Kapitel 46 - Die Last der Schuldigen

Das Team saß im Cortex und beäugte die Bildschirme, auf denen sie die Werte und Bilder von Barrys Zellstrukturen geöffnet hatten. Alle grübelten darüber, wie sie dem Speedster seine Geschwindigkeit zurückgeben konnten. Die Brünette saß abseits des Teams und dachte in diesem Moment daran, wie unfair das Schicksal doch spielte. Wochenlang hatte sie daran geforscht, wie sie Bette ihre Fähigkeiten entziehen oder sie wenigstens dämpfen könnte und jetzt verlor ausgerechnet Barry, derjenige, der seine Fähigkeiten liebte und für nichts auf der Welt eintauschen wollte, seine Kräfte. Ungerecht, eine andere Beschreibung der Situation gab es nicht. Hätte Blackout nicht früher auf der Bildfläche erscheinen können? Vielleicht hätte sie mit seiner Hilfe Bette helfen können. Doch nun war es zu spät. Die Rothaarige war tot. Sam spürte, wie sich Tränen in ihren Augenwinkeln sammelten, sodass sie sich hastig über diese wischte. Im nächsten Moment tauchte jemand neben ihr auf. Sie hob ihren Kopf und sah zu Cisco, der sie mit einem unsicheren Lächeln musterte. Tief in Gedanken versunken hatte sie gar nicht bemerkt, wie er zu ihr gelaufen war.
„Was ist denn?", fragte sie leise nach, ihre Stimme klang träge, erschöpft.
„Ich wollte mich bei dir entschuldigen, Sam", offenbarte der Langhaarige und spielte nervös mit seinen Fingern. „Für das gestern. Das war total unsensibel und dumm von mir und ich habe das ganz bestimmt nicht so gemeint", begann er sich zu entschuldigen, doch noch ehe der Jüngere zu Höchstformen auflaufen konnte, schüttelte Sam ihren Kopf und unterbrach ihn.
„Ist schon gut, Cisco. Mir tut es auch leid, ich wollte nicht so aus der Haut fahren und dich ankeifen", erwiderte sie und versuchte sich an einem Lächeln, doch gelang es ihr nur spärlich. Sie spürte die Erleichterung Ciscos, die dafür sorgte, dass sich seine verkrampfte Körperhaltung lockerte.
„Also vergeben und vergessen?", vergewisserte er sich.
„Vergeben und vergessen", stimmte Sam ihm zu. Sie sah am Langhaarigen vorbei und bemerkte Harrison, der sie beobachtete. Ihre Blicke trafen sich und Sam spürte, wie ihr jegliches Blut in die Wangen schoss. Ihr Herz, das zeitgleich noch immer um Bette trauerte, überschlug sich. Ihr Kopf wollte einerseits an den Kuss denken, sich zurückerinnern, die andere Hälfte jedoch rügte ihn dafür, da es respektlos gegenüber Bette wäre, einfach so in ihre Schwärmereien zurückzufallen, wo sie doch trauern sollte. Und bereuen. Schließlich war es ihre Schuld, dass die Soldatin nicht mehr hier war.
„Und, habt ihr schon eine Idee, einen Ansatz?", hakte Barry nach, als er den Cortex betrat. Er hatte sich zwischenzeitlich mit Joe getroffen, um ihn über die neue Situation in Kenntnis zu setzen, für den Fall, dass etwas passierte und er fälschlicherweise auf Flashs Hilfe baute. Das Team sah zu ihm. Die Brünette erhob sich träge und lief zu den Bildschirmen, um sie zu beäugen.
„Wie wir bereits spekulierten, wurdest du nicht auf genetischer Ebene verändert Barry. Deine Zellen sind nach wie vor fähig, dich schnell rennen zu lassen, nur scheint es so, als wäre ihnen jegliche Energie entzogen worden", erläuterte Caitlin. „Gut möglich, dass sie sich von selbst regenerieren, aber so genau kann man das nicht sagen, auch, weil es sich bisher nicht gebessert zu haben scheint. Wir können aber weitere Tests machen."
Sam verzog nachdenklich ihr Gesicht. Ein wenig erinnerte sie die Zellen des Speedsters, mit denen sie aufgrund ihrer Forschung am Serum bestens vertraut war, an ein Auto, dessen Batterie leer war und das Starthilfe benötigte.
„Und wenn wir Barrys Zellen Starthilfe geben?", fragte sie daher an die Gruppe gewandt. Die Köpfe aller schnellten zu ihr. Harrison musterte sie interessiert und verengte aufmerksam seine Augen, derweil er sich mit seinem Rollstuhl zu ihr herum drehte, um seine volle Konzentration auf sie zu lenken.
„Ja?", hakte er nach, um sie zum Weiterreden zu animieren. Sam zögerte, fuhr jedoch schließlich fort mit ihrer Theorie.
„Wenn Barrys Zellen der Saft fehlt, dann muss es doch einen Weg geben, ihnen die fehlende Energie von Außen zuzuführen, um sie wieder zu reaktivieren. Wie bei einem Auto, dessen Batterie leer ist." Gedanklich fuhr Sam fort. Barry wurde damals von einem Blitz getroffen, der hatte ihm seine Kräfte gegeben. Also war es auch ein heftiger Stromschlag, den es benötigte, um ihn wieder auf die Beine zu bekommen. Ähnlich wie Farooq Gibran brauchte der Speedster Elektrizität. „So rein hypothetisch, meine ich, wie viel wäre denn nötig, um seine Zellen neu zu starten?", fragte die Brünette vorsichtig an Cisco gewandt, da ihr ihre Idee just in dem Moment, in dem sie sie ausgesprochen hatte, doch nicht mehr allzu sehr behagte.
„Rein hypothetisch?", hakte der Langhaarige nach, sah an die Decke und rechnete im Kopf nach. „Zwanzigtausend Kiloampere."
Sams Augen weiteten sich. So viel? Ein derartiger Schlag könnte Barry lähmen oder schlimmer noch: ihn töten.
„Okay, vergessen wir's."
„Tun wir's", sagte Barry versetzt zu Sam. Die beiden sahen einander an. In den Augen des Speedsters glomm Entschlossenheit, in denen der Brünetten wiederum Angst und Unsicherheit.
„Barry", intervenierte die junge Frau und schüttelte hastig ihren Kopf. „Vergiss es, das war eine total blöde Idee und nur so ein Gedanke. Wir werden sicher nicht zwanzigtausend Kiloampere durch dich hindurchjagen, das wäre viel zu gefährlich, selbst für dich." Sam deutete auf seine Beine. „Vor allem jetzt, wo du nicht mehr auf deine Fähigkeiten bauen kannst", fügte sie hinzu.
„Sam, es ist eine gute Idee und einen Versuch wert", widersprach ihr der Forensiker sanft. „Lass es uns bitte probieren."
„Wir könnten das Laufband dazu verwenden, um den Strom durch dich durchzujagen, als eine Art Transmitter. Das sollte sogar funktionieren", mischte sich jetzt auch Cisco ein, der über ihre Idee nachgedacht hatte. Eifrig schüttelte die Brünette ihren Kopf.
„Auf keinen Fall." Sie sah zu ihrem Team, versuchte sich Unterstützung einzuholen, doch schien die Gruppe ihrem Vorschlag zugeneigt. Missmutig zog Sam ihre Augenbrauen zusammen. „Es ist zu gefährlich, okay? Vergesst, was ich gesagt habe, Leute, das ist eine Schnapsidee und ich kann nicht glauben, dass ihr überhaupt mit dem Gedanken spielt, zwanzigtausend Kiloampere durch Barry hindurch zu jagen, das ist Wahnsinn!", machte sie ihrem Unmut Luft. Sie sah wieder zum Speedster. „Selbst wenn es hier um deine Geschwindigkeit und deine Zukunft als Flash geht, dein Leben setze ich ganz sicher nicht dafür aufs Spiel Barry, da bin ich raus."
„Sam", wollte er intervenieren. Traurig verzog sie ihr Gesicht.
„Ich verkrafte den Tod eines weiteren Freundes nicht. Nicht noch einmal", wisperte sie. Mit diesen Worten verabschiedete sich Sam von der Gruppe und lief aus dem Cortex.

