Hope


»Wie? Du bist jetzt mit Milo zusammen und nicht mehr mit Ji-hoo?«, fragte meine beste Freundin geschockt und reichte dem Kind vor ihr die Kugel Eis in einer Waffel. Das Kind bezahlte und verschwand. Ich nippte an meinem Kaffee und nickte. »Ji hat so gesehen mit mir Schluss gemacht und mir die Entscheidung abgenommen. Seine Worte waren: Ich soll es ja mit Milo probieren und er wird warten, aber will so lange Abstand haben«, antwortete ich und stopfte mir die Waffel in den Mund, die ich mir neben dem Kaffee noch bestellt hatte.

Lexy stemmte ihre Hand in ihre Hüfte und schüttelte den Kopf. »Wie lange soll das noch gehen? Wenn ich du wäre, hätte ich Milo zum Mond geschossen. Er war wochenlang, nein, fast Monate lang, ein Arschloch und auf einmal liebt er dich? Am Arsch!«

»Ich glaube ihm, dass er mich liebt. Nur ich empfinde für beide etwas. Ich möchte einfach nur den Richtigen wählen. Du hast echt Glück. Wie ist es so mit Jeremy?«, fragte ich, verzog das aber das Gesicht.

Lexy begann zu lächeln. »Du weißt ja, dass ich ihn vorher schon toll gefunden habe. Und als hätte die Mondgöttin mich erhört wurde er mein Gefährte. Ich bin total hin und weg und kann niemanden mehr sehen, außer ihn.«

Sie klang dabei total verliebt, weshalb ich lächeln musste.

»Ihr scheint beide glücklich zu sein. Das freut mich wirklich«, sagte ich und trank von meiner Tasse.

»Sind wir auch, Hope. Und ich bin mir sicher, sobald du einen von den beiden Badboys markierst, wirst du dasselbe fühlen. Es wird berauschend und wunderschön, vertrau mir«, zwinkerte sie mir zu und betreute den nächsten Kunden.

Ich sah nachdenklich auf meine Waffel.

Berauschend und wunderschön?

Ich sah mich um und beobachtete die Menschen und Wölfe, die hier einkauften. Milo hatte heute seine Prüfung. Ich drückte ihm die Daumen, dass sie gut lief. Ji ... von ihm hatte ich nichts mehr gehört. Ich würde so gerne mit ihm reden, aber er hat einfach recht. Er hatte es schon längst verdient, dass ich ihn markiere. Wieso habe ich es bisher nicht gemacht?

Wollte ich so sehr sehen, ob es mit Milo funktionieren könnte?

Dann kam auch noch dazu, dass ich eine Alpha Erbin war? Das war einfach lächerlich. Ich konnte mir im besten Willen nicht vorstellen, dass mein Vater mich als Erbin wollte. Ich war nicht so wie Milo. Ich hatte doch keine Entscheidungsgewalt und diese Leute würden mich doch niemals akzeptieren.

Als würde man vom Teufel sprechen, stand plötzlich Bill vor einem Geschäft, gegenüber der Eisdiele meiner Besten. Er sah mir in die Augen und schien angespannt. Er konnte Milo an mir riechen, da war ich mir sicher. Wog er ab, ob er mit mir reden konnte oder, ob Milo aus dem nichts wieder auftauchen würde?

Ich erhob mich. »Lexy, ich bin mal weg. Wir hören uns«, sagte ich nur und ging. »Hey ... wo willst du hin?«, fragte sie, während sie dem Kunden das Eis überreichte.

Aber ich antwortete nicht mehr und ging schon auf mein Ziel zu. »Du willst mit mir reden? Dann lass uns reden«, sagte ich, als ich vor ihm stehen blieb und mir erst einmal klar wurde, dass er mit seinen 17 Jahren ziemlich groß war.

Er nickte. »Sicher, dass dein ... was auch immer der Alpha-Erbe für dich ist, nicht auftaucht und versucht, mir den Kopf abzubeißen? Oder sein Beta Feind, der ... ebenfalls IRGENDWAS zu sein scheint?«

Ich kniff die Augen leicht zusammen und musterte ihn böse. »Die beiden sind auf mich geprägt. Ich würde dir daher abraten, irgendwelche Spiele mit mir zu spielen. Ich will die Wahrheit«, erklärte ich und versuchte, tough zu wirken.

Der Fremde grinste. »Klar das sich eine Alpha-Erbin nur auf die Ranghöchsten Rudelmitglieder prägt. Du willst die Wahrheit, klar.« Er zuckte mit der Schulter. »Ich hab nichts zu verbergen. Aber wir sollten wohl woanders hin, große Schwester.«

Ich blinzelte.

Was?

»Das hat doch nichts damit ... huh? Große Schwester? Wie ... äh also...«

Ich schloss meine Lippen, bevor noch mehr Scheiße herauskommen konnte, und nickte nur.

