Kapitel 41 - Hetzjagd
„Geht's wieder?", fragte Sam besorgt, nachdem sie die rote Zone - jenen Bereich, in dem sich Eilings Leute vor dem Labor aufhielten - hinter sich gelassen hatten. Die beiden Frauen waren durch eine kleine Hintertür verschwunden. Wie es schien besaß der General bei Weitem nicht genug Leute, um jeden der Notausgänge in Star Labs bewachen zu lassen. Wenigstens dieses Mal war Fortuna auf ihrer Seite. Glaubte Sam zumindest. Die braunen Augen der Wissenschaftlerin ruhten auf Bettes Armen. Die lila Linien, die kurzzeitig aufgetaucht waren, waren wieder verschwunden, jetzt, wo sich die Soldatin beruhigt hatte. Bette rieb sich über ihren Unterarm, beäugte ihn, so als erwarte sie, dass die Nebenwirkungen jeden Moment zurückkehrten. Sam hingegen versuchte optimistisch zu sein, so, wie es ihr Dr. Wells geraten hatte.
„Besser", murmelte Bette und ließ ihre Arme wieder sinken. Danach sah sie nach vorn und atmete die frische Winterluft ein, die Sam leicht frösteln ließ, da sie im Eifer des Gefechts vergessen hatte eine Jacke mitzunehmen.
„Werde ich je wieder in der Lage sein, einen Menschen zu berühren, ohne Angst haben zu müssen?", wurde sie plötzlich gefragt und drehte ihren Kopf zur Rothaarigen, deren grüne Augen weit in die Ferne gerichtet waren. „Früher waren es nur meine Hände, mittlerweile sind es auch meine Arme. Wird es irgendwann mein gesamter Körper sein? Und wenn ja, wird es immer dann ausgelöst, wenn ich empfinde? Wut? Trauer? Erregung?", stellte sie Sam jene Fragen, die ihr im Kopf herum schwirrten. Die Brünette blieb stehen, Bette tat es ihr gleich.
„Das finden wir heraus", versprach sie und schenkte der Soldatin ein mitfühlendes Lächeln. „Und dann suchen wir nach einem Weg, wie wir dir helfen können, Bette, aber dafür musst du wieder mit mir zurück ins Labor kommen, freiwillig. Weil ich dich sicher nicht dazu zwingen will und werde, es muss von dir aus kommen." Sams Augen schimmerten, während sie traurig lächelnd ihr Gesicht verzog. „Und ich hoffe wirklich, dass du dich dafür entscheiden wirst", schloss sie.
Schweigend musterte Bette die junge Wissenschaftlerin und schloss anschließend tief seufzend ihre Augen. Es war mit ihr durchgegangen, für einen Moment. Die Wände des Labors hatten sie erdrückt, ebenso wie ihre Angst, doch jetzt, wo sie an der frischen Luft war und frei atmen konnte, konnte sie wieder klar denken.
„Ich wüsste sowieso nicht, wo ich sonst hin sollte", antwortete sie daher, ein gewisser Trotz lag in ihrer Stimme, und wandte den Blick ab. Erleichtert zogen sich Sams Mundwinkel nach oben. Es war die Macht der Gewohnheit, die sie dazu verleiten wollte Bettes Hände zu greifen und sie zu drücken, doch belehrte sie sich im nächsten Moment rasch eines Besseren, da sie die Soldatin nicht aus der Fassung bringen wollte. Nicht erneut.
„Das freut mich, Bette", erwiderte sie aufrichtig. „Und sobald wir zurück sind, finden wir als allererstes heraus, ob die Nebenwirkungen auch bei Erregung auftreten und ziehen uns gemeinsam einen Porno rein", verkündete sie mit ausgestreckter Brust und eingezogenem Bauch, das Kinn stolz erhoben. Bette zog eine Augenbraue nach oben.
„Versuchst du gerade witzig zu sein?"
„Nein, ich meine das todernst." Sam streckte ihre geballte Faust in die Luft. „Für die Wissenschaft!"
Bette entwich, entgegen ihrer Bemühungen, ein leises Prusten. Lachend fuhr sie sich übers Gesicht. Es war jene Reaktion, die Sam aus ihr herauskitzeln wollte, weshalb ihre braunen Augen zufrieden aufleuchteten, derweil sie ihren Arm wieder sinken ließ.
„Jetzt habe ich eine Frage, da ich in nächster Zeit ja wohl niemanden mehr berühren darf", meldete sich Bette zu Wort.
„Ja?", fragte Sam aufmerksam nach und musterte ihre Freundin sanft.
„Was genau empfindest du denn, wenn du Wells berührst? Auch Erregung? Wird dir schrecklich heiß und deine Gedanken spielen verrückt? Es wäre wirklich schön, wenn du das für mich beschreiben könntest, sodass ich eine vage Vorstellung davon habe, wie sich das anfühlt, damit ich es nicht vergesse.", zog sie die Brünette mit einem katzenhaften Grinsen auf und durfte mit Genugtuung beobachten, wie ihr ihre eben noch toughen Gesichtszüge entglitten und sie knallrot anlief. „Für die Wissenschaft", fügte sie zwinkernd hinzu.
„Bette!", intervenierte Sam, teils beschämt, teils empört.
„Was denn?", hakte Bette nach und lachte. Fast fühlte es sich in diesem Moment an wie Normalität. Wie zwei Freundinnen, die lediglich durch die Stadt liefen und herum alberten. Wenn es doch nur so wäre.
