Kapitel 60 - Süße Realität

Sams geschientes Handgelenk lag auf dem Computerpult. Sie hielt einen kleinen, blauen Therapieball in den Fingern, den sie immer wieder drückte, um ihre Muskeln zu trainieren. Strikte Anweisung von Caitlin. „Sonst dauert die Genesungszeit noch länger", waren ihre Worte an sie gewesen. So trainierte Sam, um bald wieder voll einsatzfähig zu sein, während sie gedämmt wahrnahm, wie das Team um sie herum diskutierte. Wie sie planten und besprachen. Eine seltsame Nervosität lag im Raum. Die Brünette jedoch war mit ihren Gedanken ganz woanders, nicht hier bei ihrem Team, so sehr sie es auch versuchte. Sie war in der Vergangenheit, gab sich immer wieder demselben Tagtraum hin.
„Wir müssen es einfach auf uns zukommen lassen und Vertrauen haben. Tatsache ist jedoch, dass Agent Madock trotz unserer Kooperation nicht wissen sollte, dass Barry Flash ist. Dieses Geheimnis behalten wir weiterhin für uns", drang die Stimme des Protagonisten in ihrem Tagtraum zu ihr. Harrisons Stimme. Sie schien als einzige in der Lage, die Watte in ihrem Kopf zu durchdringen. Sam spürte, wie er sich in Bewegung setzte, wie er sich ihr näherte, denn begann sich ihr Herzschlag um ein Zehnfaches zu beschleunigen, während sich ihre Finger, die den kleinen Ball hielten, verkrampften. „Wir werden Agent Madock nur so viel preisgeben wie nötig. Gerade genug, damit er uns vertraut und auf den Deal eingeht." Der Wissenschaftler kam neben ihr zum Stehen, sodass sein Duft zu ihr herüberwehte. Sam war wie paralysiert. Sie konnte nicht mehr klar denken, konnte kaum atmen. Alles drehte sich. Sie schloss ihre Augen und versuchte sich zu beruhigen, doch wie konnte sie? Nach dem, was zwischen ihnen passiert war?

Vorsichtig legte sie ihre Arme um seinen Nacken und neigte ihren Kopf, um den Kuss zu intensivieren, ließ ihn jedoch nicht an Geschwindigkeit dazu gewinnen. Ihr Herz hämmerte ohrenbetäubend in ihrer Brust und sie wusste, er spürte es auch, denn wurden ihre Oberkörper infolge ihrer Annäherung aneinandergedrückt. Ihre Finger glitten durch sein weiches Haar und zupften verhalten daran. Harrisons Antwort darauf war seine Hand, die wie in Zeitlupe über ihren Nacken glitt und eine starke Gänsehaut über ihre Arme ziehen ließ. Eine Berührung, so sanft, so hingebungsvoll, dass sie Sam ein leises Seufzen entlockte. Es schien den Wissenschaftler anzustacheln, denn umfasste er ihren Hinterkopf und erhöhte den Druck seiner Lippen sanft. Die junge Frau glaubte dahin zu schmelzen, direkt in seinen Armen, stattdessen schmiegte sie sich enger an ihn, sodass kein Blatt mehr zwischen sie gepasst hätte. Nun war er es, der seine Hand in ihr Haar gleiten ließ. Ein gewaltiges Kribbeln jagte durch ihre Bauchgegend und strahlte in ihren gesamten Körper aus.
„Harrison", seufzte Sam leise in den Kuss, hatte es nicht zurückhalten können, zu vereinnahmend war das, was er mit ihr anstellte. Er öffnete seine Augen, sie tat es ihm gleich. Sie sahen einander an, den Kuss nicht lösend. Sie glaubte, seine Iriden nie so intensiv leuchten gesehen zu haben wie in diesem Moment.  Als Sam ihre Lider wieder senkte, öffnete sie hingegen ihre Lippen ein Stück, während das Adrenalin durch ihren Körper rauschte. Sie krallte sich in seinen Pulli und glaubte innerlich zu verbrennen, als sie spürte, wie er seine Lippen ebenfalls öffnete.
Dann plötzlich ertönte ein Klingeln. Zuerst gedämpft, wie aus weiter Ferne, doch wurde es zunehmend lauter, sodass Sam leicht erschrak und sich vom Wissenschaftler löste. Nach Luft ringend, da sie zwischenzeitlich vergessen hatte zu atmen, hielt sie sich an ihm fest, Harrison hingegen hatte seine Arme um ihre Taille geschlungen, damit sie nicht von seinem Schoß rutschte. Es war still im Cortex. Nichts außer das laute Atmen der beiden Wissenschaftler sowie das Klingeln ihres Handys war zu hören. Sam sah in Harrisons Augen, ihre Wangen leuchteten so rot wie zwei Reklametafeln. Mit zittrigen Fingern fischte sie ihr Handy aus ihrer Hosentasche, ließ es beinahe fallen. Es war Amber. Sie war hier, um sie abzuholen. Wieder blickte sie zum Wissenschaftler, nicht realisierend, was soeben geschehen war. Das Klingeln ertönte weiter.

„Sam? Hallo, jemand Zuhause? Huhu!", vernahm sie plötzlich Ciscos Stimme. Sie blinzelte und zuckte zusammen, als sie seine Hand erblickte, die direkt vor ihren Augen hin und her wedelte.
„W-Was?", fragte sie perplex, denn hatte sie Probleme damit zurück in die Gegenwart zu finden.
„Dein Handy", klärte er sie zuvorkommend auf. Nun hörte sie es auch. Das Klingeln aus ihrem Tagtraum, sie hatte es sich nicht eingebildet, es war tatsächlich da. Mit einem leisen Fluchen wollte sie es aus ihrer Tasche ziehen, benutzte jedoch versehentlich ihre verletzte Hand, sodass sie mit einem leisen, schmerzvollen Laut zusammenzuckte.
„Vorsicht", raunte Harrison, der sie bis eben nur stumm beobachtet hatte, und ergriff sogleich beschützend ihre Schulter, sodass Sam das Gefühl hatte sie würde sich jeden Moment in einen Schwarm voller Schmetterlinge auflösen. Mit purpurroten Wangen blickte sie zu ihm, das klingelnde Handy jetzt in ihrer gesunden Hand haltend. Sie sah ihm in die Augen, war selbst überrascht darüber, dass sie sich traute. „Willst du nicht rangehen?", fragte sie der Dunkelhaarige.
„Was?", war ihre abwesende Antwort. Sie blickte zum Smartphone, auf dem Ambers Kontaktbild leuchtete und begriff. „Oh! J-Ja, natürlich!", sagte Sam, erhob sich unnötigerweise von ihrem Stuhl - vielleicht, um nicht länger auf Augenhöhe mit Harrison zu sein - und ließ das Telefon dabei beinahe fallen. Schließlich schaffte sie es abzuheben. „Ja hallo, wer ist da?", fragte sie. Kurz herrschte Stille am anderen Ende der Leitung.
„Sam? Hier ist Amber", erklärte die verwirrte Polizistin. Am liebsten hätte sie ihre flache Hand auf ihre Stirn geschlagen. Natürlich war es Amber, sie hatte doch bereits auf dem Display sehen können, dass der Anruf von ihr ausging. Hastig entschuldigte sie sich und lief ein paar Meter durch den Cortex.
„Was hat sie denn?", fragte derweil Cisco, eine Augenbraue skeptisch erhoben. Seine Augen folgten der Brünetten. „Sie ist seit Tagen völlig neben der Spur." Sein Blick wanderte zu Harrison, der die junge Frau ebenfalls beobachtete und sein Schmunzeln dabei hinter seinem Zeigefinger verbarg. Seinen eisblauen Augen wohnte ein eigentümliches Funkeln inne, denn wusste er, wieso sich Sam so verhielt, wieso sie seit Tagen andauernd Dinge fallen ließ, gegen Türrahmen rannte, mit den Gedanken abdriftete oder Sachen vergaß. Er wusste, dass er der Grund dafür war und es gefiel ihm. Mehr, als es sollte. Mehr, als es durfte.
„Amber und Madock sind da, sie kommen jetzt rein", sagte Sam, während sie ihr Handy wieder wegsteckte. Kurz sah sie zu Harrison, hielt es jedoch nicht lang aus, sodass sie ihren Kopf zu Barry drehte, der ihr ernst zunickte.
„Dann geht es jetzt los", sagte Harrison ruhig. Der bloße Klang seiner Stimme sorgte dafür, dass Sams Herz einen Hüpfer machte.
„Und das ist wirklich eine gute Idee?", fragte Caitlin leise.
„Das wird sich zeigen", war die Antwort des Wissenschaftlers. Es war seine Idee gewesen Agent Owen Madock zu Star Labs einzuladen und ihre Arbeit dort aus nächster Nähe zu zeigen. Er hatte die Entscheidung getroffen und das Team stand hinter ihm. Hinter ihrem Anführer, den sie alle respektierten.

