Kapitel 2
Mein Körper fühlte sich schwer und schwach. Ich war in völliger Dunkelheit. Aber war ich das wirklich? Oder war dies nur eine Illusion, um meinen Schmerzen zu entfliehen? Denn obwohl ich weiß, dass meine Wunden, wie Feuer, auf meiner Haut brannten, spürte ich nun nichts dergleichen. Es fühlte sich alles kalt an. Bin ich tod? Wenn dem so ist, wieso war ich nicht wieder mit den Menschen, die ich einst liebte, vereint? Ma, Pa, Mason, Lydia. Warum, darf ich nicht bei euch sein?
Einen Herzschlag später blendete mich helles Licht. Alles fing an zu strahlen, ein Glücksgefühl überkam mich. Nun werde ich euch wiedersehen. Ich seufzte erleichtert, als die schmerzhaften Erinnerungen zu verblassen schienen. Ich wusste, dass es nicht richtig war, aufgeben war nie eine Option gewesen. Aber trotz allem war mir auch schon immer, tief in meinem Inneren,bewusst , dass man aufgeben musste, wenn man verloren hatte, auch wenn dies gegen alles sprach, was man mir beibrachte. Ich schloss meine Augen. Ich war bereit zu gehen.
Nichts schien mehr bedeutend, alles wurde von den selbstsüchtigen Gedanken verdrängt, glücklich zu sein. Und das würde ich sein, bei meiner Familie. Ich war niemals stark, egal wie sehr ich es auch versucht habe. Und endlich durfte ich schwach sein, oder gar selbstsüchtig. Ich wollte nicht länger das Richtige tun. Ziemlich egoistische Gedanken, die ich immer krampfhaft zu verbergen versuchte. Aber nun spielte all das keine Rolle mehr. Ich wollte endlich gehen. Ich musste nicht länger versuchen gut zu sein, auch wenn es nicht richtig wahr, verspürte ich keinen Drang, meinem beißenden Gewissen nachzugeben.
Ich nahm am Rande wahr, wie sich alles um mich veränderte, aber anders als gedacht fühlte ich mich nicht frei oder etwas dergleichen. Langsam aber wurde die dumpfe Vorahnung, die mich beschlich, greifbar. Ich schlug meine Augen auf.
Ich war nicht länger in Dunkelheit oder Licht. Eine frische Brise prickelte auf meiner Haut, während der Wald, welcher sich vor mir erstreckt in einem tiefen Grün schillerte und einen stechenden Kontrast zu den trostlosen Herbstfarben bildete, die mir nur noch gedämpft in Erinnerung traten.
Mein Herz pochte und in meinen Ohren rauschte es. Ich spürte, wie sich die Panik ihren Weg in mein Bewusstsein schlich. Es fühlte sich seltsam an, Emotionen waren in Vergessenheit geraten. Bis jetzt. Die Realität holte mich ein. Ich war nicht tod. Ich war an einem Ort, der mich die Demut des Alleinseins lehren würde. Ein Ort an dem mir niemand folgen konnte, oder ich gar jemanden finden sollte. Ich war allein. Das beinahe schlimmste, was einem Lupi, einen Gestaltenwanderer, passieren konnte. Wir nennen es, Aurora borealis, die wundersame Nacht. Eine Welt aus der es keine Wiederkehr gab.
Ich hörte meinen Wolf winseln und wusste, was folgen würde. Diese Welt würde ihn töten. Er hatte jede Bindung zu seinem Rudel verloren, das was alles für ihn war. Kein Lupi überlebt den Schmerz des Alleinseins, es war unausweichlich. Ich würde einen Teil meiner Selbst verlieren, denn wir waren Eins. Und somit zusammen dazu verdammt schmerzvoll und von unseren Emotionen gequält zu sterben. Aber dieser Tod würde anders sein. Es war ein Tod, der ins Nichts führte. Die Seele, würde niemals mit seinen Liebsten vereint. Es folgt eine Dunkelheit der Einsamkeit, bis in alle Ewigkeit.
Auch, wenn ich meinen Wolf noch nicht erreichen konnte. Das Band, welches uns zu Einem machte, lies mich seinen unendlichen Schmerz fühlen. Die Angst packte mich. Ein Schmerz, der schwer auf meiner Brust lastete. Ich würde auf ewig alleine sein. Noch nie hatte ich von einem Lupi gehört, der der wundersamen Nacht entkommen war. Meine Knie schlugen auf dem Boden auf, während sich meine Arme um meinen Körper schlangen. Ich schlurzte auf. Ein Schlurzen, das niemand hören würde. Ich weiß nicht, wie lange ich so dasaß, aber es hatte keine Bedeutung. Meine Seele war schon längst an die ewigliche Einsamkeit verloren.
Meine Schlurzer und das Winseln meines Wolfes, formten sich zu einer traurigen Melodie, die den Wald, um einiges einsamer wirken ließen und obwohl die Farben noch immer in ihrer Pracht schillerten, kamen sie mir nun trist vor. Ich sah alles mit anderen Augen. Den Glanz den ich voher immerzu sah, war verschwunden. Ich fragte mich, warum mich dieses Schicksal traf. War ich wirklich so schlecht, dass ich dies verdiente? Vielleicht war dem so, ich wusste es nicht. Mein Geist, wollte aber nicht glauben, dass glücklich sein zu wollen etwas schlechtes ist. Ich verstand es nicht, aber vielleicht wollte ich es einfach nicht glauben. Meine Gedanken überschlugen sich, immer öfter fragte ich mich nach den "Warum". Eine Frage, auf die ich keine Antwort fand.
Der Schmerz fraß mich immer weiter auf, während ich spürte, dass mein Wolf immer schwächer wurde. Mein Ende war nah. Aber während ich mich immer weiter in Einsamkeit verlor, wurde ich mir bewusst, dass mein Wille schon gebrochen wurde, als sie meine Familie abgeschlachtet hatten. Mit jeden Tropfen Blut brach er ein Stück mehr, bis er mit ihren Tod gänzlich erlosch. Ich hatte schon aufgegeben, als ich dachte, ich würde noch kämpfen.
Als mein Wolf realisierte, was ich begann mir einzugestehen, spürte ich, wie er schmerzhaft seine letzten Atemzüge tat. Mein Atem war ruhig, als ich meine Seele erlaubte sich treiben zu lassen. Treiben in die unendliche Nacht. Aber dann passierte etwas, dass eigentlich nicht möglich sein konnte. Ich hörte das Flüstern einer Stimme, ihn, die meinen Körper zu elektrisieren schien.
"Verlass mich nicht.." hauchte er.
Mein Atem wurde unregelmäßig. Mein Herz pochte laut. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper, während sich alles in mir gleichzeitig heiß und kalt anfühlte. Ich erschauderte. Mein Wolf wurde wieder kräftiger und ich spürte, wie er neuen Lebenswillen zu schöpfen begann. Der Schmerz war noch immer gegenwärtig, aber es hatte sich etwas geändert. Er wollte leben.
"Bleib bei mir" flüsterte er nun tiefer, während der Bass seiner Stimme im Wald zu vibrieren schien. Es fühlte sich so real an und mir wurde klar, dass auch ich bleiben wollte. Auch ich wollte leben, ich wollte ihn treffen.
Keinen Augenblick später verschwamm meine Sicht und ich fiel ins Nichts, während der Klang seiner Stimme mich versuchte noch ein letztes mal zu erreichen, aber die Worte wurden von der Finsternis verschluckt.
Mein letzter Gedanke galt ihm.
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