Kapitel 59 - In den Armen des Teufels

Sam hatte schon vieles über den Tod gehört. Über das Gefühl, kurz bevor man starb. Diverse Theorien, Ansichten, Glaubensrichtungen. Sie glaubte nicht an das Jenseits, an das Leben nach dem Tod, doch die Theorie, die sich mit ihrem wissenschaftlichen Glauben vereinbaren ließ war jene, dass das Leben vor dem inneren Auge an einem vorbeizog, sobald man starb. Das Gehirn durchlebte alle Momente noch einmal, jede verknüpfte Synapse reagierte, ehe sie erlosch wie eine Kerze im Wind. So schloss sie ihre Augen, während sie fiel und wartete auf den beschriebenen Augenblick von Menschen, die eine Nahtoderfahrung durchlebt hatten. Wartete darauf, dass sie ihr Leben sah, oder zumindest ihre glücklichsten Momente. Darauf, dass sie Harrison vor sich sah, seine eisblauen Augen, sein warmes Lächeln.
Doch geschah nichts dergleichen. Sam wurde von keiner Erinnerung heimgesucht, auch spürte sie nicht das warme Licht, das sie eigentlich umschließen sollte. Ja sie spürte nicht einmal den harten Aufprall, der sie töten sollte. Was sie hingegen spürte war der kalte Nachtwind, sie hörte das Schallen von Sirenen aus weiter Ferne und sie spürte, wie zwei starke Arme sie umschlossen. Nach Luft schnappend hielt sie sich an dem Unbekannten fest, das Gesicht angstvoll verzogen, die Augen zusammengepresst. Ihre Hand glitt über etwas Ledernes, ertastete einen Blitz. Sie konnte die Konturen auf ihren Fingerspitzen fühlen. Barry. Er hatte es doch geschafft, er hatte sie gerettet.
Sie schlug ihre Augen auf, um ihrem Freund zu danken, doch blickte sie nicht in sein blaugrünes Augenpaar. Zwei blutrot leuchtende Augen sahen ihr entgegen, sodass Sam erschrak. Wie erstarrt sah sie ihn an, ihre Hand war in jeglicher Bewegung verharrt und ruhte nun auf dem rot-schwarzen Blitzemblem auf seiner Brust. Sie war in den Tod gestürzt und in den Armen des Teufels gelandet.
Sie konnte kaum das Gesicht des Mannes in Gelb erkennen, es war wie verschwommen, doch wusste sie, dass er sie ansah, dass er ihr direkt in die Augen sah. Mit einem angstvollen Laut zuckte Sam zusammen, als er sich plötzlich mit ihr in Bewegung setzte. Im Bruchteil einer Sekunde befanden sie sich wieder auf dem Dach, von dem sie gestürzt war, denn war die Luft hier oben kühler und der Wind stärker. Die Brünette wandte ihren Blick nicht von dem Speedster ab, der sie langsam absetzte, sodass sie den harten Untergrund unter ihren Fußsohlen spürte, von dem sie geglaubt hatte ihn nie wieder zu fühlen. Sie verstand nicht. Wo kam er her? Wieso hatte er sie gerettet? Er war ein Mörder, war der Bösewicht, doch war sie selbst nicht stets der Überzeugung gewesen, dass sich die Welt nicht in Gut und Böse unterteilen ließ? Dass es nicht nur Schwarz und Weiß gab, sondern auch etwas dazwischen. Dass ein jeder Mensch sowohl zu Gutem als auch zu Bösem fähig war. Und der Mann in Gelb? Wie es schien, war er der wandelnde Beweis, doch wollte sich Sam damit nicht zufrieden geben.
„Wieso?", fragte sie ihn daher, ihre Stimme zitterte so stark, dass sie sie kaum wiedererkannte. Ihre Hand ruhte nach wie vor auf dem Emblem auf seiner Brust. „Wieso hast du mich gerettet?"
Er antwortete ihr nicht, sondern sah sie einfach nur an. Dann plötzlich verschwand er, genauso schnell, wie er aufgetaucht war. Sie konnte nicht einmal sehen, wohin er lief. Alles, was sie sah, waren rote Blitze.

„Ich bin gleich bei ihr, Dr. Wells, ich werde Sam helfen", sagte Cisco mit lauter Stimme in sein Headset, während er den Wagen in überhöhter Geschwindigkeit durch die Straßen lenkte. In dem Moment, in dem die Brünette panisch in ihr Headset gesprochen hatte, war der Langhaarige umgehend losgehetzt, hatte keine Sekunde gezögert. Er riss seine Augen auf, sein Herz schien ihm aus der Brust zu springen, als der Schrei der Brünetten ertönte. Mit quietschenden Reifen lenkte er den Wagen um die Kurve. Gleich wäre er bei ihr. „Sam, Sam bist du noch da? Geht's dir gut?", rief er in sein Mikro, Panik breitete sich in ihm aus wie eine Seuche. Cisco wurde kreidebleich. Sie antwortete nicht. „Sam?!", versuchte er es erneut, hatte das Gebäude, das ihr zugeteilt worden war, mittlerweile erreicht. Als er vor sich auf die Straße sah, trat er aus purem Reflex auf die Bremse, sodass der Van mit einem hellen Kreischen im Zickzack zum Stehen kam und dabei eine dunkle Bremsspur auf dem Asphalt unter sich hinterließ. Cisco kippte nach vorn, stützte sich am Lenkrad ab und glaubte, seinen Augen nicht zu trauen, als er den Mann in Gelb vor sich sah, mit Sam in seinen Armen. Er war wie erstarrt, rührte sich nicht, sondern beobachtete lediglich, wie er mit der Wissenschaftlerin auf dem Dach verschwand. „Scheiße!", fluchte der Langhaarige, schnallte sich ab, riss die Tür des Vans auf und stolperte aus dem Fahrzeug. Was hatte der Mann in Gelb mit Sam vor, wieso war er hier? Ohne einen weiteren Gedanken darüber zu verschwenden, wie riskant es wäre sich dem Speedster ohne Weiteres entgegen zu stellen, hastete Cisco zum Hochhaus und stieg die Treppen empor, auf dem Weg zu Sam.

