Kapitel 7. Milo
›Milo. Du willst das doch gar nicht ... es ist nur die Prägung.‹
Wenn sie wüsste, wie falsch sie lag. Ich trank einen großen Schluck Kaffee und starrte den Papierkram an. Rudelkram. Prägungsablehnungen hier, Streitigkeiten da. Zudem stand bald das nächste Treffen mit den Polarwölfen an und zu meinem Überfluss, waren wir als Gastgeber dran. Was einen großen Haufen Organisatorisches mit sich brachte.
›ich will, dass du aufhörst‹
Ich sah zu Hope, die mit mir alles durchging und mir half, diesen Berg Arbeit zu erledigen. Ich rieb mir über das Gesicht und seufzte.
›es ist nur die Prägung‹
Möglich aber ... Mondgöttin! Das heute
auf der Wiese im Wald war mehr als knapp gewesen. Wie ich mich zurückgehalten hatte? Keine Ahnung! Wirklich KEINE Ahnung. Ich wusste es nicht und war mir sicher, mein altes ›ich‹ hätte es nicht geschafft, sich abzuwenden, in einen Wolf zu verwandeln und abzuhauen. Fuck, ich hatte sie geküsst. Einmal als Tarnung für die Menschen, die besser einen intimen Moment als Mensch sehen sollten als zwei riesige Wölfe, und dann ... war da das zweite Mal.
Ihr Geschmack. Ihre Haut unter meinen Fingern. Ihr Duft.
Mein Kiefer spannte sich an, als ich ihre Lust wieder regelrecht wittern konnte. Sie war Ji-hoos Schwester, sie war Sowon, die kleine Nervensäge, die nie mehr war, als ... eben sie. Doch stimmte das noch? Die Nervensäge war erwachsen, eine Frau. Sowon war jetzt so circa in dem Alter, als das mit Hope so aus dem Ruder gelaufen war. Sie war fucking erwachsen. Bereit für eine Prägung und eigentlich schon viel zu SPÄT. Und bei den hängenden Titten der verdammten Mondgöttin, ich WOLLTE sie. Ich wollte sie küssen, anfassen, fingern, lecken, ficken und ich ... wollte die Prägung.
»FUCK!«, knurrte ich viel zu laut, als mir klar wurde, dass ich mittlerweile erwachsen genug war, mir einzugestehen, dass ich Sowon jetzt deutlich anders betrachtete.
Wären wir weiterhin in so engem Kontakt geblieben, wie früher, wäre das wohl nicht der Fall, da sie dann weiter wie eine verdammte Schwester gewesen wäre. Aber so? Nach dem rabiaten Kontraktbruch ihrerseits und dem ganzen Jahr, indem wir uns nicht einmal gesehen hatten, hatte sich etwas verändert. ICH hatte mich verändert. SIE hatte sich verändert. WIR hatten uns in diesen 5 Jahren verändert. Und dennoch blieb sie die Schwester meines besten Freundes und somit die verbotene Frucht. Aber ... alles in mir wollte darum kämpfen, dass sie diese Prägung akzeptierte. Ich selbst kämpfte mit mir, sie zu akzeptieren.
Wieder sah ich zu Hope, die mir verwirrt entgegenblickte. »Als wir geprägt waren, hattest du da von Anfang an das Gefühl, dass du um mich kämpfen musst? Ich meine, so wie ich zu dir war, und so. Oder-«, setzte ich neu an, »war es bei Ji anders als bei mir? Hast du einen Unterschied gespürt? Wann wusstest du, dass er ... der Richtige ist? Ich ... Fuck, ich meine, ich weiß, dass du mich interessant fandest, optisch gesehen und wegen des Badboy-Images und dem ganzen Drumherum, aber ... charakterlich war ... Wie ... War es nur die Prägung oder echte Gefühle? Und ...« Ich schnaubte über mein Gestammel und schüttelte dann den Kopf und sah weg. »Shit, weißt du was, vergiss es.«
Es war ohnehin egal, denn was ich wollte, spielte keine Rolle und Sowon hatte deutlich gemacht, dass sie keine Prägung in Betracht zog. UND SIE WAR JI-HOOS SCHWESTER!
»Was war das denn gerade? So durcheinander haben ich dich noch nie erlebt? Alles in Ordnung?«, fragte sie mich und hob ihre Brauen.