Amber lugte zu Owen, der stumm neben ihr stand, seine stramme Haltung bewahrend, und beobachtete, wie die Zahlenanzeige des Fahrstuhls nach oben schnellte.
„Also geht die Meta-Jagd von nun an wieder an Flash, wenn alles glattläuft und das Team sie überzeugen kann?", fragte sie ihren Partner geradeheraus.
„Ja. Ich musste einsehen, dass normale Polizisten nicht für die Jagd auf Menschen mit übernatürlichen Kräften ausgebildet sind", brummte Owen leise. Ein Geständnis, das ihm noch immer schwer über die Lippen ging.
„Okay, also bedeutet das, dass deine Aufgabe abgeschlossen ist? Wenn auch mit einem anderen Ausgang als geplant?", hakte sie weiter nach.
„Ja", kam es einsilbig zurück. Leicht verzog Amber ihre Lippen und begann ebenfalls die Zahlenanzeige zu beobachten.
„Also bedeutet das, dass du jetzt wieder abziehst?", fuhr sie gedehnt fort und versuchte dabei so unverfänglich wie möglich zu klingen. Sie wollte sich den wahren Grund hinter dieser Frage nicht anmerken lassen, viel zu stur war sie, um es offen auszusprechen.
„Nein." Überrascht blickte sie zu ihm.
„Nein?"
„Sagte ich doch. Sollte ich dem Deal heute zustimmen, dann werde ich noch eine Weile in der Stadt bleiben, um herauszufinden, wie das neue Bündnis zwischen CCPD und Flash funktioniert, schließlich liefert die Polizei nach wie vor die Indizien auf Meta-Wesen und leitet die Untersuchungen. Außerdem habe ich noch eine andere Aufgabe zu bewältigen. Die Untersuchung zu Eilings Verschwinden wird nun meine oberste Priorität sein", klärte Owen seine jüngere Partnerin auf, die ihr Lächeln zu verbergen versuchte. Mit erhobener Augenbraue sah der Agent zu ihr, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
Schließlich öffneten sich die Fahrstuhltüren, nachdem sie durch einen leisen, hellen Laut vorgewarnt worden waren. Die beiden Partner traten hinaus in den Flur, der sie geradewegs in den Cortex führen würde und schwiegen. Wie es aussah, würden sie noch ein paar mehr Abenteuer zusammen erleben - dies war der Gedanke, der Amber durch den Kopf gegangen und der ihr das Lächeln auf die Lippen gezaubert hatte.

Die Blondine führte ihn in den ‚Cortex', wie das Team die Hauptoperationszentrale im Gebäude nannte. Als Owen an die Türschwelle trat, blickten ihm fünf Gesichter entgegen. Drei davon kannte er, obgleich das dritte bekannte auch nur eine Maskierung war, denn wusste er nicht, wer hinter Flashs Maske steckte. Sein Blick blieb an Harrison hängen, der ihm ein gespieltes Lächeln entgegenbrachte. Der Blonde wurde das Gefühl nicht los, dass auch seine Erscheinung letztlich nicht mehr als eine Maskerade war, nur wusste er sie besser zu verbergen als Flash es tat. Die Einladung, die er von ihm bekommen hatte, den Deal, künftig keine Geheimnisse mehr voreinander zu haben - Owen glaubte, dass dies auch nur wieder ein Schachzug des Wissenschaftlers war.
„Agent Madock", ertönte die Stimme der Brünetten, die langsam an ihn herantrat. Sie war diejenige, die ihn um Zusammenarbeit gebeten hatte und somit die Kooperation zwischen dem CCPD und Star Labs ins Rollen gebracht hatte. Schweigend musterte er sie, anschließend glitt sein Blick zu ihrer Hand, die sie ihm entgegenstreckte. „Vielen Dank, dass Sie eingewilligt haben, heute hierher zu kommen", sagte sie. Aufrichtigkeit schwang in ihrer Stimme mit und somit symbolisierte sie für ihn das komplette Gegenteil zum dunkelhaarigen Wissenschaftler, der mit Argusaugen jeden seiner Schritte beobachtete. Owen ergriff die Hand der jungen Frau.
„Es ist das Beste für die Stadt. Auch, wenn es etwas gedauert hat, bis ich in der Lage war es einzusehen." Er sah zu Flash, der ebenfalls herangetreten kam und sein Gesicht vibrieren ließ, um seine Identität zu verschleiern. Owen hätte ohnehin nicht damit gerechnet, dass er sich ihm zeigte, im Grunde kümmerte es ihn gar nicht. „Ich möchte erfahren, wie ihr hier operiert und wo ihr die Meta-Wesen festhaltet. Danach entscheide ich, ob ich auf den Deal eingehen werde", stellte er klar und ließ seine Hand wieder sinken. Das Team nickte einvernehmlich, Harrison fuhr vor.

Während der Dunkelhaarige Owen Madock durch den Cortex zu führen begann, ihm erklärend, wie sie bei den bisherigen Meta-Wesen vorgegangen waren, beobachtete Sam ihn schweigend. Seine Stimme, so tief und wohlklingend, hinterließ ein angenehmes Vibrieren in ihrer Magengegend. Wann immer er seine Arme hob, um auf etwas zu zeigen, umspielte der schwarze Stoff seines weichen Pullovers seine definierten Muskeln. Ihr Blick glitt zu seinen vollen Haaren, hin zu seinen eisblauen Augen, weiter zu seinen Lippen. Sam schluckte schwer. Ihr Herzschlag hatte sich, ohne, dass sie es überhaupt bemerkt hatte, beschleunigt, sodass ihr Herz nun ohrenbetäubend in ihrer Brust raste. Er hatte sie geküsst, vor wenigen Tagen. Er sie, nicht umgekehrt. Still biss sie sich auf die Unterlippe. Sie erinnerte sich noch genau an das Gefühl seiner Lippen auf ihren, an seinen Geschmack. An seine Finger, die durch ihr Haar fuhren, an seine starken Arme, die sie fest umschlungen hatten. Plötzlich hatte sie das Gefühl, die Temperatur im Cortex wäre um zehn Grad gestiegen. Sie fühlte sich fiebrig, bekam kaum Luft.
„Na, was geht dir durch den Kopf?", ertönte eine leise Stimme neben ihrem Ohr. Erschrocken drehte sie sich herum zu Amber, die neben ihr zum Stehen gekommen war, während die beiden Alphatiere durch den Raum liefen und redeten. Ein wissentliches Grinsen lag auf den Lippen der Blondine. „Du starrst ihn total an. Fehlt nur noch, dass du zu sabbern anfängst", erklärte Amber amüsiert. Sie beugte sich zu ihr. „Also sag schon, woran hast du gedacht?"
„A-An gar nichts!", stammelte Sam und senkte ertappt den Blick. Sie hatte der Polizistin ja nicht einmal erzählt, dass sie den Wissenschaftler versehentlich geküsst hatte, also wäre der Sprung zum jetzigen Stand wohl etwas zu groß. Zudem Sam noch nicht bereit war, das Geschehene mit jemandem zu teilen, sie behielt es vorerst ganz für sich und litt im Stillen.
„An gar nichts? Das glaube ich dir nicht. Du bist total rot", flötete die Ältere, sodass Sam hastig ihre Hand auf ihre Lippen presste, um sie zum Verstummen zu bringen. Fragend sah Cisco zu ihnen, drehte seinen Kopf jedoch anschließend wieder nach vorn.
„Nicht hier, okay?!", zischte sie flehend. Ihre Hand ließ sie erst sinken, nachdem Amber einverstanden genickt hatte. Tief atmete Sam aus.
„Samantha?", drang plötzlich Harrisons Stimme zu ihr. Hastig drehte sie sich zu ihm herum. Sie wagte kaum ihn anzusehen. Stattdessen sah sie auf seinen Finger, der Richtung Ausgang deutete. „Wir werden Agent Madock jetzt zur Pipeline führen. Kommst du mit?", fragte er sie, woraufhin sie eifrig nickte. Kurz warf sie Amber noch einen Todesblick zu und lief dann los, um zum Rest der Gruppe aufzuschließen.
„Mason", sagte Owen laut, um seine Untergebene gleichermaßen anzuweisen ihm zu folgen. Amber setzte sich ebenfalls in Bewegung, wobei das wissentliche Grinsen nicht von ihren Lippen weichen wollte.

