Kapitel 85 - Sieben Minuten
Ein Tag bestand aus vierundzwanzig Stunden, umgerechnet wären das eintausendvierhundertvierzig Minuten. Was waren da schon sieben Minuten, oder nicht? Sieben Minuten passten zweihundertfünf Mal in einen Tag, wenn also ein nennenswerter Moment so lang andauerte, erlebte man ihn über zweihundert Mal. Sieben Minuten waren nicht viel, glaubte man. Sieben Minuten dauerte der Gang zum Bahnhof, das Trinken eines Kaffees oder die Warteschleife beim Telekommunikationsanbieter.
Doch waren sieben Minuten in der Tat mehr, als man dachte. Erlebte man sie intensiv, war jede Sekunde bedeutsam, dann konnten sich sieben Minuten anfühlen wie Stunden.
Sieben Minuten.
7:00, 6:59, 6:58, 6:57
„Los Barry, los!", rief sie und streckte ihre Arme in die Luft. Das Band der Stoppuhr in ihrer Hand wippte, ihre Haare wurden aufgewirbelt, als der rote Blitz an ihr vorbei sauste. Jubelnd drehte sie sich um, ein breites Lächeln auf den Lippen. „Wie schnell, Cisco?"
„Er ist jetzt bei circa zweitausendneunhundert Kilometern pro Stunde! Das sind fünfzig Prozent schneller als vorher", las der Langhaarige vom Bildschirm ab.
„Die Tachyonen funktionieren?"
„Ja, das tun sie."
„Das ist fantastisch!"
Sam warf Harrison einen Blick zu. Sie sah, wie sich seine Mundwinkel nach oben zogen. Wie er ihr zu nickte.
6:45
„Okay, dann gib Zunder, Cisco! Der Tachyonen-Beschleuniger hält noch mehr aus!", ein breites Grinsen zog auf ihre Lippen, während sie den Lichtstrahl am Horizont verfolgte, der sich ihnen wieder näherte. „Sicher schaffen wir dieses Mal Mach 3."
„Barry, ist alles gut bei dir?", sprach Harrison hinter ihr ins Mikrophon. Stets besorgt um den Speedster, um das Team.
„Ja, weiter! Ich spüre, wie ich schneller werde!"
Sam stellte sich zu Cisco, der die Werte nochmals überprüfte und die Tachyonenzufuhr in diesem Moment erneut erhöhte. Seine Finger glitten über die Tastatur des Computers, den sie provisorisch auf dem Tisch aufgebaut hatten. Der Wind pfiff ihr in den Ohren und ließ sie leicht frösteln, sie zog den Reißverschluss ihrer Jacke zu. Das Gras am Rande der Flugbahn neigte sich, als Barry erneut an ihnen vorbei schoss, diesmal war es Cisco, der laut jubelte.
„Über dreitausend Kilometer pro Stunde, gleich haben wir Mach 3 erreicht!"
4:29
Wieder sah sie zu Harrison, der neben sie fuhr. Seine Augen hafteten auf dem Bildschirm. Sie konnte erkennen, wie sehr er mitfieberte, obgleich er seinen Gefühlen nie so stark Ausdruck verlieh wie Cisco und sie. Ja selbst Caitlin hatte ihre Hände zu Fäusten geballt, wann immer die Zahl auf dem Monitor anstieg. Aber selbst, wenn es nur die Regung seiner Mundwinkel war, das leichte Zucken seiner Augenbraue oder einfach das Leuchten in seinen Iriden – sie konnte es deuten. Mittlerweile hatten sie so viel Zeit zusammen verbracht, dass es ihr immer leichter fiel zu sagen was in ihm vorging.
„Diesmal schafft er es", wisperte sie und legte ihre Hand auf seine Schulter. Nur für einen kurzen Augenblick, flüchtig genug, dass Cisco und Caitlin nichts bemerkten und doch mit so viel Gefühl, dass er wusste, sie fieberte mit ihm.
