„Also, alles Weitere besprechen wir dann morgen, Samantha", schloss Harrison die kleine Besprechung und musterte die Brünette mit einem Lächeln. Sie schien noch immer völlig neben sich zu stehen. Ihre Hände, die ihr Handy, auf dem sie soeben die Kontakte des Teams abgespeichert hatte, hielten, zitterten leicht. Dennoch versuchte der Wissenschaftler seine Belustigung über ihren offensichtlichen Unglauben zu verstecken. Ganz anders als Cisco. Der erlaubte sich bereits seit einigen Minuten hin und wieder einen Spaß oder eine kleine Neckerei mit der Brünetten.
„Morgen, sechzehn Uhr nach der Uni hier, in Star Labs, Sam. Hast du dir das auch schön eingetragen? Nicht, dass du es vergisst", zog er sie ein weiteres Mal auf. Die Studentin sah zu ihm.
„Ach sei still", lachte sie und fuhr sich durchs Haar, sodass es in einem wilden Seitenscheitel leicht über ihr Gesicht fiel. Ihr Blick wanderte zu Harrison. „Ich werde da sein, Dr. Wells. Und ich kann nur wiederholen"
„Welche große Ehre das für dich ist", beendete der Langhaarige ihren Satz und grinste frech.
Caitlin stupste ihm mahnend in die Seite. Harrison drehte sich kurz zu seinem Schützling, um ihm einen strengen Blick zuzuwerfen, ehe er wieder zu Sam sah. Diese schien Cisco seine Sticheleien jedoch nicht böse zu nehmen, im Gegenteil. Sie strahlte übers ganze Gesicht.
„Auch für mich ist es eine Ehre, Samantha. Also dann, wir sehen uns morgen", sagte er und streckte ihr seine Hand entgegen. Ehrfürchtig ergriff die junge Frau diese und sah verlegen lächelnd zu ihm.
„Bis morgen", hauchte sie abwesend, hielt seine Hand noch einen Augenblick und zog ihre dann rasch zurück. Sie sah zum Team. „Bis morgen, Leute", verabschiedete sie sich.
„Bis morgen, Sam", kam es freundlich von Barry und Caitlin zurück.
„Hau rein", stellte Ciscos Verabschiedung dar.
Die junge Frau wandte sich um und verließ trägen Schrittes den Cortex. Wenige Augenblicke danach hörten sie einen jubelnden Aufschrei aus dem Flur zu ihnen dringen. Der Jüngste im Team prustete und verschränkte dann die Arme vor der Brust. „Ich glaube", begann er und sah zu seinem Mentor, „Sie haben heute jemanden sehr, sehr glücklich gemacht, Dr. Wells", kommentierte er und ließ nun auch Barry grinsen. Caitlins Lächeln wurde ebenfalls breiter.
„Und so haben wir alle gewonnen", erwiderte der Wissenschaftler und schmunzelte. Er faltete seine Hände und legte sie auf seinem Schoß ab, während er zu seinem restlichen Team aufsah. „Ich denke, wir alle haben uns nun einen erholsamen Abend sowie eine Mütze voll Schlaf verdient. Es war ein nervenaufreibender und ereignisreicher Tag", verkündete er. Die Gruppe nickte.
„Da haben Sie recht", murmelte Cisco und streckte sich kurz ausgiebig.
„Ihr habt heute alle hervorragende Arbeit geleistet", ließ er sein Team stolz wissen und schenkte jedem einzelnen ein zufriedenes Lächeln. Die jungen Gesichter lächelten zurück.
„Also dann", sagte Cisco nach einem Moment der friedlichen Stille und deutete in Richtung Ausgang. „Ich gönne mir dann mal etwas meta-wesen-freies Privatleben", scherzte er.
„Soll ich dich mit dem Auto mitnehmen?", fragte Caitlin ihn zuvorkommend, woraufhin Cisco mit seinen treuen, braunen Augen zu ihr sah.
„Siehst du und deswegen mag ich dich", erklärte er, während die Ärztin ihre Jacke vom Stuhl nahm.
„Ich hoffe doch, das ist nicht der einzige Grund", entgegnete sie mit einem neckischen Lächeln. Cisco winkte lachend ab, während sich die Braunhaarige zu Barry drehte.
„Sollen wir dich auch mitnehmen, oder gehst du ‚zu Fuß'?", fragte sie ihn, woraufhin der Speedster kurz lachte. Caitlin kannte bereits die Antwort, dennoch war sie ein höflicher Mensch, stets um das Wohl der Anderen bedacht. Es lag in ihrer Natur, ihn zu fragen.
„Geht ruhig. Wir sehen uns morgen", erklärte Barry. Seine beiden Freunde nickten.
„Schönen Abend noch, Dr. Wells", sagte Caitlin an ihren Boss gewandt und auch Cisco verabschiedete sich respektvoll wie immer. Der Dunkelhaarige hob lächelnd seine Hand. Daraufhin verließen die beiden den Cortex. Barry jedoch verharrte noch einen Moment. Harrison drehte sich zu seinem Schützling und musterte ihn fragend. Er spürte, dass dem Forensiker noch etwas auf der Seele lag, so wartete er ab, bis er ihn einweihen würde.
„Dr. Wells?", fragte Barry schließlich wie erwartet.
„Ja, Barry?", erwiderte der Dunkelhaarige besonnen und näherte sich ihm ein Stück.
„Heute, als sie mir geraten haben, mich auf das vor meinen Augen sowie auf meine Füße zu konzentrieren, wenn ich renne, da hat mir das wirklich geholfen. Ich hatte das Gefühl, schneller zu sein als sonst", erklärte er.
„Du warst schneller als sonst, Barry. Ich habe deine Werte überprüft. Du hast heute definitiv an Geschwindigkeit dazugewonnen", entgegnete er stolz. Der Braunhaarige zögerte.
„Aber darum geht es dir nicht, habe ich Recht? Nicht nur, zumindest", mutmaßte der Brillenträger. Der Braunhaarige nickte. Er sah auf den Boden, danach wieder in Harrisons Augen.
„Es geht um den Mann in Gelb, Dr. Wells", erklärte er. Sein Gegenüber verengte interessiert die Augen und musterte aufmerksam Barrys Gesichtszüge.
„Ja?", fragte er nach.
„Ich frage mich, wann er wieder auftaucht und ob er überhaupt je auftaucht. Ich hatte gehofft, dass er vielleicht so wie der Rest der Stadt auf Flash aufmerksam wird und hierher zurückkommt, nach Central City", erzählte er und verzog leicht missmutig das Gesicht.
„Habe Geduld, Barry", riet ihm Harrison ruhig. „Ich bin sicher, du wirst deine Chance bekommen."
Der Forensiker fragte sich, wie sein Mentor stets so ruhig und zuversichtlich sein konnte. Er schien nie am Lauf der Dinge zu zweifeln. Dennoch strahlte seine Ruhe tatsächlich auch auf ihn über, weshalb der Speedster zögerlich nickte. Sollte sich der Mann in Gelb nicht hier in Central City zeigen, dann würde er eben nach ihm suchen. Er würde die ganze Welt ab laufen, wenn nötig.
„Und wenn er sich zeigt", fuhr Barry fort, „dann muss ich schnell genug sein. Aber das bin ich noch nicht, ich glaube, dass ich noch viel schneller werden muss."
Harrison lächelte aufmunternd.
„Daran arbeiten wir, Stück für Stück. Indem du die Dinge jedoch überstürzt, Barry, wirst du nicht schneller. Du musst deine Lektionen lernen, so wie heute und du musst dich auf das konzentrieren, was vor dir liegt. Der Rest wird von selbst kommen", antwortete der Dunkelhaarige. Es schien den Jüngeren zufrieden zu stellen, denn nickte er und nahm nun ebenfalls seine Jacke vom Stuhl.
„Ich danke Ihnen, Dr. Wells." Er lächelte nun. „Für alles."
Harrison winkte ab.
„Nicht dafür, Barry."
„Bis morgen", verabschiedete er sich dankbar.
„Bis morgen", kam es zurück.
Danach verschwand der Speedster und ließ nichts als einen Windstoß zurück, der Harrisons Rollstuhl ein Stück nach hinten rollen ließ. Er sah nach vorn und wartete einen Moment, solange, bis schließlich völlige Ruhe im Labor eingekehrt war und er sich sicher war, dass er allein im Gebäude war. Der Wissenschaftler setzte sich in Bewegung und fuhr den Gang entlang. Vor einer Wand blieb er schließlich stehen, mitten auf dem Flur. Es schien eine Wand wie jede andere zu sein, doch barg sie viel mehr Geheimnisse, als alle anderen Wände dieses Labors zusammen. Er sah sich um. Danach legte er seine Hand auf das kühle Beton. Blaue Linien, ähnlich wie eckige Spinnenweben, durchzogen die Fassade der Wand. Eine Tür öffnete sich.