In der Pipeline angekommen ließ Harrison die Zellen der bisher geschnappten Meta-Wesen vorfahren. Kyle Nimbus, Mia Yamamoto, Spencer White, Farooq Gibran und Roy Bivolo. Die meisten von ihnen verhielten sich ruhig, hatten sich mit ihrem gegenwärtigen Schicksal abgefunden, zumal sie nicht schlecht behandelt wurden. Caitlin brachte ihnen Essen, versuchte ihnen Unterhaltungsmöglichkeiten wie Bücher oder Zeitschriften zukommen zu lassen. Ein von Cisco eingebautes Toilettensystem gab es ebenfalls. Zwar waren sie Gefangene, doch nur zum Schutze der Stadt und solange, bis sie einen Weg gefunden hatten ihnen ihre Kräfte zu entziehen, ehe sie vor Gericht verurteilt werden würden, wie Harrison in diesem Moment schilderte.
Owen trat vor und beäugte die Meta-Wesen eingehend, jedes Einzelne. Sein Blick blieb an Kyle Nimbus hängen, der wütend gegen die Scheibe schlug, immer wieder und wieder. Er war der Schwierigste der Fünf.
„Und wie weit ist die Forschung zum Heilen der Metas?", wollte der Agent wissen. Er drehte sich herum, eine Hand lässig in der Hosentasche vergraben und musterte Harrison abschätzig.
„Das können wir nicht genau sagen, es ist ein bisher unerforschtes, höchst komplexes Fachgebiet", antwortete der Brillenträger ruhig. Er streckte seinen Arm aus und deutete auf sie. „Samantha hat jedoch bereits den ersten Durchbruch erzielt. Sie ist ein junges Genie, das ich so wie Cisco und Caitlin auch unter meine Obhut gestellt habe. Ich bin mir sicher, nein - ich weiß, dass wir zusammen einen Weg finden werden", fuhr er fort. Owen stellte weitere Fragen zur Forschung sowie zum Zeitpunkt, ab dem die Meta-Wesen geheilt wären. Hakte nach, wie er sich die künftige Zusammenarbeit mit dem CCPD vorstelle, doch bekam Sam kaum etwas davon mit. Genau genommen hatte ihr Kopf ab den Worten ‚junges Genie' abgeschaltet. Ihr Blick wanderte immer wieder zu Harrison, so sehr sie auch versuchte sich davon abzuhalten. Er glaubte an sie, so, wie es noch niemand zuvor getan hatte. Er war so gut zu ihr, er war perfekt. Und sie? Sie war ihm erlegen. Und sie wollte ihn küssen, nein, sie wollte von ihm geküsst werden. Erneut.
„Ein junges Genie, hm?", raunte Amber neben ihr in ihr Ohr, sodass Sam ihr rotes Gesicht in ihrer Hand vergrub.
„Am, bitte, Schluss jetzt", hauchte sie leidend. Es war zu viel für sie.

Als das Team den Cortex erreichte, sah sich Owen einen Moment um. Er wollte alle erhaltenen Informationen nochmals im Kopf durchgehen, ehe er eine Entscheidung traf. Dabei spürte er die Blicke aller auf sich. Die anfängliche nervöse Spannung lag wieder in der Luft. Schließlich sah der Blonde zu Harrison und streckte ihm diplomatisch seine Hand entgegen.
„Wir werden vorerst so verfahren und sehen, wie es funktioniert. Ich gebe Ihnen in dem Punkt recht, dass Meta-Wesen Gefahr liefen, als Waffen missbraucht zu werden und um diesem Risiko entgegenzuwirken schlage ich vor, die Meta-Wesen unter Verschluss zu halten. Hier, in Star Labs. Solange, bis meinen Vorgesetzten eine bessere Lösung eingefallen ist. Solange können Sie Ihre Forschung fortführen, Dr. Wells."
Der Wissenschaftler nickte besonnen und ergriff die Hand des FBI-Agenten. Owen hörte, wie das Team um ihn herum erleichtert ausatmete. Als er wieder vom Wissenschaftler abließ, sah er zu Flash, der sich bei den logistischen Fragen größtenteils herausgehalten hatte. Stumm nickte der Speedster und streckte ebenfalls seine Hand vor. Owen erwiderte die Geste.
„Ich mache das hauptsächlich zum Schutze meiner Leute, damit sowas wie mit Miller nicht noch einmal passiert. Mein Vertrauen jedoch musst du dir erst noch verdienen", erklärte er ihm streng. 
„Das ist mir bewusst, Agent Madock. Ich weiß, dass Sie diese Entscheidung treffen, um Ihr Team in Sicherheit zu wissen", antwortete der Rottragende mit verzerrter Stimme. Kurz glitt Owens Blick zu Amber, die versetzt neben ihm stand und ihn ansah. Anschließend sah er wieder vor zu Flash.
„In Ordnung, dann auf gute Zusammenarbeit, Flash", raunte er und ließ seine Hand wieder sinken. „Künftig werden wir euch einbeziehen, wenn es Hinweise auf ein neues Meta-Wesen gibt und du", er deutete auf Cisco, der erschrocken zusammenzuckte. „Wage es dir noch einmal, dich in meine Datenbank zu hacken und ich ziehe dir die Ohren lang." Kapitulierend hob der Langhaarige seine Hände. Owens IT-Team hatte die Verbindung hierher zurückverfolgt.
„Ich habe ja jetzt keinen Grund mehr, Sie zu hacken, Agent", sagte der Jüngere kleinlaut. Missbilligend schnaubte Owen und drehte sich anschließend herum.
„Mason, wir gehen", sagte er streng und hob kurz zum Abschied seine Hand.
„Ja, Sir, Agent Madock, Sir!", sagte sie übertrieben und salutierte. Wohlwissend, dass sie ihn aufzog blickte er über seine Schulter und warf ihr einen strengen Blick zu, ehe er sich mit einem Augenrollen in Bewegung setzte, zurück zum Fahrstuhl. Kurz winkte Amber dem Team noch und trottete ihm anschließend hinterher.

„Find ich gut, dass du den Deal angenommen hast", sagte die Blondine, als sich die Fahrstuhltüren vor ihren Augen schlossen. Das Gefährt setzte sich in Bewegung. „Ich muss gestehen, ich war skeptisch, ob du diesen Schritt wirklich gehst", fügte sie hinzu und sah zu ihm. Owen hingegen blickte starr geradeaus. Seine Silhouette spiegelte sich in der verchromten Tür.
„Zum Schutze meiner Leute. Es gefällt mir trotzdem nicht, nur einem einzigen Mann die Sicherheit der Stadt zu überlassen", erklärte er monoton.
„So ist es doch nicht. Das CCPD unterstützt Flash doch trotzdem, er kämpft nur an vorderster Front gegen Metas, aber wir, wir werden direkt hinter ihm stehen, auf die Bewohner Acht geben und ihm helfen", erwiderte Amber optimistisch. Mit hochgezogener Augenbraue blickte der Agent zu ihr und musterte sie einen Augenblick lang. Als das helle Geräusch des Fahrstuhls ertönte, sah er wieder nach vorn. Die Türen öffneten sich, die beiden Partner stiegen aus. „Und das Vertrauen in Team Flash kommt auch nach und nach, da bin ich mir sicher", fügte sie hinzu. Stumm lief Owen in Richtung Ausgang. Er antwortete nicht auf ihre Worte, dachte sich jedoch seinen Teil dazu. Dem Team vertrauen? Flash vertrauen? Vielleicht, mit der Zeit. Doch Harrison Wells, ihm vertraute er nicht. Vertraute diesem seltsamen Ausdruck in seinen Augen nicht, dem falschen Lächeln, den geschickt gewählten Worten. Dieser Mann - er verbarg etwas und der Schritt ihn in sein Labor zu lassen war nur ein weiterer Schachzug gewesen, um ihn auf eine andere Fährte zu locken, weg von ihm. Doch Owen war kein Narr, er würde sich nicht linken lassen wie die Anderen. Er wusste, der Wissenschaftler verbarg noch mehr und er würde es herausfinden. Das wahre Geheimnis um diesen Mann lüften.

