Hope
Alles begann wohl mit meinem 6 Lebensjahr, als meine Mutter beschloss, zu ihrem Wolfsrudel zurückzukehren. Als die Frau, die mich geboren hatte, entschied, dass ihre rebellische Zeit ein Ende finden sollte. Der Tag, an dem mein Vater sich auf eine andere Wölfin und somit nicht auf meine Mutter prägte, hing mir bis heute nach. Es war nicht so, dass meine Mutter mir dafür die Schuld gab, wir wussten, dass es die Entscheidung der Mondgöttin war und somit eine einzigartige und heilige Entscheidung. Doch es war nicht gerne gesehen, wenn Kinder gezeugt wurden, ohne, dass eine Prägung zwischen den Eltern existierte.
Bei uns Wölfe werden Prägungen auf Gefährten oder auch Verbundene, als etwas sehr Heiliges und Wertvolles angesehen. Wölfe können sich auch auf Menschen prägen, die dann meistens auch zum Rudel gehören. Eine Prägung war für immer und ewig, wenn man sie nur annahm.
Ich atmete laut aus und starrte mein Spiegelbild an. Mein Vertrautes und gleichzeitig so unendlich Fremdes aussehen.
Ich war nichts Besonderes, zumindest redete ich es mir ein, wenn ich meine Haare färbte und mir meine farbigen Kontaktlinsen in die Augen tat. Ich war nichts Besonderes. Ich wollte nichts Besonderes sein. Ich war einfach nur Hope.
»Hope! Ich bin jetzt weg. Vergiss nicht, die Woche vor dem Mond zuhause zu sein. Ich liebe dich.«
»Ja, Mum! Das sagst du mir schon zum zehnten Mal.« rief ich zurück und hörte sie daraufhin nur lachen. Die Tür fiel ins Schloss und ich verdrehte die Augen. Ich verstand ja, dass Mum besorgt war, aber wer würde mich schon wollen.
Ich starrte wieder in diese braunen Augen und strich durch mein bis zu Schulter langes schwarzes Haar. Mein Pony verdeckte mein ohnehin hässliches Gesicht und machte mich unscheinbar. Genau das wollte ich, unscheinbar sein. Nichts Besonderes sein. Ich war einfach nur Hope.
Mit einem nicken, verließ ich mein Badezimmer und schulterte meine Tasche. Unten im Flur, zog ich mir meine Sneaker an und blieb abrupt stehen, als ich noch einmal mein Spiegelbild betrachtete. Eine schwarze Jeans und ein schwarzer Hoodie, bedachte meine viel zu herausstechenden Kurven vor der Welt zu verstecken.
Wer würde mich so schon wollen?
Ich schüttelte den Kopf und verließ das Haus.
Wie jeden Monat war die Woche Paarungszeit unter den Wölfen. Das bedeutete, die Weibchen verströmten einen Duft, denn die Männchen fast verrückt werden ließen. Mich nervte diese Zeit einfach nur, weil von uns Frauen erwartet wurde in der Zeit achtsam zu sein, nachdem Mond nicht mehr draußen zu sein. Nachdem Mond bedeutete bei uns, sobald es dunkel wurde. Es sei zu gefährlich für uns. Die Männer hätten sich nicht unter Kontrolle. Das wurde uns von klein auf beigebracht. Doch ich hatte eine andere Meinung! Sollten sie doch diese notgeilen Schweine einsperren zu der Zeit, statt uns Frauen einzuschränken. Das war meine Devise. Nur interessiert sich niemand für meine Meinung.
Naja, kann mir auch egal sein. Mit dieser Einstellung versuchte ich alles um mich herum zu regeln. Ich hielt mich aus allem raus, was nur ging und wollte so wenig Kontakt wie nur möglich mit dem Rudel. Ich hatte eine beste Freundin, Lexy Cooper. Ich glaubte ja, dass sie nur mit mir befreundet war, weil sie selbst auf das ganze Rudelleben keine Lust hatte und ihr Dad sich auf einen Menschen geprägt hatte. Das bedeutet, dass Lexy halb Wolf und halb Mensch war. Ich fand die Mischung ziemlich interessant. Sie verströmte in der Paarungszeit zum Beispiel weniger diesen Duft, weshalb die Männchen sie wiederum weniger beachteten. Das musste einfach schön sein.