Er lachte und verschreckte die Arme. »Was? Dachtest du, ein Alpha prägt sich mit jedem? Nicht als Polwolf, Hope. Ich weiß ja nicht, wie es bei diesen niederen Kötern ist, aber bei uns bleibt alles im Rang. Maximal ein oder zwei Klassen drunter. Hat dir das deine Mutter nicht erklärt?« Er nickte in einen Gang. »Lass uns da rein. Es ist still und es gibt einen Notausgang, den ich nutzen kann, falls du auf dumme Gedanken kommst und deine Jungs rufst.«

Maximal ein oder zwei Klassen darunter?

Niedere Köter?

»Nein, meine Mutter hat kaum über ... unseren Vater gesprochen«, antwortete ich und folge ihm in den abgelegenen Gang. »Also erst einmal möchte ich klarstellen, dass diese ... zumindest nicht alle Köter sind«, sagte ich ernst. Obwohl mir der Gedanke gefiel, weil manche dieser Wölfe echt Scheiß zu mir waren. »Aber egal, was möchtest du von mir? Ich bin ein Kind, das ohne Prägung gezeugt wurde. Wieso solltest du dich für mich interessieren?«, fragte ich die wichtigere Frage, als wir stehen blieben.

Er lehnte sic mit der Schulter an eine Wand. »ICH will prinzipiell nichts von dir. Vater möchte, dass du zu uns kommst. Und bevor du meckerst, oder ablehnst, er lädt dich ein. Genau unverbindlich. Als Besucher. Um dir ... alles anzusehen. Uns kennenzulernen.« Er lachte. »Und was die Sache mit den Kötern angeht, nun ... Dass sehe ich etwas anderes. Für uns, die ersten Werwölfe, sind alle außer uns, Köter. Wir«, er sah mich erhaben an, »Sind die Elite. Der Adel. Und du und ich, wenn du es dann etwas weiter spinnst, von königlichem Blut. Prinz«, er zeigte auf sich und dann auf mich, »Und Prinzessin.«

Ich hob eine Braue. »Wieso sollte ich euch kennenlernen? Und euch ist klar, dass ich die beiden Jungs mitnehmen müsste«, als ich die nächsten Worte hörte, blinzelte ich. »Prinz ... Prinzessin? Königliches Blut? Was? Ich verstehe kein Wort und glaube, du hast etwas zu viel Fantasie«, lachte ich ihn aus.

Was redet er da nur? Der spinnt doch.

»Naja, wenn du die Geschichte der Werwölfe kennen würdest, würdest du das nicht so sehen. Ich meine, ja, jetzt zur aktuellen Zeit ist das etwas hochtrabend, aber an sich immer noch richtig. Wir, das Polrudel, sind die Elite. Die, die von den ersten Wölfen abstammen. Reine Blutlinie und so. Alle anderen Rudel, sind entstanden, weil abtrünnige, Flüchtige oder verbannte Wölfe sich mit Menschen oder so vermischt haben.« Er zuckte mit der Schulter. »Wie das eben ist, ist mit der Entstehung neuer Sachen.« Jetzt verzog er das Gesicht. »Die Pisser kommen auf keinen Fall mit. Du bist nur geprägt, nicht gebunden. Sie würde es aushalten. Uuuuuund«, zog er das Wort lang und zwinkerte mir zu, »Was sie nicht wissen...«

Ich hörte ihn zu und konnte meine Verwunderung nicht verstecken. Wir waren die direkten Nachfahren der ersten Wölfe?

Ich soll zu Elite gehören? Ich, die von diesem Rudel wie Dreck behandelt wurde? Das ist doch einfach nur lächerlich.

Ich musterte meinen echten Halbbruder und verschränkte meine Arme vor der Brust. »Auch geprägte brauchen einander. Und was meinst du mit: Was sie nicht wissen? Ich werde ganz bestimmt nicht mit dir mitgehen, ohne irgendjemanden etwas davon zu erzählen. Das ist dir klar, oder?«

War das sein jugendlicher Leichtsinn, dass er so dachte?

Wieder zuckte er mit der Schulter. »Also erstens: Ihr braucht euch nicht unbedingt. Mann, du kannst locker ein halbes Jahr von den beiden getrennt sein, ehe es dich zerreißt. Plus, wie mir scheint, bist du ohne hin ziemlich unschlüssig, wenn man bedenkt, dass du von einem Rüden zum anderen hüpfst. Nutzt doch die Chance und schau, wen du mehr vermisst«, bot er an. »Und zweitens: Was wäre so schlimm daran, mit mir zu kommen. Du könntest deine echte Familie kennenlernen. Dein echtes Rudel. Unseren Vater. Gut, ich geb zu, unsere Schwester, meinen Zwilling muss man ausklammern. Sie ist nicht unbedingt eine nette Person. Aber der Rest des Rudels ... Wir sind top. Wir halten dich schon nicht dort als Gefangene. Vater sagt, du kannst gehen, wann immer du willst.«

Schauen, wen ich von beiden mehr vermisse? Ich überlegte und musste zugeben, die Idee klang gar nicht so schlecht.