Die Anspannung fiel von dem Team, kaum hatten Agent Madock und Amber den Cortex verlassen. Tief seufzend fuhr sich Cisco durchs lange Haar, Caitlin atmete tief durch, Barry nahm zufrieden seine Maske ab und Harrison nickte ruhig.
„Na das lief doch wie am Schnürchen", kommentierte der Langhaarige schließlich, derweil Sam neben ihm am Computerpult Platz nahm.
„Ja, aber nur, weil sich Dr. Wells so hervorragend auszudrücken weiß", rügte sie ihren Sitznachbarn, der dazu tendierte die Dinge vereinfacht wahrzunehmen, wenn sie erst einmal überstanden waren. Als ihr ihre Worte bewusst wurden, errötete sie leicht und lugte unauffällig zum Wissenschaftler, der sie eingehend musterte. Ein charmantes Lächeln lag auf seinen Lippen.
„Herzlichen Dank, Sam", erwiderte er geschmeichelt, sodass sie ihren Blick rasch wieder abwandte und murmelnd abwinkte. Kurz darauf spürte sie einen Windhauch im Gesicht, der sie etwas abkühlen konnte und wusste, es war Barry, der sich wieder umgezogen hatte. Sie hob ihren Kopf und sah zu ihm.
„Jetzt, wo wir auch diese Hürde gemeistert haben, können wir uns endlich wieder der Suche nach dem Reverse Flash widmen", wechselte der Speedster das Thema. Der Reverse Flash, ja ... eine weitere Baustelle in ihrem Kopf. Noch immer wusste sie nicht, wieso er sie gerettet hatte und was in ihm vorging.
„Das werden wir, Barry. Solange es ruhig in der Stadt ist, werden wir uns ihm widmen", versprach Harrison seinem Schützling. Schnaubend verschränkte Cisco seine Arme hinter seinem Kopf.
„Ich kann's noch immer nicht fassen, das ausgerechnet Sam die Idee hatte, ihn den Reverse Flash zu nennen", murmelte er, das Gesicht missmutig verzogen. Ihr Kopf schnellte zum Langhaarigen, ein empörter Laut entwich ihr.
„Was heißt hier ‚ausgerechnet Sam'?", wiederholte sie brüskiert und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
„Naja, du wolltest Echo ‚Batman' nennen."
„Batman wäre total der coole Name gewesen", verteidigte sie sich.
„Siehst du? Davon rede ich. Daher verstehe ich nicht genau, wie ausgerechnet dir Reverse Flash einfallen konnte", argumentierte er und vollführte eine lapidare Handgeste. Barry und Caitlin grinsten, Harrison verbarg sein Schmunzeln hinter seinem Zeigefinger. Das Leuchten in den Augen, wann immer er Sam ansah, konnte er hingegen mit jedem weiteren Tag weniger verstecken. An diesem Abend bemerkte es Caitlin, als sie kurz zu ihrem Vorgesetzten herüber blickte, sodass sich ein kaum merkliches, wissendes Lächeln auf ihre Lippen stahl.

Es war spät, als sich die Tür zur Zeitkammer hinter seinem Rücken schloss. Der Wissenschaftler erhob sich von seinem Rollstuhl, streckte seinen müden Rücken durch und massierte sich den schmerzenden Nacken. Langsam trat er an das Pult heran, wo Gideon bereits seine Befehle erwartete. Er führte seine Hand an die leuchtende Fläche und aktivierte die KI, die ihm schon viele Abende Gesellschaft geleistet hatte. Bis auf jene, in denen Sam bei ihm gewesen war.
„Guten Abend, Dr. Wells", grüßte ihn die mechanische, weibliche Stimme. Sie war gut programmiert, dennoch glich sie dem Klang einer echten Stimme in keiner Weise. Sie klang gestelzt, gefühllos, unecht. Sams Stimme wohnte ein weicher Klang inne, wann immer sie ihn ansprach. Manchmal, wenn sie nervös war, zitterte sie leicht.
Der Wissenschaftler ließ seine Logbucheinträge öffnen, um sie um einen weiteren Eintrag zu ergänzen. Er nannte den heutigen Fortschritt mit Agent Owen Madock mit der Anmerkung, dass er ihm nach wie vor nicht zu trauen schien. Doch würde die Zeit zeigen, wie weit sein Misstrauen tatsächlich reichte. Anschließend wechselte er das Thema zu Barry, der die gewünschten Fortschritte machte und nun wieder ein Ziel vor Augen hatte, jetzt, wo der Reverse Flash wiederholt aufgetaucht war. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Wer hätte gedacht, dass es ausgerechnet Sam war, die ihn benannte? Die ihm jenen Namen gab, mit dem er in die Geschichte als Flashs ewiger Erzfeind eingehen würde. Somit hatte er seinen Ursprung in dieser neuen Zeitlinie umso mehr bei der Brünetten. Er formte sie, irgendwann würde sie ihn formen - es war ein ewiger Kreislauf, aus dem keiner von ihnen ausbrechen konnte.
Der Dunkelhaarige ließ vom Pult ab und begann rastlos durch den Raum zu laufen, während er seinen Eintrag zu Sam diktierte. Als er endete, verharrte er an Ort und Stelle und nutzte den Moment der Ruhe, um in sich zu gehen. In den letzten Tagen hatte er es geleugnet, hatte seine Augen davor verschlossen und versucht diese Erinnerung aus seinem Kopf zu verbannen. Die Erinnerung an den Kuss. Der Kuss, der von ihm ausgegangen war. Tief seufzend fuhr sich Eobard übers Gesicht. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Die Antwort lag wohl auf der Hand. Gar nichts, er hatte nicht überlegt und diese Handlungsart passte nicht zu ihm, wo er doch jeden Schritt vorher genauestens plante. Diesen hingegen nicht. Es hatte ihn überkommen. Doch konnte er diesen Fehltritt zu seinem Vorteil nutzen. Sam erlag ihm nun mehr denn je, so wäre es leichter, sie zu lenken. Der Plan, der stand an oberster Stelle. Er wollte nach Hause kommen und Sam konnte ihm am Ende vielleicht dabei helfen, wo sie doch allmählich eine enge Freundschaft zu Barry aufbaute.
Ja, der Plan. Alles, was er hatte, alles, woran er sich klammerte. Der Grund, wieso er die Einsamkeit all die Jahre ertragen hatte, das Leben unter den Toten. Auch, wenn Sam ihm diese Zeit versüßte, jeden Tag, seitdem sie in seinem Team war. Und er trotz aller Bemühungen ihre weichen Lippen auf seinen nicht vergessen konnte sowie das Gefühl am Leben zu sein, wenn sie bei ihm war, im Reich der Toten.