Wäre ich doch auch nur ein halber Mensch.
»Hallöchen Hope.« begrüßte mich meine beste Freundin auch schon, als ich auf dem Uni Gelände ankam. Neben uns Wölfe, studierten auch normale Menschen an dieser Universität. Die meisten Menschen hatten keine Ahnung von unserer Existenz. Meistens erfuhren sie es erst, wenn sie eine Prägung annahmen. Anscheinend hatte unser jetziger Alpha, Philip Orthello mit dem Bürgermeister dieser Stadt eine Abmachung, dass wir Wölfe ebenfalls hier leben und lernen dürften, so lange wir unsere Existenz verbergen und unser Rundel-Ding nicht an die große Glocke hingen. Zumindest erinnerte ich mich, dass das seine Worte waren.
»Hey, Lexy. Du scheinst heute gute Laune zu haben.« stellte ich fest und wir liefen in den Hörsaal.
»Natürlich! Es ist endlich wieder Paarungszeit. Ich werde diese Woche auf jeden Fall meinen Gefährten finden, vertrau mir.« grinste sie entschlossen und wir setzten uns in die hinteren Reihen.
Einen Gefährten zu finden war mit 20 Jahren am wahrscheinlichsten. Sobald sich einer oder mehrere Männchen auf einen geprägt hatten, durfte man als Weibchen auswählen. Für die Auswahl hatte man jedoch nur bis zum 21 Lebensjahr Zeit. Sollte man sich bis dahin nicht entscheiden, dann würde die Prägung aufgelöst werden und die Männchen prägen sich auf jemand anderes. Als Frau hatte man es schwerer, wir konnten uns nicht zuerst prägen und so älter wir wurden, so schwieriger wurde es. Die Männchen wählten uns und erst, wenn die Rüden auf uns geprägt waren, prägten wir uns im selben Augenblick auch auf sie, beide Parteien konnten dann entscheiden, ob sie die Prägung annehmen oder ablehnen. So verlief die Paarungszeit bei uns jeden verdammten Monat. Ein Glück musste ich mich bisher nicht mit so einem Scheiß herumschlagen.
»Viel Glück dabei.« versuchte ich sie anzulächeln, aber ich war einfach kein Fan von all dem. Ich glaube, wenn ich mich entscheiden dürfte, dann würde ich mich eher auf einen Menschen prägen.
Als unser Professor, der zufälligerweise ebenfalls zu unserem großen Rudel gehörte, eintrat, wurde es augenblicklich ruhig im Raum. Professor Johnson. Er war streng, aber ich liebte seine Ausführung der Geschichte, der menschlichen Geschichte. Ich studierte nämlich Philosophie und Geschichte und war bereits im zweiten Semester. Ich schrieb gute Noten und kam mit den Professoren gut klar. Mein Traum: Studieren und dann abhauen und hoffen bis dahin keinen Gefährten zu finden.
Bisher klappte es ganz gut und so sollte es auch weitergehen.
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»Wir schließen die Bibliothek gleich. Ich muss dich leider auffordern zu gehen«, holte mich die ruhige Stimme unserer Bibliothekarin aus meinem Nickerchen.
War ich schon wieder eingeschlafen?
Ich rieb mir die Augen und nickte ihr zu. »Ich werde gleich gehen.«
Wie immer schenkte sie mir ein Lächeln und verschwand.
Sie kannte es von mir schon gar nicht mehr anders. Ich war gerne in der Bibliothek, denn ich wusste, das ich hier kaum Wölfe aus meinem Rudel über den Weg laufen würde. Ich fühlte mich sicher hier. Ich sah durch das Fenster nach draußen, während ich die Bücher in die Regale zurückstellte. Es wurde bereits dunkel. Okay, vielleicht hatte ich es etwas zu locker gesehen. Ich sollte mich beeilen.