Mit einem Kampfschrei schnellte Barry vor, um an Cole vorbei zu kommen, doch gelang es ihm nicht. Es war, als würde er gegen eine Mauer rennen, jedes Mal, wenn der Jüngere seine Schallwellen entsandte, die in jenem Gebiet, in dem Sams Antischallgerät noch nicht aktiviert war, wieder an Stärke gewonnen hatten.
„Lass mich durch, ich muss zu ihr!", schrie Barry und versuchte den Schallwellen zu entkommen, während Cole ihm hinterher jagte. Sie antwortete Cisco nicht mehr. Sie hatte laut geschrien und seitdem hatten sie kein Wort mehr von ihr gehört. „Sam, bitte sag was", keuchte der Speedster kraftlos, als er ein weiteres Mal versuchte Echo zu umgehen. Sein Herz wurde schwer, plötzlich schien ihm der Kampf bedeutungslos. Er fühlte seine Beine nicht mehr, stolperte ein paar Schritte, fing sich jedoch gerade so wieder. Dann, plötzlich -
„Es geht mir gut." Barry riss die Augen auf. Sam! Es war ihre Stimme. Sie lebte.
„Hier bin ich, Flash!", rief Cole mit einem irren Grinsen, öffnete seinen Mund und entsandte viele kleine Schallbomben, die den unachtsamen Speedster zu Boden fegten. Mit einem schmerzvollen Stöhnen schlug er auf einer Rasenfläche auf, doch war jenes Gefühl nichts im Vergleich zum Verlustschmerz, den er für einen kurzen Moment gespürt hatte. Keuchend rappelte er sich wieder auf, stemmte seine Hände in den Rasen unter sich.
„Sam, geht es dir wirklich gut? Was ist passiert?", fragte Barry atemlos.
„Das ist jetzt nicht wichtig, Barry. Wichtig ist, dass du Echo aufhältst", erwiderte sie mit zittriger Stimme. „Ich werde den letzten Stab aktivieren", verkündete sie. Mit einem Nicken erhob sich der Speedster, neue Entschlossenheit flammte in seinen blaugrünen Augen, während er seine Hände zu Fäusten ballte.

Sam stolperte zum Antischallgerät, das auf dem Dach positioniert war. Ihre verletzte Hand hielt sie an ihren Körper, sie fühlte den Schmerz kaum mehr. Vermutlich stand sie unter Schock, es wäre die logischste Erklärung. Und doch funktionierte sie, wie auf Autopilot eilte sie vor, um ihre Aufgabe zu erledigen. Sie erreichte das Gerät und machte da weiter, wo sie von Cole wenig zuvor unterbrochen worden war, indem sie den Knopf betätigte. Das Display begann zu leuchten, das Gerät gab ein Piepen von sich.
„Sam!", hörte sie Cisco hinter sich rufen. Mit bleichem Gesicht rannte er auf sie zu, derweil die Brünette atemlos auf ihre Knie sank und nicht realisierte, was soeben geschehen war.

Keuchend stemmte Eobard seine Hände gegen das Computerpult, als er den Cortex wieder erreichte. Der Anzug war zurück an seinem Platz, die Überwachungsaufnahmen von den Kameras gelöscht. Er wankte leicht und hielt sich an der Lehne seines Rollstuhls fest, während er sich vorbeugte, um zu Atem zu kommen. Er hatte sich überanstrengt, hatte Kräfte aufgewendet, die ihm eigentlich nicht zur Verfügung standen. Doch wäre er nur etwas langsamer gerannt, hätte er sich nur eine Sekunde mehr Zeit gelassen, so wäre Sam getötet worden. Er hatte sie in allerletzter Sekunde erreicht, kurz bevor sie auf dem Bordstein aufgeschlagen wäre. Schwer atmend ließ sich Eobard auf seinem Rollstuhl nieder und versuchte seine Atmung zu kontrollieren. Sie war in Sicherheit, dieser Gedanke schwirrte in seinem Kopf, schien all den Platz darin auszufüllen. Sie war in Sicherheit.

Cole drehte sich herum, als er Sams Stimme vernahm. Laut und deutlich, trotz des Zitterns, das sie verzerrt klingen ließ. Die Miene des Schwarzhaarigen verfinsterte sich. Sie sollte tot sein. Er hatte ihren Überlebenskampf gehört, hatte ihm wie einem Lied gelauscht, doch war sie am Leben. Er biss seine Zähne zusammen. Sam hatte ihn verraten, hatte ihn belogen. In Wahrheit fürchtete sie ihn, so wie alle anderen auch. Sie musste sterben.
„Denk nicht mal dran!", ertönte die Stimme des Speedsters, der mittlerweile wieder auf den Beinen war und auf ihn zugelaufen kam. Cole schnalzte mit der Zunge, ehe sich ein gefährliches Lächeln auf seinen Lippen bildete.
„Du kannst mich nicht aufhalten, Flash. Niemand kann das!", schrie er, öffnete seine Lippen, streckte seine Hände vor und wollte eine Schallwelle entsenden, die seinen Gegenspieler zerfetzen würde, doch scheiterte er. Seine Kraft, sie schien sich zu verflüchtigen, noch ehe sie sich überhaupt manifestieren konnte. „Was zum-"
Weiter kam Cole nicht. Barry, der auf ihn zu geschnellt war, mit vor gestreckter Faust, traf ihn direkt im Gesicht und schleuderte ihn einige Meter zurück. Unsanft landete er auf dem Boden, verstand nicht, was soeben geschehen war. Eine Niederlage jedoch war nicht akzeptabel, seitdem Cole seine Kräfte entdeckt hatte existierte das Wort nicht mehr in seinem Kopf. So rappelte er sich auf, versuchte es erneut. Er schrie, wollte auf den Speedster mit seinem Schallsprung zu sprinten, stolperte jedoch nur nach vorn, da der Antrieb unter seinen Füßen kaum der Rede wert war. „W-Was zum?! Was ist los, was hast du mit mir gemacht?!", wetterte der Jüngling verzweifelt und starrte auf seine Hände.
