Kapitel 8
Wir stürmten regelrecht aus den Terminal. Die Luft fühlte sich trocken auf meiner Haut, die Sonne viel zu heiß. Aber ich fühlte mich auch erleichtert. Ich war noch lange nicht soweit mich irgendwo zuhause zu fühlen, aber ich würde endlich nach so langer Zeit wieder richtig atmen können.
"Maddy?" Ich zuckte zusammen. Maddy. Viel zu lange hatte ich diesen Namen nicht mehr gehört. Ich schloss meine Augen.
"Maddy!" Lachend sprangen wir uns in die Arme. "Du hast mir gefeht, Lyd's" Auch, wenn es nur ein paar Tage waren, kam es mir wie eine Ewigkeit vor. Jetzt, wo sie Aron hatte, verbrachten wir wenig Zeit miteinander. Sie hielten es kaum ohne einander aus. Ich mache ihr keinen Vorwurf, er ist ihr Mate, vermissen tat ich meine beste Freundin trotzdem. "Ich dich auch" murmelte sie in meine Haare.
"Ich hab dich lieb, Maddy"
"Ich..." Ich wollte ansetzen und ihr sagen, dass sie mir genauso viel bedeutete, aber ihr Blick schweifte plötzlich in die Ferne. Ich geriet in weite Ferne. Mindlink.
"Ma ruft mich! Scheint etwas wichtiges zu sein...
Ich komm später nochmal wieder, wenn Ma mich irgendwann freigeben tut" Sie verdrehte theatralisch die Augen. Ich schmunzelte.
"Lass mich nicht zu lange warten" zwinkerte ich ihr zu. Lachend schüttelte sie den Kopf.
"Wir sehen uns später, Maddy"
Dazu sollte es niemals kommen.
Lyd's. Du fehlst mir so. So sehr. Das war meine letzte Erinnerung an sie.
"Maddy" Meine Augen suchten die von Ethan. Ich sah Trauer in ihnen aufblitzen. Anders, als ich verdrängte er die Gedanken an unsere Vergangenheit. Es fiel ihm schwerer, als mir. Aber trotzdem konnte er den Schimmer in seinen Augen nicht leugnen. Die Augen waren die Fenster zur Seele. Ich war wirklich poetisch geworden.
Florenz. Frische Luft scheint mir Meilen entfernt. Das Taxi war dreckig, aber mir um einiges lieber, als Bus oder Bahn. Menschenmassen. Mir sträubten sich die Nackenhaare. Es war nicht so, dass ich Menschen nicht mochte, im grunde waren wir selbst welche. Ich verstand nur nicht ihre Art zu Leben. Der Wolf in uns änderte unsere menschliche Seite. Es änderte unsere Art zu leben. Je näher wir dem Stadtrand kamen, desto wohler fühlte ich mich. Ethan wirkte noch immer verkrampft, aber doch schien sein Geist Ruhe zu finden.
Ich rieb meine Sohlen auf den kargen Boden. Ethan wendete sich von unseren Fahrer, der in einer Staubwolke davon brauste. Er schulterte die Sporttasche, die eigentlich leer war. Einige Kleidungsstücke, die wir in Newyork, während unseres Zwischenstopps am Flughafen aufgegabelt hatten, mehr aber auch nicht. Aber was hätten wir auch mitnehmen sollen?
"Bis nach Santa Sofia sind es um die fünzig Meilen" meinte Ethan irgendwann, während er in die Ferne blickte. Santa Sofia. Eine kleine Gemeinde, die am Foresta Casentinese liegt. Der Wald unserer Zukunft. Meine Mundwinkel zuckten. "Worauf wartest du dann noch?" rief ich ihm zu, als ich meine Schritte beschleunigte. Ich hörte ihn kehlig auflachen. Irgendwann war er dann neben mir. Seine Züge waren entspannt. Es tat gut sich wieder bewegen zu können, auch mein Wolf grummelte zustimmend.
Es dämmerte, als wir die erleuchtete Stadt erreichten. Sie war mit ihren viertausend Einwohnern überschaubar, aber für mich fühlte es sich an, wie eine ganze Welt. Alles schien anders, als gewohnt. Unser Rudel war nicht sonderlich groß. Wir waren Kinder des Waldes. Eine Tradition, die Ethan und ich grade begannen zu brechen. Wir hätten einfach wieder im Wald leben können, aber dazu war ich nicht in der Lage. Nicht mehr. Viel zu sehr ängstigte ich mich. Ich konnte nicht vergessen.
Inzwischen folgten wir einen Trampelpfad, der über den Abhang hinunter zur Stadt führte. Es war kälter geworden. Es war angenehm. Ich schloss meine Augen und lies die kühle Brise über meine Haut streifen. Ich seufzte. Erstmals kamen Gedanken in mir hoch, die ich zuoft versucht habe zu verdrängen. Ich fragte mich, ob ich dieses Leben, was ich für Ethan wählte, überhaupt leben wollte. Wenn ich ehrlich war kannte ich die Antwort. Nein, dass wollte ich nicht. Ich wollte ein Rudel. Ich wollte eine Familie. Ich wollte ihn. Trotzdem würde ich Ethan nicht verlassen. Ich stand zwischen Pflicht und dem, was ich wollte. Wenn ich diese Entscheidung schon getroffen hatte, wieso viel es mir dann so schwer sie zu akzeptieren? Ich gebe Ethan nicht die Schuld daran, aber doch wünschte ich mir eine andere Zukunft. Eine Zukunft die ich nicht haben konnte. Verdammt. Die Zukunft, für die ich wieder zurückgekommen war.
"Es tut mir Leid" hauchte Ethan irgendwann, während das Gras unter unseren Füßen knackte. Abrupt öffnete ich meine Augen.
"Was meinst du?"Ich runzelte die Stirn. Er stieß erschöpft die Luft aus. "Das du nicht das leben führen kannst, was du ohne mich haben könntest." Er lächelte traurig. Ich wollte ansetzen und ihn sagen, dass das völliger Schwachsinn war, aber als ich den wissenden Schimmer in seinen Augen erkannte, blieb ich stumm. Er wusste es. Er wusste, dass ich ihn jedes mal angelogen hatte, als ich sagte es wäre Okay. Eine Stille entstand. "Ich würde diese Entscheidung wieder treffen, Ethan"sagte ich dann irgendwann. Er wand den Blick ab."Nicht du würdest diese Entscheidung treffen, sondern dein Gewissen"
"Ethan..."ich legte ihn eine Hand auf die Schulter und zwang ihn so stehenzubleiben. Noch immer schaute er mich nicht an. Irgendwie schwer zu glauben, das er ein Beta war. Er wirkte in diesem Augenblick all seiner Stärke beraubt. Auch er würde Narben davontragen, vermutlich tiefer als meine, selbst wenn ich mir dies schwer vorstellen konnte. Ih wusste aber, dass es wahr ist. Seine Wahrheit. "Es ist meine Entscheidung" ich presste die Lippen zu einem schmalen Strich. Ethan schaute mich für einige Augenblicke matt an, dann blickte er in die Ferne. "Aber vermutlich die Falsche" murmelte er. Ich erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde, aber dann sackten meine Schultern erschöpft nach unten. "Ethan" seufzte ich. Ich hatte keine Kraft für dieses Thema. Ich wollte es auch nicht. Nicht Heute. Daraufhin war es wirklich still. Aber ich wusste, dass dieser Gedanke nicht verschwinden würde und ich mich früher oder später mit dieser Tatsache auseinander setzen musste, auch wenn ich es am liebsten garnicht tun wollte.
Viel Spaß beim lesen😀
LG Malilara
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top