3:58
„Komm Barry, gleich hast du es", wisperte sie, der rote Punkt auf dem Monitor kehrte wieder zu ihnen zurück und er wurde schneller. Schneller, als der Reverse Flash, wenn er so weitermachte. Dann hatte der gelbe Speedster keine Chance mehr. „Los, du schaffst es...", Harrison sah zu ihr auf, ihre Augen fixierten den Punkt, der plötzlich an Geschwindigkeit einbüßte.
„Barry?"
3:32
Das Team sah nach rechts, als der Speedster stolpernd auf der Flugbahn zum Stehen kam. Fragend verengte Sam ihre Augen, während er nach vorn kippte.
„Barry!", rief sie, Caitlin und sie eilten los, direkt auf den Braunhaarigen zu. „Barry, hey, alles gut?" Die beiden Frauen knieten sich neben den jungen Mann, der eifrig nach Luft schnappte und seine Hände gegen den Asphalt gestemmt hatte.
„Ja, alles gut", murmelte er und wischte sich über die Stirn. Caitlin begann seinen Puls zu kontrollieren, um sicherzugehen, dass es ihm an nichts fehlte. Sams Finger wiederum tasteten um das Stahlkonstrukt, das an seiner Brust angebracht worden war – der Gegenstand ihrer wochenlangen Arbeit. Ihrer und Harrisons.
„Was ist passiert, Barry?", fragte der Dunkelhaarige, der zusammen mit Cisco zu ihnen aufgeschlossen hatte. Langsam rappelte sich der Speedster wieder auf, Sam konnte die Verwirrung in seinen blaugrünen Augen sehen.
2:34
„Da war...", begann er zögerlich und zog sich die Maske vom Kopf.
„Ja?", hakte Harrison besonnen nach.
„Ich. Ich habe mich selbst gesehen, es war... seltsam. Wie ein Geist."
„Ein Geist?", fragte Sam und zog die Stirn kraus. „Was hat das zu bedeuten?" Das Lächeln auf Harrisons Lippen ließ sie stutzen und sie begriff, dass das, was Barry da gesehen hatte, offenbar weder einem Hirngespinst noch etwas anderen, Negativem entsprach, sondern etwas Gutes war. Etwas wirklich, wirklich Gutes. „Dr. Wells?"
„Das, was du da gesehen hast, das war kein Geist, Barry", klärte der Wissenschaftler die Gruppe auf. „Es war eine Projektion deiner Selbst in einer anderen Zeitlinie."
„Moment", unterbrach sie ihn, ihre Hand landete erneut auf seiner Schulter, diesmal unbeabsichtigt. „Bedeutet das, er...?"
„Ja, Sam. Barry war so schnell, dass er beinahe das Raum-Zeit-Kontinuum durchbrochen hätte. Beinahe wäre er in der Zeit zurückgereist."
1:45
„Wow, das ist ja der Oberhammer!", jubelte Cisco.
„In der Zeit zurückgereist?", fragte Barry und wurde vom Langhaarigen auf die Beine gezogen.
„Nur fast, aber Dr. Wells hat recht, deine Geschwindigkeitswerte reichen theoretisch aus. Dabei habe ich immer gedacht, dass Zeitreisen lediglich Science Fiction seien..."
„So sehr Science Fiction wie Meta-Wesen, Caitlin?", lachte Cisco.
Die beiden Wissenschaftler zogen Barry mit sich. Der Langhaarige nahm ihm den Tachyonenbeschleuniger ab, um zu überprüfen, ob er den Sturz unversehrt überstanden hatte, die Ärztin wiederum fuhr fort seine Vitalwerte zu überprüfen. Mit großen Augen sah Sam ihren Freunden nach, Harrison und sie verweilten noch einen Moment auf der Flugbahn.
1:07
„Das ist verrückt, total verrückt. Meta-Wesen, klar, aber Zeitreisen?" Sie drehte ihren Kopf zu Harrison. „Ich meine, gibt es dann auch Parallelwelten?" Er antwortete ihr nicht, stattdessen schaute er einfach nur zurück, ein vergnügliches Funkeln in den Augen. „Harrison, sag schon, glaubst du Barry kann in eine andere Dimension reisen?"