„Es ist vorbei, Cole", sagte Barry resolut und wischte sich über den blutenden Mundwinkel. „Deine Fähigkeiten werden gerade von meinem Team in alle Richtungen gedämmt, du kannst keinen Schall mehr erzeugen. Ihm wird entgegengelenkt, noch während er deinen Körper verlässt", schilderte er. Wenige Meter vor ihm blieb er stehen.
„Nein, das könnt ihr nicht tun! Das ist nicht - das geht nicht!", schrie Cole verzweifelt. Er durfte nicht scheitern, er war doch etwas Besonderes! Niemand konnte ihn aufhalten, niemand! Er heulte auf und rannte auf Barry zu, der jedoch ohne Müh und Not ausweichen konnte, sodass Cole ins Leere griff und zu Boden stürzte.
„Es ist vorbei", wiederholte der Speedster ruhig.
Coles Fingernägel kratzten über den Asphalt, auf dem er lag, hinterließen blutige Spuren.
„Nein", hauchte er. „Es ist lange nicht vorbei." Er erhob sich, drehte sich herum zu Barry, der ihn furchtlos ansah. Es machte ihn wahnsinnig. Er sollte ihn fürchten, er war es wert, gefürchtet zu werden. Jeder sollte ihn fürchten, jeder einzelne! „Es ist nicht vorbei!", wetterte Cole, hob seine Hände, ballte sie zu Fäusten und schrie, indessen er all seine Kraft mobilisierte, alles, was in ihm schlummerte, jeder Funken an Energie - er setzte ihn frei. Der Speedster setzte einen Schritt zurück, sah entgeistert zu ihm.
„Cole, es ist zwecklos. Deine Schallwellen werden neutralisiert", offenbarte er ihm, doch hörte ihn der Schwarzhaarige nicht. All seine Sinne, all seine Konzentration ruhte auf seinem Inneren. Er hörte seinen eigenen Herzschlag so laut wie tausende Trommeln und schrie kampfeswütig, um den unsichtbaren Energien, die auf ihn einströmten und ihn zu bannen versuchten, entgegenzuwirken. Er würde sich nicht einsperren lassen, nie wieder. Nie wieder würde er sich in Ketten legen lassen.
„Cole!", rief Barry ihm zu und wollte auf ihn gehen, wurde jedoch zurückgehalten. Es schlug ihm entgegen wie ein starker Windstoß, während Cole versuchte aus seinem Gefängnis auszubrechen. Sein ganzer Körper krampfte, seine Adern traten unter seiner Haut hervor, die Blutgefäße in seinen Augen platzten. Doch stoppte der Jüngling nicht. Er fuhr fort, konzentrierte sich auf die schnelle Melodie seines Herzens und schrie all seinen Zorn darüber, dass er nicht verstanden wurde, nach draußen. „Cole, du musst aufhören!", rief Barry, der versuchte die unsichtbare Barriere, die sich um den Schwarzhaarigen gebildet hatte, zu durchbrechen, doch zwecklos.
Echo spürte, wie die Schallenergien aus seinem Körper nach Außen drangen, wie sie immer stärker und stärker wurden. Ein irres Grinsen stahl sich auf seine Lippen, während sein Körper unter der Einwirkung seiner Macht zerstört wurde. Niemand hielt ihn auf. Er war unbesiegbar! Brüllend setzte er ihn frei, seinen letzten Angriff, seine letzte Schallwelle, die die Bäume um ihn herum bog und dabei ein unheilvolles Grölen hinterließ. Wie eine Druckwelle zog sie durch die Umgebung, riss den Speedster von den Füßen, während sich der Körper des Schwarzhaarigen auflöste wie Staub im Wind.
„Ich bin unbesiegbar!", schrie er, ehe er verschwand. Nichts blieb zurück. Nichts, bis auf sein Echo.

Amber und Owen hatten den Kampf von ihrem Standort aus verfolgt. Hinter der Barrikade stehend, die sie errichtet hatten, um nichts ahnende Zivilisten zu schützen, so, wie Sam den Agenten gebeten hatte. Immer wieder hatten sie die Blitze des Speedsters durch die Stadt leuchten sehen, hatten das Knallen und Scheppern gehört, jedes Mal dann, wenn einer der beiden Metas gefallen war. Dann plötzlich war es still geworden, zu still, wie der Blonde neben ihr geraunt hatte. Solange, bis sie den wuterfüllten Schrei Coles hörten, gefolgt von einer starken Druckwelle, die Amber überraschte, sodass sie einen Schritt zurücktaumelte. Owen griff nach ihrem Arm, zog sie zu sich und stellte sich schützend vor sie, während sie abwarteten, bis der Sturm an ihnen vorüberzog. Ein Laut hallte zu ihnen, eine Stimme, die nach und nach verblasste wie ein Echo. Die Polizisten richteten sich wieder auf, Owen ließ von ihr ab und sah kurz zu ihr, um zu überprüfen, ob sie unversehrt war. Stumm nickte Amber, während ihr Herz vor Nervosität schneller schlug. Zumindest glaubte sie, dass es an der Nervosität lag.
„Ist es vorbei?", wisperte sie, denn war die Stille, die dieses Mal einkehrte, anders als jene davor. Owen sah noch einen Moment lang in jene Richtung, aus der die Druckwelle gekommen war, ehe er seinen Arm sinken ließ.
„Ja, es sieht so aus als wäre es vorbei", raunte der Agent und fuhr sich tief seufzend übers Gesicht. Sie wusste, woran er in diesem Moment dachte. An jenes Opfer, das seine versessene Jagd auf Cole Thompson gefordert hatte. 

Mit einem leisen, schmerzvollen Laut zuckte Sam zusammen, sodass Caitlin, die soeben ihr Handgelenk untersuchte, entschuldigend zu ihr sah.