Der Dunkelhaarige fuhr hinein. Es war ein kleiner Raum. Harrisons Rückzugsort. Der Platz, an dem er seine Maske ablegen und er selbst sein konnte. Der Dunkelhaarige erhob sich aus seinem Rollstuhl und streckte sich kurz. Den ganzen Tag über hatte er in diesem Ding gesessen. Seine Knochen und Muskeln sehnten sich nach Bewegung. Er nahm seine Brille ab und warf sie achtlos auf den Sitz seines Rollstuhls. Danach bewegte er sich durch den Raum. Es war reinste Routine für den Wissenschaftler, an das weiße Pult heranzutreten, seine Hand auf die Erkennung zu legen und den Zeitungsartikel zu begutachten. Den Zeitungsartikel, der erst im Jahr 2024 verfasst werden würde, der jedoch seine Sicherheit darüber darstellte, dass alles so verlief, wie es sollte.
Zufrieden lächelte er, während sein Blick über den Titel des Artikels glitt. Die Zeitlinie war intakt. Er war unvorsichtig gewesen, damals, als er Nora Allen, Barrys Mutter, getötet hatte. Er hatte seine eigene Existenz gefährdet, ohne es zu diesem Zeitpunkt zu bemerken. Er konnte nur mit Flash existieren, der Mann, den er hatte auslöschen wollen. Diese Ironie war ihm damals noch nicht bewusst gewesen. Ein weiteres Mal würde ihm dieser Fehler nicht unterlaufen. Diesmal würde er sicherstellen, dass seine Existenz als Speedster, als Reverse Flash oder Mann in Gelb, wie er zu diesem Zeitpunkt noch vom Team genannt wurde, nicht gefährdet würde.
Harrison hob seine linke Hand und begutachtete diese. Er ließ sie vibrieren. Seine Verbindung zur Speedforce war schwach, wurde jedoch zunehmend stärker.
Er sah auf, ließ den Zeitungsartikel verschwinden und öffnete stattdessen einen anderen Eintrag. Samantha Jones, sie war nun Mitglied seines Teams. Er konnte ihre Entwicklung beobachten und lenken, um sicherzustellen, dass sie die Frau werden würde, die sie werden musste. In der Tat, der Reverse Flash hatte mehr als nur einen Ursprungspunkt. Barry Allen war einer davon, er hatte ihn zu dem werden lassen, der er nun war, Flashs ewiger Erzfeind. Doch der bloße Speedster, der er zuvor geworden war, der hatte seinen Ursprung ganz woanders. Seine Geschichte begann mit Samantha Jones und ihrer Forschung auf dem Gebiet der Dunklen Materie.
An diesem Abend war es Sam, die die Wohnungstür rücksichtlos aufschlug, sodass diese mit einem dumpfen Knall gegen die Wand schlug.
„Amber, bist du da?", rief sie aus voller Kehle und schlüpfte aus ihrem Schuh. Ein blonder Haarschopf lugte aus dem hintersten Zimmer des Flurs.
„Sam, um Himmelswillen", sagte sie und trat einen Schritt vor. „Was ist denn?", fragte die Polizistin und beäugte ihre Mitbewohnerin skeptisch. Sam hüpfte derweil auf einem Bein und versuchte, sich den anderen Schuh vom Fuß zu zerren. Dabei konnte sie nicht aufhören zu grinsen.
„Ich muss dir was extrem Wichtiges erzählen!", erklärte sie aufgeregt. Sie war so unendlich glücklich. Amber näherte sich ihr mit leisen, skeptischen Schritten; wie eine Katze.
„Ja?", hakte sie nach, ahnend, dass es sich um Star Labs oder Harrison Wells handelte. Oder beides. Etwas Anderes vermochte die Brünette nicht in diese Hochstimmung zu versetzen. Sam sauste an ihrer Freundin vorbei zur Küche. Sie sah ihr mit hochgezogener Augenbraue hinterher und folgte ihr schließlich.
„Sam?", fragte die Blondine, als sie die Küche betrat. Die Studentin wühlte im Kühlschrank herum, ihren Kopf hatte sie zur Hälfte hineingesteckt. Es klackerte und raschelte. Versehentlich stieß die junge Frau eine Büchse mit ihren Unterarm um. „Sam, was treibst du da? Und was willst du mir erzählen?", fragte Amber grummelnd, denn machte sie das Verhalten ihrer Freundin ganz unruhig. Sie wusste gern Bescheid, hatte einen breiten Blickwinkel auf die Dinge. Amber mochte Kontrolle.
„Wo ist unsere Sektflasche?", drang Sams Stimme zu ihr. Amber trat noch ein Stück näher an sie heran, sodass sie nun neben dem Kühlschrank zum Stehen kam.
„Welche meinst du? Die, für den unwahrscheinlichen Fall, dass uns mal was Gutes passiert und wir im Lotto gewinnen?"
Sie hatten diese Sektflasche zu diesem Zweck an einem Abend, an dem sie beide etwas zu viel getrunken hatten, auserkoren. Sam hatte gerade erst wenige Tage zuvor von der Explosion des Teilchenbeschleunigers mitbekommen und Amber, Freundin wie sie war, hatte sie dazu aufgefordert, ihren tiefen Kummer mit Alkohol zu betäuben. Den beiden Frauen war am Ende des Abends schließlich so schlecht gewesen, dass sie die letzte Sektflasche, anstatt sie zu köpfen, in den Kühlschrank gestellt und sich geschworen hatten, diese erst zu öffnen, wenn eine von ihnen im Lotto gewann. Und die Wahrscheinlichkeit dafür lag, wie Sam ihr an diesem Abend lallend berichtet hatte, bei Eins zu Vierzehnmillionen.
„Genau die meine ich", murmelte Sam. Ein heller, zufriedener Laut entwich ihr, als sie ein Bündel Bananen beiseiteschob.
„Aber was willst du denn jetzt damit?", bohrte Amber weiter und beobachtete, wie sich die junge Studentin mit der Sektflasche in der Hand zu ihr drehte und die Kühlschranktür schwungvoll zuschlug. Sam setzte ein breites Grinsen auf.
„Na ich habe im Lotto gewonnen!", verkündete sie.
Amber, die die Brünette mittlerweile gut kannte, wusste, dass es sich um eine Metapher handelte. Andernfalls wäre sie nun an die Decke gegangen vor Freude. Stattdessen wanderte ihre Augenbraue bis hoch in ihren Haaransatz. Derweil versuchte Sam, die Sektflasche zu öffnen. Unbeholfen klemmte sie die Flasche unter ihren Arm und zog mit der anderen Hand am Korken. Amber konnte sich das nicht lang ansehen.
„Sam, halt, überlass das mir", seufzte sie und nahm der aufgeregten Wissenschaftsstudentin die Flasche aus der Hand.
„Perfekt, ich hole die Gläser", sagte sie freudig und eilte zum Wandschrank. Amber hatte es mittlerweile aufgegeben, nachzufragen. Sie wusste, Sam würde ihr schon erzählen, was zum Teufel hier eigentlich los war, wenn sie bereit dazu war. „Komm, setz dich!", wies die Brünette ihre Freundin an und deutete auf den Stuhl am Esstisch. Amber kam der Aufforderung nach und setzte sich. Sie füllte die beiden Gläser mit Sekt. Es schäumte und prickelte. Die Brünette hob ihr Glas an und Amber wusste, nun würde endlich die Ankündigung dessen kommen, wieso sie dieses Theater veranstaltete.
„Also?", hakte sie nach, da Sam stumm vor ihr saß und sie einfach nur angrinste. Amber fragte sich, ob es um das Meta-Wesen ging, ob sie Larry Jordan gefunden und zu Star Labs gebracht hatte. Sie hatte ihre Freundin ohnehin noch danach fragen wollen, denn hatten sie sich den ganzen Tag nicht mehr gesehen, doch hatte sie ihr bisher keine Möglichkeit dazu gegeben, nachzufragen. Sams Grinsen wurde immer breiter.
„Mein Traum, Am", sagte sie, wobei ihre Augen glücklich schimmerten. „Er ist wahr geworden!", verkündete sie und hob feierlich ihr Sektglas. Amber jedoch starrte nur perplex zurück, anstatt mit Sam anzustoßen. Ihr fehlten definitiv ein paar Informationen, um diese Aussage begreifen zu können.