Harrison sah der Brünetten hinterher und überlegte, ob er ihr folgen und mit ihr reden sollte, doch beschlich ihn das Gefühl, dass er die Sache anders angehen musste. Barry und Sam - vielleicht konnte er beide Zeitlinien auf einmal korrigieren, wenn er es klug anstellte. Zwei Fliegen mit einer Klappe, wie man so schön sagte. Der Wissenschaftler drehte sich herum zu Barry, der mitten im Raum stand und in den leeren Gang starrte. Er schien zu hadern, zu überlegen und diesen inneren Konflikt nutzte der Dunkelhaarige, um seine Saat zu säen und das Geschehen in die gewünschte Richtung zu lenken. Er war gut darin, war ein Meister der Manipulation und Täuschung, nur hatte er sich in den letzten Wochen etwas ablenken lassen, wodurch das momentane Chaos zustande gekommen war. Weitere Fehler würde er sich gewiss nicht erlauben.
„Was denkst du, Barry. Was willst du tun?", fragte Harrison seinen Schützling ruhig. Der Forensiker drehte sich zu ihm herum und zog leicht die Stirn kraus.
„Sams Vorschlag ist gut. Ich glaube, dass es funktionieren könnte und wenn es um meinen Speed geht, will ich nichts dem Zufall überlassen", verkündete er und ballte seine Hände zu Fäusten. „Ich muss ihn zurückbekommen, so schnell wie möglich."
Harrison nickte verstehend. Jetzt war sein Feingefühl gefragt.
„Das ist nur verständlich und wir werden dich in deiner Entscheidung unterstützen", erklärte er dem Braunhaarigen wohlgesonnen, fügte jedoch im Nachsatz hinzu: „Auch, wenn es Samantha ganz und gar nicht gefallen wird."
Barry senkte seinen Blick und starrte auf den Fußboden. Der Dunkelhaarige sah, wie seine Worte Früchte trugen, wie er überlegte, da er Sam nicht hintergehen wollte, vor allem nicht, weil sie momentan auf wackligen Beinen stand und besonders sensibel war. Es gefiel Harrison ebenfalls nicht, seine Schülerin einem erneuten Risiko auszusetzen, doch musste er Flash zurückbekommen und Sam musste diejenige sein, die ihn zurückbrachte.
„Ich will das nicht hinter Sams Rücken machen. Sie sorgt sich und das aus gutem Grund, da will ich sicher nicht auf ihren Gefühlen herumtrampeln. Daher werde ich nochmal mit ihr reden und sie mit ins Boot holen", sagte Barry entschlossen und sah auf. „Ich will das hier als Team durchziehen."
Harrison nickte und verbarg seine tiefe Zufriedenheit geschickt hinter seiner Maske. Gut so, Barry, dachte sich der Brillenträger. Du tust genau das von dem ich will, dass du es tust.
„Das ist eine weise Entscheidung, Barry", lobte der Dunkelhaarige seinen Schützling und lächelte erhaben. Es schien den Speedster in seiner Entscheidung nur noch zu bestärken, denn nickte auch er und deutete anschließend in Richtung Ausgang.
„Am besten rede ich jetzt gleich mit Sam", sagte er und lief im nächsten Moment auch schon los. Caitlin, Cisco und Harrison sahen dem Forensiker hinterher, wobei der Langhaarige wie gewohnt seine Arme hinter dem Kopf verschränkt hatte. Er verzog leicht seine Lippen, da Barrys träger Gang als Normalsterblicher etwas war, an das er sich sicher nicht gewöhnen wollte. Harrison drehte sich derweil zu den beiden verbliebenen Teammitgliedern herum.
„Cisco", sagte er an den Ingenieur gewandt, der ihn fragend musterte. „Bereite bitte das Laufband vor, damit wir sofort loslegen können, wenn alle Unstimmigkeiten geklärt sind", bat er den Jüngeren.
„Wird gemacht, Dr. Wells", kam es umgehend zurück. Cisco hob kurz lässig seine Hand, salutierte und setzte sich anschließend in Bewegung. Caitlin wollte ihrem Partner folgen, um ihm zu helfen, denn arbeiteten vier Hände schneller als zwei, doch wurde die Brünette unerwartet von ihrem Vorgesetzten zurückgehalten, der seine Hand kurz nach ihr ausstreckte.
„Caitlin", sagte Harrison ruhig und ließ seinen Arm wieder auf seine Rollstuhllehne sinken. Die Ärztin musterte ihn mit einem Lächeln. „Ich habe eine Bitte an dich", leitete er sein Anliegen ein. „Und zwar möchte ich dich bitten, dich diesmal zurückzuhalten, bezüglich der Zurückerlangung von Barrys Speed." Caitlin verstand nicht recht, weshalb sie leicht fragend ihr Gesicht verzog. „Sam muss diejenige sein, die Barry seinen Speed zurückgibt. Ein Erfolgserlebnis wie dieses braucht sie dringend, ansonsten, so befürchte ich, werden wir sie verlieren", erklärte der Brillenträger. Die Ärztin haderte.
„Denken Sie denn, Sie ist bereit dafür, Dr. Wells? Es erschien mir nicht so", tat Caitlin ihre Bedenken kund. Der Dunkelhaarige lächelte sanft.
„Wir müssen Vertrauen in sie haben, Caitlin. Ich bin mir sicher, dass Sam das hinbekommen wird", sagte er überzeugt. Jetzt lächelte auch Caitlin.
„Okay, ich werde mich zurückhalten", versprach sie. Zufrieden nickte der Wissenschaftler. All seine Figuren handelten so, wie er es wollte. Er hatte seine Züge gemacht, jetzt fehlte nur noch eine Schachfigur, die er zurechtrücken musste: die Königin. Wie konnte er Sam im Ernstfall dazu bringen, Barry seinen Speed trotz enormer Zweifel und Ängste zurückzugeben? Er brauchte ein Lock- oder Druckmittel, sollten alle Stränge reißen und sollte sie ihre Meinung nicht ändern wollen. Etwas, das so effektiv war, dass die Brünette ihre Zweifel beiseite legte.

Sam saß in ihrem Labor und spielte mit ihrem Stift, als sie ein leises Klopfen vernahm. Jegliches Blut schoss ihr in die Wangen, während sie nicht traute sich umzudrehen. Es war Dr. Wells, ganz sicher. Sie wünschte, er wäre nicht gekommen, denn konnte sie ihn nach wie vor nicht ansehen. Sie musste sich dringend bei ihm entschuldigen, für den Kuss, der eindeutig eine Grenze überschritten hatte. Es war respektlos und anmaßend gewesen, ihn einfach zu küssen. Doch wollten ihr nicht so recht die passenden Worte einfallen. ‚Entschuldigung, dass ich Sie geküsst habe, aber ich konnte einfach nicht anders'? ‚Wenn Sie solche Dinge zu mir sagen und mich so ansehen und dann riechen Sie auch noch so verdammt gut. Da konnte ich nicht an mich halten. Außerdem bin ich schrecklich in Sie verliebt, aber ich glaube, das wissen Sie.' Die wohl peinlichste Entschuldigung, die es gab. Sam schüttelte sich leicht, ehe sie Schritte vernahm. Moment, Schritte? Die Brünette drehte sich mit ihrem Stuhl herum und erblickte - teils zu ihrer Erleichterung, teils zu ihrer Enttäuschung - Barry. Mit dem Braunhaarigen hatte sie gar nicht gerechnet, wenn sie ehrlich war.
„Hey", grüßte er sie mit einem vorsichtigen Lächeln. Sam lächelte nicht zurück, sondern sah stattdessen wieder auf den Stift in ihren Händen, dessen Kappe sie immer wieder abzog und raufdrückte und drehte sich mit ihrem Stuhl zur Seite. Sie wusste, wieso er hier war. Er wollte mit ihr über ihren Vorschlag reden.
„Hey", nuschelte sie zurück.
„Darf ich?"
Barry deutete auf den kleinen Hocker unweit neben ihr. Sam nickte zögerlich, denn war ihr bewusst, dass der Braunhaarige nur wegen ihr hier war. Er und das Team brauchten sie nicht, um ihren eingangs geäußerten Vorschlag in die Tat umzusetzen, dafür hatten sie bereits genug kluge Köpfe und dennoch war er hergekommen.