Auch in dieser Nacht hatte Sam kaum schlafen können. Wann immer sie ihre Augen schloss, musste sie an den Kuss denken und wenn dies geschah, begann ihr Herz so schnell zu schlagen, dass an Schlaf nicht zu denken war. Es war aussichtslos. Ein klagender, heiserer Laut entwich der Brünetten, der an eine sterbende Ziege erinnerte, während sie mit dem Kopf auf ihrem Wissenschaftsbuch lag. Riley blickte besorgt zu ihr, ebenfalls in einem Buch lesend. Die Semesterferien standen vor der Tür, was bedeutete, dass es wieder eine Hausarbeit zu schreiben galt, für die die beiden Freundinnen recherchieren wollten. Doch nützte es nichts hier zu sitzen und in einem Wissenschaftswälzer zu lesen, wo Sam doch an nichts Anderes als an Harrison denken konnte. Wieso hatte er sie geküsst? War es wegen der Sorge gewesen, da sie beinahe in den Tod gestürzt wäre? Hatte es ihm gefallen, sie zu küssen? Würde er es wieder tun? Fragen über Fragen. Ihr Gedankenkarussell drehte sich immer schneller werdend, sodass Sam schwindlig wurde. Wieder entwich ihr ein wehklagender Laut, sodass Riley ihr Buch mit einem tiefen Seufzen zuklappte und sich zu ihr herüber beugte.
„Jetzt erzähl schon, Sammy, was ist passiert?", hakte sie nach. Diese Frage hatte sie ihr bereits vor geraumer Zeit gestellt, doch hatte sich die Brünette geweigert zu antworten. Auch dieses Mal schüttelte sie stumm ihren Kopf, wobei ihre Stirn über die aufgeschlagenen Buchseiten rieb. Sie konnte nicht erzählen, was passiert war, sie konnte es ja nicht einmal aussprechen. Langsam hob Riley ihre Hand und tätschelte ihre Schulter. „Nun komm schon, du kannst mir doch alles sagen, Sammy", animierte sie ihre Freundin weiter.
„Nein", jammerte Sam in ihr Buch.
„Aber ganz offensichtlich macht es dich total fertig, also los, sag schon. Danach wird es dir bessergehen", wisperte Riley sanft.
„Ich kann nicht", nuschelte sie.
„Wieso?"
„Weil ich es nicht aussprechen kann", hauchte die Brünette und spürte, wie sich ihre Wangen erhitzten.
„Hat es was mit Harrison zu tun?", fragte Riley weiter, die das Geheimnis ganz offensichtlich aus ihr heraus kitzeln wollte. Schwerfällig nickte Sam in ihr Buch. „Los, erzähl schon. Wenn du es nicht sagen kannst, dann schreib es auf", bot die Kleingewachsene an und schob ihr ihren Block mitsamt Stift zu. Sam drehte ihren Kopf, beäugte das Papier einen langen Moment und richtete sich schließlich träge auf, derweil ihre Hand nach dem Kugelschreiber griff. Sie sah zu Riley, deren manga-ähnliche blaue Augen sie erwartungsvoll musterten und begann schließlich zu schreiben. Langsam, Buchstabe für Buchstabe.
„Aber wehe, du hängst es an die große Glocke", warnte sie ihre Freundin wispernd vor, als sie beim Harris angekommen war, warf ihr einen mahnenden Blick zu und schrieb schließlich weiter. Ihr Herz drohte ihr aus der Brust zu springen, als sie den Kurztext beendete.
Harrison hat mich vor wenigen Tagen geküsst.
Riley beugte sich zu ihr, begutachtete das Schriftstück und begann urplötzlich laut zu quietschen, während sie wie verrückt mit den Händen wedelte, sodass die ganze Bibliothek zu ihnen blickte, teils verwirrt, teils verärgert.
„Riley, sei ruhig!", zischte Sam und hielt ihr die Hand vor den Mund, während sich die Blondine nicht mehr einzukriegen schien.
„Ich wusste es!", posaunte sie laut raus und erhob sich. Wieder ernteten sie wütende Blicke. Mit purpurroten sah Sam zu ihrer Freundin auf, die ihr Handgelenk ergriff und ihr entgegen strahlte. „Komm, Sammy, hier können wir nicht reden", sagte sie grinsend und zog sie auf ihre Beine.
„Ich will auch gar nicht reden", murrte die Brünette peinlich berührt, ließ sich jedoch von ihrer Freundin mit sich nehmen, sodass sie die Bibliothek schnellen Schrittes verließen.
„Oh doch, du musst mit jemandem darüber reden, sonst platzt du noch innerlich", kicherte die Kurzgeratene.

Stumm nippte Sam an ihrem Coffee-To-Go-Becher, das Gesicht peinlich berührt verzogen, während Riley neben ihr immer wieder fiepte, wie süß ihre Geschichte doch war und dabei wie ein Flummi neben ihr hersprang.
„Ich habe einfach gewusst, dass was zwischen euch passieren wird, ich wusste es!", lachte sie glücklich.
„Woher?", fragte Sam leise, starr gerade aus schauend, während die Röte auf ihren Wangen nicht weichen wollte.
„Keine Ahnung, einfach Intuition, schätze ich. Von dem, was du mir immer erzählt hast, da wusste ich einfach, dass er dir verfallen ist", kicherte die Kleingewachsene vergnügt. Sam verschluckte sich an ihrem Kaffee. Sie blieb stehen, hustete und fasste sich an den schmerzenden Brustkorb. Behutsam tätschelte Riley ihr den Rücken, noch immer breit grinsend. „Tut mir leid", entschuldigte sie sich vergnügt, umfasste ihre Schultern und beugte sich geheimniskrämerisch zu ihr vor. „Aber jetzt erzähl schon weiter, wie war der Kuss? Wie lange hat er gedauert, wie hat es sich angefühlt, war er mit Zunge?"
„Riley!", brüskierte sich Sam, die dieses Verhalten der sonst schüchternen Blondine nicht gewöhnt war. Amber würde sie derartige Fragen zutrauen, der Kleingewachsenen jedoch nicht.
„Was denn?", lachte ihre Freundin.
„Also erst einmal: er ist mir nicht verfallen, er - ich habe keine Ahnung, was er ist und wieso er es getan hat und ich kann und will darüber auch gar nicht nachdenken, okay? Und zweitens hat dich Josh total versaut, du warst mal so unschuldig!", beschwerte sich Sam, nahm ihren Worten jedoch die Härte, indem sie die Jüngere am Hals kitzelte. Kichernd trat Riley ein paar Schritte zurück, die Hände schützend vorgestreckt.
„Josh hat mich nicht versaut, ich bin eben neugierig, schließlich vergötterst du diesen Mann nun schon wie lange? Und jetzt hat er dich geküsst, Sammy, er dich! Das ist doch wunderbar!", schwärmte sie. Sam trank den Rest ihres Kaffees aus und schmiss den Becher in den Mülleimer unweit von ihnen entfernt.
„Ich weiß nicht, ob es wunderbar ist, ich weiß überhaupt nichts", nuschelte sie kleinlaut. Fragend musterte Riley sie. „Mein Kopf, er ist total blank, ich kann nicht richtig denken, ich kann auch nicht wirklich was essen und schlafen auch nicht", offenbarte Sam mit träger Stimme. Sie spürte, wie Riley ihre Oberarme umfasste und sah zu ihr, das Gesicht gepeinigt verzogen. Die Blondine hingegen lächelte aus tiefstem Herzen.
„Weil du so sehr in ihn verliebt bist, Sammy", übersetzte sie ihr Verhalten und lächelte breiter. „Und das ist etwas ganz Wunderbares." Sams Mundwinkel zogen sich zu einem schiefen Lächeln nach oben. Ja, es war etwas Wunderbares, auch, wenn der überraschende Kuss sie vollkommen aus der Bahn geworfen hatte, so war das Gefühl gleichermaßen atemberaubend. Und es machte nichts, dass sie nicht klar denken konnte, das wollte sie zugegeben auch gar nicht. Sie wollte nicht darüber grübeln, was genau das zwischen ihnen gewesen war, wieso der Wissenschaftler die Initiative ergriffen und sie geküsst hatte. Alles, was sie wollte war, dass er sie erneut küsste.
„Können wir bitte das Thema wechseln und irgendetwas tun, um mich ein wenig abzulenken?", flehte die Brünette schließlich, als sie spürte, wie sich ihr Herzschlag wieder ins Unermessliche zu beschleunigen begann, woraufhin Riley rasch nickte.
„Natürlich können wir. Meine Schicht in Mercury Labs beginnt erst in zwei Stunden und solange können wir durch die Stadt bummeln, wenn du magst", schlug sie vor. Sam, die hoffte, dass sie eine kleine Shoppingtour von ihren Gedanken abbringen würde, stimmte sogleich zu.

