Kapitel 2 - Ein neuer Lebenssinn
„Wenn ich es dir doch sage", plädierte Sam und gestikulierte dabei wild, sodass sie Amber beinahe die Kaffeetasse aus der Hand geschlagen hätte. „Der Mann hat sich in grünen Rauch aufgelöst und die Frau angegriffen! Einfach so!", erklärte die Brünette und versuchte den Vorfall mit ihren Händen nachzustellen. Amber zog ihre Augenbraue nach oben. Es war offensichtlich, dass sie ihr nicht glaubte.
„Sam", begann sie mit jenem Unterton, der erahnen ließ, dass nun eine Predigt folgen würde. „Du hast etwas ziemlich Traumatisches erlebt. Das war bestimmt nicht leicht mit anzusehen, wie die arme Frau tot umgefallen ist", sagte die Blondine, wurde jedoch von Sam unterbrochen, noch ehe sie weiter in ihrem therapeutischen Ansatz ausschweifen konnte.
„Ich bin nicht traumatisiert", intervenierte sie.
„Ich wollte auch eigentlich darauf hinaus, dass du n' Schuss hast", entgegnete Amber und grinste. Die Brünette war jedoch zur Abwechslung nicht zu Scherzen aufgelegt, weshalb sie vehement den Kopf schüttelte.
„Wenn du mir nicht glaubst, muss ich eben mit Fakten kommen. Wie soll das Gas so schnell in den Fahrstuhl gekommen sein, ohne, dass jemand etwas bemerkt hat? Ohne, dass Spuren hinterlassen wurden? Wohin hat es sich verflüchtigt? Wieso kam sonst niemand zu Schaden? Haben du und deine Polizeifreunde da schon irgendwelche Theorien?", fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.
Amber hatte die Nacht auf dem Revier verbracht. Der plötzliche Tod der obersten Richterin Theresa Howard hatte einiges an Papierkram verursacht, den die Blondine hatte abarbeiten müssen. Seufzend hob sie die Kaffeetasse an ihre Lippen und trank einen Schluck. Sie schien nachzudenken, denn verzog sie dabei leicht das Gesicht. Vielleicht lag es jedoch auch daran, dass ihr Kaffee bereits kalt war.
„Das ist vertraulich", redete sich Amber schließlich heraus, sodass Sam mit einem schwungvollen „Aha!" auf die Polizistin zeigte. „Das hat nichts zu bedeuten", entgegnete die Blondine und stellte ihre Tasse auf die Küchentheke. „Menschen lösen sich nicht einfach in Rauch auf und vergiften Leute. Das ist unmöglich", fuhr sie fort und lehnte sich zurück.
„Theoretisch ist nichts unmöglich", antwortete Sam und dachte an die seltsamen Vorkommnisse zurück, die sich seit rund neun Monaten in der Stadt ereignet hatten und die sich in den letzten Wochen zunehmend häuften. Ein Muster ließ sich erkennen. „Bei der Explosion des Teilchenbeschleunigers wurden Unmengen an Energie freigesetzt. Bekannte sowie unbekannte Teilchen sind in unsere Atmosphäre gelangt", erklärte die Brünette und sah Amber mit ernster Miene in die Augen. Sie hatte alle Berichte, Zeitungsartikel und Dokumentation bezüglich der Explosion des Teilchenbeschleunigers verfolgt. Dieses spezielle Thema bestimmte ihr Leben seit nun schon neun Monaten, doch das dadurch Super-Menschen erschaffen worden waren, das hatte sie in ihrer bisherigen Recherche noch nirgends entdeckt. Natürlich hatte sich die Brünette jedoch bereits gefragt, welche langfristigen Folgen ein derartiges Unglück wie dieses wohl mit sich gebracht haben könnte.
„Was genau willst du damit sagen?", hakte Amber nach.
„Ich rede von dunkler Materie", offenbarte Sam. „Ein noch unerforschtes Gebiet der Physik und Astronomie. Ihre Existenz ist weitestgehend belegt, doch viel mehr ist noch nicht über sie bekannt. Man kann nur spekulieren, was passiert, wenn konzentrierte Mengen dunkler Materie freigesetzt werden", erläuterte die junge Frau und warf einen Blick aus dem Küchenfenster. Die Sonne ging bereits auf. Ihre Theorie, die sie Amber soeben dargelegt hatte, hatte sie auch am Tag zuvor beim Kaffeetrinken mit ihren Kommilitonen geäußert. Nie hätte Sam jedoch gedacht, dass sie tatsächlich daran glauben würde und das bereits einen Tag danach. Doch wie sonst ließe sich der Gasmann erklären? Sie war Wissenschaftlerin und glaubte an belegte Fakten sowie das, was sie sah. Und sie hatte gesehen, wie sich der Mann in eine giftige Wolke verwandelt hatte.
„Das klingt nach Science Fiction", murmelte Amber und streckte sich.
„Aber nur, weil es in vielen Science-Fiction-Filmen und -serien aufgegriffen wird. Dunkle Materie selbst ist jedoch keine Fiktion", stellte die Wissenschaftsstudentin klar. „Und du hast mir doch von dem Fall erzählt, als ein flüchtiger Verbrecher plötzlich auf der Rückbank eines Polizeiautos aufgetaucht ist. Wie soll man sich das erklären?", fuhr Sam diese Schiene und grinste siegessicher. Amber winkte jedoch ab.
„Ich wette, die Story war erfunden. Clint und Jackson neigen ohnehin dazu, alles auszuschmücken."
Sie wusste, dass sie Amber nicht von ihrer Theorie überzeugen konnte, auch, weil die Blondine eine Doppelschicht hinter sich hatte. So gesehen war es auch nicht weiter wichtig, ob ihr nun Glauben geschenkt wurde oder nicht. Alles, was zählte war, dass Sam Indizien und Beweise für ihre Theorie fand. Ihr neues Projekt, dem sie sich widmen wollte, denn floss das elektrisierende Gefühl eines wissenschaftlichen Geheimnisses durch ihre Adern, welches sie unbedingt lösen wollte. Es war eine Tatsache, dass sich seit der Explosion von Star Labs seltsame Dinge in Central City ereigneten und sie wollte dem auf den Grund gehen. Amber hatte ihr geraten danach zu suchen und Sam hatte ihn gefunden – einen neuen Lebenssinn.