„Wie es aussieht, ist es angebrochen. Es reicht, wenn ich es schiene, aber du darfst es für sechs Wochen nicht belasten. Du hattest wohl Glück im Unglück", erklärte die Ärztin, woraufhin Sam mit einem Nicken zustimmte und anschließend zu Boden sah. Eine bedrückende Stille herrschte im Cortex. Wie es schien, musste ein jeder von ihnen erst realisieren, was geschehen war und vor allem, dass es vorbei war. Kein Schrecken mehr, keine Morde, keine Furcht. Dennoch war der Ausgang der Situation nicht der Beste gewesen, schließlich hatte Sam gewiss nicht gewollt, dass Cole starb, genauso wenig wie der Rest der Gruppe.
„Es war seine Entscheidung", ergriff Harrison das Wort, der bisher seltsam still gewesen und sie lediglich beobachtet hatte. Sie spürte seinen Blick auf sich, die ganze Zeit. Das Team sah zu ihm. „Mr. Thompson wusste, dass er an seine Grenze stößt und doch hat er weitergemacht. Niemanden hier trifft die Schuld, er entschied sich selbst für diesen Weg", sagte der Wissenschaftler ruhig. Stumm nickten die Jüngeren. Anschließend drehte Barry seinen Kopf zu Sam, der tausende Gedanken durch den Kopf schossen, die jedoch nicht nur Echo betrafen. Nein, viel mehr drehten sie sich um den Mann in Gelb, der sie vor dem sicheren Tod bewahrt hatte und sie hatte keine Ahnung wieso. Barry hatte es nach ihrer Erzählung darüber, was geschehen war, genauso wenig geglaubt. Niemand verstand, was in dem Mann in Gelb vor sich ging.
„Hat er irgendetwas zu dir gesagt?", fragte der Braunhaarige, der ebenso über seinen Todfeind zu grübeln schien wie Sam selbst. Langsam schüttelte sie den Kopf.
„Nein, er - er hat mich einfach nur angesehen", sagte sie ehrlich. Barry fuhr sich durchs Haar.
„Ich verstehe das nicht. Was wollte er dort? Und wieso hat er dir geholfen? Das liegt doch gar nicht in seiner Natur", murmelte er vor sich hin.
„Wir wissen doch gar nicht genau, was seine Natur ist", erwiderte sie, woraufhin der Speedster zu ihr sah. Sam glaubte Unglauben in seinen blaugrünen Augen flimmern zu sehen, ja gar einen Funken Enttäuschung und Wut, weil es sich so anhörte, als verteidige sie den Mann in Gelb. Es war sicher nicht ihre Intention, denn wusste sie, was er getan hatte und dennoch. Ihm hatte sie zu verdanken, dass sie noch lebte. „Ich meine, wir wissen so gut wie nichts über ihn, nur, was er dir angetan hat und dass er ebenfalls ein Speedster ist", versuchte Sam ihre vorherigen Worte zu erklären, da sie den Braunhaarigen nicht gegen sich aufbringen wollte.
„Wir werden es herausfinden", kam ihr Harrison zur Hilfe, während Caitlin dabei war ihr verletztes Handgelenk sorgfältig zu schienen. „Doch für heute sollten wir dankbar sein, dass wir alle die Sache unbeschadet überstanden haben", fuhr er fort. Wieder spürte sie seinen Blick auf sich. Langsam hob Sam ihren Kopf - ihre Blicke trafen sich. Sie wusste den Gesichtsausdruck, den der Wissenschaftler aufgesetzt hatte, nicht so recht zu deuten. Sie hatte ihn noch nie gesehen.
„Ja, das bin ich auch", seufzte Barry tief und beugte sich vor, um seine Stirn gegen seine Hand zu stemmen. Als er wieder zu Sam blickte, waren die anfänglichen Vorwürfe aus seinen Augen verschwunden und ein Lächeln zog auf seine Lippen, das schon viel mehr nach dem Forensiker aussah. „Und obwohl er es war, der dich gerettet hat, so bin ich froh. Ich hätte es nicht rechtzeitig zu dir geschafft, Sam. Es tut mir Leid", begann er sich bei ihr zu entschuldigen, sodass die Brünette rasch ihren Kopf schüttelte und aus purem Reflex ihre angebrochene Hand bewegte, woraufhin sie leise auf keuchte und sogleich von Caitlin gelyncht wurde sich nicht zu bewegen. Unnötigerweise entschuldigte sie sich bei der Ärztin und sah anschließend wieder zu ihrem Freund.
„Du musst dich nicht entschuldigen, Barry. Ehrlich. Du hast alles getan, was du konntest und Echo war einfach zu stark", erklärte sie und wedelte nun mit ihrer gesunden Hand, um dem Gesagten Ausdruck zu verleihen. „Ganz gleich wie, letztlich ist doch alles gut gegangen, oder?", fragte sie und schenkte ihm ein besänftigendes Lächeln, das vom Braunhaarigen erwidert wurde.
„Ja, das ist es", antwortete er ihr. Cisco, der neben ihm auf einem Stuhl saß, ließ sich mit einem erschöpften Laut nach hinten sinken und verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf.
„Man, ich glaube, ich brauche erstmal Urlaub, nach der ganzen Sache", jammerte er, sodass Sams Mundwinkel zu zucken begannen. „In die Karibik wäre nicht schlecht oder irgendwo anders hin, wo es warm ist." Sein Blick wanderte zu Harrison. „Dr. Wells, was halten Sie von einem schönen Betriebsurlaub? Da muss doch noch ein bisschen was Erspartes in der Kasse sein, oder? Ich finde ja, wir könnten es verbraten", posaunte der Jüngere.
„Ich befürchte, das Böse macht keinen Urlaub, Cisco, also wir auch nicht", erwiderte der Brillenträger ruhig.
„Was? Na toll. Ich weiß ja nicht wie es bei euch steht, aber ich für meinen Teil brauche Urlaub", brummte der Langhaarige mit verzogenem Gesicht. Tatsächlich entwich Sam ein leises Kichern, auch Caitlin, Barry und Harrison schmunzelten.
„Wenn du willst, kannst du dir einen Tag frei nehmen und an die Küste fahren", schlug der Dunkelhaarige vor.