Doch ging der Plan nicht auf. Ganz gleich, in welche Läden sie gingen, wie viele Klamotten sie begutachtete, sie konnte immer nur an Harrison denken, die ganze Zeit. Ihre Finger fuhren über den Stoff eines karierten Faltenrockes, der ihr ins Auge gesprungen war. Ob es ihm gefiel, wenn sie so etwas trug? Würde es ihn reizen, sie erneut zu küssen? Sie nahm den Rock von der Stange und musterte ihn eingehend. Er war süß, würde ihre langen Beine betonen. Würde er es auch so sehen?
„Oh, der ist ja niedlich!", sagte Riley neben ihr, die mit einem Berg Klamotten in den Armen neben ihr auftauchte. „Den solltest du anprobieren!" Rasch hing sie den Rock zurück und schüttelte ihren Kopf.
„N-Nein, passt schon", erwiderte Sam. Fragend verzog Riley ihr Gesicht, doch winkte Sam nur ab nicht in der Stimmung zu sein etwas zu kaufen und bot ihr anschließend an, sie zu den Umkleiden zu begleiten, um ihr beratend zur Seite zu stehen. Schulterzuckend stimmte Riley zu und so liefen die beiden Freundinnen los.
Die Sessel vor den Umkleiden waren bequem, so ließ sich Sam erschöpft auf einen plumpsen und lehnte sich zurück, derweil die Blondine in der zweiten Kabine verschwand. Riley von dem Kuss zu erzählen hatte sie umso mehr aufgewühlt, wenn sie ehrlich war. Auch vermisste sie den Wissenschaftler in diesem Moment so sehr, dass sie glaubte daran zu zergehen. Seufzend stützte sie ihren Kopf auf ihre Hand. Ihre Gefühle für Harrison waren völlig außer Kontrolle geraten und sie fragte sich, wie er sich wohl fühlte und was er dachte. Sie konnte einfach nicht erkennen, wie es in seinem Innern aussah.
„Entschuldige", ertönte eine männliche Stimme neben ihr. Fragend hob Sam ihren Kopf und sah in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Ein junger Mann stand vor ihr, sie schätzte ihn auf ihr Alter, und schenkte ihr ein schiefes Grinsen, das seine spitzen Eckzähne hervorblitzen ließ. Er war braun gebrannt, hatte schokoladenfarbene Augen und braunes, volles Haar. das wild zur Seite stand, so als wäre er sich des Öfteren mit den Fingern hindurch gefahren.
„Ja?", erwiderte Sam verwirrt. Der Fremde kam auf sie zugeschritten und fuhr sich kurz über seinen Dreitagebart.
„Ich bräuchte mal weibliche Beratung, wenn es okay für dich ist." Perplex hob Sam eine Augenbraue. Der Braunhaarige deutete auf sich, sein Grinsen wurde breiter, sodass einige Lachfalten unter seinem Bart zum Vorschein kamen. „Es ist echt nicht leicht, sich für neue Klamotten zu entscheiden, wenn ich ehrlich bin und ich bin neu hierher gezogen, daher gibt es keinen, der mich begleitet." Sam schnaubte amüsiert und zeigte Erbarmen mit dem hübschen Fremdling. Sie drehte sich gänzlich zu ihm herum und beäugte den bunten Pullover, den er trug.
„Soll ich ehrlich sein?", fragte sie ihn.
„Oh, ich bitte darum", kam es zurück. Sam legte ihre Stirn in Falten, der Braunhaarige musterte sie gespannt. „Und, was sagst du?"
„Der Pullover, er", begann sie zögerlich, überlegend, wie sie ihre Worte am besten formulierte, „er ist scheußlich."
„Scheußlich?", hakte der junge Mann nach. Sam nickte, ein entschuldigendes Grinsen lag auf ihren Lippen.
„Ja, scheußlich. Um ehrlich zu sein würde ich den nicht mal tragen, wenn man mir pro Stunde einhundert Dollar geben würde, so scheußlich ist er. Den solltest du gar nicht zurückhängen, sondern ihn lieber kaufen, um ihn dann in den Müll zu schmeißen, damit ihn sonst keiner kauft, denn damit tust du einem jeden hier einen riesigen Gefallen", präzisierte sie ihre Worte. Der Fremde hob eine Augenbraue, sein Grinsen wurde breiter.
„Tatsächlich", hakte er nach.
„Oh ja, das ist mein voller Ernst. Ich glaube, ich habe noch nie einen so hässlichen Pullover gesehen", fuhr Sam ungeniert fort. Der Fremde räusperte sich kurz, schien sein Lachen verstecken zu wollen. Verwirrt verzog Sam ihr Gesicht. „Was ist denn?", hakte sie nach. Der Braunhaarige hüstelte und sah anschließend zu ihr, ein diebisches Funkeln in den Augen.
„Es ist schön, eine ehrliche Meinung zu hören, aber eigentlich ging es um die Hose", sagte er und deutete auf die dunkle Jeans, die er trug. Sam verstand im ersten Moment nicht. „Der Pullover, der gehört mir." Sogleich riss Sam ihre Augen auf, starrte den Fremdling an und errötete.
„Oh", entwich es ihr.
„Ja, oh", antwortete ihr Gegenüber und lachte schließlich losgelöst, während Sam ihr Gesicht vor lauter Scham in ihren Händen vergrub.
„Oh Gott, das tut mir total Leid! Wie peinlich", nuschelte sie in ihre Handflächen. Dass ihr jetzt auch noch sowas passierte. Harrison legte tatsächlich ihren ganzen Kopf lahm.
„Hey, macht doch nichts. Wenigstens mal jemand, der ehrlich ist, da bin ich eigentlich sogar ziemlich dankbar für", erwiderte der Braunhaarige und winkte lässig ab. Sam lugte unter ihren Fingern hervor.
„Sicher?" Der Fremde nickte, ein aufrichtiges Lächeln zierte seine Lippen. Die Brünette ließ ihre Hände wieder sinken und deutete auf die Jeans, über die er ihre Meinung eigentlich hatte hören wollen. „Die Jeans sieht jedenfalls gut aus", erklärte sie.
„Ach, echt? Na ein Glück, immerhin etwas", grinste er. Sam wusste, dass er sie aufzog, weshalb sie ihm die Zunge herausstreckte. „Jedenfalls, danke für deine Beratung", fügte er mit einem kurzen Zwinkern hinzu. „Man sieht sich!" Mit diesen Worten verschwand er in der Kabine. Sam winkte ihm, hoffte jedoch, ihn nie wieder zu sehen, bei der Peinlichkeit, die ihr unterlaufen war. Tief seufzend senkte sie ihren Kopf und fuhr sich durchs braune Haar, woraufhin Riley mit ihrem ersten Outfit aus der Kabine getreten kam und sie neugierig musterte.
„Was war denn das gerade?", hakte sie grinsend nach. Sam jedoch winkte nur ab. Sie hatte schon genug mit sich zu kämpfen an diesem Tag.