„Zuerst ein Gangsterclan, jetzt eine Richterin. Ich erkenne da kein Muster", erklärte Joe und legte eine Kopie der Akte, die alle bisherigen Informationen zu den Giftgasangriffen enthielt, auf das Computerpult. Harrison nahm die Akte entgegen und blätterte darin herum.
„Und ich dachte, dass das Meta vielleicht Jagd auf Verbrecher macht. So kann man sich täuschen", murmelte Cisco und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
Barry hingegen wirkte weniger entspannt. Eine Sorgenfalte zierte seine Stirn, während er in die Luft starrte.
„Wählt er seine Opfer unwillkürlich aus?", kam es von Caitlin, die Detective Joe West soeben eine Tasse Kaffee brachte. Er sah müde aus, wie Amber hatte auch er die Nacht auf dem Revier verbracht, doch war das Central City Police Department – oder kurz CCPD – bisher zu keinen stichhaltigen Erkenntnissen gekommen.
„Es scheint mir so, als ob unser gasförmiger Freund einem Muster nachgeht. Ein Muster, das wir bisher noch nicht erkannt haben, aber ich versichere Ihnen Detective, wir werden dem nachgehen", erklärte Harrison und sah mit einem Lächeln zu Joe auf. Dieser schien jedoch wenig beeindruckt. Die Beziehung zwischen ihm und dem Wissenschaftler war, trotz der Bemühungen Harrisons, die Stimmung zu lockern, angespannt. Es missfiel Joe, dass er seinen Adoptivsohn und seine neuen Fähigkeiten benutzte, um die Stadt von seinen Missetaten zu bereinigen. Es war gefährlich für Barry, Superspeed hin oder her.
„Wir müssen herausfinden, wer dieser Mann ist und vor allem, wer sein nächstes Ziel sein wird", verkündete der Speedster zerknirscht. Es war ihm anzusehen, dass der Tod Theresa Howards an ihm nagte. Schuldgefühle schlummerten in ihm. Harrison, der stets ein Auge auf Barry hatte, blickte zu ihm.
„Du kannst nichts für ihren Tod, Barry", wies er den Braunhaarigen hin, dieser schüttelte jedoch den Kopf.
„Nein, es ist meine Schuld", widersprach er seinem Mentor und verzog leicht das Gesicht. „Ich war nicht schnell genug und ich habe das Meta-Wesen nicht einmal einfangen können."
„Du kannst nichts schnappen, was sich in Gas verwandeln kann, Barry. Zumindest noch nicht. Wir werden einen Weg finden", kam es von Caitlin zurück, die ein aufmunterndes Lächeln aufgesetzt hatte.
„Der Nebel!", rief Cisco plötzlich begeistert aus und ließ alle Köpfe zu ihm schnellen. „Das ist sein Name, alles klar? Keine Einwände", sagte er mit einem breiten Lächeln und brachte Caitlin dazu laut zu seufzen und den Kopf zu schütteln.
Sam saß in der Universitätsbibliothek. Ihre Wissenschaftsbücher lagen aufgeschlagen neben ihr, Sams Fokus galt jedoch ihrem Laptop und nicht dem Aufsatz, den sie eigentlich schreiben sollte. Aufrecht saß sie am Holztisch und starrte auf das Display ihres Computers, während sie sich durch das Internet scrollte. Die Brünette hatte beschlossen, dass sie versuchen wollte herauszufinden, wer der Gasmann war.
Ihre Recherche begann am Anfang. Es interessierte Sam, wo sich der Unbekannte am Tage der Teilchenbeschleunigerexplosion aufgehalten hatte. Sie suchte nach Berichten zu jenem Tag, las Zeitungsartikel und durchforstete selbst die sozialen Medien, doch konnte sie den Gasmann nirgends finden. Auch hatte sie sein Gesicht nur vom Weiten gesehen. Er war glatzköpfig und groß, wenigstens ein Anhaltspunkt. Frustriert seufzte Sam und stützte ihr Kinn auf ihre Hand. Die unendlichen Weiten des Internets waren verwirrend. Zudem war es schier unmöglich eine Person zu finden, deren Namen man nicht kannte. Wie also sollte sie vorgehen?
Ihr Blick glitt zur Wanduhr. Amber war mit Sicherheit wieder auf dem Revier und vielleicht könnte sie ihrer Polizeifreundin einen Besuch abstatten. In der polizeilichen Datenbank könnte sie fündig werden, wenn sie nach dem Datum, an dem der Teilchenbeschleuniger in die Luft geflogen war, filterte. Oder aber nach glatzköpfigen Männern. Sam wusste nicht genau, wie die Filtereinstellungen der Polizeidatenbank funktionierten, doch bestimmt wäre die Recherche darüber wesentlich effektiver, als über das Internet. Und vielleicht hatte das CCPD bereits selbst ein paar Anhaltspunkte. Hastig packte sie ihre Sachen in ihre braune Lederumhängetasche und erhob sich von ihrem Stuhl. Sie lief an einem Kommilitonen vorbei, den sie aus einem ihrer Kurse kannte und schenkte ihm ein sonniges Lächeln, ehe sie die Bibliothek schnellen Schrittes verließ. Für Smalltalk hatte sie keine Zeit.
Als Sam aus der Universität hinaustrat, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Wann immer sie sich in die Bibliothek zum Lernen oder Recherchieren zurückzog, befand sie sich in einer anderen Welt. Die Zeit außerhalb des Gebäudes verlief doppelt so schnell, für ihr Gefühl jedoch schien sie fast stehenzubleiben. Es war bereits vorgekommen, dass die Brünette achtzehn Stunden am Stück in der Bibliothek gesessen hatte, ohne es überhaupt zu bemerken. Sie besaß einen Tunnelblick für die Dinge, die sie liebte und die sie interessierten und dieser richtete sich in diesem Moment auf den Gasmann. Er war das wissenschaftliche Mysterium, das sie lösen wollte.