„Samantha", lachte er und drückte ihren Arm. „Lass gut sein, konzentrieren wir uns erst einmal auf seine Geschwindigkeit. Das hat im Augenblick Vorrang." Er setzte sich in Bewegung, sie folgte ihm.
„Ja, aber rein theoretisch."
„Rein theoretisch wäre es durchaus möglich."
„Wow!", sie verharrte und fuhr sich durchs Haar. „Das ist – wow! Weißt du, wie wahnsinnig das ist? Die Wissenschaftler gewinnen Nobelpreise für Theorien, die nie belegt wurden und wir? Wir könnten einen Mann in der Zeit zurückschicken, wenn wir wollten! Der neue Beschleuniger funktioniert, Harrison, wir sind Genies!"
Der Dunkelhaarige drehte sich zu ihr herum, eine Augenbraue erhoben und ein atemberaubendes Lächeln auf den Lippen. Sam verstummte, sich ihres euphorischen Ausbruchs langsam bewusst werdend, sodass ihr die Röte ins Gesicht stieg.
„Ich meine ja nur."
„Ja und du hast durchaus recht, Sam, es ist wahnsinnig. Und in der Tat, wir sind Genies." Worte, die ihr ein breites Grinsen auf die Lippen zauberten.
„Wie Pierre und Marie Curie", fügte sie hinzu.
„Ja. Wie Pierre und Marie Curie", wiederholte er zustimmend, sie verharrten und sahen einander an.
„Bald haben wir den Reverse Flash, bald besiegen wir ihn", hauchte sie und berührte seinen Arm. „Es dauert nicht mehr lang, das fühle ich."
0:10, 0:09, 0:08
„Ja, das denke ich auch."
0:03, 0:02
„Ich liebe dich, Harrison."
0:01
„Ich liebe dich auch, Sam", kam es zurück.
Auch der fünfte Kaffee verschaffte ihrer Müdigkeit keinerlei Abmilderung, da half nur Schlaf. Viel Schlaf. Am liebsten wollte sie gar nicht mehr aus dem Bett gekommen, für die nächsten Wochen und vielleicht würde sie genau das tun, wenn sie sich erst einmal hingelegt hatte. Eine gute Idee, der sie umgehend nachkommen wollte.
„Schlafen Sie sich aus, Mason, eine Doppelschicht ist nicht ohne", sagte Joe, ohne von seiner Akte aufzusehen.
„Ja, Sir", erwiderte sie matt und schaltete das Computerdisplay aus. Die Papier- sowie Aktenberge ließ sie auf ihrem Tisch liegen, stattdessen nahm sie Jacke und Tasche zur Hand und erhob sich. „Wir sehen uns morgen, rufen Sie an, wenn es was Neues zu den Überfällen gibt."
Trägen Schrittes lief sie durch das Revier wie ein Geist, der übersehen wurde. Nicht, dass die Frau, die sie war, der, die sie eigentlich sein wollte, auch nur im geringsten ähnelte. Sie fühlte sich müde und demotiviert, zudem war da diese Unsicherheit die an ihr klebte wie ein Schatten. Bei der Arbeit war sie unkonzentriert, weil sie nur an Owen denken konnte, dabei war sie das einzige, das imstande war sie abzulenken. Zuhause war es noch viel schlimmer, da heulte sie sich die Augen aus dem Kopf wie eine Sechzehnjährige, es war grauenvoll.
Sie klemmte ihre Jacke an ihre Tasche, die Fahrstuhltüren öffneten sich. Fahrig wählte sie das gewünschte Stockwerk und sah auf die Zahlenanzeige, als sich jemand zu ihr in den Fahrstuhl drängelte.
7:00
Er. Wieso war es immer er?
Sie blickte in Owens emotionsloses Gesicht, ihre Blicke trafen sich. Amber zwang sich nach vorn zu sehen, direkt auf die verchromten Türen, in denen sich sein Abbild spiegelte. Ganz gleich, was sie tat, sie konnte ihm nicht entkommen.