„Es wird funktionieren, Sam", kam der Braunhaarige umgehend zum Punkt. Die Brünette zog eine Augenbraue nach oben und blickte zu ihm.
„Wow, du lässt ja wirklich nichts anbrennen", murmelte sie und sah wieder auf den Stift in ihren Händen. „Da frag ich mich, wieso das mit Iris so lange dauert."
Sam konnte förmlich hören, wie Barry neben ihr erstarrte.
„D-Das mit Iris, das ist"
„Ziemlich offensichtlich", sagte sie. Ähnlich, wie Bette sie damals aufgezogen hatte, wegen Dr. Wells. Ein wenig hatte sie sich die toughe Art der Soldatin angeeignet. Vielleicht, weil sie so viel Zeit zusammen verbracht hatten, vielleicht wollte sie sich Bette so auch einfach in Erinnerung behalten. Indem sie in ihr weiterlebte.
„Was? Nein, da verwechselst du was. Wir kennen uns seitdem wir Kinder sind, sind zusammen aufgewachsen, Joe ist mein Ziehvater und Iris sowas wie eine Schwester für mich", versuchte Barry sich rauszureden. Sam sah zu ihm, eine Augenbraue hochgezogen. „Außerdem hat sie einen Freund", fügte er missmutig hinzu. Die junge Frau grinste leicht.
„Ich glaube der letzte Punkt ist wohl das, woran es wirklich scheitert", kommentierte sie und beobachtete, wie sich der Forensiker schnaufend durchs Haar fuhr, was zugegeben ein amüsantes Bild war. Und sie verstand ihn. Sie war ja keinen Deut besser als er, wobei, sie hatte tatsächlich eine Annäherung gewagt. Versehentlich. Denn war sie gewiss nicht hinter dem Dunkelhaarigen her und versuchte in dieser Richtung irgendetwas zu erreichen, es würde ihr nicht einmal im Traum einfallen. „Ich kann dich diesem Risiko nicht aussetzen, Barry. Es ist zu gefährlich. Ich mache da nicht mit", kam Sam wieder aufs eigentliche Thema zu sprechen und legte den Stift auf den Tisch. Der Speedster ließ seine Hand auf seinen Schoß sinken und sah mitleidig zu ihr.
„Es wird funktionieren", versicherte er ihr. Traurig verengte die Wissenschaftlerin ihre Augen.
„Woher willst du das wissen? Ich konnte Shannon Anderson nicht helfen und Bette auch nicht. Bei dir versage ich auch nur wieder", hauchte sie und sah auf ihre Hände, die sie zu Fäusten ballte.
„Du hast nicht versagt, Sam. Dinge sind passiert, für die du absolut nichts konntest. Du warst jedes Mal kurz davor gewesen, es zu schaffen, hättest du nur ein wenig mehr Zeit gehabt", begann Barry, woraufhin die Brünette zu ihm sah. Angst schimmerte in ihren braunen Augen.
„Wieso also das alles überstürzen? Wieso können wir uns nicht etwas mehr Zeit nehmen und ruhig an die Sache herangehen? Wir haben doch alle Zeit der Welt, Barry, wir könnten uns in Ruhe zusammensetzen und überlegen", intervenierte sie. Jetzt war es der Braunhaarige, der seinen Blick senkte. Er sah auf seine Beine.
„Weil die Stadt mich braucht, Sam." Er fuhr sich tief seufzend durchs Haar. „Und weil Flash der beste Teil von mir ist. Er ist es, der ich sein will, denn kann ich die Dinge endlich ändern, endlich kann ich etwas bewirken und dieses Gefühl, es ist atemberaubend. Ohne meinen Speed bin ich nur wieder Barry Allen und das will ich nicht. Fünfundzwanzig Jahre war ich immer nur Barry, ich bin es Leid. Ich brauche ihn zurück, meinen Speed, ich muss wieder Flash werden, denn jeder Mensch, dem etwas zustößt, weil ich ihm in dieser Zeit jetzt nicht helfen konnte, der geht auf meine Kappe. Weil ich nicht da war, es nicht mal versuchen konnte", schloss er. Leicht presste Sam ihre Lippen zusammen und verzog ihr Gesicht. Sie verstand ihn. Auch sie wollte etwas ausrichten, doch wie, wenn sie immer wieder versagte? Wieso hatte die Dunkle Materie nicht auch sie erfasst? Dann wäre sie vielleicht nützlicher.
Sam öffnete ihre Lippen, um trotz seiner überzeugenden Worte abzulehnen. Sie konnte es einfach nicht riskieren, einen weiteren Freund zu verlieren. Es würde sie vollends zerstören. Plötzlich ertönte ein Alarm, gefolgt von Ciscos Stimme aus den Lautsprechern. Es ließ die Beiden nach oben sehen.
„Leute, kommt bitte in den Cortex, sofort", wurden sie gebeten. Sam und Barry sahen einander an, unruhig begann das Herz der Brünetten in ihrer Brust zu flattern. Danach erhoben sie sich und machten sich schnellen Schrittes auf den Weg.

„Was gibt's denn?", fragte der Speedster, kaum hatten sie den Raum erreicht. Sowohl Sam als auch Barry hielten überrascht inne, als sie auf den Monitor sahen und Farooq Gibran erblickten, der sich direkt vor den Mauern von Star Labs befand. Die Augen der Brünetten weiteten sich.
„Was will der denn hier?", fragte sie ihr Team erschrocken und sah zur Gruppe. „Weiß er etwa, dass Flash hier ist?"
„Das ist unmöglich", murmelte Harrison neben ihr. Sam zwang sich, starr geradeaus auf den Bildschirm zu sehen, auf dem das wütende Meta-Wesen zu sehen war, das jetzt direkt in die Überwachungskamera starrte.
„Dr. Harrison Wells!", schrie er und ballte seine Hände zu Fäusten. Kleine Blitze sprießten aus ihnen hervor. „Ich weiß, dass Sie da drinnen sind, Wells! Kommen Sie raus und stehen Sie für das gerade, was Sie mir angetan haben!"
Sams Herz begann zu rasen, während sie nun doch, aus purem Reflex, zum Wissenschaftler neben sich sah. Farooq war hinter ihm her? Sie spürte, wie Panik in ihr aufkeimte, Angst um den Dunkelhaarigen, der ganz offensichtlich das wahre Ziel des Meta-Manns war. Niemand von ihnen hatte es geahnt. Sam sah zu Barry und als ihr wieder in den Sinn kam, dass der Speedster gar nicht in der Lage wäre, Harrison zu verteidigen, setzte ihr Herz vor Schreck einen Moment aus.
„Wells, ich weiß, dass Sie mich hören können!", schrie der Strommann weiter. „Wenn Sie sich weigern, zu mir zu kommen, komme ich eben zu Ihnen rein!"
„Cisco", meldete sich jetzt der Brillenträger zu Wort, der die Überwachungsaufnahme bislang nur stillschweigend verfolgt hatte. „Hast du alle Türen versperrt?"
Der Langhaarige nickte.
„Sind alle zu", erklärte er. Im nächsten Moment beobachtete das Team, wie Blackout plötzlich Kehrt machte und zum Sicherungskasten des Gebäudes, der unweit von ihm entfernt stand, schritt. Er öffnete ihn, besah die Kabel und riss zwei lange, dicke heraus. „Aber ich befürchte, das wird ihn nicht allzu lange aufhalten", sagte Cisco, nachdem er die Szene einen Moment lang beäugt hatte. Farooq schrie, Blitze jagten über seine Arme, an den Kabeln entlang hinein in den Kasten. Das Team sah an die Decke. Die Lichter im Cortex flackerten unheilvoll. Plötzlich wurde es dunkel. „Oh, oh", kam es von Cisco. Kurz darauf schaltete sich der Generator ein und hüllte den Cortex in schwummriges Licht.
Alle Blicke wieder auf den Bildschirm gerichtet konnte das Team Farooq nur tatenlos dabei zusehen, wie er nun das Stahltor mit seinen elektrischen Fähigkeiten anzugreifen begann. Sam sah förmlich, wie das Stahl langsam schmolz.