Grüblerisch verzog Sam ihr Gesicht, während sie in die Bahn stieg, die wenige Minuten nach ihrer Ankunft am Bahnsteig eintraf. Sie lehnte sich an die Glasscheibe neben der Tür und sah hinaus, während der Zug durch die Stadt düste. Die Bahnschienen in Central City waren, was die Brünette äußerst gern mochte, hochgelegt. Sie befanden sich einige Meter über dem Boden und verliefen schlängelnd oberhalb der Straßen, sodass man von der Bahn aus einen hervorragenden Blick auf die Stadt hatte. Und besser noch – während der Bahnfahrten konnte Sam jedes Mal Star Labs begutachten, das sich im Zentrum der Stadt befand. Passend, wenn man bedachte, dass dieses Gebäude auch ihr Mittelpunkt war. In den letzten neun Monaten jedoch hatte sie dieser Ausblick jedes Mal geschmerzt, auch wenn der Schmerz von Tag zu Tag abgeflacht war. Doch noch heute spürte sie das leichte Ziepen in ihrem Brustkorb, wenn sie Star Labs von der Bahn aus betrachtete.
Abwesend musterte sie das stillgelegte Labor, als sie direkt daran vorbeifuhren, ehe sie seufzend ihr Handy aus der Tasche nahm und ein paar Zeitungsartikel durchforstete, um mit der Recherche zum Gasmann fortzufahren. Weit kam sie jedoch nicht, denn erreichte die Bahn wenige Minuten später die Station, die dem CCPD am nächsten war. Von hier aus waren es nur noch fünf Minuten Fußweg. Auf dem Weg zum Polizeirevier kaufte sie noch Kaffee für Amber, eine kleine Aufmerksamkeit für ihre hart arbeitende Freundin und zudem wäre es weit weniger verdächtig, wenn sie das heiße Getränk als Vorwand benutzte, ihr einen Besuch abzustatten. Die junge Frau bestellte sich selbst einen Cappuccino, um wieder richtig wach zu werden. Mit den zwei Bechern in den Händen betrat sie das CCPD.
Amber sah ihrem kurzfristigen Besuch skeptisch entgegen. Ihre Augenbraue wanderte bis in ihren Haaransatz, als Sam zu ihrem Schreibtisch gelaufen kam.
„Hey, na?", grüßte Sam ihre Freundin mit einem Lächeln und ließ sich auf dem Stuhl neben Ambers Schreibtisch nieder, auf dem ein heilloses Durcheinander herrschte. Diverse Akten und Papiere stapelten sich darauf und dutzende Post-Its klebten am Computerbildschirm, auf denen mit krakliger Handschrift Verweise sowie Erinnerungen notiert worden waren.
„Sam, was machst du denn hier?", fragte die Blondine, teils überrascht, teils misstrauisch. Die Studentin reichte ihr den Kaffee, den sie mit einem gemurmelten „Danke" entgegennahm.
„Na ich wollte mal sehen, wie es meiner Lieblings-Polizistin so geht", erwiderte Sam und schlurfte unschuldig an ihrem Cappuccino.
„Ah ja?", kam es stutzig zurück. Auch Amber trank einen Schluck von ihrem Kaffee Latte.
„Ja, wieso überrascht dich das so?", fragte die junge Wissenschaftsstudentin und spielte mit dem Deckel ihres Pappbechers.
„Vielleicht, weil du mich das erste Mal spontan hier besuchen kommst", antwortete sie und lehnte sich lässig auf ihrem Stuhl zurück. „Hast du nichts für die Uni zu tun?", stellte Amber ihr nun eine Frage, woraufhin Sam kurz mit den Schultern zuckte.
„Ich habe soweit alles erledigt", log sie, denn ihr wahres Interesse galt dem Gasmann. Sie hatte ihn gesehen, sie wusste, wie er aussah. Wieso hatte Amber sie also nicht als Zeugin vorgeladen? War der Täter schon identifiziert worden?
„Und, gibt es schon was Neues zum Giftgasangriff?", fragte die Brünette daher, da sie ihre Neugier nicht länger zurückhalten konnte. Amber seufzte tief, stellte ihren Kaffee ab und klappte die Akte zum Fall, die bis eben noch offen auf ihrem Schreibtisch gelegen hatte, zu.
„Nein, noch nicht", blockte Amber ab. Sam schürzte die Lippen.
„Komm schon Am", versuchte sie ihre Freundin umzustimmen und beugte sich geheimniskrämerisch vor. „Ich sag's auch keinem", schwor sie und schirmte ihre Lippen mit ihrer Hand ab. „Lass uns in der Datenbank suchen nach einem Typen, der aussieht wie Meister Proppers böser Bruder", wisperte sie. Amber grummelte und beugte sich ebenfalls vor, was Sam einen kurzen Moment hoffen ließ, doch zerplatzte ihre Hoffnung, als Amber zu sprechen begann.
„Sam, ich sagte dir doch, du sollst die Sache ruhen lassen."
„Ja, aber ich habe ihn gesehen und ich habe gesehen, wie er die Frau angegriffen hat."
„Und ich habe deine Aussage protokolliert", entgegnete die Blondine professionell und getroffen verzog Sam ihr Gesicht.
„Aber glauben tust du mir nicht", murmelte sie.
„Sammy", sagte Amber versöhnend und umfasste sanft ihr Handgelenk. „Ich glaube, dass du dir sicher bist, das gesehen zu haben, was du mir erzählt hast. Und vielleicht hast du auch den Täter gesehen, aber mal im Ernst, ein Mann, der sich in eine Giftwolke verwandelt? Ich mein, denk doch mal in Ruhe darüber nach, wie sich das anhört", führte sie vorsichtig an. Die Brünette schwieg einen Moment und ging in sich. Natürlich hörte es sich absurd an, das war ihr durchaus bewusst.