Ich lachte lustlos und schmiss meinen Kugelschreiber über den Schreibtisch, sodass er auf den Boden rollte. Ich rieb mir den Nasenrücken und knöpfte mein Hemd weiter auf, wohl wissend, dass es Hope nicht weniger egal sein konnte. »Ich ... ja, ja, es ist alles okay. Ich bin nur gestresst.«
Sie stand auf, hob den Kugelschreiber auf und legte ihn zurück auf den Schreibtisch. Dann sah sie mich ernst an und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich wollte wirklich nichts sagen, aber als du vorhin hergekommen bist und ich auf dich gewartet habe, hast du-«, sie stoppte sich mit Absicht und starrte mich mit einem vielsagenden Blick an, »nach Sowon gerochen. Und nicht auf die Weise, die vertretbar wäre. Aber du bist mein Alpha und mein Stiefbruder, also wollte ich nicht mit der Tür ins Haus fallen. Doch jetzt, wo du solche komischen Sachen fragst, die dir vorher am Arsch vorbeigingen, muss ich das ansprechen. Hast du was mit Sowon am Laufen? Und wenn ja, dann bitte sag trotzdem Nein.«
Ich starrte sie an. Die Frau die ich mal geliebt und verloren hatte, weil ich einen Fehler gemacht hatte. Weil ich mir Dinge, die ich sehr wohl gefühlt hatte, wie Hope so schön sagte, am Arsch vorbeigingen. Dieses Gefühl des Verlusts ... das wollte ich nicht noch mal erleben. Genau deswegen hatte ich mich doch verändert. War Alpha geworden, hatte gelernt, mit Verantwortung umzugehen. Und war eine Prägung nicht genau das? Verantwortung?
Fuck.
Also sagte ich heißer: »Ich bin auf sie geprägt. Ich hab sie geküsst. Ich ... es gab heute einfach einen kleinen Zwischenfall im Wald. Belassen wir es mal dabei.«
Hope entgleiste ihr Gesichtsausdruck. Sie sah mich an wie ein Auto, dass gerade gegen die Wand gefahren war. »Ich sagte, du sollst ›Nein‹ sagen! Ach du Scheiße, Milo! Dein Scheiß ernst? Du bist auf Sowon geprägt? Auf Sowon?!«, flippte sie komplett aus. Mit wedelnden Händen drehte sie sich weg und lief im Büro auf und ab. »Oh Gott, wie soll ich das nur Ji sagen? Der wird dich umbringen! Ganz bestimmt«, schnatterte sie aufgebracht mit sich selbst. Auf einmal musste sie lachen, dann war sie wieder geschockt und dann musste sie wieder lachen. »Das ... bei der Mondgöttin. Das ist eigentlich das Verrückteste und Lustigste, was ich je gehört habe. Ich meine, als du dich schon auf mich geprägt hast, war das verrückt, wegen Stiefgeschwister und so weiter, aber dass du dich jetzt auf Sowon geprägt hast, die dich Jahre lang vergöttert hat ... was ... das ist verrückt«, stieß Hope aus und langsam verschwand das Lachen, als sie mich ansah. »Wie geht es dir damit? Wirst du die Prägung annehmen?«
»Wie wird es mir wohl gehen?« Es dauerte etwas, bis ich weiter antworten konnte. »Sie ist bald 23, Hope. Wie hoch stehen die Chancen, dass sie sich noch mal prägt? Aber ...« Ich schnaufte und dehnte mit geschlossenen Augen meinen Nacken. »Ich kann das Ji nicht antun, oder?« Nun lachte ich trocken und wenig amüsiert los. »Ich hatte ihn schon deinetwegen verletzt und verloren. Ich kann das nicht noch mal. Wenn er erfährt, dass das passiert ist, wird er mir das nicht verzeihen, Hope. Und bitte, erzähl mir keine Märchen, dass es anders wäre. Wir wissen, wie sehr er Sowon liebt und das ich der Letzte bin, den er mit ihr sehen möchte.«
»Ja, stimmt schon. Für sie wird es schwerer, sich noch mal zu prägen«, stimmte sie zu und rieb sich den Kopf. Sich den Zopf ihre etwas längeren, weißen Haare zuziehend, seufzte Hope. »Ji wird ausflippen«, stimmte meine Stiefschwester auch dem zu und ging zu meinem kleinen Kühlschrank, den ich im Büro in der Ecke stehen hatte. Sie schnappte sich zwei Bier und kam zurück, eins reichte sie mir. »Eine andere Frage, die du dir stellen solltest«, begann sie und nahm einen langen Schluck. »Willst du denn selbst die Prägung? Also einfach alles andere um dich herum ausblenden. Was willst du, als Milo, nicht als Alpha, nur als Milo?«
Ich starrte das Bier an und umging ihre Frage. »Es ist egal, was ich will, wenn sie es nicht möchte, Hope. Und dreimal darfst du raten, Sowon hat nach Vergangenen keinen Bock auf mich. Sie war deutlich. Mehrmals. Shit, sie ist nach fucking Korea, nur um diese Schwärmerei für mich endlich hinter sich zu lassen. Was sagte dir das, huh?«
»Ach echt? Deswegen ist sie gegangen? Wow, wie sehr hast du sie nur verletzt?«, merkte Hope an und sah mich böse an.