„Wie meinst du das?", fragte sie daher nach. Sam stellte ihr Glas ab, zur Sicherheit, damit sie während ihrer Erzählung nicht versehentlich etwas vom Sekt verschüttete, und beugte sich vor zu Amber.
„Na mein Traum, für Star Labs und Harrison Wells zu arbeiten, er ist wahr geworden!", konkretisierte sie und umfasste die Knie der Blondine. Danach begann Sam zu erzählen. Wie sie Helen Jordan zu Star Labs gebracht hatte, wie Dr. Wells sie überzeugt hatte, zu kooperieren und wie sie schließlich gemeinsam einen Plan erarbeitet hatten, um Larry Jordan ausfindig und ihn dingfest zu machen und wie es ihnen gelungen war. Sam ließ kein Detail aus. Sie versuchte jedes Gespräch, jede Geste und jeden Wimpernschlag nachzustellen, weshalb sich die Erzählung gut eine halbe Stunde hinzog, bis sie schließlich zum entscheidenden Punkt kam. „Weil ich wiederholt so gut mitgeholfen habe, ein Meta-Wesen aufzuspüren und weil ich an Mr. Jordan geglaubt habe und dadurch verhindern konnte, dass es zu einem Kampf zwischen ihm und Flash kommt, hat Dr. Wells mich schließlich gefragt, ob ich sein Team unterstützen will, Am!"
Mit großen Augen, in denen sowohl Faszination als auch Skepsis lag, sah die Angesprochene zu ihr.
„Nicht dein ernst", war ihre Antwort.
„Doch!", quietschte Sam und trampelte kurz mit den Beinen auf dem Boden. Sie hatte das Gefühl, sie könne Bäume ausreißen. Jetzt, wo sie ihre Geschichte erzählt hatte, war es umso realer.
„Und was ist mit Uni?", fragte die Polizistin noch immer verdutzt nach.
„Na die mache ich selbstverständlich weiter! Ich helfe Team Star Labs sozusagen als Werkstudentin aus", antwortete Sam aufgeregt. Amber umfasste den Stiel ihres Sektglases und drehte es langsam.
„Wow, Sam, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll", begann sie und schüttelte kurz lachend den Kopf. „Außer, dass es mir ein Rätsel ist, wie du sowas immer wieder schaffst", fügte sie hinzu und grinste. Nun war es Sam, die den Kopf schüttelte.
„Nein Am, das habe ich dir zu verdanken, allein dir", sagte sie resolut. „Du hast mich angerufen, als Mrs. Jordan im CCPD aufgetaucht ist, mich, eine Zivilperson, anstatt es an Joe weiterzugeben." Die Brünette umfasste Ambers beide Hände mit ihren. „Du hättest deine Karriere pushen können, aber du hast an mich gedacht und nur deshalb konnte ich mit ihr zu Star Labs gehen und die Dinge sind so gekommen, wie sie schließlich gekommen sind. Ich verdanke dir alles", erklärte sie entschieden und lächelte voller Rührung und Dankbarkeit. Danach zog Sam ihre Mitbewohnerin in eine feste Umarmung. „Danke Am, vielen, vielen Dank", nuschelte sie gegen Ambers Schulter. Diese lachte leise und tätschelte leicht unbeholfen Sams Rücken. Einen Moment hielten die Freundinnen die Umarmung aufrecht. Als sie sie wenig später lösten, sah die Polizistin in Sams glückliches Gesicht.
„Ich fühle mich geschmeichelt, aber ich habe nur den Anstoß gegeben, Sam", erwiderte sie und lächelte. „Der Rest, der kam ganz allein von dir. Du hast Harrison Wells von deinen überdurchschnittlichen Fähigkeiten überzeugt und dir schließlich den Platz in seinem Team gesichert. Daran war ich absolut nicht beteiligt." Bewegt schmunzelte die Brünette. Amber erhob ihr Glas. „Auf Samantha Jones, die anstrebende, in Star Labs künftig aufblühende Wissenschaftlerin", prostete die Blondine und zwinkerte. Sam zögerte nicht. Sie erhob ebenfalls ihr Glas und setzte sich aufrecht hin.
„Und auf Amber Mason, die künftig das CCPD rocken wird", erwiderte sie überzeugt. Die beiden Freundinnen grinsten und stießen ihre Gläser aneinander.
Das helle Plirren hallte durch die Küche.
Federndes Schrittes lief Sam durch das Unigebäude, auf dem Weg zu ihrer ersten Vorlesung an diesem Morgen. Sie konnte es nicht verbergen, ihre Laune könnte nicht besser sein. Nachdem Amber und sie angestoßen und sich ausgetauscht hatten, war die Brünette völlig erschöpft ins Bett gefallen. Sie hatte wunderbar geschlafen, tief und fest, und hatte von Star Labs und Harrison Wells geträumt und davon, wie er sie in sein Team aufgenommen hatte. Aber das Fantastische an der Sache war das Aufwachen am Morgen gewesen. Der Moment, als die Erkenntnis, dass ihr Traum nunmehr Realität war als bloß ihr innigster Herzenswunsch, durch ihren Verstand geflossen war. Sam glaubte zu behaupten, dass dies der bisher glücklichste Augenblick in ihrem Leben gewesen war.
Mit einem breiten Grinsen betrat sie den großen Hörsaal, in dem gut zweihundert Studenten Platz hatten. Ihr Kurs jedoch hatte keine so hohe Teilnehmerzahl, Physik, Mathematik und Chemie waren weniger beliebt als die politik- und kulturwissenschaftlichen Studiengänge, ganz zu schweigen von den wirtschaftlichen. Rund fünfzig Studenten besuchten regelmäßig die Physikvorlesung von Professor Hopson, was eine annehmbare Anzahl war, wenn man bedachte, dass die Abbrecherquote bei gut fünfzig Prozent lag.
„Sam!", drang Rileys Stimme zu ihr. Die Brünette sah in die Zuhörerreihen neben sich und erkannte die Blondine, die weiter links saß. Sie winkte ihr und Sam winkte sogleich energisch zurück.
„Entschuldigung, darf ich mal kurz durch?", fragte sie einen ihrer Kommilitonen und versuchte sich an ihm vorbei zu quetschen. Als er ihr Platz machte, bedankte sich die junge Frau lachend und lief die Reihe entlang, bis sie schließlich Riley erreicht hatte. „Hey!", grüßte sie ihre Freundin schwungvoll, beugte sich zu ihr hinunter und zog sie in eine feste Umarmung.
„Wow, was ist denn mit dir los?", fragte die Kleinere perplex und erwiderte die Geste kichernd. Sam ließ sich neben ihr auf den Stuhl sinken und stellte ihre Unitasche auf dem Boden ab.
„Nichts, was soll sein?", entgegnete sie lapidar, konnte sich das breite Grinsen jedoch nicht verkneifen. Rileys blaue Augen begannen neugierig zu Funkeln.
„Na du scheinst gerade zu alten Höchstformen aufzulaufen, Sammy und entschuldige, dass ich das so direkt sage, aber so glücklich habe ich dich schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen", erklärte sie sanft und schmunzelte. „Also, wer ist es?", fragte Riley nach. Konfus zog Sam eine Augenbraue nach oben.
„Wer ist was?", erwiderte sie.
„Na wer ist der Mann, der dich wieder zu alten Höchstformen auflaufen lässt? Da muss es doch einen Kerl geben, wieso sonst wärst du so gut drauf?", lachte Riley und beugte sich zu Sam. Diese blinzelte mehrere Male und schob ihre Kommilitonin dann amüsiert beiseite. Unrecht hatte sie nicht, es lag tatsächlich an einem Mann, dass sie so bester Laune war, nur eben nicht so, wie Riley gerade vermutete.
„Du irrst dich", prustete die Brünette und fuhr sich durchs leicht gelockte Haar. „Es geht nicht um einen Mann, ich bin einfach nur gut drauf. Was ist daran so verwerflich?", stellte Sam die Gegenfrage und lehnte sich entspannt zurück.
„Gar nichts, Sammy, ich war nur neugierig. Weißt du", begann die Blondine vorsichtig und spielte mit dem Kugelschreiber auf ihrem Tisch, „seitdem Star Labs geschlossen wurde, schien es absolut nichts zu geben, was dich hätte aufheitern können. Nicht wirklich zumindest."
Am liebsten wollte Sam erzählen, was gestern geschehen war sowie davon berichten, was sie letzte Woche alles erlebt hatte. Mehrfach hatte sie bereits darüber nachgedacht, Joshua und Riley einzuweihen, doch hatte sie Dr. Wells versprochen, niemandem etwas zu sagen und nun, wo sie ein offizielles Teammitglied war, wollte sie dieses Versprechen noch weniger brechen. Es musste geheim bleiben.