„Und wenn wir ein Gerät entwickeln, das die Fähigkeiten von Bette blockt? Zwar müsste sie es dann immer mit sich herumschleppen, aber wenigstens hätten wir dann nicht solchen Druck", schlug Cisco vor und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er begann zu kippeln, erntete sogleich einen mahnenden Blick von seinem Mentor und lehnte sich wieder vor.
„Solange wir auf medizinischer Ebene feststecken, wäre es definitiv eine Überlegung wert", antwortete Caitlin nachdenklich und kräuselte die Stirn. Barry öffnete seine Lippen, wollte soeben nachfragen, was genau sich Cisco unter einem Gerät wie diesem vorstellte, als plötzlich ein Piepen im Cortex ertönte. Die Blicke aller schnellten zum Bildschirm, auf dem Eiling, gemeinsam mit einigen seiner Männer, allesamt schwer bewaffnet, zu sehen waren. Sie fuhren soeben mit dem Fahrstuhl in die Hauptebene.
„Was wollen die denn hier?", fragte Cisco mit erhobener Stimme. Barry richtete sich auf, erkannte den Ernst der Lage umgehend. Es war ein sechster Sinn, den er während seines Heldendaseins entwickelt hatte. Harrison spürte es ebenso - die herannahende Krise. Sein Kopf schnellte zu Barry. „Er ist wegen Bette hier. Was auch immer ihn das letzte Mal davon abgehalten hat, das Labor nach ihr zu durchforsten, es wird ihn dieses Mal nicht mehr aufhalten."
Cisco erhob sich ebenfalls, Caitlin legte das Tablet in ihrer Hand auf das Pult.
„Bette und Sam müssen Bescheid wissen. Ich weiß nicht, wo genau sie sich momentan im Labor aufhalten; such nach ihnen, Barry und bringe sie in Sicherheit." Harrison sah wieder zum Bildschirm. „Ich versuche Eiling aufzuhalten."
„Aber Dr. Wells", intervenierte der Braunhaarige. „Er und seine Männer sind bewaffnet, was wollen Sie da ausrichten? Es ist gefährlich."
Der Wissenschaftler schüttelte resolut seinen Kopf.
„Ich versuche Zeit herauszuschlagen. Und zieh deinen Anzug an, Eiling darf deine Identität nicht erfahren, sonst bist auch du in Gefahr."
Zögerlich nickte Barry.
„Lauf los", befahl ihm sein Mentor. Im nächsten Moment war der Speedster auch schon verschwunden und hinterließ nichts als einen Windhauch.
Nachdem Harrison Cisco und Caitlin befohlen hatte, jegliche Utensilien, die auf Bettes Verbleib bei ihnen - darunter allem voran die bisherigen Forschungsergebnisse, die der Wissenschaftler nicht in falschen Händen wissen wollte - zu verstecken, machte er sich auf den Weg zum Fahrstuhl, um seinen ungebetenen Gast zu empfangen. Ihn überkam ein Déjà-vu, wobei er das Gefühl hatte, dass sie den Soldaten dieses Mal nicht so einfach loswerden würden. Das, was zählte, war jedoch nur, dass sie Plastique aus der Schussbahn brachten. Und Sam. Nochmal würde er Eiling sicher nicht in ihre Nähe lassen.
„Harrison", ertönte die tiefe Stimme des Soldaten, der ihm auf halbem Wege bereits entgegenkam. Er hatte gewiss keine Zeit verschwendet.
„Wade", begrüßte er seinen früheren Kollegen ruhig und schenkte ihm ein falsches Lächeln. Sein Blick glitt zu den Schusswaffen in den Händen seiner Gefolgsleute. Er verachtete Waffen. Sie gehörten nicht hier ins Labor. „Was verschafft mir die Ehre?", spielte der Dunkelhaarige sein Schauspiel dennoch weiter. Eiling schnaubte herablassend.
„Lass das Theater, Harrison. Du weißt genau, wieso ich hier bin und diesmal lasse ich mich nicht von deinen leeren Drohungen aufhalten", sagte er mit schneidender Stimme und trat vor. Harrisons fuhr sich übers Kinn.
„So? Wie wäre es mit ernstgemeinten Drohungen?", erwiderte er provokant, seine eisblauen Augen leuchteten gefährlich. Eiling lachte nur, schließlich wusste er nicht, wen er wirklich vor sich hatte und zu was er fähig war. Harrison wünschte, er könne seine Maske für einen kurzen Moment fallen lassen. Es würde kaum einen Wimpernschlag dauern, diesen Mann auszuschalten.
„Wo ist Sans Souci?", kam Eiling aufs Thema zurück, doch noch ehe der Wissenschaftler antworten konnte, tauchte Barry in seinem roten Flash-Anzug neben ihm auf. Die Soldaten erhoben ihre Waffen und richteten sie auf den Blitz, der sich schützend vor seinen Mentor gestellt hatte.
„Oho, Flash höchstpersönlich", flötete Eiling und sah zu Harrison. „Wusste ich doch, dass du auch ihn hier versteckst. Ich frage mich, was dein Palast noch so zu bieten hat", sagte er provozierend und grinste. Harrison ignorierte die Worte seines früheren Partners. Er sah zu Barry, dieser wiederum über seine Schulter zu ihm. Kaum merklich schüttelte er seinen Kopf. Harrison wusste seine Fassung zu bewahren, dennoch kam er nicht umhin als kurz überrascht die Augenbrauen zu heben. Sam und Bette waren nicht im Labor? Wo waren sie dann? Ausgerechnet jetzt. Eiling trat vor, musterte Flash eingehend und schnalzte abschätzig mit der Zunge, während seine Augen gierig funkelten.