„Ich finde es wirklich toll, wie motiviert du bist und ich sagte dir auch, du sollst nach etwas Neuem suchen, das dich packt, aber das ist es definitiv nicht, Sam. Es gibt keine Menschen, die sich in Giftgas verwandeln können oder sonst irgendwelche mutierten Supermenschen. Du steigerst dich da in etwas rein, das zum einen total abstrus und zum anderen auch sehr gefährlich ist." Amber tätschelte über Sams Unterarm, um ihren Worten die Härte zu nehmen. „Ich weiß, du versuchst, dem Unfall vor neun Monaten irgendeinen Sinn beizumessen, weil er dir deinen Traum genommen hat, aber es gibt keinen. Es war einfach nur ein schreckliches Unglück und der Angriff gestern nur ein grausames Verbrechen. Die Polizei wird dahinterkommen und dann wirst auch du einsehen müssen, dass es für all das eine plausible Erklärung gibt", schloss die Polizistin und sah in Sams betretenes Gesicht. Sie wusste, was sie gesehen hatte. Sie konnte sich den Gasmann unmöglich eingebildet haben. Dennoch nickte Sam, da es keinen Sinn machte, mit Amber zu diskutieren. Sie würde ihr ohnehin nicht glauben und es enttäuschte die Brünette, dass ihre Freundin von vornherein alles abschmetterte, was sie sagte. „Tut mir echt leid, Sammy. Aber lass die Sache ruhen", bat Amber, woraufhin sich die junge Wissenschaftsstudentin von ihrem Stuhl erhob.
„Wir sehen uns später, Am", murmelte sie und schenkte der Blondine ein müdes Lächeln, ehe sie aus dem Revier schlurfte.
Auch eine halbe Stunde nachdem Sam das CCPD wieder verlassen hatte, nagte das schlechte Gewissen an Amber. Sie wollte ihrer Freundin sicher nicht in den Rücken fallen, doch neigte Sam dazu, die Dinge überstürzt anzugehen und sich in Sachen zu verrennen. Sie wollte der Brünetten den harten Aufprall ersparen, wenn am Ende herauskam, dass es für all das doch nur eine logische Erklärung gab und vor allem wollte sie sie schützen, denn befürchtete Amber, dass sich ihre Freundin leichtfertig in Gefahr begeben würde, nur um ihre Theorie zu belegen. Es war notwendig gewesen, ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Nun war es Ambers Aufgabe, die logische Erklärung hinter dem Mord, die Sam zurück auf den Boden der Tatsachen befördern würde, zu finden. Ihre und die der anderen Polizisten, die diesem Fall ebenso zugeteilt waren, darunter Joe West, ein strenger, dunkelhäutiger Polizist in den Fünfzigern und sein Partner Eddie Thawne. Blond, gutaussehend und ein wenig feminin, wie Amber fand. Die Blondine selbst hatte noch keinen Partner, sie war erst seit ungefähr zwei Monaten beim CCPD und musste sich erst beweisen. Vielleicht würde sie dann endlich von der Büroarbeit wegkommen, die ihr ständig von den erfahreneren Kollegen aufgehalst wurde, und durfte selbst mit aufs Schlachtfeld.
„Mason!", ertönte Joes tiefe Stimme. Umgehend schnellte ihr Kopf hinter der Akte hervor.
„Eddie und ich fahren nochmal zum Tatort, um zu überprüfen, ob wir irgendetwas übersehen haben." Für einen Moment glomm die Hoffnung in der jungen Polizistin.
„Du hältst hier die Stellung", befahl er und Ambers Hoffnung schwand. Kurz hatte sie geglaubt, mitfahren zu dürfen. Manchmal, wenn sie zu viel Zeit mit Sam verbracht hatte, wurde sie von der Naivität der Brünetten angesteckt. Amber nickte. Plötzlich meldete sich Eddie zu Wort.
„Was hältst du davon, wenn sie dich begleitet und ich stattdessen die Stellung halte? Es wäre lehrreich und allzu viel gibt es hier auch nicht mehr zu tun", schlug Eddie vor und in diesem Moment nahm sie all die lächerlichen Spitznamen, die sie ihm spaßeshalber hinter seinem Rücken gegeben hatte, zurück. Die Blondine ließ sich ihre Freude über Kens Vorschlag jedoch nicht anmerken, sondern sah nur zu Joe, der nachzudenken schien.
„Einverstanden", murmelte er und innerlich ballte Amber ihre Hand zur Faust und streckte sie in die Luft.
Während Joe und sie zum Ausgang liefen, ging Amber alle Informationen zum Fall, die sie der Akte entnommen hatte, im Kopf durch. Sie wollte vorbereitet sein und noch viel wichtiger: Detective West sollte erkennen, wie gewissenhaft sie war.
„Und die Fingerabdrücke, die am Fahrstuhl gefunden wurden, haben bei der Datenbankrecherche nichts ergeben?", hakte die junge Polizistin nach, während sie selbst in einen Fahrstuhl stiegen; in den Fahrstuhl der Polizeistation.
„Nein", kam es knapp von ihrem Vorgesetzten zurück.
„Seltsam. Erst Angehörige des Darbinyan-Clans und nun eine Richterin, die den Angriffen zum Opfer gefallen sind. Wenn ich tippen müsste würde ich sagen, dass der Täter mindestens ein paar Vorstrafen hat", murmelte sie und sah zu Joe. Dieser schien ihre Worte jedoch nicht wirklich zu hören. Allgemein wirkte es so, als sei er seit geraumer Zeit immer mal wieder tief in seinen Gedanken versunken. Sie beschloss ihn in Ruhe zu lassen, um der Gefahr zu entgehen, ihn zu nerven. Sollte Joe sie nicht mögen würde ihre Chance, von ihrem Schreibtisch wegzukommen, wohl auf Null sinken. Und das wollte sie auf keinen Fall riskieren, denn hatte Amber das starke Bedürfnis sich zu beweisen. Sie wollte nicht länger die Neue sein, das Küken des CCPDs, das die bürokratischen Aufgaben zugeschoben bekam. Sie war keine Buchhalterin, sondern verdammt nochmal eine Polizistin. Und was für eine. Amber selbst wusste es, nun war es an der Zeit, dass sie ihre Kollegen ebenfalls davon überzeugte. Joe war für dieses Unterfangen die perfekte Anlaufstelle. Er war der erfahrenste Cop unter ihnen, zudem der leitende Detective. Wenn sie ihn von ihren Fähigkeiten überzeugen konnte, hatte sie bereits gewonnen.