Ich wandte mich ab, packte meine Sachen in die Tasche ein und eilte aus der Bibliothek.
Ich versuchte nicht zu rennen, damit die Leute nicht glaubten, ich sei verrückt. Dennoch pumpte mein Herz, ich spürte das ich nervös wurde und ich spürte die Blicke. Ich wurde beobachtet.
Einfach nicht nach hinten schauen und weiterlaufen.
Die Uni war eigentlich nur 15 Minuten von meinem Zuhause entfernt. Doch, weil ich mich mit einem Mal verfolgt und beobachtet fühlte, nahm ich eine längere Route. Ich wollte nicht, dass sie wissen, wo ich wohne, obwohl das totaler Mist war, jedes Rudelmitglied wusste, wo die anderen Rudelmitglieder wohnten. Ich schob meine dummen Gedankengänge auf das Adrenalin und auf die Angst, die ich verspürte, als ich Schritte hörte. Wir hatten ein viel besseres Gehör und Sehvermögen als Menschen. Das bedeutet, diese Schritte könnten noch Kilometer weit entfernt sein und ich würde sie dennoch hören. Als ich jedoch das Lachen von mehreren Männchen wahrnahm und ihr Duft mir in die Nase stieg, entschied ich mich für etwas, das ich noch bereuen würde. Ich steuerte den Wald an, schmiss meine Tasche schon einmal an einen Baum und rannte dann los.
»Komm schon Hope! Wir wollen doch nur Spaß haben.« rief einer der Rüden, den ich als Jeremy wahrnahm. Er war schon immer ein Arschloch gewesen und fühlte sich toller als er war.
»Sag mal ist die Behaarung deiner Fotze auch weiß?« rief ein anderer Rüde, den ich gerade nicht identifizieren konnte. Mein Herz schlug zu schnell, meine Ohren rauschten.
Ich spürte sie dicht hinter mir und könnte mich Ohrfeigen. Zu Paarungszeit in den Wald zu rennen, war das Dümmste, das man tun konnte. Als würde ich mich auf einen Silbertablett anbieten.
Ich kann nicht mehr! Sie würden mich gleich einholen. Ich muss mich verwandeln. Ich biss die Zähne zusammen, sprang über einen dicken Baumstamm, der auf dem Boden lag und verwandelte mich in der Luft in meinen Wolf. Auf vier Pfoten landen, rannte ich weiter und spürte, dass auch meine Verfolger sich in ihre Wolfsgestalt verwandelt hatten.
Ich rannte so schnell ich nur konnte und versuchte irgendwie diesen idioten, Ja, es mussten so um die 4 Männchen sein, zu entkommen. Doch ich vermutete, dass sie versuchten, mich einzukesseln. Und als in dem Mument einer von ihnen vor mir auftauchte, sprang ich zur Seite und bestätigte somit meine Vermutung. Ich wechselte die Richtung und wisch noch einen der Männchen aus. Sie jagten mich und versuchte meine Richtung zu lenken, das darf ich nicht zulassen, ich muss.....
Ein Knurren ertönte hinter mir und ich fand mich auf einer Lichtung wieder. Ich hechelte, knurrte zurück, doch es klang eher nach einem jaulen. Hätte ich doch nur auf Mum gehört.
Diese Penner kamen aus jeder Himmelsrichtung und leckten sich die Schnauze.
›Kommt mir nicht zu nahe!‹ knurrte / jaulte ich.
Wieder hörte ich sie durch die Gedankenverbindung lachen. Sobald wir in der Wolfsgestalt waren, konnten wir über unsere Gedanken kommunizieren, wenn wir es wollten.
Ich bewegte mich hin und her, versuchte jede Himmelsrichtung im Auge zu behalten. Zuckte bei jeglichen knacken der Äste und Herbstblätter zusammen.
Nein!
Nein!