„Er kommt rein", wisperte sie, wieder wanderte ihr Blick zu Harrison, der neben ihr saß und den Meta-Mann beobachtete. „Wieso ist er nur so wahninnig wütend? Sonst haben es die Meta-Wesen doch auch nicht auf Sie abgesehen gehabt", sagte sie leise, woraufhin der Brillenträger zu ihr sah.
„Mr. Gibran hat in dieser Nacht seine zwei besten Freunde verloren", offenbarte er Sam, die zu jener Zeit, in der das Team den Artikel entdeckt hatte, nicht anwesend gewesen war. „Vermutlich ist dies die Rechnung, die er mit mir offen hat sowie die Tatsache, dass er scheinbar auf das Anzapfen von Elektrizität angewiesen ist. Meinen Beobachtungen entnehme ich, dass er den Strom zum Leben braucht, andernfalls stirbt er."
Ein Meta-Wesen mit Fähigkeiten, die ihn innerlich auffraßen. Just in diesem Moment fühlte sich Sam in die Zeit mit Bette zurückversetzt, denn waren auch ihr ihre Fähigkeiten zum Verhängnis geworden. Zeitgleich konnte sie sich Sam in den Mann dort draußen hineinversetzen, der, so wie sie, jemanden verloren hatte.
„Ich werde mit ihm reden und ihn von seinem Rachefeldzug gegen Sie abhalten", verkündete Sam plötzlich. Die Köpfe aller schnellten zu ihr.
„Was?", hakte Cisco ungläubig nach. Harrison fragte nicht einmal, ob er sich verhört hätte, er schüttelte umgehend seinen Kopf.
„Nein, Samantha, das ist viel zu gefährlich", erwiderte er resolut. Die Brünette blickte zu ihrem Mentor, der Ziel des Meta-Mannes war und den sie, wenn es Barry schon nicht konnte, beschützen wollte, um jeden Preis. Wenn sie auch noch ihn verlieren sollte, dann wäre das ihr Ende. Ihn wollte sie von allen Menschen am meisten in Sicherheit wissen.
„Dr. Wells, lassen Sie mich mit ihm reden. Er hat seine Freunde verloren und Fähigkeiten, die ihn innerlich töten, so wie Bette auch. Mir ist es wenigstens gelungen, sie zu beruhigen, wenn es ausgeartet ist, vielleicht kann ich ihm Vernunft zusprechen. Lassen Sie es mich versuchen", bat sie den Brillenträger.
„Samantha, dieser Mann hat einen unschuldigen getötet. Er schreckt vor nichts zurück", antwortete Harrison mit Nachdruck. „Ich weiß du glaubst stets an das Gute in den Menschen, aber dieser Mann dort ist ein Mörder und ich lasse dich sicher nicht in seine Nähe. Du kannst dich nicht verteidigen und Barry kann dich nicht retten."
„Das muss er vielleicht auch gar nicht. Ich verstehe in etwa, was in ihm vorgeht und ich werde es versuchen", widersprach die Brünette, drehte sich um und lief los. Harrison beugte sich vor, wollte nach ihrem Handgelenk greifen und sie aufhalten, doch griff der Dunkelhaarige ins Leere, sodass er sich leise fluchend in seinen Rollstuhl zurücksinken ließ.
„Vielleicht sollte sie es wirklich versuchen", schlug Cisco vor, dem keine bessere Lösung einfiel, während er beobachtete, wie Farooq ein riesiges Loch in das Stahltor zu schmelzen begann.
„Cisco", sagte Harrison an seinen Schützling gewandt. Unruhe schwang in seiner Stimme mit, war dem sonst ruhigen Wissenschaftler zudem deutlich anzusehen. Der Angesprochene drehte seinen Kopf zu ihm. „Bereite das Laufband vor. Für den Fall der Fälle", bat er den Langhaarigen. Cisco verstand. Er nickte, erhob sich von seinem Stuhl und joggte los. „Und wir folgen Sam", sagte er an Caitlin und Barry gewandt. Die drei Wissenschaftler machten sich auf den Weg, während Harrison trotz seiner ernsthaften Sorge um die junge Frau bereits seine nächsten Züge plante. Den äußerst unglücklichen Umstand, dass ein rachsüchtiges Meta-Wesen hinter ihm her war - vielleicht konnte er ihn zu seinen Gunsten nutzen. Das Druckmittel, das Sam in die gewünschte Richtung schubste; er selbst könnte es sein.

Als Sam die Lagerhalle, durch deren Stahlwand sich Farooq gerade durcharbeitete, erreichte, durchzog ein versengender Schmerz ihren Brustkorb. Hier unten hatte sie mit Bette trainiert, es kam ihr fast vor, als wäre es gestern gewesen. Ja sie konnte die Anwesenheit der Rothaarigen in diesen Wänden noch immer spüren, so als wäre ihr Geist hier, gebunden an diesen Ort. So wie an den Cortex, den Aufenthaltsraum, ihr Labor. Falls es so etwas wie ein Leben nach dem Tod tatsächlich gab und Bette nun ein Geist war, so hoffte Sam, dass sie sich an einem schöneren, friedlicheren Ort aufhielt als in diesem Gebäude. Dass sie dort war, wo sie sein wollte, denn hatte die Soldatin Labore bis zum Ende nicht ausstehen können.
„Sam", ertönte Harrisons Stimme. Sie drehte sich herum und erblickte den Wissenschaftler sowie Barry und Caitlin, die sich ihr näherten.
„Bleiben Sie dort, Dr. Wells", bat sie ihn und verzog besorgt ihr Gesicht. „Bitte. Lassen Sie es mich versuchen." Dort im Türrahmen wäre er sicher, Farooq würde ihn nicht entdecken. Vielleicht konnte sie irgendwie zu dem rachegeleiteten Meta-Wesen durchdringen, doch nicht, wenn er jenen Mann erblickte, den er für die ganze Sache verantwortlich machte. „Ich bitte Sie. Sie sagten, Sie glauben an mich, also lassen Sie es mich versuchen", fügte Sam hinzu. Um keinen Preis der Welt durfte sie zulassen, dass ihm etwas passierte. Nicht ihm. Widerwillig nickte der Dunkelhaarige nachdem er sie einen Moment besorgt gemustert hatte. Sams Lippen formten ein stummes ‚Danke', ehe sie den Knopf neben sich an der Wand betätigte, der die beschädigte Stahltür ein Stück weit nach oben fahren ließ. Der Dunkelhaarige drehte sich unterdessen zu Caitlin und Barry, befahl ihnen etwas, doch war Sam längst auf das Geschehen vor sich fokussiert. Farooq hielt inne das Gebäude zu attackieren und beobachtete, wie Sam zu ihm hinaustrat. Seine irren, blauen Augen beobachteten sie. Seine Hände ausgestreckt näherte er sich ihr, Blitze zuckten dann und wann aus seiner Haut, die sie beinahe an Bettes erinnerte. Das Leuchten darunter, so als wären seine Adern mit einer leuchtenden Flüssigkeit getränkt; Sam fühlte sich, als würde sie von ihrer Vergangenheit heimgesucht.
„Wo ist Wells", knurrte Farooq wütend. Ein falsches Wort und er würde sie angreifen, dem war Sam mehr als bewusst. Doch hatte sie keine Angst, nicht um sich selbst zumindest. Um Dr. Wells hingegen schon, sie hatte panische Angst um ihn.
„Lass uns reden, Farooq", antwortete Sam ausweichend und streckte vorsichtig ihre Hände vor, um ihm zu signalisieren, dass ihre Absichten keine bösen waren. Die Blitze, die aus seinem Körper sprießten, knisterten gefährlich, wurden greller.
„Ich will Wells", fauchte er. „Wo ist er?"
„Was bringt es dir, wenn du dich an ihm rächst, Farooq?", fragte Sam, ihre Hände weiterhin erhoben. Sie verharrte an Ort und Stelle. Einige Meter trennten die beiden voneinander. "Es bringt dir deine Freunde auch nicht zurück." Sam wusste, wovon sie sprach. Auch sie hatte in den ersten Tagen Rachegelüste gegenüber Eiling entwickelt, der wie vom Erdboden verschluckt war. Auch sie hatte sich vorgestellt, wie es wohl wäre, ihn für das, was er Bette angetan hatte, büßen zu lassen.
