Ji-hoo


»Geh mir nicht auf den Sack!«

»Aber kannst du mich nicht einmal mitnehmen? Nur ein Mal? Ich will echt gerne die Uni sehen. Immerhin geh ich da auch mal hin.«

Ich schnaubte und sah meine kleine Schwester an. »Du bist 15, das dauert also noch ne Weile.«

Sowon schnaubte. »Drei.«

Ich schnippte ihr gegen die Stirn. »Drei Jahre, in denn ich meine Ruhe von dir haben will.«

»Du bist so ein Arsch!«

»Und du eine Nervensäge.«

Ich schob mich an ihr vorbei und verlies unsere Villa. »Hab dich lieb, Sowon.«

»Ich dich auch«, rief sie mir noch immer beleidigt hinterher und ich schmunzelte.

Sie streckte mir die Zunge raus und mir wurde etwas anders, als ich daran dachte, dass sie schon nächstes Jahr das erste Mal diese bescheuerte Paarungswoche mitmachte. Ich stieg in mein Auto und fuhr die kurze Strecke zur Uni.

Den ersten Kurs hatte ich ohnehin schon verpasst, aber das würde der Prof mir sicher nicht übel nehmen. Er war ein Rudelmitglied und wusste, dass es in dieser Zeit und den Tag danach etwas wilder zuging.

Ich packte den BMW und als ich die Tür zuschlug, bremste ein Motorrad neben mir. Milo stieg ab, zog sich den Helm vom Kopf und packte ihn unter den Sitz.

»Morgen, Schönheit.«

»Morgen, mein koreanischer Freund.«

Ich lachte und zog die Sonnenbrille etwas von der Nase. »Bisschen rassistisch, mich so zu begrüßen, oder?«

Milo zuckte mit der Schulter und sein Mundwinkel hob sich, als wir einschlugen und dann aufs Campusgelände liefen.

»Wie war die Nacht?« Milo zog eine Braue hoch, sodass ich schnaubte. »Ich kann Ana an dir riechen, Bro.«

Er dehnte sich den Nacken. »War ne gute Ablenkung. Ana ist da, wenn ich sie will.«

»Das ist ne nette Umschreibung dafür, dass du sie wie eine Schlampe rufst, wann immer du es nötig hast.«

Er lachte. »Das hast du gesagt.«

»Und du meinst es so«, konterte ich und sah einer Kleinen nach, die an uns vorbei lief. »Shit, sind das sie neuen Erstsemester? Fuck, die werden auch immer heißer.«

Milo schüttelte, den Kopf sah ihr aber auch nach. »Da geb ich dir ausnahmsweise mal recht.«

Wir drehten uns beide rum, und liefen somit rückwärts, um den Arsch etwas länger ansehen zu können. Dann als, Milo das Gebäude erreicht hatte, wo sein Kurs stattfand, klatschten wir uns wieder ab.

»Kommst du später mit?«

»Wohin?«, fragte ich und Milo schnaubte.

»Die kleine Patel suchen, und ihr verklickern, dass diese Prägung das Letzte ist, was ich will.«

Ich lachte. »Yah, das hatte ich fast vergessen, Hyung.«

Milo verzog wie immer bei der koreanischen Anrede eines Älteren die Lippen. »Ich nicht.«

Wie könnte er auch? Milo war immer sehr darauf bedacht, das so schnell wie möglich zu klären. Gott, so viele Prägungen wir er schon hatte, war er Profi darin, sie abzulehnen.

»Klar Mann. Wir treffen uns einfach in der Kantine. 14 Uhr?«

Er nickte und verschwand dann im Hauptgebäude. Ich steuerte indes die Bibliothek an. Irgendwie hatte ich keinen Bock auf den Mathekurs fortgeschritten, also chillte ich lieber dort. Ich würde die Prüfung ohnehin im Schlaf bestehen. Mathe war mein Fach. Meine Passion. Nerdig, aber so war es eben.

Ich lief durch die große Drehtür und atmete einmal tief ein. »Ja, Mann, das ist der Shit.«

Ich steuerte meine Lieblingsecke an, als mein Handy piepte und eine Nachricht von Sowon eintrudelte.

SOWON: ›nur einen Tag!‹

Ich grinste. ›Nerv nicht. Ich sagte ›Nein‹.‹

Wir schrieben uns hin und her und ich war so vertieft, dass ich nicht sah, hörte oder roch, dass jemand um die Ecke lief.

Mit einem ›uff‹ und dem Aufschlagen von Büchern, landete das zierliche Persönchen auf dem Hintern, dass gegen meine Brust geprallt war.

»Shit! Sorry, ich ... Hope?«

Oh das würde interessant werden.

Hope rieb sich die Nase und sah dann hinauf. Ihre braunen Augen weiteten sich und sie starrte mich geschockt an.

