das Richtige?
Würde Matteo mich überhaupt sehen wollen?
Was würde ich ihm sagen?
Was, wenn er mich noch mehr hasste als zuvor? Schließlich war es mein Vater, der ihn in den Knast gebracht hatte.
Ich schüttelte heftig den Kopf, als ob ich damit die Gedanken vertreiben könnte. Entschlossen atmete ich tief durch und stieg aus dem Auto. Der kühle Wind trieb mir die Haare ins Gesicht, doch ich spürte es kaum. Meine Schritte waren schwer, fast widerwillig, als ich auf das riesige Eisentor zuging. Ein Polizist begrüßte mich wortlos, seine Augen waren durchdringend und wachsam. Ohne eine Frage zu stellen, führte er mich in das Gebäude, das wie ein Labyrinth aus grauen Gängen und Türen wirkte. Jede Tür, die sich hinter uns schloss, hallte laut und bedrohlich in meinen Ohren nach.
Nachdem ich gesagt hatte zu Welchem Häftling ich wollte, wurde ich aufgefordert, alles, was ich bei mir trug, abzugeben, mein Handy, meine Tasche, sogar meinen Haargummi. Danach kam die erniedrigende Kontrolle. Eine Polizistin tastete mich routiniert ab, ihre Bewegungen waren geschäftsmäßig und kühl. Jede Berührung fühlte sich an, wie ein weiteres Stück meiner Entscheidung, das verloren ging.
Als sie fertig waren, folgte ich dem Polizisten tiefer in das Gebäude hinein. Mein Herz schlug mittlerweile so laut, dass ich sicher war, er konnte es hören. Die Luft wurde schwerer, und der Geruch von Desinfektionsmittel vermischte sich mit etwas Metallischem, das ich nicht ganz zuordnen konnte. Die Schritte des Polizisten hallten in den Fluren wider, während ich versuchte, mich zu sammeln. Aber je näher wir kamen, desto mehr spürte ich die Zweifel in mir aufsteigen.
"Es war ein Fehler", dachte ich immer wieder. Matteo würde mich nicht sehen wollen. Vielleicht würde er mich anschreien, mich ignorieren oder noch schlimmer, mich einfach eiskalt abweisen. Dieser Gedanke schnürte mir die Kehle zu und ich musste mich zwingen, nicht einfach umzukehren.
Wir kamen schließlich an einem Raum an. Der Polizist öffnete die Tür und das metallische Knarren ließ mich unwillkürlich zusammenzucken. Er deutete mir an, mich an den kahlen Tisch zu setzen, während er sich an die Wand stellte, um uns zu beobachten.
Der Raum war karg und kalt, nur ein einfacher Tisch und zwei Stühle standen hier. Ich setzte mich langsam auf einen Stuhl und meine Hände zitterten leicht. Die grauen Wände schienen noch enger zusammenzurücken, während ich auf den Stuhl gegenüber starrte. Der Gedanke, dass Matteo gleich durch diese Tür kommen würde, ließ meine Nerven vibrieren.
Was sollte ich sagen?
Wie würde er reagieren?
Die Sekunden verstrichen quälend langsam. Ich starrte auf meine Hände, auf die feinen Linien meiner Finger, und versuchte, ruhig zu bleiben. Dann hörte ich Schritte hinter der Tür.
Schritte, die immer näher kamen.
Die Tür öffnete sich langsam und für einen Moment hielt ich die Luft an. Mein Herz raste und ich spürte, wie sich meine Hände unkontrolliert um die Kante des Tisches krallten. Als Matteo schließlich hereingeführt wurde, schlug mir das Herz bis zum Hals. Was ich sah, ließ mich innerlich zusammenzucken.
Er sah schrecklich aus. Dunkle Augenringe zogen sich wie tiefe Schatten unter seine Augen, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen. Sein linkes Auge war angeschwollen und blau, als hätte er einen heftigen Schlag abbekommen. Die Gefängniskleidung hing lose an ihm, als wäre er plötzlich viel dünner geworden. Und diese Handschellen... die Ketten klirrten leise, als er sich mit schwerem Schritt auf mich zubewegte. Alles an ihm schrie nach Schmerz und Erschöpfung und ich konnte es nicht ertragen.
Tränen stiegen mir unkontrolliert in die Augen. Ich schluckte hart und versuchte, die Tränen zurückzuhalten, doch sie brannten trotzdem in meinen Augenwinkeln. Mein Herz fühlte sich an, als würde es in tausend Stücke zerspringen, unter dem Gewicht des Anblicks von ihm, so gebrochen, so verloren. Zum ersten Mal in meinem Leben war mir alles egal, die Feindschaft zwischen unseren Familien, der Hass, der uns umgab, all die unausgesprochenen Regeln und Erwartungen.
In diesem Moment stand ich nur auf einer Seite:
auf seiner.
Matteo hob den Kopf, als er meinen Blick spürte, und unsere Augen trafen sich. Doch in seinen Augen war nichts als Leere. Keine Wut, keine Trauer, nicht einmal Überraschung. Nur ein stilles, erdrückendes Nichts.
„Rossi," flüsterte er mit brüchiger Stimme, als hätte er schon seit Tagen nicht mehr richtig gesprochen.
„Moretti," brachte ich unter stockendem Atem heraus, doch meine Stimme klang seltsam hohl, als ich den Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken versuchte. Der Raum fühlte sich plötzlich viel zu klein an, als ob die Wände sich enger um uns schlossen. Es gab so vieles, was ich ihm sagen wollte, aber meine Worte blieben stecken. Stattdessen bewegte ich mich wie von selbst. Ohne darüber nachzudenken, ohne zu zögern, ging ich auf ihn zu.
Bevor ich realisierte, was ich tat, legte ich meine Arme um ihn. Ich drückte ihn fest an mich und spürte seine steifen, kalten Hände, die nicht reagierten, seine starren Schultern, die nicht nachgaben. Doch es war mir egal. Für mich war dieser Moment alles. Ich wollte ihm zeigen, dass er nicht alleine war.
Dass ich hier war.
Aber er tat nichts. Er stand nur da, wie versteinert, als könnte er den Trost nicht annehmen, den ich ihm so verzweifelt geben wollte. Ehe ich mich versah, griffen die Polizisten nach mir, zogen uns grob auseinander.
„Nicht anfassen," sagte einer von ihnen monoton, als ob es ein routinierter Befehl wäre, ohne jegliches Verständnis.
„Es tut mir leid," stammelte ich, unsicher, wen ich eigentlich ansprach, Matteo oder die Polizisten. Ich spürte immer noch das Echo seines kalten Körpers gegen meinen, als ich gezwungen wurde, mich zurückzuziehen. Die plötzliche Distanz fühlte sich schmerzhafter an, als ich erwartet hatte.
Matteo setzte sich stumm an den Tisch, und ich tat es ihm gleich. Für einen Moment sagte keiner von uns etwas. Die Handschellen klirrten leise, als er die Hände auf den Tisch legte.
Ich wollte so vieles sagen, aber ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte.
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