„Meine Freunde sind tot wegen dem, was er aus mir gemacht hat", keuchte der Kurzrasierte. Sam sah den tiefen Schmerz des Verlustes in seinen grell blauen Augen aufleuchten. „Weißt du, wie sie gestorben sind? Sie haben versucht, mir zu helfen, nachdem mich die Druckwelle erfasst und vom Strommast gefegt hat. Sie haben mich berührt und haben einen tödlichen Schlag erlitten. Ich habe sie getötet, dabei wollten sie nur helfen. Die Berührung hat sie getötet!", erklärte er immer lauter werdend und ballte seine Hände zu Fäusten. Sam verzog wehleidig ihr Gesicht. „Wells ist daran Schuld, also werde ich ihn beseitigen ", murmelte Farooq und ging zwei Schritte auf Sam zu. Die Brünette setzte hingegen zwei zurück.
„Farooq", begann sie auf ihn einzureden. „Ich weiß, wie du dich fühlst."
„Nein, weißt du nicht!", schrie er ihr entgegen und streckte seine Arme vor. Aus purem Reflex zuckte Sam zusammen, setzte ein paar weitere Schritte zurück.
„Doch, ich weiß es. Ich habe eine meiner besten Freundinnen verloren, Farooq, erst vor zwei Wochen. Sie ist auch an den Folgen der Explosion gestorben, weil sie ihre Kräfte nicht kontrollieren konnte", offenbarte Sam mit zittriger Stimme. Der Strommann, der sich kurzzeitig wieder in Bewegung gesetzt hatte, blieb stehen. „Sie wurde gejagt, von einem Soldaten namens Wade Eiling, der ihre Fähigkeiten für seine Machenschaften missbrauchen wollte. Ich gab ihm die Schuld an ihrem Tod, weil seine Hetzjagd auf sie letztlich der Grund dafür war, wieso die Dinge so gekommen sind", berichtete die junge Frau. „Aber am meisten gebe ich mir selbst die Schuld, weil ich ihr nicht helfen, sie nicht retten konnte, dabei hatte ich es ihr versprochen." Sam spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.
„Sie haben mich berührt und waren tot", murmelte Farooq, so als wolle er ihr auf diese Art mitteilen, er gäbe sich ebenso Schuld an dem Tod seiner beiden Freunde, ähnlich wie sie sich die Schuld an Bettes gab.
„Dinge wie diese", fuhr Sam mit erhobener Stimme fort, sodass sie der Kurzrasierte deutlich verstehen konnte, „die passieren, Farooq. Es sind furchtbare Dinge, schreckliche Dinge und es ist ungerecht. Ich weiß, dass es leichter ist, einen Schuldigen zu suchen, jemanden, auf den man wütend sein und den man verfluchen kann. Und ich kenne das Gefühl, wenn man sich selbst ebenfalls die Schuld gibt, weil man es hätte verhindern können, aber oft ist niemand Schuld und das ist wohl am schwersten zu akzeptieren", erklärte Sam, während sich eine einzelne Träne aus ihrem Augenwinkel löste und über ihre Wange rann. „Diese Schuldzusprüche bringen nichts. Weder dir noch ihnen, im Gegenteil, sie würden nicht wollen, dass wir, die noch am Leben sind, so leiden. Sie würden wollen, dass wir weitermachen und das können wir nur, wenn wir von der Schuld ablassen und es einfach versuchen zu akzeptieren." Eine weitere Träne floss über ihre Wange und tropfte zu Boden. Sam verzog ihr Gesicht und drehte ihren Kopf zur Seite, so als würde Bette neben ihr stehen und ihr stolz zulächeln. Kaum merklich lächelte Sam zurück.
„Nein", drang plötzlich die Stimme Blackouts zu ihr. Die junge Frau sah zu ihm und beobachtete, wie grelle Blitze aus seinen Armen schossen, die wie magnetisch vom Boden unter ihm angezogen wurden. „Es ist Wells, er ist Schuld. Er ist Schuld, dass sie starben, als sie versuchten mir zu helfen!"
Sam riss ihre Augen auf, als Blackout seine Hand vorstreckte. Sie drehte sich um und sprintete los.
„Samantha!", hörte sie Harrison rufen, der sich aus seinem Versteck wagte, während sie versuchte zurück ins Gebäude zu gelangen. „Vorsicht!", warnte er sie. Reflexartig wich Sam nach Links aus. Sie hörte ein gefährliches Zischen - einer der Blitze hatte sie knapp verfehlt. Ihr Mentor ließ die Stahltür wieder hinunter fahren, direkt nachdem sie stolpernd neben ihm zum Stehen gekommen war. Farooq schleuderte einen weiteren Blitz auf sie, der diesmal jedoch vom Stahltor abgefangen wurde, zumindest noch. Keuchend stemmte Sam ihre Hände gegen die Knie, während der Dunkelhaarige sie behutsam an der Schulter berührte. „Ist alles in Ordnung?", fragte er fürsorglich, woraufhin sie atemlos nickte. Danach sah sie auf und blickte zum Tor, das vor ihren Augen zu schmelzen begann.
„Es wird ihn nicht mehr lange aufhalten", keuchte sie. Sie hatte es nicht geschafft, Farooq zu überzeugen. Seine Rachegelüste hatten ihn bereits zu sehr zerfressen ebenso wie sein Selbsthass und Sam fragte sich, ob sie auch drohte dorthin zu gelangen, wo er sich befand. In eine Blase jenseits von Gut und Böse, wo sie niemand mehr erreichen konnte, wo sie nicht mehr in der Lage war zuzuhören.
„Geh", sagte Harrison neben ihr plötzlich. Sams Kopf schnellte zu ihm, sie richtete sich auf.
„Was?", hakte sie ungläubig nach.
„Geh, Sam, bring dich in Sicherheit. Ich werde hierbleiben."
Sam schüttelte ihren Kopf, so akribisch, dass ihr ihre Haare wild ins Gesicht flogen.
„Nein, Dr. Wells, das können Sie vergessen. Ich lasse Sie ganz sicher nicht hier zurück", intervenierte sie. Auf keinen Fall würde sie zulassen, dass er den Strohmann spielte und sich opferte, nur um das Team zu schützen. Dies war der eine Weg, den sie nicht einschlagen würde, ganz gleich, was geschah.
„Sam, geh", befahl er mit Nachdruck und umfasste ihr Handgelenk. „Geh und gib Barry seine Kräfte zurück." Perplex sah sie ihren Mentor an. „Es ist der einzige Weg, wie wir ihn aufhalten können, einen anderen gibt es nicht. Ich werde ihn solange ablenken, während du Barry seinen Speed wiedergibst, es wird funktionieren, deine Idee ist brillant", sagte der Wissenschaftler und schenkte ihr ein warmes Lächeln.
„Dr. Wells, ich - ich kann nicht. Das geht nicht, ich", Sam zuckte zusammen, als das Stahltor laut knallte. Es würde bald nachgeben. Sie sah bereits, wie sich Farooq durch die ersten Schichten Stahl gearbeitet hatte, hörte bereits sein wütendes Schreien, immer deutlicher drang es zu ihnen.
„Doch Sam, du kannst", widersprach er ihr sanft. Die Brünette blickte wieder in das Gesicht, das sie so sehr liebte. Auf seine Lippen, die sie fälschlicherweise geküsst hatte, ein Mal. „Du bist ein Genie und eine einzigartige, junge Frau, Sam. Du musst nur an dich glauben." Er umfasste ihre Hand. „Glaube an dich, so, wie ich es tue, denn dann kannst du Großes vollbringen. Ich habe nie an dir gezweifelt, nicht eine Sekunde lang und das tue ich jetzt auch nicht. Bekämpfe deine Zweifel, Sam, bekämpfe deine Angst. Es ist, wie Miss Sans Souci sagte, du bist eine Kriegerin."
Sam schluckte schwer, während ihre braunen Augen zugleich traurig und gerührt schimmerten.
„Dr. Wells", wisperte sie angsterfüllt. Sie wollte ihn nicht zurücklassen, andernfalls würde Farooq den Wissenschaftler so oder so in die Finger bekommen, wenn sie keinen Flash hatten, der ihn aufhielt. Und vielleicht würden indessen noch mehr Menschen zu Schaden kommen.