„Dich hole ich mir ein anderes Mal. Zuerst aber wird es an der Zeit, dass wir Unseresgleichen zurückholen", sagte er und vollführte eine schnelle Handgeste. Seine Soldaten liefen auf Stichwort an Barry und Harrison vorbei.
„Durchkämmt jeden Winkel in diesem Loch!", rief er ihnen hinterher. Der Speedster sah zu seinem Mentor. Mit einem Blick gab Harrison seinem Schützling zu verstehen, nichts zu unternehmen. „Ich würde lieber die Füße stillhalten, Roter. Wir haben die Befugnis, das Labor nach Sans Souci zu durchsuchen. Jeglicher Widerstand wird als Straftat geahndet, danach wird dieses Labor schneller endgültig dicht gemacht, als du gucken kannst", erklärte Eiling selbstgefällig. Barry ballte seine Hände zu Fäusten. Solange Eiling glaubte, dass Bette noch immer hier im Labor war, konnte er riskieren, die beiden Frauen allein zu lassen. Stattdessen benötigte das Team seinen Schutz, da außer ihm niemand hier dazu in der Lage wäre, sollte die Situation ausarten. „Also Harrison, wie sieht es aus. Eine kleine Führung durch dein Labor? Wie in alten Zeiten?", fragte Eiling selbstsicher und setzte sich mit auf dem Rücken verschränkten Armen in Bewegung. Die eisblauen Augen des Wissenschaftlers folgten ihm. Allmählich wurde ihm der Soldat so lästig, dass er befürchtete, ihn los werden zu müssen.
„Informiere Sam", raunte er beim Vorbeifahren Barry zu. „Benachrichtige sie per SMS, dass sie und Bette sich vom Labor fernhalten sollen, bis wir uns melden."
Achtsam sah sich Sam um, wohlwissend, dass Bette nach wie vor eine gesuchte Frau war. Sie mussten sich von Kameras fernhalten, denn hatte es Eiling damals irgendwie geschafft, an ein Foto von ihnen heranzukommen, das am Pier aufgenommen worden war.
„Wir sollten bald zurück", sagte sie an die Soldatin gewandt und sah entschuldigend zu ihr. Bette schien sich von ihrer kleinen Panikattacke vollständig erholt zu haben, denn nickte sie, so als hätten die Worte, sie wolle aus den Untersuchungen aussteigen, nie ihren Mund verlassen. Es erleichterte Sam ungemein, schließlich war sie in Star Labs am sichersten. Was sich temporär im Labor abspielte ahnte sie nicht einmal. Plötzlich ertönte ein Motorgeräusch. Die beiden Frauen blickten zur Seite und beobachteten, wie zwei Armeefahrzeuge an ihnen vorbeifuhren. Erschrocken riss Sam ihre Augen auf, griff reflexartig nach Bettes Schulter, die ähnlich wie sie reagierte, denn hasteten die beiden Frauen im nächsten Moment in eine Seitenstraße, um dem Militär zu entfliehen, das in jene Richtung unterwegs war, aus der die beiden Freundinnen soeben gekommen waren.
„Was wollen die denn hier?", wisperte Sam atemlos und lugte im nächsten Moment um die Ecke. Immer mehr Fahrzeuge rollten an ihnen vorbei. Das ungute Gefühl beschlich sie, dass es kein Zufall war und dass sie auf dem Weg zu Star Labs waren. Eilings nächster Schritt? Es war schließlich nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der General wieder aktiv wurde und in den letzten Tagen war das Team so auf Bette fixiert gewesen, dass niemand den Grauhaarigen im Auge behalten hatte. „Was tun wir jetzt?", wisperte Sam an die Soldatin gewandt und sah panisch zu ihr. Bette schien zu überlegen.
„Wir verschwinden. Zurück zum Labor zu gehen wäre zu riskant, lass uns in der Menschenmenge in der Innenstadt untertauchen", sagte sie.
„Und wenn Eilings Leute da auch sind?"
Ein grünes Augenpaar wanderte zu ihr.
„Dann improvisieren wir."
Nicht die Antwort, die sich Sam erhofft hatte, doch wusste sie, wieso die Rothaarige so ruhig blieb. Sie hatte gar keine andere Wahl, wenn sie ihre Fähigkeiten unter Kontrolle behalten wollte. So versuchte auch die junge Wissenschaftlerin, sich zu beruhigen, um ihre Freundin nicht unnötig aufzuregen.
„Komm", befahl Bette und erhob sich. Sam tat es ihr gleich. Die beiden Frauen liefen die Seitengasse entlang, bis hin zur gegenüberliegenden Hauptstraße. Bette sah sich um. Nach links, nach rechts, als plötzlich -
„Entschuldigen Sie", ertönte eine männliche Stimme rechts neben ihnen. Reflexartig verschwand Bette wieder in der Gasse, stellte sich an die Wand und überlegte. Was tun? Fliehen? Ihr Blick wanderte zu Sam neben ihr. Der sich ihnen nähernde Soldat war bei Weitem besser ausgebildet und somit viel schneller. Die Brünette hätte keine Chance zu entkommen, sie hingegen schon, doch würde sie Sam sicher nicht zurücklassen. In den letzten Monaten war sie ihre beste Freundin geworden, hatte immer an sie geglaubt, auch dann, als sie es selbst nicht konnte. Man würde sie zum Verhör mitnehmen und sie kannte Eilings Verhörmethoden.
„Bette", hauchte Sam neben ihr. Die Soldatin rührte sich nicht und drehte ihr Gesicht weg, als der junge Mann um die Ecke kam und sie beide musterte.