„Hättest du nicht einen Fahrstuhl später nehmen können?"
„Was?" Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Owen sich zu ihr drehte, eine Augenbraue erhoben. Es war der erste Satz, dem sie mit ihm wechselte, seitdem er sie in seinem Büro zusammengeschrien hatte.
„Du bist überall, Owen, überall. Ist es da zu viel verlangt, dass du mich wenigstens zum Feierabend alleine im Fahrstuhl lässt?", sie wandte sich zu ihm herum, „kratzt das so stark an deinem Ego?"
6:49
„Was willst du, Amber", knurrte er und trat einen Schritt an sie heran, die Augen verengt. Doch er machte ihr keine Angst, das Schlimmste, das er ihr hätte antun können, hatte er bereits getan.
„Ich will, dass du mich in Ruhe lässt, Owen, das will ich! Du hast unmissverständlich klar gemacht, dass dir das zwischen uns nichts bedeutet hat und dass du mich nicht in deiner Nähe haben willst, das habe ich verstanden! Aber dann halte dich auch gefälligst daran, okay?", schrie sie, wild gestikulierend. „Du bist – du bist immer da, egal wo ich bin! An meinen Tatorten, auf dem Revier, im Fahrstuhl! Und dann schaust du mich an, du denkst, ich merke es nicht, aber ich tue es! Du beobachtest mich, Owen, so als würdest du glauben ich breche jeden Moment zusammen, nur weil ich dich nicht haben kann, als wäre das so wichtig! Als wärst du der Kern meines Lebens, aber das bist du nicht, verdammt!"
„Amber."
„Nein, lass mich in Frieden, Owen, bitte! Es tut weh, okay?", schluchzte sie und fasste sich an den Brustkorb. „Es schmerzt ganz furchtbar, das Loch, das du hinterlassen hast, also lass es bitte, bitte heilen. Bitte, lass – lass es heilen!"
„Amber."
„Was?!"
Plötzlich wurde sie von Owen gepackt und gegen die Fahrstuhlwand gedrückt. Keuchend krallte sie sich in sein Jackett und blickte zu ihm auf, nicht wissend, was geschehen würde. Der Agent sah sie an, für einen Augenblick, ehe er seine Lippen unerwartet auf ihre presste.
5:23
Sie versuchte sich zu wehren, indem sie ihre Hände gegen seine Brust stemmte. Versuchte ihn wegzudrücken, doch war Owen wesentlich stärker als sie. Allmählich versiegte ihr Widerstand zu einem leichten Schieben und schwand schließlich gänzlich. Stattdessen umfasste sie seine Krawatte und zog ihn zu sich, seinen Kuss inbrünstig erwidernd.
4:45
Owens Hände wanderten zu ihrer Hüfte, fester schob er sie gegen die Wand. Keuchend presste sie den roten Knopf an der Wand, der den Fahrstuhl zum Stillstand brachte und ihnen ein wenig Zeit verschaffte. Ein paar Minuten.
„Owen", hauchte sie, während er ihr Kinn umfasste und seine Zunge zwischen ihre Lippen gleiten ließ. Und ganz offiziell war nun Schluss mit Reden. Ihre Zungen umspielten einander mit feurigem Verlangen. Fast hätte sie vergessen, wie Owen schmeckte. Sie begann den Knoten seiner Krawatte zu lösen, die Knöpfe seines Hemdes folgten. Währenddessen machte sich der Blonde an ihrer Hose zu schaffen. Das Klimpern ihrer Gürtelschnalle ertönte, danach das Geräusch ihres Reißverschlusses. Und ehe sie sich versah, schob er ihre Stoffhose über ihre Hüften.
