Sowon
Mit den Kopfhörern um den Hals, einer Reisetasche an dem einen Arm und der Koffer von der anderen Hand vor mir herschiebend, kam ich aus dem Flughafen herausgelaufen und landete ziemlich schnell in den Armen meiner Mutter.
Ein Jahr war vergangen seitdem ich nach Korea geflogen war und im früheren Rudel meiner Mutter gelebt hatte. Meine Ausrede war, dass ich eine Auszeit brauchte, denn nachdem sich Hope für meinen großen Bruder Ji-hoo entschieden hatte, gab ich mich weiter der Hoffnung hin, dass Milo vielleicht doch noch etwas für mich empfinden könnte. Aber nein, er sah mich auch weiterhin nur als kleine Schwester an. Und das kotzte mich an. Und nachdem ich mein Abitur bestand, flehte ich Eomma an, mich bitte zu Oma zu lassen. Ich musste zwar auch Milo darüber in Kenntnis setzen, aber zum Glück sagte meine Eomma und Milo zu. Vermutlich hatte meine Eomma auch einfach nur alle Hände damit zu tun, sich um Hope, meinem Bruder und ihren Zwillingen zu kümmern und Milo....ihm war es wahrscheinlich einfach nur egal.
Ich seufzte bei dem Gedanken und sah über die Schulter meiner Mutter zum Auto. Mondgöttin diese Zwombies, wie ich sie nannte, waren der Horror. Und als hätte man vom Teufel gesprochen, sah ich sie im Auto, hinten im Kindersitz, sitzen. Na toll.
»Komm, appa wartet schon auf dich.« lächelte Mum und nahm mir mein Koffer ab. Nachdem alles verstaut war, setzte ich mich vorne ins Auto und sah die Zwombies an.
»Sowon ist wieder da.« sagte Noel und zeigte mit seinem Finger auf mich.
Killian streckte seine Zunge heraus und richtete seine Spielzeug Pistole auf mich. »Bam Bam, jetzt ist sie tot.«
Ich verdrehte die Augen. »Ihr seid nervig.« murmelte ich nur und sah wieder nach vorne.
»Die Tote kann reden.« stieß Noel geschockt aus.
»Ich schieß noch einmal auf dieses Monster.« kam es von Killian.
Ich frag mich wirklich, wer hier die Monster waren. Und ich war mir sicher, dass das nicht ich war. Wie konnte mein Bruder, der so ein ruhiger Kerl war, solche durchgeknallten Kinder bekommen. Hätten die beiden keine weißen Haare und komplett dieselben Augen wie Oppa, dann hätte ich darauf verwettet, dass die beiden adoptiert wurden. Ich atmete tief ein, während meine Mutter den Motor startete und losfuhr.
Ich scrollte durch Social Media und sah meine Rudel Freundinnen. Alle hatten bereits ihren Gefährten gefunden und ich wusste, dass ich schon längst überfällig war. Ich verzog bei all den verliebten Pärchen das Gesicht. Wenn ich an mein 15-jähriges Ich zurückblickte, war mein Geplapper über Milo einfach nur noch unangenehm.
Milo.
Ein Klos bildetet sich in meinem Hals. Ich schluckte und schob mein langes glattes schwarzes Haar nach hinten. Ich war nun 22 Jahre alt, hatte das 21 Jahr überschritten und damit meine Chancen für einen Gefährtin minimiert. Komischerweise sagte meine Eomma mein Appa gar nichts dazu. Oder war das einfach noch die Ruhe vor dem Sturm? Möglich. Wenn ich so zurückdachte, war sie zumindest bei Ji-hoo viel strenger gewesen und hatte regelrecht darauf bestanden, dass er die nächste, auf die er sich prägt auch zu Gefährtin nehmen sollte. Nun, das hatte er auch getan. Meine Augen wanderten bei den Gedanken zu dem Seitenspiegel und ich sah die Zwombies an. Sie diskutierten über irgendetwas und sprachen dabei halb koreanisch. Ich stützte meinen Kopf auf meiner Hand ab und sah wieder nach vorne. Bisher war ich mir noch nicht sicher, ob es gut war, wieder hier zu sein.