Und Fuck, ich starrte auch, denn die verdammte Zeit schien stehen zu bleiben, als ich in diese Augen sah. Braun. Eigentlich rot.

Ich sah durch die Kontaktlinsen hindurch, hörte auf zu atmen, hörte auf zu existieren und löste mich in meine Moleküle auf, nur um dann wieder zusammenzufinden.

Meins.

»Oh, Fuck nein!« Das könnte nur ein beschissener Witz sein, oder? »Ganz sicher nicht!« Ich packte sie und zog sie auf die Füße. Dann schleuderte ich sie ans nächste Bücherregal und keilte sie zwischen den Büchern und mir ein. »Du prägst dich gleich auf zwei Rüden in nicht mal 24 Stunden?«

Milo. Ich schluckte. Ich war sein bester Freund. Der Erbe der Beta-Familie Kim.

»Was ist nur los mir dir?«, fragte ich und als ihr Geruch mich traf, süß und wie pures Mondlicht, knurrte ich wölfisch.

Verlangen. So nahe bei ihr, war das alles, was ich noch spüren konnte.

Meins.

Scheiß Instinkte! Bei meiner ersten Prägung war es nicht so intensiv gewesen. Aber ich war auch jünger und damals noch mehr Welpe als Wolf.

Mit flacher Atmung sah sie zu mir hoch. Ich sah Hope an, dass sie zwischen Verlangen und Gegenwehr kämpfte.

»Und wer warst du noch mal?«, fragte sie provokant und zeigte mir, dass die Gegenwehr gewonnen hatte. Sie legte den Kopf zur Seite und hielt sich die Nase zu. »Verschwinde, mit deinem Geruch«, zischte sie, aber wurde weich und in ihren Augen zeigte sich wieder Verlangen. »Bitte«, flehte sie kleinlaut.

Ich knurrte. »Fuck, die Paarungswoche ist erst seit ein paar Stunden vorbei. Du magst Milo als Wolf davon gerannt sein, Weiße. Jetzt kannst du das allerdings nicht.«

!!! FUCKING INSTINKTE !!!

Ich packte ihre Hände mit meinen und presste sie über ihren Kopf an das Regal. Ein Buch viel hinab und krachte neben uns auf den Boden. Langsam kam ich näher und beugte meinen Kopf hinab, während ich sie mit meinem Körper gefangen hielt.

Sie wandte den Kopf ab, was leider ziemlich förderlich war. Meine Zunge fuhr über ihren Hals und sie ließ es zu, denn es gab für sie kein Entkommen aus dieser Lage.

»Du weißt so gut wie ich, dass das nicht geht.« Ich wollte sie beißen. Sie markieren und zu meiner machen. Das hieß, der Wolf wollte es. Ich hatte da meine Zweifel. »Hättest du nicht einen Tag später in mich rennen können?«, raunte ich an ihre Haut. »Einen verdammten Tag später?!«

Ich wurde hart. Ihr Geschmack brachte mein Blut zum Kochen.

Wie hatte Milo es geschafft, sie gestern entkommen zu lassen? Ich war jetzt schon völlig triebgesteuert. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie er als Wolf gefühlt haben musste. Kein Wunder, dass er noch zu Ana gegangen war.

Hope versuchte, sich aus meinem Griff zu befreien, und bekam eine Gänsehaut, als ich erneut über ihre Haut leckte. »Lass mich gehen, Ji-hoo. Ich will die Prägung nicht, weder mit dir noch mit deinem nervigen Kumpel«, sagte Hope, tat aber genau Gegensätzliches und seufzte sinnlich.

Ich brummte kehlig und als ich ihr Schlüsselbein küsste, das dezent unter dem Oberteil herausschaute, presste ich mich fester an sie.

»Denkst du, ich will den Scheiß hier? Ich-«

»Ähm ... ich will ja nicht die uncoole spielen, aber hier sind noch andere Leute.«

Ich nahm die Gelegenheit beim Schopf, ließ Hope langsam los und machte einen Schritt zurück. Und bei der Mondgöttin, das war verdammt schwer, denn sie roch unwiderstehlich und sah leider wirklich ganz süß aus.

»Ssibal! Mach das du wegkommst, Hope«, knurrte ich und rieb mir durchs Haar. »Wir klären das später.«

Sie war noch immer ans Bücherregal gedrückt und sah mich an. Dann blinzelte Hope, als würde sie aus einem Albtraum erwachen und drückte sich vom Regal weg.

»Fass mich nie wieder an, Mistkerl!«, flüsterte sie, eilte an mir vorbei, packte beim Gehen ihre Tasche und rannte regelrecht aus der Bibliothek.