„Entschuldigen Sie, aber wir sperren die Straßen hier ab. Ich muss Sie bitten, wieder in Richtung Downtown zu gehen", wies er sie freundlich an. Er war jung, naiv. Blind nicht. EIling hatte seinen Männern mit Sicherheit ein Foto von ihr gezeigt, hatte sie es einprägen lassen bis ins letzte Detail.
„In Ordnung", antwortete Sam rasch, während Bette ihr Gesicht nach wie vor weggedreht hatte. Die Brünette setzte einen Schritt vor und berührte ihre Freundin an der Schulter, während sie die Straße hoch deutete. „Wir machen uns sofort auf den Weg."
Der Soldat wurde allmählich stutzig. Er ignorierte Sam und musterte weiterhin die Mützenträgerin, die sich in seinen Augen seltsam verhielt.
„Miss?", hakte er nach. „Ist alles in Ordnung?"
„Bette", wisperte Sam kaum hörbar, als sie beobachtete, wie die linke Hand der Rothaarigen in ihre Tasche griff, um eine der Kügelchen, die sie dort zu Plastique-Zeiten verstaut hatte, herauszuziehen. „Nicht."
„Sehen Sie mich an", befahl der Mann, mittlerweile zierte ausgeprägte Skepsis seine Gesichtszüge, auch war sie in seiner Stimme herauszuhören. Bette hob ihren Kopf, sah ihm in die Augen. Ihre grünen Iriden funkelten ihm entgegen. Er musterte ihr Gesicht, hielt inne, zog ein Foto aus seiner Tasche heraus. Bette schlüpfte aus ihrem rechten Handschuh.
„Nicht", wiederholte Sam leise und zog an ihrem Oberteil.
Der Soldat glich das Foto ab. Danach weiteten sich seine Augen.
„Das ist sie! Es ist Sans Souci!", rief er seinen Kollegen im Auto einige Meter entfernt von ihnen zu, die soeben die Straßensperre errichteten. Die Köpfe aller schnellten zu ihnen, als Bette die sich lila verfärbende Kugel auch schon dem Soldaten entgegenschmiss.
„Lauf!", rief Bette der Wissenschaftlerin zu und rannte los. Mit ihrer Handschuh tragenden Hand packte sie Sams Handgelenk und zog sie hinter sich her, während ein gedämpfter Knall ertönte und alles in Rauch hüllte. Innerlich atmete Sam erleichtert auf. Eine Rauchbombe. Sie hatte kurz geglaubt, es handle sich um ein Explosionskügelchen. Die beiden Frauen rannten die Straße hinauf. Hinter ihnen aus der gigantischen Wand aus Rauch kamen zwei Männer gerannt. Sam schaute kurz über ihre Schulter, schnaufte erschrocken und sah wieder nach vorn. Bettes Basecap wehte von ihrem Kopf und gab ihr feuerrotes Haar frei, das im Takt ihrer schnellen Schritte wippte. Sie hasteten um eine Kurve - ein Auto kam ihnen an der Kreuzung entgegen und kam schlitternd vor ihnen zum Stehen, schnitt ihnen den Weg ab.
„Verdammt", fluchte Bette, derweil Sam erschrocken ihre Augen aufriss und reflexartig ihre Arme hob, als sie sah, wie einer der Männer im Wagen eine Waffe zog.
„Ergebt euch!"
Bette dachte nicht einmal daran. Sie griff in ihre Tasche, zog eine weitere Kugel heraus - diesmal eine rote. Umfasste sie mit ihrer entblößten Hand und setzte ihre Fähigkeiten frei.
„Bette, warte!", schrie Sam, doch zu spät. Die Soldatin schmiss die Kugel auf die Motorhaube des Wagens.
„Was zum?!", hörte sie einen der Männer rufen. Ihre Verfolger hatten sie fast eingeholt, weshalb Bette erneut nach Sams Hand griff und sie hinter sich herzog. Sam sah nicht, was hinter ihnen geschah, musste sie auch gar nicht, sie wusste es auch so. Ein ohrenbetäubender Knall ertönte und ließ sie straucheln. Sie hörte das Blech des Autos, wie es auf den Asphalt schlug. Sie zwang sich nach vorn zu sehen.
„Weiter!", wies Bette sie an, denn wurden die Schritte der Brünetten allmählich langsamer, ihre Kondition war erschöpft. Sams Seite zwickte, ihre Lungen rasselten. Die Soldatin sah über ihre Schulter zu ihr, zog sie weiter. Bette holte eine weitere Kugel hervor und warf sie hinter sich, um ihre Verfolger abzuwimmeln.
Drei.
„Bette", jaspte Sam.
Zwei, eins.
Es explodierte. Die Frauen verschwanden in einer Seitenstraße; Pistolenkugeln schlugen in der Betonwand, die sie eben passiert hatten, ein.
„Bette, du darfst deine Fähigkeiten nicht so oft einsetzen, die Nebenwirkungen", erinnerte Sam sie atemlos. Plötzlich kam ihnen einer von Eilings Soldaten entgegen.
„General, wir haben sie. Wir haben Sans Souci und das Mädchen. Sie sind in Zone drei", rief er in sein Headset. Sie wusste, dass es ein hohes Risiko barg, ihre Fähigkeiten zu benutzen, doch welche Wahl hatte sie? Wenn Eiling sie in die Finger bekam, wäre es aus. Und wusste sie nicht, was seine Männer mit Sam anstellen würden, vor allem, weil sie scheinbar die Erlaubnis hatten mitten in der Stadt herum zu ballern.