4:31
Sie war an der Reihe. Ihre Finger glitten über seine freigelegten Bauchmuskeln hinunter zu seiner Hose. Fahrig versuchte sie seinen Gürtel zu öffnen und benötigte ein paar Anläufe. Kein klarer Gedanke wollte ihr durch den Kopf gehen, ihr Hirn war wie leergefegt. Denn ansonsten wüsste sie, dass dies ein Fehler war. Dass sie einer Suchtkranken glich, die rückfällig wurde. Owen half ihr seine Hose zu öffnen, sie fiel zu Boden, seine Boxershorts folgte, danach entledigte er sie ihres Slips.
3:49
Er umfasste ihre Oberschenkel und hob sie gegen die Wand, ein erregtes Stöhnen löste sich aus ihrer Kehle. Ihre Finger krallten sich in seine Schultern, danach glitten sie über seinen Rücken, auf der Suche nach dem nötigen Halt.
„Owen", japste sie und verzog das Gesicht, kaum hatte er den letzten Abstand überwunden. Sie hinterließ rote Spuren auf seinem Rücken, der verzweifelte Versuch die Kontrolle zu behalten, doch um ehrlich zu sein hatte sie die bereits in dem Moment verloren, als seine Lippen auf ihre getroffen waren.
2:52
Owen bewegte sich. Kraftvoll, doch konnte sie spüren wie er darauf achtete ihr nicht wehzutun. Seine Hände stützten sie, damit sie nicht fiel, ihre Arme schlang sie um seinen Nacken. Stöhnend vergrub sie ihr Gesicht in seine Halsbeuge und kniff in sein Haar, das sich weich in ihre Finger schmiegte.
1:39
Er roch so gut. Es brachte sie um den Verstand, wenn sie ehrlich war, doch was machte das schon. Gerade war einfach alles egal.
1:20
Stöhnend schlang sie ihre Beine um seine Taille und verzog das Gesicht. Zuerst überkam es sie eiskalt, danach kochend heiß. Eine wahre Hitzewelle schwappte durch ihren Körper, gefolgt von der nächsten. Sie biss in seinen Hals, um ihre Geräusche zu unterbinden. Der Blonde bewegte sein Becken schneller, Amber erzitterte in seinen Armen. Er umfasste ihren Hinterkopf, auch aus seiner Kehle löste sich ein tiefes Stöhnen, als er sein Becken ein letztes Mal gegen ihres bewegte. Ihr Körper erbebte, während sie ihr Gesicht tief in seine Halsbeuge vergrub und fiel – direkt in seine Arme.
0:35
Nichts war mehr zu hören, lediglich ihre schnelle, flache Atmung. Behutsam setzte Owen sie ab, ihr Kopf begann allmählich seine Funktion wieder aufzunehmen. Sie sahen einander an, für einen Augenblick. Amber hatte das Gefühl, die Zeit bliebe stehen, während sie zu ihm aufblickte und ihre Finger über seine Brust fahren ließ.
„Owen..."
Das Meckern des Fahrstuhls unterbrach die jähe Konversation. Rasch lösten sie sich voneinander, Amber schlüpfte in ihre Hose, Owen tat es ihr gleich. Er knöpfte sein Hemd zu, sie richtete ihr zerzaustes Haar und stellte den Blusenkragen auf, um den Knutschfleck zu verstecken, den er ihr – wusste der Teufel wann – gegeben hatte. Sich räuspernd knotete Owen seine Krawatte und sah sie an. Sagte jedoch nichts.
0:12
„Owen, was – was war das?", versuchte sie es erneut, während sich der Fahrstuhl wieder in Bewegung setzte.
0:09, 0:08, 0:07
„Ich weiß es nicht", raunte er.
0:05, 0:04
„Und was hat es dir bedeutet?"
0:02. 0:01
„Ich weiß es nicht." Die Fahrstuhltüren öffneten sich, Owen drehte sich herum und ging. Und plötzlich, da bewegte sich die Zeit wieder unglaublich schnell.