Wen ich wohl von den beiden mehr vermissen würde? Und so wie die beiden sich benommen haben, hatte ich immer den Eindruck, sie müssten in meiner Nähe sein. Stimmt das etwa nicht?

»Aber meine Mutter ist auch meine echte Familie«, stellte ich erst einmal fest und beobachtete seine roten Augen. »Ich verstehe nicht ganz, wieso du gerade jetzt herkommst und mich mitnehmen möchtest? Jahrelang habe ich nichts von euch gehört. Außerdem, was passiert, wenn ich einen von den ›Kötern‹ wie ihr sie nennt, zu meinem Gefährten auswähle? Wird dieser dann genauso schlecht von eurem Rudel behandelt, wie ich von diesem Rudel?«, fragte ich und spürte ein leichtes Stechen in meiner Brust. »Und stell unseren Vater bitte nicht so da, als hätte ihm etwas an mir gelegen. Er kam nur einmal hier her ... und das ging nicht gut aus.« Milo würde vermutlich ausrasten, wenn er meinen Vater gegenüber stehen müsste.

Er lachte schnaubend. »Einmal? Ist es das, was deine Mum dir sagt? Hope, unser Vater versucht, seit sie mit dir abgehauen ist, an dich heranzukommen. Deine Mum hat einfach Angst, dass du sie verlässt, wenn du zu uns kommst und bemerkst, dass du als Alpha-Erbin bist, wer du eben bist. Ein Wolf mit einer Menge Macht.« Er sah mich an. »Sie weiß, dass sie nicht bleiben kann, wenn du dich entscheiden würdest. Vater hat sich auf meine Mutter geprägt und sie verlassen und deshalb hält sie dich fern von ihm. Von uns.«

Ich zog die Augenbrauen zusammen.

Was?!

Meine Mutter hat schon wieder gelogen?

Ich dachte, wir wären ehrlich zueinander. Aber immer mehr lügen werden aufgedeckt.

»Ich....weiß nicht, was ich sagen soll...« gab ich ehrlich zu und ließ meine Arme an den Seiten baumeln.

Bei was wurde ich bitte nicht angelogen?

Hätte ich vielleicht ein besseres Leben gehabt, wenn meine Mutter mich einfach bei meinem Vater gelassen hätte? Hätte ich mich vielleicht auf jemanden geprägt, der wie ich, ein Polarwolf ist? Wäre dann alles einfacher gewesen?

Bei der Mondgöttin, was hast du noch mit mir vor? Fragte ich gedanklich und fuhr mir mit beiden Händen übers Gesicht.

»Ich überlege es mir. Ich muss erst mal nachdenken.« sagte ich leise und traurig.

Alles lügen.

Immer nur lügen.

Ich habe so die Nase voll.

»Ich muss nächst Woche zurück. Also lass dir nicht zu viel Zeit.« Er nickte. »Hast du ... noch Fragen?«

ich nickte verstehend und fragte: »Wieso will unser Vater mich überhaupt sehen? Ich wurde doch ohne Prägung gezeugt.«

»Das tut nicht zur Sache. Du bist seine Erstgeborene. Vater ... Er will dich als Alpha-Erbin, Hope. Du sollst, nein, musst laut unseren Gesetzten die Nachfolge antreten.«

Ich starrte mit weit aufgerissen Augen auf den Boden. »Nein«, sagte ich und hob langsam meinen Kopf. »Ihr spinnt doch! Ich kenne euch alle gar nicht und ihr wollte, dass ich was?! Nachfolge antrete? Für ein Rudel, dass mich nicht kennte und andersherum? Ihr seid doch krank!«, machte ich diesen fremden Jungen dumm an. Ja, er war für mich fremd.

»Meine Entscheidung ist: Nein! Mach du das doch. Ich ... Nein.« Ich wandte mich ab und ging.

»Lern uns doch erst mal kennen, bevor du Nein sagst!«, rief er mir nach.

Ich erwiderte nichts und eilte aus dem Einkaufszentrum.

Wenn selbst meine Mutter mich anlog. Was würde dann mein Vater tun? Genau, auch nur lügen. Alles nur Lügner.

Lern uns erst einmal kennen?

Dass war doch auch nur eine Lüge, am Ende würden sie mich nicht mehr gehen lassen Und.....hier war doch mein Zuhause und nicht irgendwo im Norden.

Außerdem.... wette ich, diese Wölfe dort, würden mich schlussendlich genauso Scheiße Behandeln wie dieses Rudel.

Sie würden mich ausschließen.

Mich nicht akzeptieren.

Ich kann das alles nicht nochmal durch machen.

Ich war keine Alpha-Erbin.

Ich war einfach nur eine ausgestoßene.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top