Der Familienvater und sie verließen das CCPD, auf dem Weg zu seinem Dienstwagen. Einen Tatort wiederholt zu besuchen könnte neuen Aufschluss über das Verbrechen geben, eine der wichtigsten Lektionen, die Amber auf der Polizeiakademie gelernt hatte und Joes Devise. Sie hatten das Auto fast erreicht, als die Blondine plötzlich etwas in ihrem Blickfeld bemerkte. Eine grüne Wolke schnellte auf Joe und sie zu. Der Detective, der gerade damit beschäftigt war seine Autoschlüssel zu suchen, bemerkte sie nicht. Die Wolke bewegte sich seltsam, fast wie ein Geist, sodass die junge Frau einen Moment wie hypnotisiert stehenblieb und das Gebilde mit offenem Mund anstarrte. Aus purem Reflex zog sie anschließend ihre Waffe aus ihrem Holster und richtete sie auf die grüne Wolke.
„Mason!", wetterte Joe erschrocken, ehe auch er den Nebel bemerkte, die kurzzeitig vor ihnen zum Stehen gekommen war. Nun jedoch jagte er auf die beiden Polizisten zu. Ambers Gedanken rasten. Gas konnte man nicht erschießen, doch bewegte sich gewöhnliches Gas auch nicht so willentlich, wie es dieses tat. Dennoch, was, wenn ihre Kugeln Passanten trafen? Sie konnte das Risiko nicht eingehen. Der Giftnebel bewegte sich gezielt auf Joe zu, der seine Hand ebenfalls an seine Waffe im Holster legte, sie jedoch nicht zog. Ganz offensichtlich hatte er denselben Gedankengang wie sie. Das giftgrüne Gas hatte ihn fast erreicht. Es handelte sich um wenige Sekunden. Sekunden, in denen Amber aus purem Reflex reagierte.
„Detective West!", rief sie und stieß den Älteren zur Seite. Die Stelle, wo Joe bis eben noch gestanden hatte und wo sie nun stand, wurde vom Nebel eingehüllt. Amber konnte nichts sehen, nichts außer das stechende Grün. Ihre Augen brannten. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, jene Hand, die ihre Waffe noch immer fest umschlossen hielt. Plötzlich wurde sie gestoßen, so als hätte das Gas plötzlich Gliedmaßen bekommen. Die Polizistin wandte sich um und atmete vor Schreck ein. Es ging schnell, doch verlief die Zeit für Amber in diesem Moment anders als für Joe, der sich ein paar Meter neben ihr aufrappelte und erschrocken auf das giftgrüne Gebilde starrte, das seine Kollegin verschluckt hatte. Sie spürte einen brennenden Schmerz, der ihre Kehle hinunter rann, hinunter in ihren Brustkorb und von dort aus in ihre Arme und Beine. Panisch riss die junge Frau ihre Augen auf und fasste sich an den Hals. Sie konnte nicht atmen. Amber schnappte nach Luft, doch schien es, als würde sie nichts als Staub einatmen, glühend heißen Staub, denn fühlte sie sich, als würde sie innerlich verbrennen.
„Mason!", hörte sie Joe rufen, er richtete seine Waffe auf das grüne Gebilde, schoss jedoch nicht. Es war ein Akt der Verzweiflung. Ihre eigene Waffe fiel ihr aus der Hand. Vor Schmerz krümmend und krächzend sackte die Blondine zu Boden. Die Wolke verflüchtigte sich und ihr Umfeld verschwamm. Ein Mann in einem roten Anzug tauchte neben ihr auf. Joe sprach zu ihm, befahl ihm etwas, doch konnte Amber aufgrund ihrer Schnappatmung nichts von dem Gespräch hören. Noch immer bekam sie keine Luft. Eine alles vereinnahmende Schwärze umhüllte sie und während die Polizistin das Bewusstsein verlor dachte sie daran, dass Sam mit ihrer bizarren Geschichte wohl recht gehabt hatte.
„Wo ist die junge Frau jetzt?", fragte Harrison, nachdem Barry und sein Ziehvater erzählt hatten, was vorgefallen war. Joe stand neben ihm, Besorgnis zeichnete seine Gesichtszüge.
„Im Krankenhaus. Es war in dem Moment ein Reflex, sie dorthin zu bringen", erklärte der Speedster, der noch immer seinen roten Anzug trug. Seine Kapuze mitsamt Maske hatte er jedoch von seinem Kopf gezogen.
„Eine verständliche Reaktion, doch befürchte ich, dass sie Miss Mason dort nicht helfen können", offenbarte der Wissenschaftler und rieb nachdenklich seinen Daumen über seinen Zeigefinger. „Wie ist ihr Zustand?", fragte er an Joe gewandt, der bis eben noch bei seiner Kollegin im Krankenhaus gewesen war. Hätte er Barry nicht umgehend kontaktiert, wäre Amber Mason wohl nicht mehr am Leben.
„Sie versuchen ihre Lungen zu filtern und sie bekommt ein Gegengift, doch der Arzt meinte, dass es nicht gut um sie steht", erwiderte er. Joe versteckte seine Sorge gern hinter seiner harten Fassade, doch in diesem Moment sah man sie in seinen Augen schimmern. Seit dem Tod seines jahrelangen Partners gingen ihm solche Dinge nahe. Scheinbar hatte Harrison genug gehört. Er drehte sich mit seinem Rollstuhl zu Caitlin und Cisco, die neben ihm standen, und sah sie ernst an.