Fuck was? Was hätte ich den machen sollen? Es war niemals meine Absicht, Sowon jemals zu verletzten. Fuck, ich hatte genau das getan, um ihr eben NICHT wehzutun. Ich hatte sie beschützt, vor notgeilen Wölfen und Kerlen, die sie nur ficken wollten, und Hope sah mich böse an?! Nein, das war ausnahmsweise mal nicht fair. Aber gut, ich ließ es unkommentiert und sie sprach weiter.
»Ich hatte mich auch oft bei ihr entschuldigt, obwohl sie mir sagte, dass ich es nicht müsste, tat ich es dennoch. Wahrscheinlich wollte ich einfach nur, von ihr akzeptiert werden, weil ich mich für Ji entschieden hatte.« Hope seufzte, dachte kurz nach und nahm einen neuen Schluck Bier. »Um auf deine Anfangsfragen zurückzukommen-« begann sie und sah mich an. »Ich hatte kein Gefühl, dass ich um dich kämpfen müsste. Ich habe mich so entschieden, wie mein Gefühl mir das sagte. Auf einmal wusste ich es einfach. In dem Moment, als Ji aufgab und ging, wusste ich es einfach. Der verzweifelte Versuch, dass ich es mit dir ebenfalls versuchen wollte, war wohl letztendlich der Grund für mein langes Zögern. Aber es war eigentlich von Anfang an Ji-hoo. Tut mir leid. Ich weiß, du hattest es danach auch nicht einfach. Aber ich finde, und das sage ich dir jetzt als deine süße Schwester-« Hope lächelte mich an, »du hast dich zu einem großartigen Alpha und zu einem tollen Mann entwickelt. Und glaubst du nicht, dass Sowon einfach nicht mehr von dir verletzt werden will? Sie hat lange gekämpft und das, obwohl die Erfolgschancen sehr gering waren. Wenn du es wirklich willst, also ehrlich und ohne Zweifel, wie wär's, wenn du dann jetzt mal kämpfst?«
Ich sah sie nicht an, hörte aber jedes Wort. Ich sollte kämpfen. Okay. Das wäre kein Problem. Das würde ich sogar. »Du hast mich mal gefragt, ob ich mir was mit Sowon vorstellen könnte, wenn sie älter sei. Erinnerst du dich?«, fragte ich und als sie nickte, fluchte ich leise, über meine eigenen Worte, die ich selbst nicht glauben konnte. »Jetzt ist sie älter und ... ja, ich kann es mir vorstellen. Kann mir alles vorstellen. Sie kennenzulernen, als Frau und nicht als die Schwester meines Freundes, sie lieben zu lernen, die Prägung zu wollen und zu kämpfen.« Nun sah ich Hope direkt in diese niedlichen roten Augen. »Nur wenn ich mich dazu entscheide, und sie für mich gewinne, verliere ich Ji. Wieder. Und dieses Mal wird es für immer sein.«
Sie blieb für einen Moment still. Sah auf die Papiere, die vor ihr lagen und dann zurück zu mir. »Sowon ist wirklich zu einer schönen jungen Frau geworden«, bestärkte sie meine mögliche Entscheidung. »Ich habe das Gefühl, du wirst es diesmal besser machen und Erfolg haben. Und sind wir mal ehrlich, du bist schon lange nicht mehr das Arschloch von früher. Du bist erwachsen geworden. Und wenn wir gerade aufrichtig sind, haben sich schon viele Sorgen um dich gemacht, weil du einfach keine Gefährtin gefunden hast. Du weißt, dass ein Alpha ohne Gefährtin ... das es schwierig ist und es nicht gern gesehen wird. Und das mit Ji ... Ja, lass das mal mein Problem sein. Konzentriere du dich erst einmal nur auf Sowon und wenn sie der Prägung zustimmt, erzählen wir es Ji, bis dahin gebe ich mein bestes mein Mund zu halten.« Hope seufzte. »Ich hasse es, vor ihm etwas geheim zu halten.«