„Ja weißt du, das Leben geht weiter", erklärte Sam daher und lächelte glücklich. „Und wer weiß, vielleicht öffnet Star Labs irgendwann wieder?"
Dann, wenn alle Meta-Wesen beseitigt und sich die Bevölkerung wieder beruhigt hatte, dann könnte Star Labs einen Neuanfang wagen. Es war ein neuer Traum Sams, ein Idealbild, das sie versuchen wollte zu schaffen, indem sie dem Team half alle Meta-Wesen ausfindig zu machen und ihnen ihre Kräfte zu entziehen.
„Das ist die richtige Einstellung", sagte Riley erfreut und drückte kurz Sams Hand. „Ich wollte dich eh noch etwas fragen und jetzt, wo ich weiß, dass du langsam über die Sache hinweg bist, fällt es mir leichter", erklärte sie und zog etwas aus ihrer Umhängetasche. Es war eine Bewerbungsmappe.
„Für Mercury Labs. Jetzt, wo der Tag der Zukunft ins Wasser gefallen ist, sollen alle Interessenten ihre Bewerbungen zuschicken." Sam wusste, worauf ihre Freundin hinaus wollte. „Also? Bewerben wir uns gemeinsam?", fragte die Blondine und wedelte mit der Mappe in ihrer Hand. Jetzt, wo sie ihr erzählt hatte, über Star Labs hinweg zu sein, gab es keinen plausiblen Grund dafür abzulehnen. Und dass sie bereits eine Werkstudentenstelle hatte, das konnte sie genauso wenig an Riley weitergeben, denn dann müsste sie sich ein fiktives Unternehmen ausdenken oder lügen, was die Sache nur viel komplizierter machen würde.
„Klar, bin dabei", lautete daher Sams Antwort. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde man sie sowieso nicht annehmen, dafür waren die Stellen viel zu begehrt. Doch würde Riley dann Ruhe geben und sie, sie könnte weiterhin genießen ihren Traumjob bereits ergattert zu haben.
Professor Hopson betrat den Hörsaal. Die Gespräche verstummten nach und nach, während er den Beamer anschaltete und seine Präsentation öffnete. Sam sah sich um.
„Wo ist eigentlich Josh?", fragte sie ihre Freundin, da vom Schwarzhaarigen jede Spur fehlte. Auch Riley blickte umher.
„Keine Ahnung, ich habe mich auch schon gefragt, wo er steckt. Sitzt er weiter vorn?", wisperte sie und fast im selben Moment wurde die Tür geöffnet. Einige Studenten drehten sich um und starrten zum Eingangsbereich des Hörsaals.
„Mr. Khasim", sagte Professor Hopson, und blickte kurz von seinem Laptop auf. „Schön, dass Sie uns heute auch beehren", sagte er streng. Josh hob nach Atem ringend seine Hand.
„Entschuldigen Sie, Sir", erwiderte er.
Riley winkte ihm, sodass er auf sie aufmerksam wurde. Schnellen Schrittes drängelte sich der Schwarzhaarige durch die Zuhörerreihen und nahm schließlich auf dem freien Stuhl neben Sam Platz.
„Man, wo hast du gesteckt?", fragte Riley und zog einen Schmollmund. „Du weißt, dass Professor Hopson es hasst, wenn wir zu spät kommen", wisperte sie.
„Ja, und das Zuspätkommen ist eigentlich meine Masche, die kannst du nicht haben", protestierte Sam gespielt und grinste anschließend. Josh musterte sie kurz verwirrt, ehe er sich entspannt zurücklehnte und abwinkte.
„Ich habe total verschlafen", seufzte er und fuhr sich über sein Gesicht. Professor Hopson hatte bereits mit seiner Vorlesung begonnen, weshalb Riley sich zu Sam lehnte, um ihr ins Ohr zu flüstern: „Später müssen wir Josh sagen, dass er heute auch seine Bewerbung an Mercury Labs schicken soll. Wir drei zusammen dort, das wäre doch wundervoll."
Die Stunden zogen sich hin wie Kaugummi. Die erste Vorlesung war schon nur schleppend vorübergegangen, die Seminare danach waren nicht besser gewesen. Nicht, dass es Sam nicht interessierte, ganz im Gegenteil, sie liebte all ihre Kurse, liebte die Wissenschaft, doch war sie zu sechzehn Uhr mit dem Team in Star Labs verabredet, um offiziell eingeführt zu werden, sodass sie vor Vorfreude und Ungeduld beinahe platzte. Sam konnte es kaum erwarten in die Welt der Schurkenjagd und Dunklen Materie einzutauchen. Es war das höchste Privileg, dass sie, eine einfache Studentin, einem so begnadeten Team bei einer solch wichtigen Aufgabe assistieren durfte. Und es war die allerhöchste Ehre, für Harrison Wells arbeiten zu dürfen. Sam konnte kaum erwarten, ihn wiederzusehen. Sie fragte sich, womit er sie wohl heute verblüffte oder in Verlegenheit brachte, denn darin war der Dunkelhaarige mindestens genauso gut.
Die Brünette sah auf die Uhr. Gleich war der Kurs vorbei, dann konnte sie sich auf den Weg machen. Die ersten Vorlesungen waren immerhin schneller vergangen, als Josh und Riley dabei gewesen waren. Dieses Seminar jedoch hatten sie nicht gemeinsam. Unruhig wippte sie mit dem Fuß. Sams Augen klebten förmlich am Sekundenzeiger, dabei war es der Dozent, der die Stunde schloss. Mal früher, mal später.
„So, damit wäre dann alles gesagt", hörte Sam ihre Professorin sagen. Sie sprang auf und stieß dabei leicht gegen den Tisch. Die Klasse sah zu ihr.
„Entschuldigung", murmelte sie peinlich berührt und setzte sich langsam wieder.
Die Vortragende zögerte kurz, fuhr dann jedoch fort damit die Stunde zu beenden. Die Hausaufgaben zum nächsten Mal notierte sich Sam lediglich in ihrem Kopf, denn kaum war der Kurs offiziell vorbei, sprintete sie aus dem Raum und machte sie auf den Weg.
Ihre braune Lederumhängetasche geschultert stand Sam dreißig Minuten später vor Star Labs, den Kopf in den Nacken gelegt, und musterte das Gebäude einen Moment lang. Es war nicht so, als traue sie sich nicht hineinzugehen; nach dem dritten Mal fiel es ihr mittlerweile erheblich leichter. Vielmehr war dies ein ganz besonderer Augenblick, einer, den sie mit all ihren Sinnen aufnehmen und in ihrem Kopf speichern wollte. Dieses Gebäude, das sie nun schon so viele Stunden von ihrem Fenster aus angestarrt hatte, es war nun ihr künftiger Arbeitsplatz. Der Gedanke allein kam ihr noch immer abstrus vor, sodass die junge Frau versuchte, sich dessen nun vollkommen klar zu werden. Sam wollte dort drinnen alles geben, sie wollte Ergebnisse liefern und Dr. Wells zufriedenstellen. Plötzlich berührte sie jemand an der Schulter. Überrascht drehte sich die Brünette herum und sah in ein kindliches Gesicht, das ein breites Zahnpasta-Lächeln zierte.
„Cisco", grüßte sie den Langhaarigen überrascht. Er trug einen Papphalter mit drei Kaffeebechern in der einen, seinen eigenen Kaffee in der anderen Hand.
„Kaffee?", fragte er amüsiert und hielt ihr den Papphalter entgegen. Sam lächelte freudig und nahm sich einen Kaffeebecher heraus.
„Danke", erwiderte die junge Studentin. Cisco deutete mit einem lässigen Kopfnicken auf das Labor hinter ihr.
„Traust du dich nicht rein?", hakte er nach und grinste. Sam sah über ihre Schulter zu Star Labs und anschließend wieder zum Jüngeren.
„Was? Nein ich", begann sie und lachte verlegen. „Ich wollte nur kurz den Moment verinnerlichen", gestand sie ehrlich. Cisco hob überrascht beide Augenbrauen.
„Man, das ist dir wirklich wichtig, oder?", fragte er nach, woraufhin die Brünette nickte.
„Unendlich wichtig", sagte sie mit einem Lächeln.
„Na dann hoffe ich, dass ich deinen Moment nicht ruiniert habe", entgegnete er und lachte leise. Nun war es Sam, die ein freches Grinsen aufsetzte.