„Du schaffst das, Sam", raunte er und drückte ihre Hand vom Neuen. Sie presste ihre Lippen zusammen, beugte sich vor und legte ihre Arme um seinen Nacken, um ihn kurz aber innig zu umarmen. Sie spürte seine Hand, die auf ihrem Rücken ruhte und zärtlich darüber streichelte. Anschließend löste sie sich wieder vom Brillenträger, sah ihm nochmals tief in die Augen, wobei sie die Zuversicht in den seinen leuchten sah, nickte und rannte anschließend los - so schnell sie konnte.

Eobard sah ihr hinterher, zufrieden über die Überzeugungsarbeit, die er geleistet hatte und gleichermaßen stolz auf die junge Frau, die Mut bewies. Er hatte gewusst, dass er Sam so locken konnte, mit sich als Köder, denn wenn etwas bei ihr noch ausgeprägter war als die Selbstzweifel sowie das Zerdenken von Dingen, dann war es Sams Wille jene Menschen zu beschützen, die sie liebte. Und er besaß das Privileg, einer dieser Menschen zu sein. Als es laut rumste, drehte sich Eobard mit seinem Rollstuhl herum zum Stahltor, in dem nun ein riesiges Loch klaffte. Blackout trat hindurch, seine Augen leuchteten unheilvoll, ebenso wie der Strom, der durch seine Adern floss und selbst ihm, einem Speedster, zum Verhängnis werden könnte. Der Wissenschaftler warf einen kurzen Blick auf die Überwachungskamera an der Decke, durch die das Team das Geschehen verfolgte. Auch, wenn er ein Schachspiel betrieb, mittels dessen er Sam zurückholen wollte, so hatte er nicht gelogen. Er glaubte wahrhaftig an sie.

Atemlos stolperte Sam in den Trainingsraum, in dem sich Caitlin, Cisco und Barry befanden.
„Hier seid ihr", keuchte sie. Ihre Seiten zwickten vom Rennen, ihre Lungen rasselten, doch das Adrenalin, das durch ihren Kreislauf rauschte, hielt Sam auf den Beinen. Sie besah das Laufband, das soeben von Cisco hergerichtet wurde sowie Barry, der daneben stand, bereit, aufzusteigen und zwanzigtausend Kiloampere durch sich hindurch jagen zu lassen, um jenes zurückzubekommen, das ihm genommen worden war. Sam behagte das Ganze nach wie vor nicht, ja sie hatte eine Heidenangst davor. „Wie weit seid ihr? Wir müssen uns beeilen, Farooq ist gleich im Gebäude", erklärte Sam unruhig und näherte sich ihren Freunden.
„Ist er schon", murmelte Cisco und deutete, ohne vom Laufband aufzusehen, auf den Bildschirm an der Wand, auf der die Übertragung der Überwachungskamera in der Lagerhalle zu sehen war. Sams Augen weiteten sich, als sie beobachtete, wie der Meta-Mann auf Harrison zugeschritten kam, der sich ihm mutig in den Weg gestellt hatte.
„Oh nein", japste sie ängstlich und sah wieder zum Langhaarigen. Sie eilte zu ihm, hockte sich neben ihn auf dem Boden und besah die Kabel, die er neu legte. „Kann ich dir irgendwie helfen, Cisco?", fragte sie ihn, während ihr Blick immer wieder zum Bildschirm glitt.
„Hier, schließ das an, ich teste es", befahl er ihr und drückte ihr ein paar Kabel in die Hand. Sam, kurzzeitig verwirrt durch das Gewusel in ihren Händen, fing sich rasch wieder und begann die Kabel hochkonzentriert anzuschließen, während Cisco das Laufband neu kalibrierte. Als Sam fertig war, sah sie zum Langhaarigen, angst- und gleichsam hoffnungsvoll.
„Und? Funktioniert es?", fragte Sam, woraufhin der Wissenschaftler Daumen hoch zeigte. Wieder schnellte Sams Blick zum Bildschirm. Dr. Wells und Farooq redeten noch immer, nur konnte sie nicht hören worüber. Doch spielte es keine Rolle. Was zählte war, dass der Meta-Mann noch nicht angegriffen hatte.
„Okay, Barry, du kannst aufsteigen und losrennen. Sam, du musst dann die beiden dicken Kabel auf dem Boden miteinander verbinden, das wird den Strom durch Barry hindurch jagen."
Erschrocken sah die junge Wissenschaftlerin auf.
„Was? Ich? Nein, mach du das", befahl sie ihm.
„Geht nicht, ich muss von hier aus den Generator anwerfen, sonst haben wir keinen Saft."
Sams Kopf schnellte jetzt zu Caitlin.
„Caity, bitte mach du das. Ich - ich kann das nicht."
Die Ärztin schien einen Moment zu überlegen, schüttelte jedoch ihren Kopf.
„Nein Sam, du solltest es tun. Es war deine Idee."
„Aber was, wenn -"
„Du schaffst das, Sam. Es wird funktionieren. Tu's", sprach die Ärztin ihr Mut zu. Sams Atmung wurde flacher, ihr Puls raste, ihre Hände schwitzten. Sie sah auf zum Bildschirm und beobachtete, wie Farooq wütend mit den Händen fuchtelte. Es könnte jeden Moment eskalieren. Sie betrachtete ihre zitternden Finger, die die Kabel umschlossen hielten, blickte danach zu Barry, der sich aufs Laufband stellte und er zuversichtlich zunickte.
„Bist du bereit, Sam? Ich schmeiße den Generator jetzt an", ließ Cisco sie wissen. Die junge Frau schluckte schwer, schloss ihre Augen und sendete ein Gebet aus.
„Bitte lass es funktionieren, lieber Gott, bitte", murmelte sie leise, ehe Ciscos lautes ‚Jetzt!' ertönte, sie ihre Augen öffnete und die Kabel in einer schnellen Bewegung zusammenführte. Alle Köpfe schnellten zu Barry, der auf dem Laufband rannte, bis plötzlich ein greller Blitz durch ihn hindurch schoss und zurückschleuderte.
„Barry!", riefen die drei Freunde im Chor. Sam war die erste, die beim Speedster war. Sie kniete sich neben ihn, berührte ihn, das Gesicht panisch verzogen. „Barry, sag was, geht's dir gut? Barry", sagte sie und rüttelte am Braunhaarigen, der schließlich ein leises Stöhnen von sich gab, ehe er sich langsam aufsetzte. Sam fiel ein riesiger Stein vom Herzen. „Barry", hauchte sie erleichtert und wischte sich unauffällig über die Augenwinkel, während sich der Speedster über den Kopf rieb.
„Hat es", begann Cisco zögerlich, der neben Sam stand und auf seinen Freund herabsah, „funktioniert?" Barry hob seine Hand und ließ sie kurz vibrieren, stoppte jedoch wieder. Er versuchte es erneut, doch schien es so, als hätte er Startschwierigkeiten. Planlos saß Sam neben ihm, dachte sofort an das Schlimmste und schlussfolgerte, dass es nicht funktioniert hatte, dass sie erneut gescheitert war. Ohne ein weiteres Wort zu sagen sprang sie auf und sprintete los, zu Dr. Wells, der Farooq Gibran nun völlig schutzlos ausgeliefert war.

„So viele Menschen. Sie haben so viele Menschen auf dem Gewissen", knurrte Farooq, der seinen Gegenüber immer näher kam, während Funken aus seinen Armen sprühten und mit einem unheilvollen Knistern zu Boden schlugen. „So viele Tode und Sie, Sie müssen für keinen davon geradestehen, Wells. Sie können einfach so weitermachen."
