Kapitel 5
"Was werdet ihr nun tun?"
Meine Augen wichen ihrem Blick. Ich wusste es nicht. Darüber zerbrach ich mir schon eine ganze Weile den Kopf, aber eine Antwort hatte ich noch immer nicht. Ich wusste nicht einmal ansatzweise, wie es weitergehen sollte.
"Was haben Sie damals getan?"fragte ich geistesabwesend, während meine Gedanken wieder abzuschweifen schienen.
Sie runzelte die Stirn. Das Licht der alten Öllampe fing an zu flackern. Ihre Gesichtszüge wirkten im Schimmer um einiges weicher.
"Ich bin geblieben"wisperte Louise.
Mein Blick suchte nun doch den ihren. "Wie meinen Sie das?" Ich horchte auf, den skeptische Unterton konnte ich nicht verstecken.
"Ich habe nie aufgehört in der Vergangenheit zu leben. Ich bin an dem Ort geblieben, an dem sie alle starben. Allein."
"Aber, wie...?" Es war für mich unbegreiflich. Wie konnte sie leben, ohne Bindung zu jemanden. Wie konnte der Wolf in ihr leben, ohne durchzudrehen? Wie konnte sie den Schmerz ertragen?
Louise lächeln wirkte um Jahre gealtert, während der Funken in ihren Augen erlosch. "Ich wurde menschlich"
Ich erstarrte. Mein Wolf heulte auf, in der Hoffnung ihren erreichen zu können. Aber es kam keine Antwort. Ich hielt den Atem. Das konnte nicht möglich sein. Das konnte es nicht. Allein der Gedanke, ließ mich Galle schmecken. Entsetzt und wütend zugleich ballten sich meine Hände zu Fäusten, während Louise's Anblick mich mit jeder Sekunde mehr ekelte.
"Was haben sie getan...? " hauchte ich fassungslos, erahnte ihre Tat. Ihr Anblick immer unerträglicher. Mein Wolf fletschte wütend die Zähne. Es war mir, als würden die Lehren meines Vaters geschändet werden.
"Ich habe meinen Wolf getötet, damit der Schmerz erträglicher werden konnte". Es schwang keinerlei Emotionen in ihren Worten. Wie konnte man soetwas abscheuliches tun?
"Das ist abartig. Sie sind ein Monster" schrie ich sie verständnislos an, während meine Gedanken noch immer bei meinem Vater waren. Ein verzweifelter Ausdruck legte sich in ihrem Gesicht. "Warum haben sie das getan? Wie konnten Sie, Louise?" fragte ich, noch immer nicht ruhiger, weiter. Wieder blieb sie Still. "Antwortet mir!" brüllte ich, angetrieben von dem Wolf, der in mir tobte.
Mein Atem war schwer, als sie leise anfing zu erklären. "Ich hatte Angst." Sie stockte. "Hätte ich meinen Wolf leben lassen, dann hätte ich meine Familie niemals wieder gesehen! Die wundersame Nacht wäre unausweichlich. Ich musste es tun, um sie wiedersehen zu können" versuchte sie mir verzweifelt zu erklären, während sie nach meinen Händen griff.
Angewidert entzog ich mich ihr, als hätte ich mich verbrannt. Ich schüttelte den Kopf. Das war abstoßend, mehr als das. Ich rückte von ihr ab, während Ethan sich neben mir immer noch nicht rührte.
Mein Blut kochte vor Wut. Wie konnte sie ihren Wolf der quälenden Einsamkeit überlassen, während sie nur danach strebte selbst das Glück zu erfahren? Ich suchte in ihrem Blick nach Reue, aber vergebens. Sie würde diese Entscheidung wieder treffen. Selene würde ihr niemals vergeben.
Auch wenn diese Gedanken falsch sein mochten, ich hoffte sie würde niemals das von ihr erstrebte Glück erhalten. Das, was sie getan hatte, ist unverzeilich. Ich verdrängte den Gedanken an ihren Wolf, der sich in ihr wand und wimmerte, als er ihre Entscheidung akzeptieren musste.
"Das wird Selene dir niemals vergeben."
"Ich weiß." erwiderte sie tonlos.
"Du wirst sie niemals wiedersehen können, ihr werdet nicht wiedervereint für ein Leben nach dem Tod"
"Das weiß ich"
"Warum also? Warum hast du es getan?" zischte ich ungläubig. Wenn ihr das doch alles bewusst war, warum hatte sie es getan? Sie leugnete es noch nicht einmal. Ich verstand es nicht.
"Nur dieser Weg lies mir meine Erinnerung. Deshalb hab ich es getan. Hätte ich die Nacht gewählt, wären die Erinnerungen verblasst. Nur der Schmerz wäre geblieben. Ein neues Rudel käme einem Verrat gleich. Hätte ich als Rouge weiterleben sollen und andere abschlachten sollen, wie meine eigene Famile es einst wurde?Es gab nur diesen Weg."
"Es gibt immer einen Ausweg" flüsterte ich verzweifelt.
"Du weißt, dass ich Recht habe. Es gab nur diesen Weg. Auch wenn es nicht lange halten würde, ich würde Glück erfahren. Ist es den falsch glücklich sein zu wollen? Egal welchen anderen Weg ich gewählt hätte, Selene hätte mich niemals mit meinen Liebsten vereint."
So sehr mich ihre Worte auch abstießen, eine leise Stimne in mir gab ihr Recht. Einen Gedanken, den ich mir niemals eingestanden hätte. Ich konzentrierte mich auf die Wut und den Ekel, um diesen Gedanken in Keim zu ersticken. Sie hatte kein Mitleid verdient. Ich erhob mich.
"Ich hoffe du bekommst irgendwann deine gerechte Strafe für das, was du getan hast "
Sie begegnete meinen Blick und ich sah erstmals soetwas, wie Schmerz.
"Das hoffe ich auch" murmelte Louise leise.
"Aber bis dahin, lasst mich euch helfen"
Kapitel 5
Morgen folgen zwei weitere.
LG Malilara
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top