„Näh, lassen Sie mal. Das bringt es irgendwie auch nicht." 
Während der kleingewachsene Wissenschaftler noch einen Augenblick mit seinem Vorgesetzten feilschte, wanderten Sams Gedanken wieder zum Mann in Gelb, der ihr einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte. Sie hatte das Gefühl, dass er nicht zufällig dort gewesen und sie gerettet hatte. Was hatte er vor, was plante er? Und vor allem: wer steckte hinter der Maske? 

Allmählich kehrte wieder Normalität in der Innenstadt ein. Die Polizeibarrikaden waren abgebaut, kein Zivilist war verletzt worden. Als Hüter des Gesetzes sowie der Schwachen und Ahnungslosen hatten Amber und Owen ihre heutige Aufgabe erfüllt. Und doch war der Agent nicht zufrieden mit sich, er spürte keine innere Ruhe, keine Harmonie, eher im Gegenteil. Ein Sturm wütete in seinem Innern. Es gab einiges, über das der Agent nachzudenken hatte, nach den Ereignissen der letzten Tage. Stumm rieb er sich übers Gesicht. Er saß an seinem Schreibtisch und war gerade dabei den Polizeibericht zu vollenden. Auch würde er am morgigen Tag im Namen des CCPD eine Pressekonferenz abhalten, um die Vorkommnisse an diesem Abend zu erklären, die gewiss nicht unbemerkt an den Bewohnern vorbeigegangen waren. Ein leises Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. Er sah auf und erblickte Amber, die im Türrahmen stand und ihn ansah.
„Komm rein", sagte er mit träger Stimme. Die Blondine kam seinem Befehl nach und näherte sich ihm. Er wusste, was ihr Anliegen war, um ehrlich zu sein hatte er schon auf den Moment gewartet, an dem sie es endlich äußerte.
„Madock, ich weiß es ist spät und vermutlich willst du nichts davon hören, aber wir müssen über Larry Jordan sprechen", verkündete sie mit ernster Stimme. Er wusste, dass sie mit der Brünetten telefoniert hatte, er hatte ein paar Gesprächsfetzen aufgeschnappt, während er hier drinnen gearbeitet hatte.
„Er kommt frei", sagte er ruhig, sodass Amber ihre Gesichtszüge entglitten. Sie hatte wohl mit jeder Antwort gerechnet, doch nicht mit dieser.
„Was?", hakte sie daher nach, die Hand erhoben.
„Ich habe vorhin mit Detective West über ihn gesprochen und habe mich dann dazu entschieden ihn freizulassen. Flash hatte Recht, Meta-Wesen sind keine Angelegenheit, die in die Hände des FBIs fallen sollten. Ich weiß noch nicht, wie ich weiter vorgehen werde, aber ich werde die Tage mit ihm sprechen und hoffentlich werden wir zu einer Einigung kommen."
„Wie jetzt, einfach so? Dabei hatte ich eine flammende, brillante Rede vorbereitet und jetzt änderst du einfach deine Meinung?"
„Deine brünette Freundin hat den Anstoß gegeben, wenn ich ehrlich bin. Du kannst ein Treffen mit dem Team organisieren, richtig?", fragte er, woraufhin Amber missmutig nickte. Owen hob eine Augenbraue.
„Ja, kann ich...", nuschelte sie.
„Wenn du willst, kannst du deine tolle Rede trotzdem vortragen", sagte er sarkastisch, sodass Amber die Lippen schürzte.
„Ne, lass mal. Ich fahre nach Hause", winkte sie ab und wollte sich umdrehen, wurde jedoch unerwartet vom Agenten zurückgehalten.
„Mason", ertönte es. Sie blickte über ihre Schulter. „Bevor du heimfährst, kann ich dich um einen Gefallen bitten?", fragte er sie. Neugierig geworden wandte sie sich wieder Owen zu, der sich von seinem Stuhl erhob und sich sein Jackett überzog. „Ich würde dich bitten, mich zu begleiten." Verwirrt verzog sie ihr Gesicht.
„Wohin?"

Stillschweigend fuhren die beiden Polizisten mit dem Auto durch die beleuchtete Stadt und hielten vor dem Central City Bay Krankenhaus. Auch als sie ausstiegen und durch die hell beleuchteten Flure liefen, auf dem Weg zu einem ganz bestimmten Zimmer, sagte der Agent kein Wort, sodass sich Amber ebenfalls dazu entschied nichts zu sagen. Auch hatte sie das Gefühl, dass Owen nichts hören, sondern sie lediglich an seiner Seite wissen wollte. Immer wieder überraschte er sie und offenbarte völlig neue Seiten an sich. Doch wusste sie, jetzt, wo sie einen Teil aus seiner Vergangenheit erfahren hatte, eine dunkle Erinnerung, die ihn auch heute noch begleitete, wie schwer es ihm fiel Dunkin hier zu besuchen. Nach allem schien sich Owen noch immer die Schuld an seinem schlimmen Unfall zu geben.
Der Braunhaarige, der mittlerweile wieder bei Bewusstsein war, sah überrascht auf, als die beiden Partner am Türrahmen erschienen. Er senkte seinen Comic, den er bis eben gelesen hatte.
„A-Agent Madock", murmelte er perplex. Wortlos betrat der Blonde das Zimmer, gefolgt von Amber. Sie begaben sich zum Krankenbett des Jüngeren, doch nahm Owen nicht Platz, sondern blieb direkt neben dem verwirrten Dunkin stehen. Er sah ihn an, der Braunhaarige sah zurück. Schürfwunden und blaue Flecken zierten sein Gesicht. Amber wollte sich gar nicht ausmalen, wie es unter dem Kittel, den er trug, aussah. Ihr Blick wanderte zu seinen Beinen, die unter der Decke lagen und die er bisher noch kein einziges Mal bewegt hatte. Er würde es nie wieder können. Sie spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog.