„Ich möchte, dass ihr beide ins Krankenhaus fahrt und Miss Mason hierherholt. Um die Erlaubnis, sie zu Star Labs verlegen zu lassen, werden Detective West und ich mich kümmern", befahl er mit autoritärer Stimme und sah anschließend wieder zu Barry. „Du hast ihr Leben gerettet, Barry, indem du schnell vor Ort warst. Überlasse den Rest jetzt uns, aber halte dich bereit," Der Braunhaarige nickte zögerlich. Je länger der Nebel auf freiem Fuß war, desto unruhiger wurde der Speedster. „Blutproben von Miss Mason werden uns zudem Aufschlüsse darüber geben, mit welcher Substanz genau wir es zu tun haben. Es wird unser erster, echter Anhaltspunkt sein", fügte der Wissenschaftler hinzu, um dem Team neue Hoffnung zu geben. Das Tappen im Dunkeln sollte nun enden.
Sam war verstimmt. Manchmal wünschte sie sich, Amber würde die Polizistin in sich beiseiteschieben und als echte Freundin fungieren. Als die Freundin, die ihr das glaubte, was sie erzählte und sei es noch so skurril. Aber was erwartete sie? Sam selbst könnte die Wissenschaftlerin in sich, die sie mit Herz und Seele war, vermutlich auch nie abstellen. Wenn Amber ihr jedoch etwas erzählen würde, ganz gleich, wie wissenschaftlich unmöglich es auch war, so würde sie doch wenigstens nicht von Vornherein ausschließen, dass ihre Freundin die Wahrheit sprach. Das machte eine Freundschaft doch aus, das man einander glaubte, selbst wenn es nicht dem eigenen Glauben entsprach.
Wütend presste Sam ihre Lippen aufeinander und kickte einen Stein weg, der im Gras neben dem gepflasterten Weg, auf dem sie lief, landete. Die Brünette schlenderte am Strand entlang. Eigentlich hatte sie vorgehabt zurück zur Uni zu fahren, doch war sie emotional viel zu aufgewühlt, als dass sie jetzt ihren Aufsatz schreiben könnte. Das Meer hingegen, das beruhigte sie. Die Wellen rauschten angenehm, während sie an den Felsen der Küste zerschellten. Auch die Luft war hier frischer, zudem mochte die Brünette die leichte Salz-Note darin. Sie blickte geradeaus. Von der Küste aus konnte man die großen Säulen Star Labs hinter den Gebäuden Central Citys hervorragen sehen. Dieser Unfall von vor neun Monaten – Sam war sich noch immer sicher, dass mehr dahintersteckte. Und selbst wenn Amber ihr nicht glaubte, sie würde schon herausfinden, was es mit den seltsamen Vorkommnissen in der Stadt auf sich hatte.
Als ihr Handy in ihrer Hosentasche zu vibrieren begann, erschrak Sam leicht und ihre jähen Gedanken wurden abrupt beendet. Nur langsam zog sie es aus ihrer Tasche, da sie keine große Lust hatte zu reden; mit wem auch immer. Sam stutzte, als sie die Nummer auf dem Display betrachtete. Sie war ihr unbekannt. Kurz zögerte die Brünette, betätigte anschließend jedoch den grünen Hörer und hielt sich ihr Handy ans Ohr.
„Ja hallo?", fragte sie vorsichtig und stellte sich an die Seite, um Radfahrer und Fußgänger nicht zu behindern.
„Spreche ich da mit Miss Samantha Jones?", fragte eine freundliche, weibliche Stimme und die Brünette nickte, bis ihr auffiel, dass ihre Gesprächspartnerin sie gar nicht sehen konnte.
„Ja, tun Sie", erwiderte sie daher und biss sich auf die Unterlippe. Anrufe wie diese machten sie nervös. Sam wusste gern, was vor sich ging, in diesem Moment jedoch hatte sie keine Ahnung.
„Miss Jones, ich rufe Sie aus dem Central City Bay Krankenhaus an. Es geht um Miss Amber Mason", erklärte die Frau. Sams Herz setzte einen Schlag aus und schlug dann doppelt so schnell in ihrer Brust weiter.
„Was ist mit Amber?", platzte es aus ihr heraus, obwohl es so gar nicht ihre Art war Menschen zu unterbrechen. Die Frau, vermutlich eine Krankenschwester, fuhr mit ruhiger, freundlicher Stimme fort.
„Miss Mason liegt bei uns auf der Intensivstation, Miss Jones. Sie wurde Opfer eines schweren Giftgasangriffes."
Ab da schaltete Sams Kopf auf Durchzug. Sie hörte zwar, was die Krankenschwester ihr sagte, konnte die Informationen jedoch nicht verarbeiten. Alles, woran sie denken konnte war Amber und die Frage, ob sie wieder gesundwerden würde und vor allem, wie es um sie stand. All die medizinischen Fakten, die ihr am Telefon kurz geschildert wurden, gingen durch ein Ohr rein und durch das andere wieder raus. Sam spürte einen üblen Druck hinter ihren Augäpfeln.
„Kann ich zu ihr?", fragte sie mit zittriger Stimme, nachdem die Frau fertig gesprochen hatte und kaum hatte sie ihre Zustimmung erteilt, legte Sam auf und hetzte los. Sie lief zur nächstgelegenen Bushaltestelle, doch kam der nächste Bus erst in acht Minuten. Zeit, die Sam nicht hatte, oder vielmehr weigerte sie sich einfach hier zu warten, weshalb sie weiter rannte. Sie hatte bereits einige Busstationen zurückgelegt, als sie schließlich einen Bus erwischte.