Auch an diesem Nachmittag gab es nicht sonderlich viel zutun für Amber. Der Besuch von Star Labs am gestrigen Tag war das berufliche Highlight ihrer Woche gewesen, was so gesehen recht traurig war. Der Blondine dürstete es nach Abenteuern, nach spannenden Fällen, die es zu lösen galt, doch war es vergleichsweise ruhig in Central City. Kein Meta-Wesen weit und breit und die gewöhnlichen Kriminellen schienen sich auch alle zurückgezogen zu haben, aus Angst vor Flash. Zumindest lag kein neuer Fall auf ihrem Tisch.
So glaubte die Blondine, auch an diesem Tag wieder vor Langeweile dahin vegetieren zu müssen, als plötzlich ihr rettender Schutzengel in Form von Joe West auftauchte, eine Akte in der Hand haltend. Wie eine hungrige Hyäne, die seit Wochen nichts gefressen hatte, starrte sie sie den Ordner an als wäre er ein saftiges Stück Fleisch. Skeptisch hob der West Vater eine Augenbraue.
„Du wirst mich aber nicht gleich angreifen, um mir die Akte zu entwenden, oder? Weil ich wollte damit eh zu dir", erklärte der Ältere ruhig. Sogleich zogen sich Ambers Mundwinkel zu einem Strahlen nach oben.
„Bitte sag, du hast was Spannendes da drinnen und willst es mit mir teilen", flehte sie und schlug ihre Hände gegeneinander.
„Vielleicht", köderte sie Joe. Ambers Augen wurden größer, ihr Lächeln breiter. „Eine Mordserie in Starling City, die sich zum echten Problem entwickelt. Sie fordern ein paar Leute vom CCPD an, die bei den Ermittlungen helfen und ich dachte, ich könnte dich ruhig mitnehmen, Mason. Wo du doch jetzt nicht mehr ganz so grün hinter den Ohren bist." Amber erhob sich, wobei ihr Bürostuhl nach hinten gegen ihren Aktenschrank rollte. Joe hatte ihr gerade ihren Tag gerettet, nein, ihre gesamte Woche.
„Ich könnte dich gerade richtig fett umarmen, Joe!", rief sie freudig und wollte um ihren Tisch herum zum West Vater laufen, doch schnitt ihr Owen den Weg ab, auf dem Weg zur Kaffeemaschine.
„Das können Sie vergessen, Mason", sagte er im Vorbeigehen. Verdutzt sah sie zu ihm.
„Was?" Der Agent hielt an und drehte sich mit dem Oberkörper zu Joe und ihr. Eine Hand in der Hosentasche vergraben sah er sie an. 
„Sie können da nicht mit ermitteln, Sie sind noch immer mir unterstellt." Amber klappte die Kinnlade herunter. Zuerst sah sie entrüstet zu Owen, anschließend zu Joe, den sie flehend musterte, um ihn still zu beten etwas dagegen zu sagen, doch hob der Detective nur seine Hände und sagte, er halte sich da raus. So schnellte ihr Blick wieder zu Owen, der seinen Weg zur Kaffeemaschine fortsetzte.
„Warte mal!", sagte sie und eilte ihm hinterher. Mit bebenden Nasenflügeln kam Amber neben ihrem Partner zum Stehen, während er gelangweilt auf ein paar Knöpfen herumdrückte, um seinen Kaffee zu bekommen. Anschließend ließ er seine Hände in seinen Hosentaschen verschwinden, derweil die Maschine vor ihm werkelte. „Wir haben doch überhaupt nichts zu tun, momentan, es ist still geworden und bei Eiling kann ich dir nicht helfen, solange du keine Spur hast. Lass mich mit ermitteln", bat sie.
„Nein", kam es monoton zurück.
„Komm schon Owen, bitte", fuhr Amber fort. Der Agent sah aus dem Augenwinkel zu ihr, musterte sie kurz und fixierte anschließend die Kaffeemaschine mit seinem Blick.
„Nein", wiederholte er streng. „Ich brauche dich hier, du musst mir bei was Wichtigem helfen", sagte er.
„Und bei was?" Amber verschränkte ihre Arme vor der Brust, das Gesicht missmutig verzogen.
„Es hat sich echt viel Papierkram bei mir angehäuft, diverse Akten und lose Blätter. Mein Büro sieht aus wie Sau, das muss mal aufgeräumt werden", schilderte er. Ungläubig starrte Amber ihn an, der Mund stand ihr offen. Sie wartete, dass er auf seine trockene Art sagte, es handle sich um einen Scherz, doch kam keine Auflösung.
„Das ist nicht dein Ernst", sagte sie. Genüsslich nahm Owen seine Kaffeetasse an sich und nippte daran.
„Mein voller Ernst. Und staubig ist es auch." Amber entwich ein empörter Laut.
„Das kannst du verdammt nochmal vergessen!", wetterte sie, entrüstet darüber, dass er ihr die Chance auf einen spannenden Fall verwehrte, ohne gute Begründung. „Ich bin doch nicht deine Putze, ich bin Polizistin! Deinen scheiß Saustall kannst du selbst aufräumen!", beschwerte sie sich, sodass ein paar der anwesenden Polizisten zu ihnen blickten. Owen jedoch blieb sichtlich unbeeindruckt.
„Außerdem muss der Ordner zu den bisherigen Indizien und Informationen zu Eiling sortiert werden, da ich jetzt aktiv damit arbeiten werde", fuhr er ungeniert fort, so als hätte er Ambers Beschwerden einfach überhört. Seinen Kaffee schlürfend setzte sich der Agent in Bewegung und ließ seine junge Partnerin einfach im Regen stehen. Er spürte, wie sich ihre Todesblicke in seinen Rücken bohrten, doch war es dem Agenten gleich. Solange sie in Sicherheit war. 

Abends in ihrem Labor erging es Sam ähnlich wie in der Bibliothek. Sie saß vor ihren Büchern, sah die Wörter, sah die Zahlen, doch schienen sie keinen Sinn zu ergeben. In ihrem Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander, das jegliche Logik sowie jeden Versuch klar zu denken einfach verdrängte. Wann immer sie versuchte an etwas Anderes als den Wissenschaftler zu denken, zerplatzten ihre Gedanken wie Seifenblasen. So saß sie hier, vor ihrem Mikroskop, ihre Notiz- und Lehrbücher neben sich aufgeschlagen und Willens an ihrer Theorie weiter zu forschen, doch war es zwecklos. Ihr Wille allein reichte nicht aus. Seufzend ließ Sam ihren Kopf auf ihr Buch sinken, stützte ihr Kinn darauf und pustete eine verirrte, braune Haarsträhne fort. Dann plötzlich vernahm sie ein leises Klopfen. Fragend drehte sie ihren Kopf und erblickte Harrison, der am Türrahmen stand und sie lächelnd musterte. Hastig richtete sich die Brünette wieder auf, ihr Herz setzte mehrere Schläge lang aus und schlug anschließend viel zu schnell in ihrer Brust.
„H-Harrison", grüßte sie ihn, ihre Körperhaltung verkrampfte sich. Seit Tagen hatte er sie nicht mehr in ihrem Labor besucht, seit dem...
„Mir war gar nicht klar, dass du noch hier bist, Sam", sagte der Dunkelhaarige besonnen und fuhr in ihr Labor. „Die Anderen sind längst weg", ließ er sie wissen. Sam wusste nicht, wieso sie diese Worte so nervös machten. Wieso sie dafür sorgten, dass sich ihr Herz vor Aufregung überschlug. Wieso es so heftig in ihrer Magengegend zu kribbeln begann.
„Ich wollte noch etwas arbeiten", erklärte sie und deutete auf ihre Notizbücher. Wollte, konnte jedoch nicht. Und der Grund dafür kam direkt neben ihr zum Stehen und roch so wahnsinnig gut.
„Das sehe ich", erwiderte Harrison mit einem charmanten Lächeln und besah ihre Aufzeichnungen. Er beugte sich vor, sodass Sam erstarrte, streckte seine Hand aus und nahm eines ihrer Notizbücher an sich. „Darf ich?", fragte er sie, noch immer vorgebeugt, sodass er ihr nahe war. Sein Duft lullte sie förmlich ein. Die Jüngere nickte stumm, nicht in der Lage zu antworten. Er lehnte sich wieder zurück und las darin, ein stolzes Lächeln auf den Lippen, das die Brünette förmlich dahin schmelzen ließ, sofern sie es nicht längst war.
„Ich habe heute aber keine Fortschritte gemacht", gestand sie leise und starrte auf die Tischplatte vor sich. Sie spürte, wie Harrison seinen Kopf drehte und zu ihr sah. Spürte seinen Blick auf sich. „Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren." Erst, nachdem sie den Satz ausgesprochen hatte, wurde ihr bewusst, was sie da zu ihm sagte und riss ihre Augen auf. Am liebsten hätte sie ihre Hand auf ihren Mund geschlagen und wäre aus dem Labor geflohen, stattdessen saß sie auf ihrem Stuhl, ihre tellergroßen Augen nach wie vor auf die Tischplatte vor sich gerichtet. Es wurde still im Raum. Lediglich Sams schweres Schlucken war zu hören, sowie ihre leicht beschleunigte Atmung.