„Doch schon, aber der Kaffee macht es wieder gut", erklärte sie und hob zur Veranschaulichung ihren Becher. Danach setzten sich die beiden in Bewegung, um Star Labs zu betreten. Sam genoss das Gefühl, die Türschwelle der Eingangstür zu übertreten. Und sie wusste, ganz gleich, wie oft sie dies tun würde, es würde immer etwas Besonderes für sie sein. Sam und Cisco begaben sich in den Fahrstuhl und fuhren in die gewünschte Ebene. Danach passierten sie den langen Gang. Die Wissenschaftsstudentin schlurfte an ihrem Kaffee, während sie spürte, wie ihr Herz zunehmend schneller schlug.
„Und, nervös?", fragte Cisco grinsend, so als hätte er ihre innere Aufregung gespürt und musterte ihr Seitenprofil. Das Risiko von ihm aufgezogen zu werden eingehend nickte Sam. Eigentlich wartete sie sogar darauf, dass der Langhaarige zu sticheln begann, denn würde es ihre Nervosität vielleicht etwas dämpfen und sie ablenken. „Ach, mach dir keinen Stress, das ist hier alles ganz locker. Und vor allem ist es freiwillig, du kannst sozusagen kommen und gehen wann du willst", erzählte Cisco und schwenkte dabei seine Hand hin und her.
„Eigentlich hatte ich gehofft, dass jetzt irgendein dreister Kommentar von dir kommt, der mich ablenkt", offenbarte Sam und entlockte Cisco ein Lachen.
„Soll ich? Damit kann ich auch dienen", schlug er vor, doch war dies gar nicht mehr notwendig, denn hatten sie, ohne, dass Sam es bemerkt hatte, den Cortex erreicht. Ihre Stimmen hatten sie vorher angekündigt, weshalb Caitlin und Dr. Wells, die im Cortex anwesend waren, bereits den Eingang im Blick gehabt hatten und sie nun musterten. Sam sah instinktiv zu ihm, sodass sich ihre Blicke trafen und sogleich spürte sie das intensive Kribbeln in ihrem Brustkorb sowie das nervöse Flattern ihres Herzens.
„Hallo", grüßte sie den Dunkelhaarigen glücklich und lächelte, ehe ihr Blick auch zu Caitlin wanderte, um sie in ihre Begrüßung ebenfalls mit einzubinden.
„Guten Tag, Samantha", grüßte der Wissenschaftler freundlich zurück, während die brünette Ärztin hinter ihm ihr zuwinkte. Harrison bewegte sich mit seinem Rollstuhl auf sie zu. „Wie war es in der Uni?", fragte er überraschenderweise, sodass Sam im ersten Augenblick gar nicht wusste, was sie darauf antworten sollte.
„Um ehrlich zu sein, habe ich heute nicht erwarten können, dass sie vorbei ist", gestand sie. Vielleicht hätte sie lieber lügen und erzählen sollen, dass es sehr aufschlussreich und informativ gewesen war, es hätte definitiv ein besseres Licht auf sie als Studentin geworfen, doch fiel es ihr aus einem ihr unerklärlichen Grund schwer, in seiner Gegenwart etwas Anderes als die Wahrheit zu sagen. Sam wusste, dass es sie zukünftig noch in die ein oder andere peinliche Situation bringen würde. Harrison lachte leise.
„Ehrlichkeit ist immer gut und es ist nur verständlich, dass Sie so empfunden haben", erklärte der Dunkelhaarige und lächelte breit. „Universitätskurse können oft auch recht trocken sein." Umgehend kopierten ihre Lippen sein Lächeln. „Ich erinnere mich noch, als ich meine erste Laborstelle angetreten habe. Den Tatendrang und die Motivation, die ich empfand, werde ich wohl nie vergessen", erklärte er und faltete seine Hände.
„Nur, dass das, was wir hier machen, viel cooler ist als ein langweiliger Labor-Job", kommentierte Cisco und grinste. Schmunzelnd sah Harrison zu seinem Schützling und nickte. Sam lag ebenfalls ein Kommentar auf der Zunge, nur hielt sie sich vorerst damit zurück, da sie unbedingt einen guten Eindruck hinterlassen wollte.
„Nun denn", sagte Dr. Wells und sah wieder zu Sam. Sofort floss das Adrenalin durch ihren Körper. Ihre Fingerspitzen begannen zu kribbeln, während sie den Blick des Brillenträgers erwiderte. „Dann zeige ich Ihnen mal Ihr Labor, Samantha."
„Ein eigenes Labor?", hakte sie verblüfft nach, woraufhin sich Harrisons Mundwinkel nach oben zogen.
„Natürlich, schließlich haben wir in diesem Gebäude reichlich davon und sie alle sind unbenutzt."
„Wenn du willst, kannst du auch zwei oder drei Labore haben", fügte Cisco hinzu. „Eins benutze ich zum Beispiel nur um", fuhr er fort, stoppte jedoch, als sich Harrison zu ihm drehte und interessiert die Augen verengte. „Nicht so wichtig", winkte er ab. Sam prustete leise und sah dann wieder zu ihrem Vorgesetzten.
„Ein Labor reicht voll und ganz, ich habe nur nicht damit gerechnet", erklärte sie. „Das ist eine enorme Ehre für mich", hängte Sam an. Harrison drehte sich mit seinem Rollstuhl wieder zu ihr und sah ihr in die Augen.
„Nun, ich bin der Meinung, dass Sie einen Arbeitsplatz brauchen, an den Sie sich wann immer Sie wollen zurückziehen und grübeln können. Ihr junger Verstand kann so am besten gefördert werden, Samantha", erklärte Harrison und setzte sich in Bewegung, indem er den kleinen Hebel an der Armlehne seines Rollstuhls betätigte. Er blickte kurz über seine Schulter. „Folgen Sie mir", wies er sie an und sogleich kam sie seiner Aufforderung nach und setzte sich in Bewegung. Cisco zeigte ihr Daumen hoch.
„Bis später", verabschiedete sie sich für den Moment von ihm und Caitlin, lächelte überglücklich und schloss dann zu Harrison auf.
Während sie leichten Schrittes neben ihm her trottete, versuchte Sam nach vorne zu schauen, doch sah sie hin und wieder, ohne es wirklich kontrollieren zu können, aus dem Augenwinkel zu ihm. Gerade dann, als sie ihn erneut von der Seite musterte, drehte er seinen Kopf in ihre Richtung, sodass sie rasch nach vorn sah und befürchtete, er hatte ihre Blicke bemerkt.
„Ich habe Ihnen von Cisco und Caitlin ein Labor herrichten lassen, dass sich nah am Cortex befindet", erklärte er und kam auch schon vor einer geschlossenen Tür zum Stehen. Vielleicht hatte er ihr Starren doch nicht bemerkt. Sam musterte die Tür und biss sich leicht auf die Unterlippe. Es war logisch, dass ihr in einem Forschungsinstitut, das quasi leer stand, ein eigenes Labor angeboten wurde. Harrison besaß dafür die Möglichkeiten und Kapazitäten, doch gerechnet hatte sie damit eben nicht. „So können Sie, wenn es einen Notfall gibt oder wir ein neues Meta-Wesen ausfindig gemacht haben, schnell vor Ort sein", fuhr Harrison fort zu erklären und schenkte ihr ein erhabenes Lächeln. Sams inneres Ich legte soeben mit einem verträumten Seufzen den Kopf schief, äußerlich jedoch versuchte die Brünette, ihre Mimik zu wahren, da sie unter allen Umständen professionell wirken wollte. Dr. Wells hatte ohnehin schon viel zu viel von ihrer Schwärmerei und Bewunderung für ihn mitbekommen. Ihr glückliche Lächeln jedoch, das konnte Sam auch nicht unter größten Bemühungen unterdrücken. Harrison drückte die Türklinke nach unten und schob die Tür sanft auf. „Bitte, treten Sie ruhig ein, Samantha", bot er ihr an.
Schmunzelnd sah die Brünette zu ihm und betrat dann langsamen Schrittes ihr zukünftiges, eigenes Labor. Neugierig sah sie sich um und mit jedem weiteren Blick auf all die Utensilien und Geräte, die ihr zur Verfügung standen, schlug ihr Herz höher. Am liebsten wollte sie noch in dieser Sekunde anfangen zu forschen, völlig egal an was.
„Es ist nichts Besonderes", kommentierte der Dunkelhaarige lächelnd, sodass Sam ihn, ohne es wirklich zu bemerken, unterbrach.
„Machen Sie Witze? Das ist das größte Geschenk überhaupt, Dr. Wells", sagte Sam aus tiefster Überzeugung. Sie drehte sich kurz um ihre eigene Achse und streckte ihre Arme aus. „Ein eigenes Labor, hier in Star Labs, das ist besser, als Weihnachten, Geburtstag und Ostern zusammen!", erklärte sie und strahlte ihn an. Sie konnte ihre Freude nicht länger zurückhalten. Die Brünette hielt abrupt inne, als sie sein breites Lächeln bemerkte. „Lachen Sie mich bitte nicht aus, ich meine das ernst", erklärte Sam inmitten eines verlegenen Lachens. Auch Harrison lachte leise. Es war ein wohltuender Laut.