Wenn ich Milo sehen sollte und das würde ich spätestens morgen an meinem ersten Uni Tag, konnte ich noch nicht einschätzen, wie ich reagieren würde. Er war Alpha unseres Rudels, Professor und.... erwachsen eben und ich? Ich war auch erwachsen, nachdem Alter hergesehen, ja, aber war ich auch für Milo erwachsen geworden? Würde er endlich anfangen, mich anders zu sehen? Die Chancen standen gering.
»Scheiß drauf.« nuschelte ich vor mich hin und verschränkte meine Arme vor meiner Brust. Ja, ich war erwachsen geworden, hatte Kurven bekommen, größere Brüste, schlanke lange Beine, eine Taille, einen größeren Hintern, einfach ein weiblicheres auftreten. Mein Gesicht war nicht mehr so kindlich, meine Wimpern sind dichter geworden und meine hellbraunen Augen waren nicht mehr so groß und rund, sie hatten Form angenommen, meine Haare waren länger geworden, genau genommen, gingen sie mir fast bis zum Arsch. Wieso ich sie so lang wachsen ließ? Faulheit vermutlich. Oder der Tatsache geschuldet, dass in Korea solche langen Haare aktuell im Trend lagen. Ich seufzte. Ja, ich war eine Frau geworden und war schon lange nicht mehr das kleine Mädchen von damals. Aber....ich sollte mir keine Hoffnung mehr machen. Ich musste mein Leben weiterleben, ohne immer noch daran zu glauben, dass die Chance bestand, dass gerade er......
Nein. Sowon! Ab heute wirst du eine neue Sowon sein! Das hattest du dir in Korea vorgenommen. Kein Milo mehr! Keine Hoffnung mehr! Keine Träumerei mehr! Keine Schwärmerei mehr! Egal wie nett er zu mir sein sollte, egal ob er mich anlächelt oder sonst was machte, das Kapitel Milo war nun endgültig abgeschlossen, ermahnte ich mich gedanklich und nickte. Genau, ab heute würde sich mein Leben ändern. Alles auf Anfang!
Als wir zuhause ankamen, flitzten die Zwombies sofort an mir vorbei und spielten fangen oder was auch immer. Appa lachte und sah von seinen Enkelkindern zu mir. Er umarmte mich und gab mir einen Kuss auf den Haaransatz. Er sagte mir auf Koreanisch, dass ich groß geworden sei. Ich versuchte zu lächeln, fühlte mich aber noch nicht wirklich wohl. Ich liebte meine Eltern und das war hier mein Zuhause, aber ein Jahr hatten einiges verändert, und anscheinend hatte ich mich auch äußerlich viel mehr verändert, als zuvor geglaubt. Da die Zwombies die Aufmerksamkeit ihrer Großeltern ziemlich schnell mit ihrem Unsinn, denn sie veranstalteten bekamen, nahm ich meine Sachen und sagte mit einem knappen Satz, dass ich hoch in mein Zimmer ginge.
Noch ein letzter Blick auf die beiden, schmunzelte ich. Ich liebte meine beiden Neffen, auch, wenn ich es nicht zeigte. Aber sie waren nun einmal wie kleine Wirbelwinde und brachten alles zum Wackeln, wenn sie nur daran vorbeiliefen.
Kopfschüttelnd lief ich die letzten Stufen hoch und ging in mein Zimmer. Überrascht sah ich mich um. Es sah aus, wie vor einem Jahr, als ich es verlassen hatte. Nur ordentlicher. Gut, meine Eomma war auch ziemlich ordentlich hatte demnach wohl mein saustall, den ich hinterlassen hatte, aufgeräumt. Ich schmiss die Tür zu und setzte mich auf mein ordentlich gemachtes Bett.
»Du bist wieder hier« murmelte ich vor mich hin und als mir ein Bild auf meinem Nachtschrank auffiel, nahm ich es in die Hand und sah es mir an. Auf dem Bild war mein Bruder, ich und Milo drauf. Das war unser erstes Pizza-Pasta-Eis-Debakel. Eigentlich war es eine schöne Erinnerung, aber meine Augen lagen auf Milo und demnach schaffte ich es nicht zu lächeln.