„Es tut mir Leid, Dunkin", ergriff Owen plötzlich das Wort, sodass sowohl Amber als auch der Angesprochene entgeistert zu ihm sahen. Wie es schien hatten sie beide eher mit einer Schimpftirade als mit einer Entschuldigung gerechnet. Der Anzugträger ballte seine Hände zu Fäusten. „Es ist meine Schuld, dass es dazu gekommen ist. Ich war so versessen darauf, das Meta-Wesen hinter Gitter zu stecken und Gerechtigkeit walten zu lassen, dass ich das vergaß, was am wichtigsten ist: die Sicherheit meiner Leute", raunte er und verzog sein Gesicht. Dunkin öffnete seine Lippen, doch schien es ihm die Sprache verschlagen zu haben. „Und ich verspreche, ich werde dafür sorgen, dass dir die bestmögliche Handlung zuteil wird. Es gibt ein spezielles Programm, das verletzten Polizisten die Möglichkeit gibt dennoch im Polizeiwesen aktiv zu sein", fuhr er fort.
„Agent Madock, ich-", fand der Braunhaarige seine Sprache wieder, während ihm Tränen in die Augen stiegen. „Es ist meine Schuld, Agent. Ich hätte auf Sie hören sollen und im Auto bleiben müssen, aber ich wollte Sie unbedingt beeindrucken, wollte beweisen, dass ich es drauf habe. Es ist meine Schuld", murmelte er und sah bedrückt auf seine Bettdecke. Tränen tropften auf den weißen Bezug.
„Nein, Dunkin, das stimmt nicht. Dir habe ich mein Leben zu verdanken", sagte Owen und überraschte Amber somit ein weiteres Mal an diesem Tag. „Du hast Mut bewiesen, du hast bewiesen, dass du ein waschechter Polizist bist und ich schwöre, sobald du wieder fit bist, werde ich mir etwas für dich einfallen lassen. Dies ist nicht der Tag, an dem deine Karriere endet." Amber verzog leicht ihr Gesicht, während ihre Augen gerührt schimmerten. Dunkin hingegen hielt es weniger dezent. Mit einem lauten Schluchzen fuhr er sich übers Gesicht und begann dem Blonden immer wieder zu danken, wobei Owen stumm über sich ergehen ließ, dass sein Arm dafür in Mitleidenschaft gezogen wurde, den Dunkin immer wieder weinend drückte.

Es dauerte eine Weile, bis sich der Jüngere wieder beruhigt hatte. Doch hetzte ihn der Agent nicht, im Gegenteil, er gab ihm all die Zeit, die er benötigte, wohlwissend, dass es letztlich er war, der den Zustand des Jüngeren zu verschulden hatte. Am Ende des Gesprächs gab er ihm schließlich seinen Kontakt sowie den eines hervorragenden Arztes, der sich ihm von nun an annehmen würde, dafür würde er persönlich sorgen. Es war nur ein geringer Teil der Schuld, den er begleichen würde und er wusste, gänzlich wäre sie nie beglichen. Dies war eine weitere Last, die er von nun an auf seinen Schultern trug.
Nachdem alles besprochen war und die Krankenschwester bat, den jungen Polizisten nun schlafen zu lassen, verabschiedeten sich die beiden Partner von ihm und gingen ihres Weges. Amber trottete erschöpft neben ihm her und fuhr sich seufzend durchs kurze, blonde Haar.
„Das war gut, Madock", erklärte sie und schenkte ihm ein Lächeln. „Es zeugt von Mumm, das, was du eben getan hast." Der Agent blickte zu ihr.
„Es war bei Weitem noch nicht genug", raunte er.
„Aber ein Anfang", widersprach sie ihm. „Und ich bin Dunkins Meinung, letztlich war es nicht deine Schuld. Die ganze Sache ist einfach nur gehörig schiefgelaufen", fuhr Amber fort und blickte wieder nach vorn. Owen hingegen musterte sie weiterhin, besah ihr Seitenprofil. Er würde aus seinen Fehlern lernen. Er würde auf seine Partnerin Acht geben, würde dafür sorgen, dass sich seine Vergangenheit nicht noch einmal wiederholte und sie zu Schaden kam. Er würde Amber beschützen. 

Es war spät am Abend, als sich das Team nach und nach auflöste und jeder seines Weges ging. Mehrfach wurde Sam gefragt, ob man sie mitnehmen solle. Von Barry, Caitlin und auch Cisco, doch verneinte die junge Frau jedes Mal mit der Erklärung, dass sie noch im Labor bleiben wolle, wo sie nun wieder sicher war, um das Geschehene sacken zu lassen. Amber würde sie später mit dem Auto abholen, da sie selbst noch unterwegs war und Star Labs fast auf ihrem Weg lag.
Stille kehrte in den Cortex ein, sodass Sam die Möglichkeit hatte sich ihren kreisenden Gedanken hinzugeben. Sie saß am Computerpult und hielt ihr verletztes Handgelenk, das eine weiße Schiene zierte, die sie nachdenklich beäugte. Noch immer wollte die Tatsache, dass sie heute beinahe in den Tod gestürzt wäre, nicht bis in ihr Bewusstsein vordringen. Sie hatte so viel Glück gehabt. Es schien, als habe sie einen Schutzengel, der im Stillen über sie wachte und jeden ihrer Schritte beobachtete. Doch war es in diesem Fall kein Engel.
„Samantha", ertönte die Stimme des Wissenschaftlers, der in den Cortex gefahren kam und sich ihr näherte. Überrascht sah sie zu ihm auf. Sie hatte geglaubt, dass er ebenfalls nach Hause gefahren war, da sie ihn eine Weile nicht mehr gesehen hatte. „Ich dachte, du wärst längst Zuhause", erklärte er leise. Ein schwaches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
„Dasselbe habe ich von dir gedacht", offenbarte sie, sodass auch der Wissenschaftler leicht schmunzelte. Dennoch, dieser seltsame Ausdruck in seinen Augen - er war nach wie vor da.
„Ich nutze die Ruhe im Labor gern, um noch einmal in mich zu gehen und über das Geschehene nachzudenken", erwiderte er, wobei er direkt vor ihr zum Stehen kam. Die Jüngere senkte ihren Blick, wobei ihr ein paar Haarsträhnen ins Gesicht fielen und ihre Wangen kitzelten.