Die Fahrt dauerte nicht mehr als zehn Minuten, doch zogen sich diese Minuten für die Wissenschaftsstudentin hin wie Kaugummi. Sie hörte ihr Blut in ihren Ohren rauschen, ihr Herz schlug ihr bis zum Halse. Hin und wieder musste sie sich über die Augen wischen, um nicht vor Augen aller im Bus zu weinen. In diesem Moment kam sich Sam ungeheuer blöd vor, mit Amber gestritten zu haben und dass aufgrund eines Mannes, der sich ihrer Meinung nach in Gas aufgelöst hatte. Amber hatte recht, es klang bescheuert und in diesem Augenblick war ihr der Gasmann egal. Sie wollte nur, dass es ihrer Freundin gut ging.
In der Klinik angekommen lief die junge Frau zum Tresen und fragte nach Amber Mason. Sie wurde in den dritten Stock geschickt, in dem sich die Intensivstation befand. Sam mochte Krankenhäuser nicht. In ihnen herrschte eine Atmosphäre, die sie beängstigte und diese Atmosphäre schien noch viel intensiver, jetzt, wo es Amber war, die hier drinnen lag. Als Sam das Zimmer ihrer Freundin erreichte, hielt sie im Türrahmen inne. Amber lag in ihrem Bett. Sie trug eine Sauerstoffmaske und an ihren Armen waren kleine Schläuche befestigt. Plötzlich wurde der Druck hinter Sams Augen stärker. Sie hatte gehofft, dass Amber vielleicht bei Bewusstsein war und so wurde ihr die Schwere des Angriffs auf sie in diesem Moment erst wirklich bewusst.
Zögerlich trat die Brünette an das Bett ihrer Freundin. Es war ungewohnt, die Blondine so zu sehen. Ihr sonst tougher Gesichtsausdruck war verschwunden. Sie wirkte leblos. Auch war ihre Haut aschfahl, was trotz dessen Amber auch sonst eher blass war, auffiel. Sam wünschte sich, dass Amber ihr Gesicht verziehen, ihren Arm bewegen oder auch sonst irgendetwas tun würde, das ihr zeigte, dass sie am Leben war. Doch nichts dergleichen geschah. Schwerfällig ließ sie sich auf dem Stuhl neben Amber sinken. Er war noch warm, so als hätte wenige Minuten zuvor jemand hier gesessen. Sam traute sich kaum, die Polizistin zu berühren, weshalb sie unschlüssig dasaß und sie musterte. Ein paar Tränen kullerten nun über ihr Gesicht. So saß sie einen Moment schweigend da.
„Hallo", ertönte plötzlich eine unbekannte, männliche Stimme. Hastig wischte sich die Brünette über die Wangen und sah zur Tür. Ein junger Mann mit schulterlangem Haar hatte das Zimmer betreten. Er wirkte fast noch wie ein Kind. Seine weißen Zähne stachen unter dem Karamell-Teint seiner Haut hervor. Neben ihm stand eine Frau. Auf den ersten Blick hatte sie keine auffälligen Merkmale.
„Wer seid ihr?", fragte Sam geradeheraus. Sie hatte die beiden noch nie im Leben gesehen und sie fragte sich, ob es vielleicht Freunde von Amber waren, die sie nicht kannte.
„Ich bin Cisco und das", begann der Jüngere und deutete auf seine Begleiterin. „Ist Caitlin, Äh, Dr. Snow", korrigierte er sich und grinste. „Wir sind hier, um Miss Mason mitzunehmen", sagte er. Sam war verwirrt.
„Mitnehmen?", hakte sie nach und spürte, wie sich ihre Augen erneut mit Tränen füllten.
„Ja, sie wird verlegt. Ihre Eltern haben Ihre Zustimmung am Telefon erteilt. Wir können ihr helfen", erklärte Cisco. Sam, die sich erneut über die Augen gewischt hatte, hielt abrupt inne. Verwirrt sah sie zu den beiden, die kaum älter waren als sie. Zumindest Cisco. Was konnten diese beiden also tun, was das Krankenhaus nicht konnte? Sie verstand nicht, was hier vor sich ging. Amber gehörte in ein Krankenhaus wie dieses. Waren die beiden denn auch Ärzte? Sie traute ihnen nicht.
„Wohin wird sie denn verlegt?", fragte sie und verzog missmutig das Gesicht, denn wenn Ambers Eltern tatsächlich ihre Zustimmung gegeben hatten, dann konnte sie auch trotz ihrer immensen Zweifel nichts erwidern. Sam war nicht befugt über Amber zu entscheiden, schon gar nicht über den Kopf ihrer Familie hinweg.
„Zu Star Labs", antwortete die Frau mit dem langen, hellbraunen Haar. Sam klappte die Kinnlade herunter. In einer anderen Situation wäre sie jetzt aufgesprungen und hätte voller Begeisterung gejubelt und geschrien, schließlich hatte sie geglaubt, dass Star Labs so nicht mehr existierte und dass es leer stand.
„Ich dachte, das haben sie dichtgemacht?", fragte Sam stattdessen. Trotz der heiklen Situation und ihrer tiefen Sorge um Amber begannen ihre Fingerspitzen zu kribbeln.
„So gesehen haben sie das, ja. Wir sind keine öffentliche Einrichtung mehr, aber wir haben die Mittel, um deiner Freundin zu helfen", antwortete Cisco und trat langsam an das Bett heran.
Das bezweifelte sie. Star Labs war nicht mehr das, was es früher mal gewesen war. In diesem Krankenhaus wäre Amber besser aufgehoben. Die Frau namens Caitlin schien ihre Zweifel zu bemerken, denn trat sie nun ebenfalls einen Schritt näher heran, was Sam skeptisch beäugte.
„Deine Freundin weist eine schwere Vergiftung auf. Ich weiß nicht, ob du schon mit den Ärzten hier gesprochen hast, doch schlägt das Antitoxin bisher nicht an, zumindest nicht so, wie es sollte. Es handelt sich um ein Gift, das sie in diesem Ausmaß noch nicht kennen. Es hat die Lungen deiner Freundin befallen, sich daran festgesetzt und wir können ihr helfen, weil wir herausfinden werden, um welches Gift genau es sich handelt und wieso es so hartnäckig ist."
Sam schüttelte den Kopf.