„Das ist nicht richtig", widersprach der Dunkelhaarige, der mittels rhetorischer Fähigkeiten und gut gewählter Worte versuchte, Zeit zu schinden. „Ich weiß, was ich zu verantworten habe, ich weiß, wie vielen Menschen dieser Fehler von mir das Leben gekostet hat und wie viel mehr noch heute leiden. Doch kann ich Ihnen versichern, Mr. Gibran, es ist mir nicht egal. Ich denke jeden Tag, jede Minute an diese Menschen, die ihr Leben lassen mussten, rufe mir ihre Namen in Erinnerungen, damit ich sie nicht vergesse", sagte er. „Auch ich zahle meinen Preis dafür, auch, wenn es bei Weitem nicht genug ist", schloss er und fasste sich an die Brust, während er sich ein Stück vorbeugte und dem Strom-Meta in die Augen sah, um die Aufrichtigkeit seiner Worte zu beweisen.
„Lügner", knurrte der Blauäugige und ballte seine Hände zu Fäusten, presste seinen Kiefer zusammen. „Sie sind ein Lügner!", schrie er. Seine Arme schnellten vor. Harrison riss seine Augen auf, wohlwissend, dass er von seinem Team wohlmöglich durch die Kamera beobachtet wurde. Er durfte nicht riskieren, dabei gesehen zu werden, wie er seine Fähigkeiten freisetzte. So blieb der Speedster sitzen, als der Stromschlag seinen Rollstuhl traf, ihn in einem lauten Knall umwarf und der Wissenschaftler schmerzvoll stöhnend zu Boden fiel. Farooq lief weiter auf ihn zu, seinen Arm vorgestreckt, bereit, den tödlichen Stromstoß auszusenden.
„Stopp!", rief plötzlich eine weibliche Stimme. Harrison, auf dem Boden liegend und sich mit seinen Ellbogen abstützend, drehte seinen Kopf und erblickte Sam, die auf ihn zu gerannt kam.
„Samantha", ermahnte er sie atemlos, als sie sich neben ihn kniete und seine Schulter umfasste. „Samantha, was tust du, verschwinde", befahl er ihr mit erhobener Stimme, doch schüttelte die Brünette ihren Kopf.
„Sie hat nichts mit alledem zutun, doch wenn sie Sie unbedingt schützen will, dann muss Sie mit Ihnen sterben", murmelte Farooq wie ein Besessener und streckte nun auch wieder seinen anderen Arm vor.
„Nein!", sagte Harrison mit erhobener Stimme. Wieder sah er zu Sam, die sich schützend über ihn beugte. Ihre Hände gruben sich sanft in seine Schultern, ihre Haare kitzelten seine Wangen, während sie einander tief in die Augen sahen. „Sam, geh", raunte er und umfasste ihren Arm, doch schüttelte die Brünette, deren Loyalität ohnegleichen war, ihren Kopf. Sie hörten das laute Knistern und Surren, auch, wenn weder Sam noch er sehen konnten, was Farooq tat. „Sam", murmelte Eobard erneut, während die Brünette ihre Augen zusammenkniff, so als erwarte sie jeden Moment den Todesstoß.

Doch noch ehe der die beiden am Boden liegenden Wissenschaftler erreichen konnte, kam Barry in den Raum gesprintet. Nicht als Normalsterblicher, sondern als Flash. Er sah den Blitz, den Farooq auf die beiden schleuderte, in der Luft stehen, verengte seine Augen und hastete vor, um Sam und Harrison, noch ehe sie die tödliche Ladung erreichen konnte, in Sicherheit zu bringen. Er setzte das Paar einige Meter entfernt ab. Sam keuchte auf, hielt sich am Dunkelhaarigen fest und sah sich verwirrt um. Als sie den Speedster in seinem roten Anzug erblickte, stahl sich ein erleichtertes Lächeln auf ihre Lippen. Ja, es hatte funktioniert. Sams Plan war erfolgreich gewesen, es hatte nur ein paar Momente gedauert, bis sich seine Fähigkeiten wieder vollends regeneriert hatten. Barry nickte ihr anerkennend zu, während die junge Frau peinlich berührt von ihrem Mentor herunterkletterte und ihn fürsorglich stützte. Danach konzentrierte sich der Braunhaarige wieder auf den Kampf, der ihm noch bevorstand.
„Du schon wieder", murrte Farooq. Ähnlich wie bei ihrem ersten Kampf schleuderte eine seine Ladung auf Barry zu, doch diesmal, anstatt ihr auszuweichen, rannte er mitten auf sie zu. Der Speedster wusste nicht wieso er es tat, wieso er sich erneut in die Gefahr begab, seine Kräfte zu verlieren. Es war sein Gefühl, das ihm sagte, dass es dieses Mal nicht dazu kommen würde. Die Blitze erfassten Barry, wollten seinen Speed aus ihm heraussaugen, doch gelang es Blackout diesmal nicht. Die Macht des roten Blitzes war zu stark, zu viel für den Strommann, sodass er keuchend zu Boden ging und seine Augen aufriss, während der Speedster vor hechtete, seine Hand zu Faust ballte und Farooq Gibran ausknockte.

Gut eine Stunde später saß das Team gemeinsam im Cortex. Der Schock war mittlerweile aus den Knochen aller gewichen, auch aus Sams. Sie saß auf einem Hocker und beobachtete Caitlin dabei, wie sie ein paar letzte Untersuchungen an Dr. Wells vornahm, um auszuschließen, dass er irgendwelche inneren Verletzungen davongetragen hatte. Anfangs hatte sich der Dunkelhaarige dagegen gesträubt, doch hatte er sich daraufhin nicht nur von Caitlin, sondern auch von Sam eine kleine Predigt anhören müssen, die besagte, dass es unverantwortlich wäre, sich nicht durchchecken zu lassen. Als sich die Ärztin schließlich aufrichtete und erklärte, dass sie keinerlei Schädigungen feststellen konnte, atmete Sam erleichtert aus.
„Ich sagte doch, ich bin robuster, als ich aussehe", sagte Harrison ruhig und schob sich seinen schwarzen Pullover zurecht, wobei die Brünette rasch wegsah, als etwas nackte Haut hervorblitzte.
„Dennoch, Gewissheit ist immer besser, Dr. Wells", erwiderte Caitlin mit einem sanften Lächeln und ließ das Stethoskop wieder in der Schublade verschwinden. Harrison betätigte den Joystick an der Lehne seines Rollstuhls, den Cisco mittels weniger Handgriffe wieder in Ordnung gebracht hatte und setzte sich in Bewegung. Sam, die ihren Blick noch immer abgewandt hatte, spürte, wie er ihr näherkam. Immer näher. Ihr Herz beschleunigte sich abrupt.
„Wie konntest du diesmal eigentlich widerstehen, Barry? Wieso konnte Blackout dir deine Kräfte diesmal nicht erneut nehmen?", wollte Cisco nun wissen, was Sam in gewisser Weise erleichterte, denn so hatte sie wenigstens einen Punkt, zu dem sie schauen konnte, da sie nicht wusste, wo sie sonst hingucken sollte. Derweil hob der Angesprochene seine Hände und besah sie, so, als hätte sich etwas verändert.
„Ich weiß nicht genau. Ich habe das Gefühl, das ich mächtiger geworden bin, schneller. Es war einfach zu viel Energie für Blackout, schätze ich", versuchte er zu erklären.
„Ob du schneller bist, können wir ganz schnell herausfinden. Los, ab aufs Laufband." Die Blicke aller schnellten nun zu Cisco, der mit einem kindlichen Grinsen seine Arme hob und so Entwarnung gab. „Keine Sorge, Leute, ich hab den Strom längst wieder ausgestellt. Es ist nur noch eine normale Tretmühle", erklärte er belustigt, ehe er mittels einer schnellen Armbewegung auf Sam zeigte. „Aber ohne Scheiß, wenn Barry tatsächlich mehr Tempo drauf hat, dann ist das dir zu verdanken, Sam. Du hast ihn quasi getuned, ein Upgrade verpasst. Vorher ein klappriger, kleiner Toyota und jetzt ein Ferrari", stellte Cisco den unglücklichen Vergleich an. Das Team lachte, als es Barrys empörten Gesichtsausdruck bemerkte.
„Klappriger, kleiner Toyota? Na warte", drohte der Speedster gespielt und boxte seinem Freund spielerisch gegen die Schulter.