Ich werde mich nicht von diesen vier idioten besteigen lassen. Auf keinen Fall.
›Gib dich her, kleine Hope.‹ hörte ich Jeremy gedanklich sagen und er war der erste der auf mich zu sprang. Ich versuchte auszuweichen und mich auf die Seite zu rollen, aber seine lange Pranke packte mich und zog mich zurück. Er biss mir in den Nacken und versuchte mich so zu zähmen. Ich jaulte so laut auf wie ich nur konnte.
Bitte!
Irgendjemand der noch klar denken konnte.
Hilfe!
Ich kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder, als plötzlich ein großer schwarzer Wolf mit vollem Tempo auf uns zu gerannt kam. Knurrend sprang er auf Jeremy zu, packte ihn und riss ihn von mir runter. Die beiden drehten sich mehrmals im Dreck und jeder Biss mal zu. Der schwarze Wolf biss mit Leichtigkeit in Jeremys Nacken und schüttelte ihn.
› Verpiss dich! Ich nehme sie!‹ zischte der Wolf, der mich gerettet hatte.
Warte, was hatte er gesagt?!
Er ließ Jeremy los und als die Vier Wölfe, die mich gejagt hatten, begriffen, wer sie da anknurrte, zogen sie die Schwänze ein und machten den Rückzug.
Ich schüttelte mich einmal und knurrte sofort.
›Wehe du kommst mir zu-‹
Er wollte mich auch nur besteigen.
Ich beobachtete ihn und sein schwarzes Fell ließ ihn gefährlicher als die anderen Wölfe wirken. Wir sahen uns direkt in die Augen und ich hörte wortwörtlich auf zu atmen. Plötzlich wurde alles still zwischen uns, die Zeit stoppte für einen kurzen Augenblick und ich sah diese wunderschönen grünen Augen an. Er war mein....
Nein!
Nicht er!
Ich schüttelte meinen Kopf.
Nicht er!
Ich knurrte ihn an, duckte mich jedoch gleichzeitig
und zeigte ihm meine Unterwürfigkeit.
Nicht er!
Nicht der Sohn des Alphas!
›Scheiße‹, knurrte auch er und richtete sich auf. Er leckte sich die Lefzen und sein Kamm, der Fellstreifen von seinem Nacken bis zu seiner Rute stellte sich auf.
›Komm mir nicht zu nahe!‹ knurrte ich wieder und nahm langsam und vorsichtig, als könnte er mir jederzeit weh tun, Abstand. Ich darf ihm nicht den Rücken zudrehen, nicht den Rücken zudrehen. Eine Pfote nach der anderen ging ich rückwärts und starrte ihn mit meinen roten Augen an.
Das akzeptiere ich nicht.
Niemals.
Sein Knurren donnerte über die Lichtung und ihm tropfte Speichel aus dem Maul. ›Bleib stehen, Hope.‹
Ich zuckte zusammen und konnte mich nicht bewegen. Er war der Sohn des Alphas. Er stand weit über mir und es fiel mir schwer in meiner Wolfsgestalt zu widersprechen. Er war das nächste Alpha.
Dennoch nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sah ihn Zähne fletschend an. »Nein! Nicht du.«
›Ich sag's nicht nochmal‹ Er richtete sich auf und knurrte wieder.
Ich schüttelte mich wieder und mein weißes Fell bewegte sich dementsprechend hin und her. Ich würde ein Scheiß tun. Auch wenn die Mondgöttin ihn als meinen Gefährten ausgewählt hat, würde ich einen verdammten Scheiß tun und ihm gehorchen. Egal, wie sehr es an mir zog, alles zu tun, was er sagte, kämpfte ich dagegen an.
Nicht er!
›Wenn du mich anfasst, beiß ich dich!‹ knurrte ich wieder und öffnete meine Schnauze.
Ich würde mich wehren, auch wenn ich dabei sterbe.
Und damit drehte ich mich weg und rannte so schnell, wie mich meine Pfoten trugen, über die Lichtung zurück in den Wald.
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