Das Foto landete in der Schublade, die ich daraufhin schloss und aufstand. Mein Koffer öffnend, begann ich meine Sachen in den Schrank zu räumen. Als der Koffer und kurz darauf auch meine Reisetasche fertig ausgepackt waren, schob ich beides unter mein Bett und entschied mich duschen zu gehen. Ich schaltete meine Musik über meine Box an und zog mich aus. Nur mit dem Handtuch betrat ich mein Badezimmer. Eine wohltuende Dusche später, entschied ich mich, mein Zimmer komplett umzuräumen. Mir fiel nämlich beim Duschen ein, dass ich ziemlich viele Bücher hatte, in denen ich meine Schwärmerei ausgelebt hatte und die mussten weg.
Das gehörte nun einmal zu einem Neuanfang.
Nachdem ich meinen Pyjama anhatte, begann ich alle Schulhefte, Bücher, Blätter und meine Tagebücher zu zerreißen und in eine Mülltüte zu werfen. Ich las mir meinen Unsinn nicht einmal mehr durch. Es würde nur alte Erinnerungen zurückbringen. Und pünktlich zum Abendessen war ich fertig. Den Müll rausbringen, setzte ich mich zu meiner Eomma, meinem Appa und meinen Neffen an den Tisch. Wir aßen, ich erzählte von Oma und dem Rudel, und als zwischen den Zwombies eine Essensschlacht entstand, fragte ich mich ernsthaft, ob Oppa und Hope überhaupt versucht haben die beiden zu erziehen. Und als ich Eomma und Appa beobachtete, wie ruhig und gelassen sie mit allem, was die beiden taten, waren, fragte ich mich, wieso sie bei mir und meinem Bruder manchmal so streng waren? War das etwa so ein Großeltern-Ding?
Als mir das zu Blöd wurde, entschuldigte ich mich mit der Ausrede, ich müsste morgen früh zu Uni und verschwand in mein Zimmer. Nachdem ich noch eine Weile durch Instagram scrollte, schlief ich auch irgendwann mit dem Handy in der Hand ein.
Natürlich hatte ich mir kein Wecker gestellt und musste mich demnach am nächsten Morgen beeilen. »Wieso bin ich so ein hoffnungsloser Fall?!« redete ich mit mir selbst, während ich meine Tasche packte, die ich schulterte und mein Spiegelbild nochmal prüfte. Meine Haare offen, ein wenig Make-Up, dass es noch natürlich aussah. Einen kurzen schwarzen Rock und einen Strick Poloshirt, der nur so lang war, dass der Übergang zum Rock passte. Okay, ich hatte ziemlich viel aus Korea mitgenommen, ganz oben: mein Style. Ich verließ mein Zimmer, rannte die Treppe runter und sah, dass die Zwombies ja immer noch da waren. Sie Frühstückten gerade und guckten eine koreanische Kinderserie. Was hatten Hope und Oppa denn bitte die Nacht gemacht? Ich schüttelte mich. Nein? Ich wollte es gar nicht wissen. Mit den Worten: »Brauch kein Essen!« das ich durch die Gegend rief, zog ich meine Schuhe an und verließ das Haus.
Komplett außer Atem kam ich in der Uni an und musste noch den verdammten Hörsaal suchen. Es dauerte noch einmal 20 Minuten und als ich ihn endlich fand, öffnete ich die Tür, trat ein und wollte mich schon fast verbeugen, weil ich das aus Korea so gewöhnt war. Zum Glück hatte ich mich noch bremsen können, bevor ich zum Gespött des ganzen Hörsaals werden konnte.
»Entschuldigen Sie die Verspätung, ich habe mich verlau-« wollte ich gerade lügen, statt zu sagen, dass ich verschlafen hatte und hob meinen Blick.
Meine Augen weiteten sich, als ich in Milos grüne Augen sah.
Plötzlich wurde alles still um mich herum, mein Atem wurde ruhig und alles um mich herum verschwand. Meine Haut begann zu kribbeln und sofort spürte ich diese unsagbare Anziehung.
Ich sah nur noch ihn.
Es war wie eine Art Zauber oder sowas, ich konnte es gar nicht wirklich beschreiben, aber da stand er, der Alpha unseres Rudels, mein Professor, der Mann, der meine erste große Liebe war und der Mann, mit dem ich abgeschlossen hatte. Und nun ... hatte ich mich genau auf diesen Mann, also Milo Othello geprägt!!
WAS SOLL DER SCHEIß?!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top