„Stehenbleiben!", schrie ihnen der entgegenkommende Mann entgegen und zog seine Waffe. Bette griff in ihre Tasche - leer.
„Scheiße", fluchte sie leise, bückte sich und hob einen Stein auf, den sie dem Soldaten entgegen warf. Er riss seine Augen auf und sprang reflexartig zur Seite. Sam duckte sich. Plötzlich ertönte neben ihr ein leiser Laut. Sie sah zur Rothaarigen, die sich leicht krümmte und ihre Zähne zusammenpresste.
„Oh nein", wisperte Sam unheilvoll und besah die lila Linien auf Bettes Armen. Zu spät bemerkten die Freundinnen den Mann, der Bette von hinten packte und sie gegen die Wand drückte. Ihren verbliebenen Verfolger - sie hatten ihn vergessen. Bette schrie, teil aufgrund der Wucht des Aufpralls, teils aus Wut, weil sie ihn nicht rechtzeitig gesehen hatte.
„Habe ich dich", raunte er und verschränkte ihre Arme hinter ihrem Rücken, hielt sie so, dass sie sich nicht ohne Schmerzen bewegen konnte.
„Geh weg von ihr!", ertönte Sams Stimme hinter ihnen. Sie begann an dem Mann, der gut einen Kopf größer war als sie, zu zerren. Er hielt den Griff um Bettes Handgelenke mit einer Hand aufrecht, die andere benutzte er dazu, der Brünetten mit einer schnellen Bewegung eine zu verpassen. Unsanft landete sein Handrücken in ihrem Gesicht und ließ Sam nach hinten fallen. Sie schlug auf dem Boden auf. Just in diesem Augenblick begann Bette Rot zu sehen. Sie schloss ihre Augen, vollführte eine elegante Drehung und schlängelte sich aus seinem Griff. Ihre Hand schnellte vor, berührte seine Jacke. Der Stoff verfärbte sich lila. Mit großen Augen sah der Soldat zu ihr; sie hechtete vor, brachte Abstand zwischen ihn und sich, löste ihre Hand von seiner Jacke. Er zog sie aus, riss sie sich förmlich vom Körper und schmiss sie unerwartet zur am Boden liegenden Sam.
„Sam!", rief Bette erschrocken und riss panisch ihre Augen auf. Sie wollte auf ihrem Absatz umdrehen, wollte der Brünetten zur Hilfe eilen, die so schnell nicht begreifen konnte, was los war. Die drei Sekunden - diesmal blieben sie ihr nicht. Nicht, wenn die Linien dort waren. Nicht, wenn ihre Kräfte außer Kontrolle geraten waren. „SAM!", schrie die Rothaarige aus voller Kehle, als die Jacke neben ihr explodierte. Die Druckwelle riss sie von den Füßen.
„General, wir haben sie. Wir haben Sans Souci und das Mädchen. Sie sind in Zone drei", drang es aus dem Funkgerät, das Eiling an einem Gürtel trug. Harrisons Kopf schnellte zum General, ebenso wie Barrys. Die beiden Männer hatten den Soldaten begleitet - bis jetzt. Der Grauhaarige sah zu seinen Begleitern, der Wissenschaftler nun wiederum zu Barry.
„Lauf!", wies er ihn an. Der Speedster verschwand ohne nachzudenken, ließ Harrison und Eiling zurück. Der Soldat wiederum zückte hastig sein Funkgerät.
„Schnappt sie! Lasst nichts unversucht!", blaffte er. Seine Augen glitten zu seinem früheren Arbeitskollegen. „Und sollte sich euch das Mädchen in den Weg stellen", provokant grinste er, „dann beseitigt sie."
Die eisblauen Iriden des Wissenschaftlers funkelten drohend. Er verengte seine Augen, wohlwissend, dass sein Gegenüber mit der Tatsache, dass er gegenüber Sam einen Beschützerinstinkt entwickelt hatte, vertraut war.
„Ich warne dich, Wade, treib es nicht zu weit", sagte Harrison mit schneidender Stimme. Seine Hand umfasste die Lehne seines Rollstuhls fester, verkrampfte sich. Er konnte nicht leugnen, dass es unter der Oberfläche kochte. Der Dunkelhaarige hielt vieles aus, bewahrte stets die Ruhe, bei Sam hingegen hörte der Spaß auf. Sollte einer seiner Männer ihr auch nur ein Haar krümmen ...
„Ich bitte dich", kam es abwertend zurück. Eiling deutete auf Harrisons Rollstuhl. „Was willst du schon tun?"
Meine Hand durch deine Brust stoßen, zum Beispiel. Dich solange quälen, bis du dir wünschst, ich würde dir die Gnade des Todes gewähren, dachte sich der Wissenschaftler.
„Das willst du nicht herausfinden", murmelte er drohend.
