hair dye
Die Idee kommt Jaemin plötzlich, und er weiß nicht, warum er nicht früher darauf gekommen ist. Mitten im Unterricht murmelt er einen Fluch in sich hinein und kritzelt ein schnelles "Haarfarbe" auf seinen Handrücken, um es nicht wieder zu vergessen. Gleich nach der Schule will er der Drogerie einen Besuch abstatten, in der Hoffnung, dass er so spontan ausreichend Geld dabei hat. Blondierung und Farbe, und den Rest des Schultages verbringt er damit, darüber nachzudenken, welche Farbe er nun tatsächlich will.
Als es dann zum Ende der letzten Stunde klingelt, ist er ziemlich schnell aufgesprungen und aus dem Klassenzimmer und bald darauf auch dem Gebäude gehuscht, vor allem, um den ganzen anderen Schülern aus dem Weg zu gehen. An der Straße holt er sein Handy heraus und tippt eine schnelle Nachricht an Chenle, wo er und Jisung sich herumtreiben, bevor er von den beiden Jüngeren auch schon angefallen wird.
"Hyung!", quietscht Chenle, ihm um den Hals fallend. "Wir haben nur noch ganz wenige Wochen bis zu den Sommerferien!"
"Das wird auch langsam Zeit", murmelt Jaemin, genervt von der Hitze und der guten Laune, die trotzdem alle haben.
"Willst du nachher mit uns ans Wasser?", fragt Jisung leise neben ihm, und Jaemin kneift ihm in die Wange, ehe er den Kopf schüttelt.
"Ich muss noch was erledigen, aber danke. Das nächste Mal gerne. Verzeiht ihr mir, wenn ich jetzt losgehe?"
"Nur wenn du uns morgen nicht aus dem Weg gehst!", schmollt der Kleinere, sich fester an ihn klebend.
"Mach ich nie, Lele. Ich verlasse die Räume einfach nicht, damit ich niemanden begegnen muss."
"Dann kommen wir dich eben morgen besuchen. Was hast du denn eigentlich noch vor?" Neugierig blinzelt Chenle von Jaemins Schulter zu ihm hoch, aber der schüttelt nur den Kopf.
"Das seht ihr schon noch", vertröstet er die beiden, bevor er sich auch schon von ihnen verabschiedet und sich auf den Weg in die Einkaufsstraßen macht.
Weit ist es nicht, er geht zu Fuß, um nicht in einem stickigen Bus sitzen zu müssen, und es ist sogar relativ schön, wenn man sich hauptsächlich im Schatten aufhält. Es weht ein leichter Wind, der weiter draußen wohl noch richtig angenehm ist, und Jaemin blinzelt für einen Moment hoch in die Sonne und muss lächeln.
Er freut sich richtig auf die Ferien, da er dann keine anderen Menschen außer seiner Familie und seinen beiden Freunden ertragen muss. Sie haben auch schon einige Dinge geplant, und ihre Vorfreude steckt auch ihn an. Es sind die letzten Ferien, in denen er sich keinen Stress machen muss, denn nächstes Jahr wird er für seinen Abschluss kämpfen müssen, und darauf freut er sich überhaupt nicht. Aber dann hat er es wenigstens hinter sich, und er weiß schon jetzt, wie erleichternd das sein wird. Wenn es auch im Studium direkt so weitergeht.
In der kleinen Drogerie ist es noch einmal kühler, und Jaemins Schultern entspannen sich ein wenig, als er durch den Eingang tritt. Er hat eigentlich überhaupt keine Ahnung, wonach er sucht, nur das Blau ist ihm wichtig, je auffälliger, desto besser, damit er sich bloß von seinem Bruder unterscheidet.
Vertieft in die Regale voller bunter Packungen bemerkt er nicht, dass ihn jemand bemerkt hat und zögerlich auf ihn zukommt, bis er angesprochen wird.
"Ich kenn dich doch, oder?"
Seufzend, bereit, für die altbekannte Leier, dreht Jaemin sich dem Jungen zu, aber die Antwort bleibt ihm im Hals stecken, als er sein Gegenüber erkennt.
Lee Jeno, der Einzige, der es mit ihm in Mathe aufnehmen kann, mit seinem hellbraunen Haar und dem wunderschönen Lächeln. Wäre Jaemin nicht so schüchtern, hätte er ihn schon längst angesprochen, aber so bringt er sein Herz immer wieder eilig zum Verstummen, wann immer Jeno sich am Unterricht beteiligt.
"Du bist doch in meinem Mathekurs", fährt Jeno fort, "Na Jaemin?"
Mehrere Sekunden blinzelt Jaemin ihn lediglich an, während sein Hirn versucht, eine Antwort zu finden, obwohl es viel mehr über den Fakt ausflippt, dass der Lee Jeno gerade mit ihm redet.
"Nein", bringt er dann hervor, "ich bin mein Zwilling." Damit setzt sein Fluchtinstinkt ein, und er dreht sich auf dem Absatz um und rennt aus dem Laden, während seine Gedanken ein einziges Durcheinander sind. Jeno sieht ihm ein wenig verwirrt, aber blöd lächelnd hinterher.
Draußen flippt Jaemin erst einmal innerlich aus. Erstens: Was zur Hölle. Zweitens: Warum hier? Warum Jeno? Warum genau jetzt? Warum musste das passieren? Drittens: Warum, oh Himmel warum, hat er das gesagt? "Ich bin mein Zwilling", das geht ja nicht dämlicher! Er will seinen Kopf gegen einen der Pfeiler schlagen, doch stattdessen reibt er sich gequält in sich hineinjammernd die Augen und nimmt schleunigst Sicherheitsabstand zum Laden, um nicht in Gefahr geraten, Jeno ein weiteres Mal zu begegnen und stattdessen Zeit zu haben, um sich zu beruhigen.
"Scheiße", stellt er dann auch fest, als er sich wieder gefangen hat.
Jetzt hat er doch tatsächlich die Farbe vergessen.
12.04.2021
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