Ich nickte nur und stützte dann mein Gesicht in beiden Händen ab, während meine Ellenbogen auf dem Tisch ruhten. Ich war so im Arsch. Ich wusste nicht, wohin mit meinen Gedanken und mir und jetzt hatte ich auch noch Hope mit reingezogen. Fuck. »Tut mir leid, ich hätte es dir nicht sagen sollen.«
Ich hörte, das Hope das Bier auf den Tisch stellte und zu mir kam. Sie blieb neben mir stehen, ihre Hand ruhte auf meiner Schulter. »Ich bin froh, dass du es mir gesagt hast. So kann ich dich noch auf halten, bevor du irgendetwas Milo-Typisches machst«, versuchte sie mich aufzumuntern, bevor sie fragte: »Fühlst du denn schon was für Sowon oder ist es bisher nur die Prägung?«
»Mit Milo-typisch meinst du, mir Sowon mit Drogen, Alk und Sex aus dem Kopf zu prügeln?« Ich schnaubte, bewegte mich aber keinen Millimeter. Dann schüttelte ich den Kopf. »Ich denke, es ist die Prägung aber ... Fuck, Hope, es ist so viel stärker als bei dir. Und nur weil ich der fucking Alpha bin und meine Selbstbeherrschung jahrelang perfektioniert habe, hab' ich sie nicht im verdammten Hörsaal besprungen und markiert. Ich ... weiß nicht, was ich machen soll. Ich ... will mich weiter ändern, aber ich hab' Angst, dass mich mein früheres ›ich‹ aufhält und dazwischenkommt. Irgendwie bin ich verloren und finde mich nicht wieder. Warum muss es Sowon sein? Warum die Schwester meines besten Freundes? WARUM? Erst du, jetzt sie. Was soll das? Ich ... ich hätte die erste verdammte Prägung annehmen sollen. Fuck, dann säße ich jetzt nicht in dieser Sackgasse«, erzählte ich drauflos und rieb mit durch die Haare. »Ich ... mag sie, weiß aber, dass es falsch ist. Sowon will mich nicht und das aus gutem Grund.«
Hope sah mich mitleidig an. »Weißt du noch, als ich dir sagte, dass du irgendwann jemanden findest, für den du dich gar nicht ändern brauchst?«, fragte sie plötzlich. Jis Gefährtin lehnte sich neben mich an mein Schreibtisch und zwang mich, sie anzusehen. »Sowon war zwar jung, aber sie hat dich schon immer geliebt. Und nur weil sie jung war, heißt das nicht, dass sie nicht wusste, wie du warst. Ich glaube, du hast sie gefunden, die eine, die dich liebt, genauso wie du eben bist«, erklärte sie und lächelte mich an. Ein Lächeln, das ich mal geliebt hatte. »Vielleicht ist es diesmal intensiver, weil dein Wolf endlich eine Gefährtin möchte. Das liegt in unserer Natur. Und was das alles soll, frag mich nicht. Das allein weiß nur die Mondgöttin, aber das es Sowon ist, ist schon verrückt und doch irgendwie auch interessant.«
Blubbernd blies ich Luft aus meinen Backen und stand auf. Dann nahm ich Hope in den Arm und drückte sie. »Ich hasse es, dass du wahrscheinlich recht hast. Wirklich, ich hasse es.« Ihr einen brüderlichen Kuss auf den Kopf drückend, legte ich mein Kinn auf ihr ab. Okay, ich würde es versuchen und hoffen, dass Ji es mir verzeihen konnte, wenn Sowon sich entscheiden würde.
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