„Ja, das geht mir genauso", sagte sie leise. Ihr Blick wanderte wieder zur Schiene um ihrem Handgelenk, Harrisons tat es ihr gleich. Seine Hand erschien in ihrem Blickfeld, die ihren Unterarm vorsichtig umschloss, sodass es sogleich in ihrer Magengrube zu kribbeln begann. Er hob ihren Arm behutsam an und beäugte die Schiene, ehe er seine andere Hand hinzunahm und seinen Daumen sacht über den Stoff fahren ließ. Sams Wangen erhitzten sich, während sie auf seine und ihre Hand sah, um den Blickkontakt mit ihm zu vermeiden. Ihr Herz hämmerte ohrenbetäubend in ihrer Brust.
„Tut es sehr weh?", wollte er wissen, woraufhin Sam ihren Kopf schüttelte. Ein angebrochenes Handgelenk war nichts, was man an die große Glocke hängen musste, auch wollte sie nicht weinerlich ihm gegenüber sein, obgleich sie durchaus Schmerzen hatte. Doch je länger sein Daumen über die Schiene fuhr, desto mehr schienen die Schmerzen zu schwinden, hatte sie das Gefühl.
„Der Mann in Gelb", begann sie leise, um ihr damaliges Gespräch, das sie mit dem Wissenschaftler geführt hatte, wieder aufzunehmen. Aufmerksam sah Harrison zu ihr. „Ich bin jetzt fest davon überzeugt, dass er nicht wie Cole ist", gestand sie. Eine Erkenntnis, die sie sich nicht vor Barry auszusprechen getraut hatte, da es sich wie Verrat anfühlte so zu denken. Der Dunkelhaarige schwieg und wartete darauf, dass sie mehr von ihren Gedanken preisgab. „Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob er wirklich böse ist. Damit meine ich nicht, dass das, was er Barry angetan hat, nicht grausam war, denn das war es, aber...", Sam sah zu Boden, nicht wissend, wie sie ihre Gedanken formulieren sollte. Was sie wiederum wusste war, dass sie Harrison alles sagen konnte, ganz gleich, was es war. Er war ihr Vertrauter. „Aber die Welt besteht nicht nur aus Gut und Böse, aus Schwarz und Weiß." Sie sah zu ihm auf, zwei eisblaue Augen sahen zurück. „Und vielleicht, so abstrus es auch klingt, hat er sich ja verändert oder hatte seine Gründe für das, was er getan hat. Wir wissen schließlich nichts über ihn." Sam hielt inne, als ihr ihre Worte bewusst wurden. Unsicher verzog sie ihr Gesicht. „Klingt das bescheuert?" Harrison schüttelte sanft seinen Kopf, ihre Hand nach wie vor in seiner haltend.
„Nein, Sam, das tut es gewiss nicht." Er schenkte ihr ein Lächeln, das dafür sorgte, dass ihr Herz einen langen Schlag aussetzte. Es war so warm, so aufrichtig, sodass jegliche Kälte, die das Nahtoderlebnis in ihr hinterlassen hatte, zu schwinden begann. „Du warst schon immer so, seit der ersten Sekunde. Du siehst stets das Gute in den Menschen, ganz gleich, ob es sonst niemand sehen kann. Du glaubst daran, dass jeder in der Lage ist Gutes zu vollbringen." Er verstand sie. Sie senkte ihren Blick, froh darüber, dass er wusste, wie sie ihre Worte meinte und dass er sie nicht dafür verurteilte.
„Das tue ich", wisperte sie und blickte auf seine Hand, die auf ihrem Schoß lag. „Und heute hat der Reverse Flash etwas Gutes getan." Überrascht weiteten sich Harrisons Augen.
„Reverse Flash?", fragte er, ein Unterton lag in seiner Stimme, den sie nicht zu deuten wusste. Mit einem zaghaften Lächeln sah sie wieder zu ihm auf.
„Ja. ‚Mann in Gelb' war schließlich nur eine temporäre Bezeichnung. Und sein Anzug - die Farben bilden einen Kontrast zu Barrys. Er ist sozusagen das Gegenteil von ihm, daher dachte ich, dass Reverse Flash ganz gut passt, oder?", fragte sie, woraufhin ihr Gegenüber langsam nickte. „Und wenn man etwas benennt, nimmt man die Furcht, die man davor hat", rezitierte sie Cisco.
„Hattest du Angst vor ihm?", raunte Harrison, derweil sein Finger fortfuhr über ihr Handgelenk zu streicheln. Ein intensives Kribbeln, das ihr das Atmen erschwerte, jagte durch ihren Körper. Es fühlte sich an wie tausende kleine Blitze.
„Nein, hatte ich nicht", wisperte Sam ehrlich, den Blickkontakt diesmal nicht unterbrechend. „Ich hatte nicht eine Sekunde das Gefühl, dass er mir etwas antun will."
Stille kehrte ein, während sich die Wissenschaftler ansahen. Sie spürte, wie sich ihr Körper immer weiter erhitzte, spürte den Drang, ihren Blick wieder abzuwenden, doch konnte sie nicht. Jetzt, wo der Schock langsam von ihr wich, wollte sie nichts mehr als seine Nähe. Nach einem Erlebnis wie heute wollte sie bei ihm sein, denn bei ihm fühlte sie sich sicher. Bei ihm hatte sie das Gefühl, dass ihr nichts geschehen könnte.
Als Harrisons Daumen, der fortfuhr über ihr Handgelenk zu streicheln, leichten Druck ausübte, zuckte Sam mit einem leisen Laut zusammen, sodass der Dunkelhaarige seinen Griff umgehend lockerte.
„Verzeih", sagte er, streichelte besänftigend über die Stelle und wollte seine Hand zurückziehen, doch griff Sam wie aus einem puren Reflex danach und umfasste sie.