7:00
Die rote Flüssigkeit funkelte im Licht wie Rubin. Im Labor war es still – er war allein. Dafür hatte er gesorgt. Seine Mitarbeiter waren nach Hause gegangen, Riley als letztes. Sie hatte darauf bestanden noch zu bleiben und weiter zu forschen, doch sah man ihr an, dass etwas an ihr nagte. Dass sie etwas belastete. Es war nicht schwer gewesen sie zu überreden und nun war er hier, allein und vor ihm das besondere Blut.
Flashs Blut.
Für ihn glich es einem Elixier, seitdem er herausgefunden hatte, dass dieses Blut eine heilende Kraft besaß. Man müsse es erforschen, in seine Bestandteile zersetzen und daraus ein Medikament machen, damit keine Folgen eintraten, wurde ihm gesagt. Von Dr. McGee, Riley und einer Handvoll anderen Wissenschaftlern, die mit dem geheimen Projekt vertraut waren, doch konnte er nicht länger warten. Arthur Weber war ein Mann, der gerne auf Nummer sicher ging, doch dem Tode nahe ließ auch er sich dazu hinreißen ein Risiko einzugehen. Mit einer schnellen Bewegung nahm er die Spritze zur Hand und führte die Nadel in die Ampulle vor sich. Das Blut begann das Röhrchen zu füllen.
5:28
Er wiegte die Spritze in seiner Hand. Dies war der Moment, an dem es noch ein Zurück gab, danach blieb ihm diese Möglichkeit verwehrt. Niemand wusste, was genau mit ihm geschehen würde, sobald er sich das Speedster-Blut initiierte. Er könnte sterben. Kollabieren. Seltsamerweise war er an dieses Gefühl bereits so lange gewöhnt, dass es ihm keine Angst mehr machte. Im Gegenteil, er hatte es satt. So führte er die Nadel in seine Haut und spritzte sich das Blut in den Arm.
4:58
Er spürte nichts. Kein Brennen, kein Ziepen. Langsam senkte er den Blick auf seinen Arm, der reglos vor ihm auf der Tischplatte lag und kräuselte die Stirn. Das Ticken der Uhr im Raum wurde lauter und lauter, die Minuten waren zäh wie alter Kaugummi.
3:58
2:58
1:58
Plötzlich fühlte er es. Wie ein Stromschlag zog es seinen Arm hinauf, von seinen Fingerspitzen hinauf bis in seine Schulter. Ein Brennen, so schmerzvoll, dass er aufschrie. Er versuchte seine Finger zu bewegen, sie verkrampften. Seine Adern traten hervor, er fiel zu Boden. Das Scheppern des Stuhls ertönte.
Schreiend hielt er sich den Arm, der augenscheinlich in Ordnung war, wäre da nicht das Gefühl von zehntausenden Volt in seinen Adern, von denen er glaubte sie würden jeden Moment platzen. Arthur krümmte sich wie ein Embryo, die Spritze fiel ihm aus der Hand. Immer wieder bewegte er sich vor Pein, das Gesicht verzogen. Tränen traten ihm aus den Augen und tropften auf den gefliesten Boden.
0:23
Langsam sackte der Wissenschaftler zusammen, seine Bewegungen ebbten zu einem leichten Zucken ab, nur für das geschärfte Auge erkennbar. Ansonsten lag er still, den Blick starr geradeaus gerichtet. Hatte er versagt? Hatte ihm das Blut, von dem er sich so viel versprochen hatte, letztlich keine Heilung ermöglicht?
Arthur hob seine Hand. Er sah die kleine Einstichstelle an seinem Arm, die seltsam verfärbt war. Fast hatte er das Gefühl sie leuchte rötlich, doch war es nur schwer vorstellbar, oder nicht? Wunden leuchteten nicht. Naheliegender wäre es, dass er starb und halluzinierte.
0:12
Plötzlich war der Schmerz fort, von einer Sekunde zur nächsten. Arthur bewegte seine Finger, verwirrt über den plötzlichen Gefühlswechsel. Er spürte, wie seine immer währende Müdigkeit langsam schwand, so als würde sie aus seinem Körper gesaugt. Wie sich sein Herzschlag plötzlich kräftiger, ja nahezu gesund anfühlte. Und wie das Blut in seinen Adern zirkulierte, so, wie es beim Menschen von statten gehen sollte. Doch war da auch mehr. Viel mehr. In seinem Körper herrschte Spannung, ja Elektrizität, hatte er das Gefühl. So als könne er Bäume ausreißen – nein, das war nicht der passende Vergleich. So als könne er...