Stumm musterte Eobard Sams purpurrotes Gesicht, das mit jeder Sekunde roter zu werden schien. Er hatte tatsächlich Sorge, dass sie ihm vom Stuhl kippte, dabei konnte ihre Aussage unschuldiger nicht sein, obgleich ihr eine gewisse Botschaft an ihn innewohnte. Da war es wieder - das Kribbeln in seinem Brustkorb. Das Bedürfnis, nein, das Verlangen sie zu reizen, sie aus dem Konzept zu bringen, so wie er es so gern tat, denn faszinierte ihn die Macht, die er auf sie hatte. Der Einfluss. Wie Sam auf ihn reagierte war berauschend, jedes Mal aufs Neue. Er könnte sie ein wenig necken, könnte die Situation etwas auskosten, wo es doch heute nichts mehr für ihn zutun gab. Sein Plan war in vollem Gange, so konnte er sich etwas vergnügen, solange es nicht wieder ausartete.
„Und wieso konntest du dich nicht konzentrieren?", fragte der Speedster mit einem eigentümlichen Lächeln. Er wollte spielen. Sams apfelrote Wangen luden förmlich dazu ein. Geräuschvoll atmete sie aus und senkte ihren Blick, wobei ihr ein paar braune Haarsträhnen ins Gesicht fielen. Das Bedürfnis, die Strähnen zurück hinter ihre Ohren zu schieben, überkam den Wissenschaftler, dennoch bewegte er sich nicht.
„Weil ich mit den Gedanken woanders war", antwortete Sam ihm leise. Eobards Mundwinkel zogen sich nach oben, doch wusste er das Lächeln geschickt hinter seinem Zeigefinger zu verbergen.
„Und wo warst du mit deinen Gedanken?", fragte er weiter, um sie zu necken. Denn das Rot ihrer Wangen - es stand ihr ganz ausgezeichnet, wie er fand. Er mochte die Farbe an ihr, dabei hatte er sie sein Leben lang verabscheut, doch bei Sam nicht. Sie verlieh dieser Farbe einen ganz neuen Reiz. Die Brünette hob ihren Kopf und sah zu ihm, ein gepeinigter Ausdruck zierte ihre Gesichtszüge, sodass Eobard beinahe so etwas wie Mitleid empfand. Die Neugier jedoch, die überwog. Er wollte wissen, wie Sam reagierte, wollte eine Reaktion aus ihr heraus kitzeln.
„Du weißt genau, wo ich mit meinen Gedanken war", hauchte sie plötzlich. Der Wissenschaftler hielt inne, da er mit einer vergleichsweise direkten Antwort wie dieser nicht gerechnet hatte. Sam - sie überraschte ihn immer wieder. Still sahen sie einander an, denn wandte die Brünette ihren Blick nicht wieder ab, sondern erwiderte den seinen, sodass Eobard spürte, wie das Kribbeln in seinem Innern stärker wurde.
„Ach, tue ich das?", erwiderte er. Seine Stimme klang rau.
„Ja, ich glaube, dass du das tust", wisperte Sam. Er betrachtete ihr Gesicht, saugte jede Regung von ihr in sich auf. Ihre trüber werdenden Augen, der verhaltene Biss auf ihre Unterlippe, ihre Finger, die eine Haarsträhne hinter ihr Ohr schoben, so wie er es liebend gern getan hätte. Plötzlich war Eobard nicht mehr der Spielleiter, sondern lediglich ein Mitspieler, so wie Sam auch. Die Kontrolle, er spürte, wie sie ihm entwich. Wie ihm die Fäden aus der Hand glitten. Sam senkte ihren Blick, ihre Finger krallten sich in die Lehne ihres Bürostuhls. Der Wissenschaftler haderte. Er spürte die Anziehung, die von der jungen Frau ausging, sie erinnerte an starken Magnetismus. Das Verlangen Sams Lippen auf seinen zu spüren, ihren süßen Geschmack zu schmecken und ihr liebliche Seufzer zu entlocken breitete sich in ihm aus wie eine Flamme, die immer höherschlug, denn war Sam das Öl, das ihn entzündete, ohne, dass er es verhindern konnte. Was als kleines Spiel zum bloßen Vergnügen begonnen hatte, wurde plötzlich bitterer Ernst. Eobard war zu weit gegangen, einen Fehler, den er sich ungern eingestand.
Er musterte Sam, besah ihr Gesicht, ihre apfelroten Wangen, ihre vollen Lippen, ihre mandelförmigen Augen. Es tat nichts zur Sache, ob er diese Grenze erneut überschritt. Sein Plan - er verlief genau so, wie er es wollte und Sam würde ihm folgen, jetzt mehr denn je. Der Plan stand an oberster Stelle und solange es so blieb, solange er nicht vernachlässigt wurde, konnte er sich seine Zeit bei den Toten versüßen. Nachdem er so viele Jahre in Einsamkeit gelebt hatte, in Isolation. Gedanken, die sich Eobard einredete, während er sich der Brünetten langsam näherte, ihr Kinn sacht umfasste und es anhob, damit sie ihm in die Augen sehen musste. Gedanken, die sein Handeln rechtfertigen sollten, ohne, dass er als derjenige dastand, der die Kontrolle verloren hatte.
Langsam streichelte sein Daumen über ihre Wange. Er konnte ihre Hitze auf seiner Fingerkuppe spüren, es war faszinierend. Leise keuchte Sam und sah ihm in die Augen. Ein sehnsüchtiges Schimmern lag in ihren Iriden. Er wusste den Blick zu deuten, den sie ihm zuwarf. Diesen sehnsüchtigen, flehenden Blick. Sie wollte, dass er sie küsste, hier und jetzt, so wie wenige Tage zuvor. Zugegeben war es auch ihm schwer gefallen, an etwas Anderes zu denken. Sams süßer Geschmack sowie ihre weichen Lippen ließen sich nur schwer vergessen. Eobard fühlte sich wie benommen, während sein Daumen über ihre Wange streichelte und er die Brünette musterte. So als würde er schlafen, doch war er hellwach.
„Harrison", hauchte Sam leise und biss sich auf die Unterlippe. Der letzte Öltropfen, der gefehlt hatte. Der Dunkelhaarige beugte sich vor, derweil er Sams Gesicht zu sich heranzog, sodass sie sich auf halber Strecke trafen und er seine Lippen auf ihre legen konnte. Die Brünette keuchte auf und stützte sich auf seinen Oberschenkeln ab, wobei sich ihre Finger sacht in seine Hose gruben. Eobard ließ seine Hand in ihr weiches Haar gleiten und umfasste sanft ihren Hinterkopf, um den Kuss zu intensivieren. Er war leidenschaftlicher als beim letzten Mal, doch waren sie da gestört worden, noch ehe sie ihn hatten intensivieren können. Diesmal jedoch war niemand da, der sie aufhielt, der ihn davon abhielt von Sam zu kosten. Leise seufzte die Brünette gegen seine Lippen, sodass er spürte, wie ein Kribbeln durch seinen Körper zog. Er legte seinen Arm um ihre Taille und zog sie zu sich, führte sie. Sam gehorchte ihm ohne Widerworte. Sie erhob sich und ließ sich wie vor wenigen Tagen auf seinem Schoß nieder, woraufhin der Speedster seinen Arm um sie schlang, damit sie nicht fiel. Mutig geworden schlang die junge Frau nun ihre Arme um seinen Nacken und ließ ihre Finger hingebungsvoll durch sein Haar fahren, sodass Eobard genussvoll sein Gesicht verzog.
Ein Ausrutscher, den er sich erlauben durfte, solange der Plan an oberster Stelle stand. Diesen Satz wiederholte er wie ein Mantra. Eobard Thawne war ein Stratege, ein Planer und ein Meister der Täuschung. Ja seine Fähigkeit der Maskerade hatte er so perfektioniert, dass es ihm sogar gelang denjenigen zu täuschen, den sonst niemand täuschen konnte - sich selbst.

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