„Ihr könnt ihr nicht helfen", sagte sie mit zittriger Stimme. Caitlin und Cisco stutzten. „Ihr könnt ihr nicht helfen, weil es kein gewöhnliches Giftgas war. Es war ein Mensch, der sie angegriffen hat", rutschte es Sam heraus. Vermutlich war dies der Grund, wieso dieses Gift so anders, so gefährlich war. Wieso das Antitoxin nicht anschlug. Doch würde ihr niemand glauben, auch die Ärzte nicht. Zu ihrer großen Überraschung jedoch erwiderten Cisco und Caitlin nichts auf ihre abstrusen Worte, sondern tauschten einen Blick aus. Ein Blick, der Sam sagte, dass sie beide wussten, wovon sie sprach. Perplex musterte Sam die beiden.
„Ihr wisst davon?", fragte sie überrascht und langsam erhob sie sich. „Ihr habt den Gasmann auch gesehen?", fragte sie ungläubig und sah zwischen den beiden hin und her. Einen Moment lang herrschte Stille im Raum, doch war Sam geduldig und wartete auf ihre Antwort. Wenn diese beiden vom Gasmann wussten, wenn sie wussten, dass er existierte und wobei genau es sich bei diesem Fall handelte, dann hatte Amber eine viel bessere Chance als bei den Ärzten hier, die im Trüben fischten. Und es würde bedeuten, dass sie nicht verrückt war, sondern dass das, was sie gesehen hatte, wirklich real war. Aufgeregt sah Sam zwischen den beiden hin und her, solange, bis Cisco schließlich die Stille brach.
„Wir jagen ihn", erklärte der Langhaarige und erntete einen kleinen Seitenhieb von seiner Kollegin.
„Cisco", ermahnte sie ihn leise. Mit offenem Mund starrte Sam die beiden an. Sie war sich nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte, doch tauschten Cisco und Caitlin wieder denselben Blick aus, wie bereits zuvor.
„Ihr jagt ihn? Seid ihr die Ghostbusters oder was?", fragte die Brünette nach und hätte für ihren Hang zum Sarkasmus ein Highfive von Amber bekommen, wenn sie bei Bewusstsein gewesen wäre. Cisco grinste breiter.
„Nein, sind wir nicht, aber ein guter Vorschlag für einen Teamnamen, wenn du mich fragst", murmelte er und sah zu Caitlin, die jedoch ablehnend den Kopf schüttelte.
„Ich verstehe das nicht", nahm Sam das Gespräch wieder auf und verwirrt zog sie ihre Augenbrauen zusammen. Sie erhob sich langsam von ihrem Stuhl. „Was genau tut ihr in Star Labs? Wollt ihr Amber nun helfen, oder den Gasmann fangen? Arbeitet ihr insgeheim mit dem CCPD zusammen?", spekulierte die junge Wissenschaftsstudentin und nahm Ambers Hand, so als wolle sie ihre Freundin nicht gehen lassen.
„Sowohl als auch. Miss Mason wird uns Aufschluss über das Gift geben, dem sie zum Opfer gefallen ist und anhand ihrer Probe werden wir versuchen den Täter zu finden. Haben wir das getan, können wir sie vielleicht heilen", erklärte Caitlin vage.
„Woher willst du eigentlich wissen, dass es ein Mensch war, der den Angriff verübt hat?", fragte Cisco mit hinter dem Kopf verschränkten Armen nach und musterte Sam von oben bis unten. Die Brünette, die sich nun sicher war, dass sie bezüglich des Gasmannes nicht halluziniert hatte, sah in die braunen Augen ihres Gegenübers.
„Ich habe gesehen, wie er eine Frau im Fahrstuhl in der Mall angegriffen hat. Er hat sich einfach so in eine grüne Gaswolke verwandelt", erklärte Sam. Wieder tauschten die beiden einen Seitenblick aus. Die Brünette fragte sich, wie viel mehr das Duo wohl noch wusste und wie viel sie ihr verschwiegen. Im Moment spielte es jedoch keine Rolle; alles was zählte war die junge Polizistin, die bewusstlos in diesem Krankenbett lag. „Wenn der Gasmann der Schlüssel zu Ambers Heilung ist, dann möchte ich helfen, ihn aufzuspüren", eröffnete sie plötzlich. Für gewöhnlich war Sam niemand, der sich dazu erdreistete sich in die Angelegenheiten anderer einzumischen, doch in diesem Fall konnte sie nicht anders. Es ging um Amber und wenn sie dazu beitragen konnte, den Gasmann schneller zu schnappen, dann wollte sie es um jeden Preis tun. Amber würde dasselbe für sie tun, ohne zu zögern. Cisco und Caitlin sahen überrascht zu ihr. Sie konnte bereits sehen, wie die brünette Ärztin ablehnen wollte, sie hatte sogar schon ihre Lippen geöffnet. „Bitte. Ich habe ihn gesehen, ich weiß, wie er aussieht", verlieh sie ihren Worten Nachdruck. Eingehend musterte sie die beiden Wissenschaftler. „Ich bin keine Laiin. Ich studiere Physik und Biochemie im neunten Semester. Ich kenne mich mit der Materie aus und kann euch vielleicht helfen." Ihr Blick glitt zu Amber. Verzweifelt verzog Sam ihr Gesicht. „Außerdem", begann sie und sah wieder zu Cisco und Caitlin, „kann ich Amber unmöglich alleine lassen. Sie braucht mich jetzt."
Der Langhaarige presste seine Lippen nachdenklich zusammen und blickte anschließend zu seiner Kollegin. Die Studentin wusste, seine Zustimmung hatte sie, nun fehlte ihr noch die der strengen Ärztin. Caitlin zögerte einen längeren Moment, ehe sie tief seufzte und ihr Handy zückte.
„Lasst mich kurz einen Anruf tätigen ", sagte sie. Tiefe Erleichterung durchflutete Sam, während sie energisch nickte. Ein dankbares Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, wobei sie Ambers Handgelenk drückte, das sie die ganze Zeit über nicht losgelassen hatte.
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