Sam beobachtete die Szene, ein Lächeln auf den Lippen. Das Gespräch mit Farooq - es hatte ihn nicht davon abhalten können, Dr. Wells anzugreifen, doch hatte es ihr etwas gebracht. Sie hatte endlich anfangen können, darüber zu reden, was passiert war. Über jenes, das sie empfand und Sam wusste, Bette würde nicht wollen, dass sie in Schuldgefühlen versank. Es war, wie sie selbst zu Blackout gesagt hatte: die ganze Sache war ein grausamer, schlimmer Unfall gewesen und im Grunde hatte sie den Ausgang dessen nicht verhindern können. Es schmerzte, dieser Gedanke allein ließ ihr Herz höllisch zwicken und brennen, doch musste sie lernen zu akzeptieren. Und allem voran musste sie versuchen, es besser zu machen, besser zu werden, für Bette. Farooq Gibran - sie wollte ihm helfen. Er würde ihr nächstes, großes Projekt werden. Sie würde herausfinden, wie sie seine Fähigkeiten unterdrücken, ja sie ihm vielleicht sogar entziehen konnte, sodass er nicht länger leiden würde. Für Bette. Es war das Vermächtnis der mutigsten Frau, die sie je kennengelernt hatte.
„Sam", ertönte Barrys Stimme und riss sie aus ihren Gedanken. Sie sah auf und blickte in seine blaugrünen Augen. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie er zu ihr gekommen war, auch nicht, wie Cisco und Caitlin bereits den Raum verlassen hatten. „Ich wollte mich nochmal bei dir bedanken. Dafür, dass du mir meine Fähigkeiten zurückgegeben hast", erklärte er und schenkte ihr ein breites Lächeln. Sam blinzelte perplex, ehe sie den Kopf schüttelte und sich unbeholfen durchs Haar fuhr.
„Im Grunde habe ich doch gar nichts gemacht. Das war doch hauptsächlich Cisco", redete sie sich heraus, doch war Barry anderer Meinung.
„Das stimmt nicht und das weißt du. Ohne dich wäre das heute nicht so gut verlaufen, Sam. Und du hast mir nicht nur meinen Speed zurückgegeben, sondern mich auch schneller gemacht und somit näher an mein Ziel herangebracht", erklärte der Braunhaarige glücklich. „Danke."
Mit einem geschmeichelten Schmunzeln senkte Sam ihren Blick.
„Gerne", erwiderte sie. Anschließend tauschten die beiden Freunde eine Umarmung aus, was Harrison, der dem Gespräch stillschweigend und mit einem zufriedenen Lächeln gelauscht hatte, beobachtete.
„Also, kommst du mit? Wir testen aus, wie schnell ich wirklich bin", wechselte Barry nun das Thema und deutete mit funkelnden Augen in Richtung Ausgang. Sam lachte leise und nickte.
„Gern. Aber gib mir noch einen Moment, ich muss noch kurz mit Dr. Wells sprechen", erklärte sie, woraufhin der Forensiker verständnisvoll nickte.
„Alles klar, dann sehen wir uns gleich im Trainingsraum. Sie kommen auch, Dr. Wells", fügte Barry als Forderung hinzu und war im nächsten Augenblick auch schon verschwunden. Sam, deren Haare kurz aufgewirbelt worden waren, fuhr sich durch diese und richtete sie. Danach drehte sie sich zu ihrem Mentor herum, der sie mit einem amüsierten Schmunzeln musterte. Gleichzeitig konnte sie jedoch auch die Neugier in seinen Augen aufblitzen sehen, da er sich fragte, worüber sie wohl mit ihm reden wollte.
„Dr. Wells, ich", begann Sam und spürte, wie ihr bereits jetzt jegliches Blut in die Wangen schoss. Es war peinlich, so ungeheuer peinlich, dennoch musste sie sich endlich dafür entschuldigen, dass sie ihn geküsst und somit eine klare Grenze verletzt hatte. „Wegen des Kusses", fuhr sie fort, stoppte jedoch. Danach entstand eine längere Pause, in der sich Sams Herzschlag um ein Zehnfaches beschleunigte. Harrison sah sie an, wartete, dass sie fortfuhr. Die Brünette hingegen musterte ihn flehend, in der Hoffnung, dass er etwas sagen würde und sie nicht fortfahren musste.
„Kommt da noch was?", fragte er schließlich, woraufhin sich Sams Gesicht eine Nuance dunkler verfärbte. Auch ihre Ohren wurden mittlerweile in Mitleidenschaft gezogen. Unruhig spielte sie mit dem Saum ihres Pullovers.
„Weiter habe ich nicht überlegt. Normalerweise unterbrechen sie mich ab diesem Punkt und sagen sowas wie ‚Nicht doch, Samantha. Vergeben und vergessen'", ahmte sie mit tief verstellter Stimme nach. Harrison hob eine Augenbraue.
„Versuchst du gerade, mich zu imitieren?", hakte er nach, wobei Sam schwören könnte, dass seine Stimme vor Belustigung leicht zitterte. Hatte er etwa auch noch Spaß daran, sie so zu quälen? Die Brünette verzog verzweifelt ihr Gesicht.
„Kommen Sie schon, Dr. Wells, lassen Sie mich nicht im Regen stehen", maulte sie.
„Ich will lediglich hören, was du zu sagen hast, das ist alles", kam es ruhig zurück.
„Ja, weil sie genüsslich dabei zusehen wollen, wie ich mich quäle", unterstellte Sam ihm, musste jedoch tatsächlich leicht grinsen. Theatralisch fasste sich der Dunkelhaarige an die Brust.
„Ich bitte dich, das würde mir nie in den Sinn kommen", entgegnete er. Frustriert seufzend fuhr sich Sam übers Gesicht und ließ ihre Hände dort verweilen, um die Sicht darauf zu verdecken.
„Es tut mir Leid, dass ich Sie geküsst habe", nuschelte sie nun in ihre Hände. „Sie haben so liebe Sachen zu mir gesagt und ich war so durcheinander und da ist es irgendwie mit mir durchgegangen. Es tut mir so unendlich Leid und ich schwöre, das wird nicht wieder vorkommen." Sie lugte unter ihren Fingern hervor und betrachtete das verzückte Lächeln auf seinen Lippen.
„Nicht doch, Samantha. Vergeben und vergessen", nutzte Harrison absichtlich ihre eigenen Worte, woraufhin die Brünette mit einem empörten Lachen ihre Hände sinken ließ und ihn gespielt entrüstet ansah. Der Brillenträger schenkte jetzt ihr ein unwiderstehliches Grinsen, sodass sie sich stark zusammenreißen musste, ihr Versprechen nicht direkt wieder zu brechen. Plötzlich fuhr Harrison vor, um den Abstand zwischen sich und ihr zu verringern und kam direkt vor ihr zum Stehen.
„Nur bitte, Sam, versprich mir eins", sagte er und umfasste ihre Hand. Sogleich jagten diverse Stromstöße durch ihren Körper, ausgehend von der Stelle, an der er sie berührte.
„Ja?", hakte sie vorsichtig nach. Harrisons Hand wanderte aufwärts, streichelte über ihre bandagierten Arme, sodass Sam das Gefühl hatte unter der Berührung hinweg zu schmelzen. Alles begann sich zu drehen.
„Begib dich nie wieder so in Gefahr wie heute." Eindringlich sah er sie an, Sam erwiderte den Blick. „Als du vor zwei Wochen dort in diesem Bett lagst, bewusstlos", erklärte Harrison und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung auf das Krankenbett einige Meter von ihnen entfernt, „da war ich krank vor Sorge um dich." Sams Herz überschlug sich regelrecht in ihrer Brust. „Also bitte, bring dich nicht mehr so leichtfertig in Gefahr, hörst du? Versprich es mir", raunte er. Die junge Frau nickte zaghaft, wie hypnotisiert von seinen wunderschönen, blauen Augen, die sich förmlich in ihren Kopf brannten. „Ich danke dir", fügte er mit einem warmen Lächeln hinzu, während die Lippen der Wissenschaftlerin dieses Lächeln wie von selbst kopierten. „Und ich wusste, du würdest es schaffen, Sam. Ich habe es die ganze Zeit gewusst." Er streichelte ihren Arm abwärts, umfasste ihre Hand. Tief sahen sie einander in die Augen, lösten den Blickkontakt nicht, während Sam ein seltsames Gefühl beschlich.
Irgendetwas hatte sich verändert.

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