Barry wusste nicht, wo genau sich ‚Zone drei' befand. Es war der vom Militär gewählte Codename für einen bestimmten Abschnitt in der Stadt. Dennoch, so spekulierte er, waren Bette und Sam sicherlich nicht allzu weit vom Labor entfernt, sondern hatten sich bei ihrem geheimen Spaziergang in der Nähe aufgehalten. So begann der Speedster die Umgebung rund um das Labor abzukämmen. Dabei vergrößerte er seinen Radius Straße um Straße. Als er schließlich auf ein brennendes Militärauto traf, das es zur Hälfte in die Luft gesprengt hatte, wusste er, er war ihnen auf der Spur. Ab da an folgte der Forensiker lediglich den Hinweisen und Zeichen, die Bette ihm hinterlassen hatte, bis er schließlich die Seitenstraße passierte, in der sich soeben eine verheerende Katastrophe abspielte. Barry riss die Augen auf, als er das Standbild vor sich besah. Sam auf dem Boden liegend, neben ihr eine Jacke, die sich grell lila verfärbt hatte. Er konnte bereits die Detonationswelle sehen, die die junge Frau erfasste. Er hastete vor. Versuchte sich in einem Wettlauf gegen die Zeit. Der Speedster presste seinen Kiefer zusammen, steckte all seine Kraft in seine Beine, die ihn rechtzeitig zu Sam bringen mussten, um sie vor der Explosion zu schützen. Er streckte seine Hände nach ihr aus. Gerade, als er glaubte, sie rechtzeitig zu erreichen, erfasste ihn plötzlich eine heftige Druckwelle und schleuderte ihn zurück. Riss ihn von den Füßen.
Es knallte laut.
„SAM!", hörte er Bette laut schreien. Danach wurde es für einen kurzen Moment erschreckend still.
Unsanft schlug Bette auf dem Boden auf. Ihr wurde schwarz vor Augen, sie fühlte sich wie benommen. Sie fühlte den Asphalt unter sich, fühlte kleine Steinchen, die sich in ihre Haut gruben. Der Schreckmoment hatte die lila Linien auf ihren Armen wieder verschwinden lassen, sodass nichts geschah, als sie sich stöhnend auf dem Boden abstützte und versuchte zu realisieren, was geschehen war. Ein schrilles Fiepen ertönte in ihren Ohren, blendete alle anderen Geräusche aus. In ihrem Kopf pochte es. Gedämpft vernahm sie ein Stöhnen, das ihr eigenes war. Sie blickte auf und erschrak, als sie Sam einige Meter von ihr entfernt auf dem Boden liegen sah. Reglos. Wie eine Puppe, die ein Kind zu Boden geworfen hatte, weil es nicht länger damit spielen wollte, hatte sie ihre Arme und Beine von sich gestreckt. Ihre Kleidung war teilweise zerfetzt worden. Sie war an einigen Stellen mit Ruß bedeckt, andere waren rot. Blutig.
„Sam!", schrie Bette erneut, doch reagierte die junge Frau auf keinen ihrer Rufe. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie sich unter Schmerzen aufrappelte. Sie humpelte zu ihr und stolperte, da ihr Gleichgewichtssinn aufgrund der Detonation in Mitleidenschaft gezogen worden war. Ihre Beine fühlten sich wie taub an, sodass sie die letzten Meter, die sie von ihr trennten, krabbelte. Unweit von ihr rappelte sich der Speedster mit einem schmerzvollen Keuchen auf und sah zu ihr.
„Da ist sie!", riefen Eilings Wachhunde am anderen Ende der Seitengasse und eilten auf sie zu, allesamt schwer bewaffnet. Erschrocken sah Bette zu ihnen, danach wieder zu Sam, die sie fast erreicht hatte.
„Sam", wisperte sie, streckte ihre Hand vor, bis ihr bewusst wurde, dass jene Hand der Grund dafür war, wieso sie dort lag. Sie zog sie zurück, ihre Gesichtszüge verkrampften sich. „Sam, wach auf", flehte sie; ihre Stimme brach.
„Schnappt sie!", drang es zu ihr. Sie sah über ihre Schulter zu Barry, der sich erhoben hatte und wiederum zu ihr blickte. Bette drehte ihren Kopf zurück zu Sam, ihr Gesicht schmerzvoll verzogen.
„Es tut mir Leid, Sam", japste sie verzweifelt und stieß sich schwerfällig vom Boden ab. „Es tut mir so Leid", hauchte sie und richtete sich wieder auf. Die Soldaten kamen ihr immer näher, hatten sie fast erreicht. Bette drehte sich um, rannte aus purem Fluchtinstinkt los, weg von Sam, deren Brustkorb sich schwach hob und senkte. Das einzige Zeichen, dass sie noch am Leben war. Die Rothaarige sah ein allerletztes Mal zu ihr, die Reue und Schuld ließen ihre Schritte träge erscheinen. „Es tut mir so Leid", hauchte sie erneut, obwohl sie die Brünette längst nicht mehr hören konnte. Danach sprintete sie um die Ecke und verschwand. Barry hingegen flitzte vor zu Sam, hockte sich neben sie, rüttelte an ihr.
„Sam", sagte er, so als wolle er eine Schlafende wecken. Zähneknirschend sah er zu den zwei Soldaten, die vor ihnen stehenblieben und ihre Waffen auf sie richteten, während die anderen vier weiterrannten. Blitzschnell hob Barry Sam in seine Arme und rannte mit ihr davon - noch ehe einer der Männer überhaupt hatte abdrücken können.
Harrison, Caitlin und Cisco hatten sich im Cortex versammelt. Eilings Männer waren abgezogen, allesamt auf dem Weg zu Zone drei, wie es im Funkspruch geheißen hatte.
„Barry?", fragte der Wissenschaftler wiederholt ins Headset, Sorge ließ seine sonst stetige, ruhige Stimme leicht verzerrt wirken. Seitdem der Braunhaarige losgerannt war, hatte er sich nicht gemeldet. Harrison war jemand, der stets gern im Bilde war. Die Ungewissheit in diesem Moment behagte ihm nicht. Noch weniger behagte ihm das seltsame Gefühl in seiner Magengegend, eine dunkle Vorahnung, die sich in seinem Herzen eingenistet hatte. Seine Sorge um Sam, plötzlich nahm sie neue Ausmaße an. „Barry, was ist los?", hakte er nach, diesmal lauter.