Seine Finger begannen zu vibrieren. So irrsinnig schnell, dass sie vor seinem Auge verschwammen.
0:02, 0:01
So als könne er sich unglaublich schnell bewegen. Wie ein Blitz.
Ein Tag bestand aus vierundzwanzig Stunden, umgerechnet wären das eintausendvierhundertvierzig Minuten. Was waren da schon sieben Minuten, oder nicht?
Nun, die Wahrheit war, dass sieben Minuten so einiges waren. Sie konnten viel verändern, darunter Erkenntnisse, Beziehungen und manchmal ganze Leben. Entscheidend war stets, was in diesen sieben Minuten geschah und vor allem, was man mit den nächsten sieben Minuten anstellte.
„Ich sagte Hände hoch, jetzt sofort!", schrie der Polizist mit erhobener Waffe. Die Geiseln um ihn herum begannen ängstlich zu winseln, Eve Kelek wiederum blieb ruhig. Langsam kam er der Aufforderung nach und hob seine Hände, höchst widerwillig, wie das Zungenschnalzen verdeutlichte. Sein Blick wanderte zu der Frau hinter dem Tresen, die er in seinem gegenwärtigen Versuch die Bank auszurauben aus den Augen verloren hatte. Sie hatte die Polizei alarmiert und es hatte kaum ein paar Minuten gedauert, bis sie hier gewesen waren. Ein dummer Fehler, er hätte besser darauf achten müssen.
„Und jetzt kommen Sie ganz langsam zu mir, na wird's bald!"
Tief seufzend ließ der Braunhaarige seine Hände wieder sinken. Es brachte nichts, mitzuspielen, er wurde es langsam leid.
„Wussten Sie, dass man meinen Namen sowohl vorwärts als auch rückwärts lesen kann? Ich empfand diese Tatsache immer als etwas... lästig, aber neuerdings finde ich, dass es etwas recht Schicksalhaftes hat."
„Nehmen Sie Ihre verdammten Hände hoch!", wetterte der Polizist.
„Hören Sie, das führt zu nichts. Ich habe es vergeigt, aber das nächste Mal passiert mir derselbe Fehler nicht noch einmal, versprochen. Dann müssen Sie hier nicht so herumschreien", murmelte er und rieb sich das Ohr.
„Was soll das heißen, was reden Sie da?!"
Er hob zwei Finger, um sich bereit zu machen, ein verheißungsvolles Lächeln auf den Lippen. „Damit meine ich, dass ich mir eine neue Chance erzeuge, mit einem Fingerschnipp." Das Lächeln wurde breiter, seine Augen funkelten, während er sich ein letztes Mal alle wichtigen Details einprägte. Der Sicherheitsdienst am Eingang, der treffsicherer war als er, die Frau links, die den Notruf wählen würde und die Frau hinter dem Tresen, die dicht genug am Alarmknopf dran war. Soweit so gut.
„Und alles auf Anfang", sagte er und schnippte mit den Fingern.
„Los Barry, los!", rief sie und streckte ihre Arme in die Luft. Das Band der Stoppuhr in ihrer Hand wippte, ihre Haare wurden aufgewirbelt, als der rote Blitz an ihr vorbei sauste. Jubelnd drehte sie sich um, ein breites Lächeln auf den Lippen. „Wie schnell, Cisco?"
„Er ist jetzt bei circa zweitausendneunhundert Kilometern pro Stunde! Das sind fünfzig Prozent schneller als vorher", las der Langhaarige vom Bildschirm ab.
„Die Tachyonen funktionieren?"
„Ja, das tun sie."
„Das ist fantastisch!"
„Aber das kennt ihr ja bereits...."
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