„Ich lache Sie doch nicht aus, Samantha. Ich freue mich nur, dass Sie so begeisterungsfähig sind", antwortete er.
„Bei solchen Dingen kann man doch nur ausflippen, ich verstehe gar nicht, wie Sie da so ruhig bleiben können", konterte sie. Diesmal lachten sie beide zusammen.
„Ich würde sagen, dass sich irgendwann eine gewisse Routine einstellt, aber Sie haben Recht, vielleicht kann ich mir von Ihnen noch etwas abgucken und meinen jugendlichen Elan reaktivieren", sagte Harrison amüsiert. Grinsend senkte die junge Frau den Blick und umfasste den Gurt ihrer Umhängetasche.
„Das können Sie bestimmt, Dr. Wells. Ich bin da optimistisch", antwortete die Brünette und sah wieder zu ihm auf. In diesem Moment musste Sam daran denken, wie stark seine Reputation seit der Explosion des Teilchenbeschleunigers gelitten hatte und sie fragte sich, ob und wie stark ihm dieser Umstand tatsächlich zusetzte, denn wirkte Harrison nach Außen hin stets ruhig und gefasst. Sie fragte sich, ob es in ihm genauso aussah. Der Wissenschaftler lächelte sie einen Augenblick an und sie lächelte zurück, ehe er wieder aufs eigentliche Thema zu sprechen kam.
„Also, wo waren wir? Ach ja, Ihr Labor. Weihnachten und Ostern zusammen", rekapitulierte er amüsiert.
„Vergessen Sie nicht Geburtstag", erinnerte sie ihn grinsend.
„Natürlich nicht", war seine Antwort.
Obwohl sie diesen Mann persönlich erst einige Tage kannte, fühlte sich Sam bereits jetzt in seiner Nähe ungeheuer wohl. Es kam ihr so vor, als hätte sie bereits mehrere Monate mit ihm zusammen gearbeitet.
„Sie sollten hier all die nötige Ausstattung für Ihre zukünftige Forschung finden. Wenn Sie noch etwas brauchen, wenden Sie sich ruhig an mich", fuhr er schließlich mit seiner Einführung fort und deutete mit einer galanten Handgeste auf die Regale. „Wenn ein Meta-Wesen auftaucht oder wir uns austauschen müssen, treffen wir uns im Team meist im Cortex. In der Regel zieht sich ansonsten jeder in sein Labor zurück, um dort seinen Aufgaben oder seiner Forschung nachzugehen." Sam nickte verstehend und lächelte dabei glücklich. Harrison erwiderte ihr Lächeln. „Wenn Sie einen produktiven Austausch mit uns wünschen, dann können Sie uns jederzeit in den Cortex beordern, Samantha, oder aber Sie suchen uns in unseren Laboren auf. Caitlin wird Ihnen später erklären, wo Sie diese im Einzelnen finden", fügte der Wissenschaftler hinzu und faltete seine Hände auf seinem Schoß. Er sah zu ihr auf. „Wann immer Sie Fragen haben, scheuen Sie sich nicht davor mich zu fragen, Samantha. Ich möchte Ihnen gerne unter die Arme greifen und Ihre Denkprozesse fördern", erklärte der Ältere ehrlich. Die Brünette wusste bereits jetzt, dass sie sich in den ersten Wochen vermutlich nicht trauen würde, Dr. Wells aufzusuchen, um ihn zu konsultieren. „Gemeinsam werden wir an einem Weg arbeiten, den Meta-Wesen ihre Kräfte zu entziehen. Damit wieder eine gewisse Normalität in dieser Stadt herrscht", fuhr er fort und lächelte zu ihr auf.
Sam nickte entschlossen. Sie wollte den Menschen helfen, unbedingt. Sie wollte die Dunkle Materie erforschen, ein Gebiet, das bisweilen fast unerforscht war, denn hatte bisher nie jemand die Gelegenheit gehabt, die sich ihr nun bot. Doch neben diesen Wünschen wollte Sam auch, dass Dr. Wells stolz auf sie war. Sie konnte es nicht leugnen, sie wollte ihn beeindrucken.
„Natürlich sollten Sie sich erstmal in Ruhe einleben und an das Team gewöhnen", fügte der Wissenschaftler nach einem kurzen Moment des Schweigens hinzu. „Wobei ich das Gefühl habe, dass Cisco und Sie bereits jetzt wunderbar miteinander auskommen", analysierte der Dunkelhaarige. Sam lächelte herzlich.
„Ich bin sicher, ich werde gut mit allen auskommen, wenn das Eis erst einmal gebrochen ist", antwortete Sam aufrichtig. Harrison nickte zufrieden.
„Das Eis wird brechen, da bin ich mir sicher."
Immer wieder ließ die Brünette ihren Blick durch das Labor schweifen und begann nun schließlich damit umher zu schlendern, um einen genaueren Blick auf ihren Arbeitsplatz zu werfen. Harrison beobachtete sie interessiert dabei. Sam war soeben bei den Kolben und Reagenzgläsern zum Stehen gekommen. Ihre langen, schlanken Finger fuhren über den Flaschenhals eines Kolbens, während ihr Blick in die Ferne gerichtet war.
„Wie sehen eigentlich die nächsten Schritte aus, Dr. Wells?", fragte Sam ihr Vorbild und drehte sich langsam wieder zu ihm herum. „Was tun wir als nächstes?"
„Als nächstes", begann der Dunkelhaarige und fuhr mit seinem Rollstuhl zu ihr, wobei er wenige Meter vor Sam zum Stehen kam, „werden wir Ihnen eine Blutprobe von Nimbus besorgen. Caitlin wird zum Zweck der Einführung gleich hier auftauchen und Sie mit hinunter in die Pipeline nehmen, damit Sie mit den Prozessen vertraut werden. Mr. Jordan erklärte sich noch gestern vor Ort bereit, uns eine Blutprobe zu hinterlassen, wie Sie wissen."
Sam nickte immer wieder verstehend. Sie spürte, wie sich allmählich der Leistungsdruck in ihr aufbaute. Sie war nicht zum Spaß hier, sie wollte arbeiten, forschen und etwas verändern. Nur war sie in der Praxis noch vollkommen unerfahren. Was, wenn sie versagte? Was würde Dr. Wells dann denken?
„Ein jeder Forschungsprozess beginnt mit dem Bilden von Theorien und Hypothesen. Sie haben bereits eine. Versuchen Sie sie anhand wissenschaftlicher Beweise zu belegen, Samantha. Caitlin ist eine erfahrene Ärztin, zudem hat sie ebenfalls Biochemie studiert. Tauschen Sie sich mit ihr aus, so viel sie können. Cisco ist für alles Technische der Ansprechpartner", fasste er zusammen. In ihrem Körper kribbelte es. Sie war unter Druck, aber eben auch voll Vorfreude.
„Das klingt nach einem Plan", erwiderte sie und lächelte.
„Das denke ich auch."
Kurz herrschte Stille. Sam sah zu ihrem Mentor hinab, dieser wiederum zu ihr auf. Er setzte ein, wie Sam fand, charmantes Lächeln auf, während er seine Augen leicht verengte und seine Finger ineinander verschränkte.
„Ich muss sagen, ich bin wirklich gespannt auf Ihre Entwicklung, Samantha", offenbarte er und brachte sie zum Erröten. Wieso hielt er so viel von ihr?
„Und ich hoffe, ich kann Ihre Erwartungen erfüllen, Dr. Wells", entgegnete Sam nervös. Der Dunkelhaarige schüttelte leicht den Kopf.
„Oh ich bin sicher, Sie werden sie noch übertreffen", erklärte er überzeugt. In dem Moment ertönte das Klacken von Caitlins Absätzen auf dem Flurboden. „Das wird Caitlin sein", spekulierte er. Sam dachte sich erst, wie beeindruckend es war, sie am bloßen Gang zu erkennen, doch fiel ihr wieder ein, dass das Team sehr überschaubar war und dass es wohl kaum Cisco sein konnte, der mit Absatzschuhen durchs Gebäude lief.
Im nächsten Moment tauchte sie bereits an der Tür auf. Sam lächelte ihr zu, war in Gedanken jedoch noch immer damit beschäftigt, Dr. Wells' letzte Worte an sie zu rekapitulieren.
„Dr. Wells, sind Sie fertig? Dann würde ich Samantha mitnehmen", sagte Caitlin, woraufhin der Dunkelhaarige nickte.