Im nächsten Moment erfasste ihn plötzlich ein Windhauch. Der Rollstuhlfahrer drehte sich herum, seine Augen weiteten sich. Sein Herz setzte einen Schlag aus und jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht, als er Sam in Barrys Armen liegend erblickte. Leblos. Blutverschmiert. Ihre Kleidung teilweise zerrissen.
„Sam!", rief Cisco erschrocken und erhob sich von seinem Stuhl, ebenso wie Caitlin.
„Bitte helft ihr", keuchte Barry außer Atem und lief einen Schritt auf die kleine Gruppe zu. Die Ärztin reagierte, noch ehe es der Wissenschaftler tat, der wie erstarrt war.
„Bring sie zur Liege!", wies sie den Speedster streng an. Er nickte und joggte umgehend los. Sams Arm, der träge in der Luft hing, wippte im Takt seiner Schritte. Das Team folgte Barry, der die junge Wissenschaftlerin wie befohlen auf dem Krankenbett ablegte. Mittlerweile war auch in Harrison Leben zurückgekehrt.
„Cisco, geh aus dem Weg!", ermahnte sie den Jüngeren gehetzt, der hastig zur Seite wich, als sie an ihm vorbei schnellte und anschließend medizinische Utensilien aus der Schublade der Beistellkommode zog. Sie begann Sams Verletzungen zu untersuchen; prüfte ihren Herzschlag, ihren Puls. Untersuchte ihren Rachen, indem sie ein hölzernes Stäbchen in ihren Mund schob und ihre Zunge hinunter drückte.
„Caitlin", sagte Harrison. „Was kannst du sehen? Wie schlimm ist es?" Die Braunhaarige wandte sich jetzt dem entstellten Körper Sams zu. So viele Schürf- und teilweise auch Brandwunden. Aufgeplatzte Haut. Kurz hielt sie inne, um zu überlegen. „Caitlin", hakte er mit Nachdruck nach.
„Ich weiß es noch nicht", sagte sie und begann Sams Bluse aufzuknöpfen, um sich ein besseres Bild zu machen. Dabei hob sie ihren Kopf und sah zu den drei Männern. „Ich muss sie zuerst untersuchen, muss herausfinden, wo sie überall verletzt ist und ob sie innere Blutungen hat. Ich bitte euch jetzt, das Zimmer zu verlassen, um ihre Intimsphäre nicht zu verletzen." Cisco und Barry schauten einander an. Es war ihnen anzusehen, dass sie Sam nicht allein lassen wollten, dennoch verstanden sie und nickten. Sie drehten sich herum und verließen den Raum. Harrison jedoch verharrte an Ort und Stelle. „Dr. Wells, bei allem Respekt, aber Sie auch."
Er musterte Sams lebloses Gesicht.
„Nein", sagte er resolut und blickte zur Ärztin. „Ich werde bleiben." Caitlin musterte ihn. „Niemand aus dem Team wird von mir zurückgelassen", fügte er hinzu.
„In Ordnung", gab sie ihm nach kurzem Zögern die Erlaubnis und knöpfte auch den letzten Knopf von Sams Bluse auf. An ihrem Hals schlängelte sich eine Wunde entlang. Splitter blitzten in ihrer Haut hervor sowie Stücke vom Asphalt. In ihrer Bauchdecke klaffte eine große Wunde. Caitlin versuchte abzuschätzen, welche Verletzung dringendere Versorgung benötigte. Ihr Blick glitt zu ihrer Jeans, die am Schienbein zerfetzt worden war. Sie fing mit der Bauchwunde an, derweil sie ihren Mentor bat, Sam eine Sauerstoffmaske aufzusetzen, um ihre Lungen zu filtern. Harrison folgte der Anweisung. Vorsichtig setzte er seiner Untergebenen die Sauerstoffmaske auf und ließ sie anschließend nicht aus den Augen, während Caitlin weitere Untersuchungen anstellte. Er sorgte sich - sorgte sich wahrhaftig um Sam. Um die Frau, die sie war, nicht die sie später einmal werden würde. Nicht die Wissenschaftlerin, sondern die Brünette, deren treue, braune Augen stets auf ihm hafteten, ihm hinterher sahen. Die Sorge ließ sein Herz schwer werden, seine Lungen schienen ihre Funktion nur bedingt durchzuführen. Er war es nicht gewohnt, sich derartig um einen anderen Menschen als sich selbst zu sorgen. So zu fühlen. Verlustangst zu empfinden.
Bette stolperte in eine menschenleere Gasse. Ihre Hände leuchteten, ähnlich dem fahlen Licht der Laterne am Straßenrand. Sie rang nach Luft. Die Schmerzen in ihren Armen waren mittlerweile so stark, dass ihre Sicht verschwommen war. Ihre Umgebung nahm sie nur noch bedingt war, dennoch wusste sie, dass sie die Männer Eilings abgehängt hatte - vorerst. Ein, zwei Mal hatte sie ihre Kräfte dafür noch benutzen müssen. Seitdem waren die Linien auf ihren Armen nicht mehr verschwunden. Es brannte, schmerzte höllisch, doch war es nichts im Vergleich zu ihrem Herzen.
Sam. Was war mit Sam?