Die Tussi, die uns, Gott sei Dank, gestört hatte, sah ihr nach und dann mich an. Verächtlich sagte sie: »Das sah nicht aus, als wolle sie das.«

Ich verkniff mir ein Lachen. »Ja, richtig. Das war was, was wir beide nicht wollten.«

Der Mensch blinzelte irritiert und verstand nicht recht. »Was?«

Mit einem gegurrten ›verpiss dich einfach‹ lief ich ebenfalls weg. Und um auf Nummer sicherzugehen, lief ich in die entgegengesetzte Richtung. Ich traute mir nicht und war mir unsicher, ob ich in meinem Prägungsstatus nicht einfach ihrer Fährte folgen würde.

Ich zog mein Handy aus der Tasche und wählte Milos Nummer. Obwohl er mitten im Kurs für Finanzwesen steckte, ging er ran.

»Was?«

»Bro«, setzte ich an und verwuschelte meine eigentlich zurechtgemachten, schwarzen Haare.

»Was?«, brummte er genervt und ich blieb am nächsten Regal stehen.

»Ich hab deine Hope gefunden.«

Stille. »Sie ist nicht MEINE Hope.«

Ein bitteres Lachen entkam mir. »Da sind wir uns wohl einig.«

Wieder stille. »Was soll das denn jetzt heißen?«

»Das heißt«, setzte ich an, »das die Weiße in mich gerannt ist und, weil es ein wirklich blöder Scherz ist, wir uns ebenfalls geprägt haben.«

Diesmal dauerte es eine geschlagene Minute, bis ich sein leises Lachen hörte. »Das ist ja wohl ein Scherz, oder, Ji?«

»Ich wünschte, es wäre einer. Aber ich hab sie beinahe hier in der Bücherei, an ein Regal gelehnt gefickt. Also nein, kein Witz.«

Papier raschelte. »Mr Othello? Wohin-«

»Weg«, meinte Milo nur und der Professor im Hintergrund verstummte. Alpha gehabe. Schritte, das Quietschen einer Tür. Wieder Schritte. »Du verarschst mich also nicht?«

Ich knurrte. »Nein, Mann. Warum sollte ich?«

»Weil dein Humor fragwürdig war, ist und immer sein wird?«

»Touché«, murmelte ich. »Hör mal, das ist nicht lustig. Wir sind auf ein und dasselbe Weibchen geprägt.«

Er lachte. »Na und? Willst du die Prägung zulassen?«

»Fuck, nein!«

»Dann nimms locker, Ji. Lehnt es ab. Punkt.«

»Irgendwie ist es lustiger gewesen, als es nur dich getroffen hat, Arschloch.«

»Ja, das denke ich mir.«

Ich sah an die Decke der Bücherei. »Wie soll ich das meiner Eomma erklären?«

»Sag deiner Mum, wie es ist. Du bist noch nicht bereit und willst dich schon gar nicht an eine Wölfin wie sie binden.«

Ja, nur kannte er meine Mutter und wusste eigentlich, dass sie das niemals hinnehmen würde. Sie kam aus einem Rudel in Südkorea und dort war eine Bindung fast noch heiliger als hier. Meine Erste abzulehnen, hatte sie nur zugelassen, weil sie selbst dachte, das 16 zu jung sei. Jetzt, mit 22 und mittlerweile Erbe des Beta-Wolfs, würde sie mich zwingen, sie anzunehmen. Und Hope gleich mit.

»Ich kann ihr das nicht sagen, Mann. Sie bringt mich um!«

Die Leitung knackte. »Ich red mit meinem Vater.«

Ich lachte. »Ach, gleich nachdem du ihm gesagt hast, das er die Ablehnung der Prägung auf den selben Wolf auch bei dir genehmigen soll?«

Milo schwieg. Dann redete er weiter und ich sah vor mir, wie er sein Gesicht verzog. »Wir sollten wohl vorher mit dieser Hope reden. Was hat sie für einen Eindruck gemacht?«

Geschockt. Erschrocken. »Unwillig, wie bei dir auch.«

»Dann sollte es wenigsten einvernehmlich sein. Was will mein Dad dann schon machen?«

Ich rieb mir übers Gesicht. »Was für ein Mist. Ich meine, wir haben uns schon Frauen geteilt, aber eine Prägung mit demselben Wolfsweibchen? Das hebt unsere Freundschaft wohl auf ein neues Level.«

»Scheint so.«

»Wo steckst du?«

»Bücherei.«

»Ja, aber wo?«

Ich sah mich um. »Abteilung ... Mythen und Legenden.«

Er lachte. »Passend. Warte, ich komm gleich.«

Er legte auf und ich schüttelte einfach nur den Kopf.

Was zum Geier sollte das werden? Was dachten sich die alten Geister dabei nur?

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