„Sie gehört nun ganz Ihnen", verkündete er und sah lächelnd zur Brünetten. Diese lächelte zurück, auch wenn sie sich wünschte, noch länger mit ihm reden zu können. Selbst wenn es nur über die Arbeit war, doch mit ihm zu reden beruhigte sie auf eine Art, die sie nicht benennen konnte.
„Kommst du, Sam?", fragte Caitlin sie höflich und deutete in Richtung Tür. Sie hielt eine kleine Ampulle sowie eine Kanüle in den Händen. Eifrig nickte die Brünette und sah dann nochmals zum Wissenschaftler.
„Ich danke Ihnen für die Einführung, Dr. Wells", sagte sie sanft und umfasste den Gurt ihrer Tasche. Der Ältere winkte lächelnd ab.
„Das ist doch selbstverständlich, Samantha. Ich muss viel eher Ihnen danken, weil Sie unser Team verstärken."
Caitlin schmunzelte und setzte sich dann in Bewegung. Sie schien eine äußerst eifrige Arbeiterin zu sein, weshalb Sam in Richtung Tür deutete und dem Dunkelhaarigen somit symbolisierte, der Ärztin nun zu folgen.
„Wir sehen uns später", kommentierte Harrison verstehend und hob kurz seine Hand.
Sam winkte zaghaft zurück und verschwand dann rasch durch die Tür.
„Und, gefällt dir dein Labor?", fragte Caitlin nach, während sie den Flur entlangliefen, am Cortex vorbei. Sam schloss zu ihr auf und nickte eifrig.
„Ja, das tut es, definitiv", erwiderte sie. „Ich kann es kaum erwarten, darin zu arbeiten und zu forschen", gestand sie lachend. Die Ärztin sah mit einem Schmunzeln zu ihr.
„Hier ist übrigens mein Labor, falls du mal etwas brauchst", erklärte sie und deutete auf die linke Tür. „Und da vorn, das ist Ciscos Labor. Aber sei vorsichtig, es ist dort immer sehr chaotisch", fuhr sie fort und schüttelte seufzend den Kopf. Sam versuchte sich die Räume einzuprägen, doch war Star Labs so gigantisch, es würde wohl ein paar Tage dauern, bis sie sich hier auskannte, auch wenn nur eine einzige Etage für sie relevant war. Die beiden Frauen stiegen in einen Fahrstuhl. Er war kleiner, als jener, den Sam sonst benutzt hatte. Caitlin betätigte die Taste, die sie in den Keller zur Pipeline brachte. Derweil überlegte die Studentin, ob sie nachfragen sollte, wo sich Dr. Wells' Labor befand, denn hatte die Ärztin ihr diese Information bisher verschwiegen. Als der Fahrstuhl die gewünschte Kellerebene schließlich erreichte, konnte sich Sam zum Fragen durchringen.
„Caitlin?", erkundigte sich die junge Frau zögerlich und verschränkte ihre Hände hinter ihrem Rücken.
„Ja?", erwiderte sie höflich, während sie den Fahrstuhl verließen.
„Wo finde ich denn Dr. Wells' Labor?", fragte Sam vorsichtig nach und erntete sogleich einen neugierigen Blick. Die Wissenschaftsstudentin hatte plötzlich das starke Bedürfnis, sich zu erklären. „E-Er meinte, dass, wenn Fragen auftreten, ich auch jederzeit ihn konsultieren kann und dass du mir noch zeigst, wo ich sein Labor finde", schilderte die Brünette hastig. Caitlin schnaubte amüsiert. In der Zwischenzeit erreichten sie die Pipeline. Sam hatte das Gefühl, dass die Ärztin ihre Schritte verlangsamte.
„Stimmt, ich habe ganz vergessen, es dir zu zeigen, entschuldige. Dr. Wells Labor findest du in der Nähe deines Labors. Von deinem Labor aus quasi links anstatt rechts. Es ist mehr ein Büro als ein Labor, da er ja jeden Raum benutzen kann, wenn er forscht. Du solltest es beim Vorbeigehen eigentlich nicht verfehlen."
Sam musste gestehen, ab dem Punkt ‚Findest du in der Nähe deines Labors' hatte sie nicht mehr allzu aufmerksam zugehört. Er war also quasi nebenan, wenn sie arbeitete und forschte. Mittlerweile liefen sie immer langsamer, sodass Sam sich wieder auf das Geschehen vor sich konzentrierte und fragend zu Caitlin sah. Sie hatte einen seltsamen Gesichtsausdruck aufgesetzt.
„Stimmt etwas nicht?", hakte die Brünette daher vorsichtig nach und musterte ihre Kollegin eingehend. Caitlin winkte rasch ab.
„Nein, es ist nur", erwiderte sie und seufzte tief. „Es fällt mir noch immer schwer, hier herunter zu kommen, das ist alles", sagte sie. Nachdenklich verzog Sam ihre Lippen. Sie konnte sich nur schwer vorstellen, was die Mitarbeiter von Star Labs wohl an diesem Abend durchgemacht hatten.
„Wegen dem, was passiert ist?", hakte sie daher nach und lächelte tröstend. Sie erreichten die Zelle, in der sich Nimbus befand. Caitlin kam zum Stehen, Sam tat es ihr gleich.
„Mein Verlobter hat hier unten an jenem Abend sein Leben verloren", offenbarte sie. Ihre Stimme klang weitaus weniger robust als sie es sonst tat. Sams Augen weiteten sich. Das hatte sie nicht gewusst, doch jetzt, wo sie es wusste, da erklärte es in ihren Augen so Vieles, was Caitlin betraf. Die junge Frau öffnete ihre Lippen. Was sagte man in einem Moment wie diesem? Vorsichtig berührte Sam die Brünette an der Schulter. Caitlin, die kurz in Gedanken gewesen war, sah überrascht zu ihr.
„Das tut mir wirklich aufrichtig Leid, Caitlin", sagte sie leise. Die Ärztin schüttelte behutsam den Kopf.
„Ist schon gut, Sam. Es fällt mir zunehmend leichter, hier herunter zu kommen, aber nur in Begleitung", murmelte sie mit einem schiefen Lächeln, woraufhin die anstrebende Wissenschaftlerin verstehend nickte.
„Ich begleite dich gern", sagte sie und entlockte ihr ein nun echtes Lächeln. Danach drehte sich Caitlin wieder zur Zelle und setzte ihre professionelle Miene auf, von der Sam nun wusste, dass sie zu einem erheblichen Anteil nur Fassade war. Sie betätigte eine Taste an der Steuereinheit der Zelle an der Wand und ließ die Stahlwand mit einem Zischen nach oben fahren, sodass der Blick auf Nimbus, der von einer Glaswand abgeschirmt wurde, freigegeben wurde. Als er die beiden Frauen erblickte, schlug er wütend gegen die Wand und schrie. Sam zuckte leicht zusammen.
„Wie wollen wir ihm das Blut entnehmen? Er wird es uns wohl kaum freiwillig geben, oder?", fragte sie und musterte die Ampulle in Caitlins Hand.
„Ich habe heute Mittag ein Schlafmittel entwickelt, das Nimbus für wenige Stunden außer Gefecht setzen wird. Es ist vollkommen ungefährlich für ihn und wir bekommen unsere Proben", erklärte Caitlin und öffnete einen Kasten hinter dem Bedienfeld. Sie setzte die kleine Ampulle in eine Halterung. „Das ist die Sauerstoffzufuhr", erklärte sie. „Ich werde das Gas mithilfe der Lüftungssysteme in die Zelle pumpen."
Interessiert blickte die junge Frau an Caitlin vorbei, die etwas auf dem kleinen Bildschirm eingab, und beobachtete, die Lippen leicht geöffnet, wie hellgelbes Gas allmählich die Zelle füllte. Nimbus schien es noch rasender zu machen. Immer wieder ertönte ein dumpfes Pochen, wenn er gegen die dicke Glaswand schlug, doch wurde das Geräusch zunehmend schwächer, ebenso wie seine Schläge. Der Glatzkopf taumelte, verdrehte die Augen und fiel dann auf den gepolsterten Boden.
„Wow, das Zeug knockt definitiv aus", scherzte Sam.
Caitlin lächelte ihr zu. Die beiden Frauen warteten noch einen Moment, um sicherzustellen, dass Nimbus auch wirklich schlief, ehe die Ärztin den Code zum Öffnen der Zelle eintippte und die schwere Glaswand schließlich mit einem Zischen nach oben fuhr. Caitlin hob die Kanüle in ihrer Hand an und zog einen Stauschlauch aus ihrer Hosentasche. Sie lief zum am Boden liegenden Nimbus und kniete sich neben ihn. Sam folgte ihrer Kollegin.