Sie hatte sie zurückgelassen, einfach so. Verletzt. Durch ihre Hände. Wie ging es ihr? Kümmerte man sich gut um sie? War sie überhaupt noch am Leben? Bette lehnte sich gegen die kühle Hauswand und sank kraftlos zu Boden, ihre Arme erhoben, wie ein Chirurg, der steril gemacht darauf wartete, dass ihm die Gummihandschuhe von einer der Schwestern übergestülpt wurden. Sie japste unter Schmerzen, verzog ihr Gesicht. Bettes Kopf sank auf ihre Knie. Tränen lösten sich aus ihren Augenwinkeln und tropften auf ihre verdreckte Hose. Es tat weh. Die Rothaarige kniff ihre Augen zusammen, weitere Tränen flossen über ihre Wange. Still betete sie, dass die junge Wissenschaftlerin wohlauf war. Das Bild wollte nicht aus ihrem Kopf weichen; wie sie regungslos auf dem Boden gelegen hatte, zusammengekauert. Blutend, ihre Kleidung teils zerfetzt.
„Es tut mir so Leid, Sam", hauchte Bette.
In weiter Ferne ertönten Sirenen.
Es war spät am Abend, als Caitlin die letzten Untersuchungen an Sam durchführte. Cisco und Barry hatte sie bereits vor einer halben Stunde nach Hause geschickt. Von Bette fehlte bisher jede Spur. Barry hatte sich bereits auf die Suche begeben, bisher erfolglos. Eine große Stadt wie Central City ließ sich selbst für den schnellsten Mann der Welt nicht ohne Weiteres durchforsten, vor allem dann nicht, wenn eine Soldatin wie Bette wusste, wie man untertauchte. Zudem galt die volle Aufmerksamkeit des Teams vorerst Sam, die seither nicht aufgewacht war. Ihr Körper hatte schwere Verletzungen davongetragen. Caitlin wollte vorerst sehen, wie gut sie die Nacht überstand, morgen würde sie weitersehen. Harrison näherte sich der Brünetten, die mit einem erschöpften Lächeln zu ihm sah. Er hatte den Cortex die ganze Zeit über nicht verlassen.
„Ich habe ihre Wunden versorgt und auch gereinigt, um Infektionen zu vermeiden. Sie hat eine schwere Gehirnerschütterung aufgrund des Aufpralls erlitten, ich sehe auf dem MRT aber keine Hirnschäden. Ihr linker Arm hat einige Verbrennungen davongetragen, die ich behandelt habe. Ihr rechter Arm und ihr linkes Bein sind verstaucht, aber nicht gebrochen. Die Bauchwunde konnte genäht werden; innere Blutungen konnte ich vorerst ausschließen", fasste sie für ihren Vorgesetzten zusammen. Harrison nickte stumm. Anschließend musterte er das Gesicht der Ärztin.
„Ruh dich aus", befahl er ruhig.
„Dr. Wells", wollte Caitlin intervenieren, kam jedoch nicht weiter, denn schüttelte der Wissenschaftler seinen Kopf, um jeglichen Einwand abzuwehren.
„Ich bleibe hier und gebe auf sie Acht. Leg dich in einem der Aufenthaltsräume schlafen, Caitlin. Damit du konzentriert bist, sollte es Komplikationen geben." Die Ärztin überlegte. „Ich bleibe die Nacht über bei ihr", betonte Harrison vom Neuen. Schließlich nickte Caitlin nachgebend.
„Okay. Dann werde ich mich in paar Stunden ausruhen", sagte sie.
Das Duo wünschte einander eine gute Nacht. Danach verschwand die Brünette aus dem Cortex und ließ Harrison und Sam allein. Der Dunkelhaarige fuhr an das Krankenbett seiner Untergebenen heran und blieb auf Kopfhöhe stehen. Er musterte ihr erschlafftes Gesicht, das ihn an den Moment erinnerte, an dem er sie schlafend in ihrem Labor vorgefunden hatte. Sie sah ähnlich friedlich aus. Was das Bild jedoch störte waren die Kratzer und Schürfwunden in ihrem Gesicht, die Bandage an ihrem Kopf, der eine Platzwunde davon getragen hatte. Die bläuliche Stelle oberhalb ihrer aufgeplatzten Lippe. Von dem Schlauch in ihrem Mund, um ihr das Atmen zu erleichtern sowie den dutzenden anderen Bandagen ganz zu schweigen.
Harrison fuhr sich mit den Fingern über den Nasenrücken und massierte ihn, während er seine Augen schloss. Er hätte es ahnen müssen. Die ersten Anzeichen hatte es bereits gegeben. Ab dem Moment, in dem Bette die Kontrolle über ihren Körper und ihre Fähigkeiten verloren hatte, hätte er sie ausschalten müssen. Ab diesem Zeitpunkt war sie ein Risiko geworden - allem voran für die junge Wissenschaftlerin, die sediert neben ihm lag. Ein Fehler, den er nicht erneut begehen würde. Der Dunkelhaarige ließ seine Hand sinken und blickte zu Sam. Es war seltsam, die sonst lebhafte Brünette so zu sehen. Leblos. Er streckte seinen Arm vor und fuhr mit den Fingern über ihr Gesicht, um ein paar verirrte Haarsträhnen fort zu schieben.
„Das nächste Mal werde ich besser auf dich Acht geben", raunte Harrison und streichelte mit dem Daumen über ihre Wange, die er mit seiner Hand umschlossen hatte.
„Nochmal werde ich es nicht dazu kommen lassen, Sam."
Es war an der Zeit, dass er jene loswurde, die seinen Plan und auch Sam gefährdeten.
Eiling und Bette. Schachfiguren, die nicht länger Platz auf dem Brett fanden. Sie mussten geopfert werden.
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