„Nicht", wisperte sie und senkte wieder ihren Blick, während der Dunkelhaarige sie überrascht musterte. „Nicht aufhören, bitte", hauchte sie mit tiefroten Wangen, hörte ihre eigenen Worte kaum, da sie von ihrem Herzschlag übertönt wurden. Schwer schluckte Sam. Sie hatte das Gefühl kaum atmen zu können. Dann plötzlich berührten Harrisons Knie ihre, sodass sie nun doch zu ihm aufsah, direkt in seine Augen, die sie eingehend musterten und förmlich in ihren Bann zogen. Er war ihr näher als vorher, so nahe, dass ihr sein Duft in die Nase stieg und sie förmlich einlullte. Harrison hob seine Hand, jene, die sie nicht mit ihren Fingern umschlossen hielt, und führte sie an ihre Wange, umfasste sie behutsam und begann darüber zu streicheln. So langsam, so zärtlich, als wäre sie aus Glas und er befürchtete sie zu zerbrechen, sollte er zu viel Druck ausüben. Sam war wie paralysiert, konnte kaum blinzeln, sodass sie ihn einfach nur ansah, wie in Trance. Ihre Umgebung verschwamm, die Zeit hörte auf zu existieren und ihre Gedanken verpufften wie Seifenblasen, sodass in ihrem Kopf nichts als Leere herrschte. Langsam, ohne, dass sie wirklich Einfluss darauf hatte, neigte Sam ihren Kopf, um ihre Wange in seine Handfläche zu schmiegen, die so schön warm war. Sie fühlte sich geborgen, wenn sie bei ihm war. Sicher. Zuhause.
„Ich hatte Angst um dich, Sam", raunte Harrison, seine Stimme klang ungewohnt heiser. So wie damals in ihrem Labor. Sanft drückte sie seine Hand und lächelte abwesend.
„Aber mir ist nichts passiert. Ich bin hier", erwiderte sie, ihre eigene Stimme klang ebenfalls fremd in ihren Ohren. Sie schluckte schwer, ihr Herz schien all den Platz in ihrer Brust zu füllen, so schnell schlug es. „Hier, bei dir", fügte sie hinzu, ohne es wirklich zu merken. Es war nicht ihr Kopf, der für sie sprach.
„Ja, das bist du", sagte der Wissenschaftler leise. Sein Daumen streichelte über ihre Wange, hinterließ ein Kribbeln, so stark, dass sie glaubte sich jeden Moment aufzulösen. Sam senkte ihren Blick, biss sich auf die Unterlippe und versuchte es, versuchte gegen das Bedürfnis, das sie plötzlich gänzlich ausfüllte, anzukämpfen. Versuchte stark zu sein.
Dann plötzlich beugte sich der Wissenschaftler vor. Sein Gesicht war dem ihren jetzt so nahe, dass sie wie erstarrt war. Sein Atem streifte ihre Haut, sein Duft, so intensiv, dass sie nichts anderes mehr roch als ihn. Sams Sicht verschwamm, sie fühlte sich, als habe sie starkes Fieber. Ihre Wange, die seine Hand noch immer umschlossen hielt, brannte. Schließlich glitten seine Finger hinter ihr Ohr, in ihr Haar. Eine Berührung, so schön, so vereinnahmend, dass die Brünette ihre Lider senkte und ihren Kopf neigte, derweil sie ihre Lippen öffnete. Es war zwecklos. So sehr sie auch dagegen ankämpfte, sie war ihm schutzlos ausgeliefert. Als seine Nasenspitze ihre berührte, blickte Sam überrascht in seine Augen. Sie konnte die Sprenkel darin zählen. Einen Moment verharrten sie so, sahen einander an, so als würde der Wissenschaftler auf ihre Erlaubnis warten. Und die erteilte sie ihm, indem sie ihre Hand von seiner löste und über seine Brust fahren ließ, hinauf zum Kragen seines schwarzen Pullovers, den sie zaghaft umfasste. Sam wusste nicht, wie ihr geschah, als Harrison nun auch die letzten Zentimeter überwand, die sie voneinander trennten, und seine Lippen auf ihre legte. Es glich dem Gefühl, als würde ihre Seele ihren Körper verlassen. Sie fühlte so intensiv und doch schien sie wie betäubt. Nicht wissend, ob ihr Herz stehenblieb oder lediglich so schnell schlug, dass sie nicht länger imstande war es wahrzunehmen.
Der Wissenschaftler ließ seine Hand sanft durch ihr Haar gleiten, sodass ein leichtes Zittern durch ihren Körper zog und ihr ein Seufzen entwich. Sam beugte sich nun ebenfalls weiter vor und begann den Kuss zu erwidern. Ihre Hand wanderte aufwärts, über seine Schulter, seinen Hals hinauf zu seinem Nacken, den sie hingebungsvoll zu streicheln begann, während sie all ihre Gefühle, die sie schon so lange für diesen Mann hegte, in ihre Lippen steckte. Sie spürte sein weiches, dunkles Haar, das ihre Finger umspielte, ließ ihre Hand hineingleiten. Derweil wanderte Harrisons andere Hand zu ihrer Taille, die er sanft umfasste. Er führte sie und Sam? Sie ließ sich lenken, indem sie sich von ihm auf seinen Schoß ziehen ließ, auf dem sie langsam Platz nahm, ohne, dass sie etwas davon mitbekam. Eine perfekte Symbiose, aufeinander abgestimmt wie eine Kür. Ebenso gefühlvoll, ebenso langsam. Vorsichtig legte sie ihre Arme um seinen Nacken und neigte ihren Kopf, um den Kuss zu intensivieren, ließ ihn jedoch nicht an Geschwindigkeit dazu gewinnen. Sie begriff nicht, was gerade geschah. Realisierte nicht, dachte nicht, sondern handelte. Was sie hingegen wusste war, dass sie wohl nie glücklicher gewesen war als in diesem Moment. Endlich. Endlich lag sie in seinen Armen, endlich durfte sie seine Lippen wieder auf ihren spüren. Sehnsüchtig krallte sie sich in Harrisons schwarzen Pullover und lächelte in den Kuss hinein. Sie glaubte einen Engel vor sich zu haben, doch war sie letztlich nur wieder in den Armen des Teufels gelandet.

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