„Kannst du das kurz halten?", fragte Caitlin höflich und reichte ihr die Kanüle zur Blutentnahme. Sam nickte und nahm sie vorsichtig entgegen, darauf bedacht, sie nicht versehentlich fallen zu lassen. Interessiert beobachtete sie, wie die Ärztin den Stauschlauch an Nimbus' Oberarm befestigte und ihn zusammen zog, sodass seine Venen deutlicher hervortraten. Danach reichte sie ihr die Kanüle, die Caitlin dankend entgegennahm. Sie setzte die Nadel. Kurz darauf trat rote Flüssigkeit ins Blutentnahmeröhrchen. Das Blut, das Sam hoffentlich mehr Ausschluss über Nimbus und seine Fähigkeiten liefern würde. Jetzt würde sie beginnen, ihre Forschung.
Einige Kilometer von Star Labs entfernt, in der Innenstadt, erstreckte sich ein Firmensitz in die Lüfte. Es war eines der Gebäude, das die Skyline der Stadt zierte und zum Erscheinungsbild von Central City beitrug. Eines der führenden Unternehmen in ganz Amerika, das seinen Hauptsitz an diesem Ort hatte. Die Royal Bank.
Das Gebäude bestand fast hauptsächlich aus Glas. Mit Ausnahme des Stahlgerüsts, das es aufrecht hielt, reihten sich tausende Panoramafenster nebeneinander und bildeten die Fassade des rechteckigen Wolkenkratzers. In der obersten Etage, von der man einen atemberaubenden Blick auf die Stadt hatte, in einem großen Eckbüro mit Mahagonischreibtisch, saß Tanaka Satô, der Leiter der Royal Bank. Der strebsame Bankier und Wirtschafter hatte seine Firma in den letzten Jahren aufgrund seiner harten Arbeit an die Spitze des Marktes befördert, doch hatte er infolge dieses Aufstiegs seine Menschlichkeit oder zumindest seine Freundlichkeit eingebüßt. Tanaka war herrisch, launenhaft und machte sich nichts aus Höflichkeitsnormen. Seine Mitarbeiter mussten darunter leiden, seine Sekretärin und Mädchen für alle Fälle, wie er stets sagte, am meisten.
Mia Yamamoto war eine dreißigjährige, zierliche Frau mit schwarzem, schulterlangen Haar. Sie war kaum größer als Einsfünfundfünzig und jedes Mal dann, wenn Tanaka sie aufgrund eines Fehlers anschrie, für den sie gar nichts konnte, schien sie sogar noch kleiner zu werden. Mia war folgsam. Sie widersprach nie, vergriff sich nie im Ton und ließ die Schimpftiraden ihres übermotivierten Bosses über sich ergehen, ohne auch nur den Blick zu heben. Von früh bis abends lief sie durch die Firma oder durch die Stadt, um Besorgungen für ihn zu erledigen. Ihr Terminplan platzte aus allen Nähten, für Privates blieb nie Zeit.
Es war bereits spät am Abend, als die Schwarzhaarige auf Absätzen durch den Flur der obersten Etage eilte, eine Box in den Händen haltend. Ihr Bleistiftrock machte ihr das Rennen schwer, so versuchte sie so schnell zu laufen, wie es ihr ihre Schuhe erlaubten.
Vor der Tür von Tanaka Satôs Büro angekommen verharrte Mia einen Augenblick, atmete tief ein, um ihre Ängste zu bändigen und klopfte dann leise.
„Herein!", ertönte es mürrisch. Sie kam der Aufforderung – wie stets auch – nach und betrat das Büro.
„Ich habe das Sandwich aus dem Laden an der Ecke, das Sie wollten, Sir", erklärte die Frau mit leiser Stimme. Tanaka sah von seinen Dokumenten auf und winkte sie dann wortlos zu sich. Mia trat an seinen Schreibtisch heran. Er nahm ihr die Transportbox aus der Hand, öffnete sie und begutachtete das Sandwich. Achtlos klappte er es auf.
„Da sind keine getrockneten Tomaten drauf", brummte er. Mia rutschte das Herz in die Hose.
„Aber Sir, ich habe welche geordert, ich habe es mehrere Male deutlich gemacht, dass-" Ihr Chef schlug wütend mit der Faust auf den Tisch.
„Es kümmert mich nicht, ob Sie es geordert haben oder nicht, Yamamoto. Fakt ist, da sind keine drauf!", wetterte er schlecht gelaunt und schob ihr die Box zurück. Er wandte sich wieder seinen Dokumenten zu. „Besorgen Sie mir ein neues", wies er sie an. Mia öffnete ihre Lippen, ermahnte sich jedoch rasch selbst. Der Laden machte in zwei Minuten zu. Wenn sie es nicht schaffte, ihm ein neues Sandwich zu bringen, würde er sie zu Kleinholz verarbeiten und danach feuern, soviel stand fest.
„Ja, Sir", sagte die Schwarzhaarige mit piepsiger Stimme und rannte dann los. Sie sprintete durch die fast leere Firma, denn war es bereits einundzwanzig Uhr. Ihre Schicht war bereits seit drei Stunden vorüber. Ein leiser Laut entwich Mia, als sie auf ihrem Absatz umknickte. Rasch zog sie sich ihre Schuhe aus und lief barfuß weiter. Es war erniedrigend, doch dieses Sandwich war wichtiger. Sie hetzte die Straße entlang zum Laden an der Ecke und zu ihrer allergrößten Erleichterung war der Besitzer noch im Geschäft und die Tür geöffnet. Schwer atmend kam sie vor der Ladentheke zum Stehen.
„Wir haben geschlossen", ließ der Ältere verlauten und musterte Mia skeptisch. Diese benötigte noch einen Moment, um Luft zu holen, ehe sie zu sprechen begann.
„Das Sandwich, das ich vorhin bestellt habe", erklärte sie schnaufend und sah dem Mann in die Augen. „Sie haben die getrockneten Tomaten vergessen. Mein Chef legt sehr viel wert darauf, daher würde ich gern ein neues bestellen, bitte", bat sie höflich.
„Wir haben geschlossen", sagte er erneut. Mia schüttelte leicht den Kopf. Ein Nein konnte sie nicht akzeptieren, es wäre ihr Aus.
„Ich bitte Sie, ich zahle Ihnen auch das doppelte, wenn Sie wollen. Es ist wirklich sehr, sehr wichtig", erklärte sie und sah ihr Gegenüber flehend an.
„Geschlossen. Und jetzt gehen Sie bitte", schmetterte er ihre Bitte ab.
Mia verstand es nicht. Immer war sie höflich, immer bewahrte sie die Etikette und war zuvorkommend. Sie behandelte alle mit Respekt. Sie selbst jedoch, sie wurde von jedem wie Dreck behandelt. Alle sahen auf sie herab und kommandierten sie herum. Ihr Freund hatte sie vor zwei Wochen verlassen, mit der Begründung, sie könne sich nicht durchsetzen. Doch wie sollte sie das anstellen? Sollte sie auch unhöflich sein, so wie der Rest der Menschen? Sollte sie auch rum schreien und um sich schlagen, um allen Respekt einzuflößen? Was war das für eine Welt?
„Sir, ich weiß, dass Sie geschlossen haben, aber ich bitte Sie inständig, Sie würden mir damit unendlich weiterhelfen", versuchte sie es erneut und lächelte vorsichtig.
Der Koch machte eine abwertende Handgeste und murrte: „Verschwinden Sie."
Plötzlich wurde Mia unendlich wütend. Man erntet was man sät, dieses Sprichwort war eine Lüge. Sie hatte noch nie das bekommen, was sie gesät hatte, nie hatte man sie freundlich behandelt. In ihr brodelte es, ihre weichen Gesichtszüge verschwanden hinter einer kalten Fassade, während sie sich über die Theke beugte. Der Mann sah ihr wie hypnotisiert in die Augen, die die seine fixierten. Kurz leuchteten Mias dunkle Augen auf, so als würde ein Schimmer durch ihre Pupillen ziehen.
„Ich sagte, machen Sie mir ein Sandwich. Und vergessen Sie diesmal nicht die getrockneten Tomaten", befahl sie mit Nachdruck. Der Koch nickte, so als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
„Natürlich, sofort!", erwiderte er, drehte sich um und eilte in die Küche. Langsam richtete sich Mia wieder auf. Sie mochte es nicht, Dinge zu befehlen, sie bat lieber höflich, doch gab es manchmal keinen anderen Ausweg. Manchmal, da musste sie von den Fähigkeiten, die sie vor neun Monaten erworben hatte, Gebrauch machen.
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