Kapitel 19 - Vorsicht, Rutschgefahr

Amber und Joe stiegen aus dem Polizeiwagen und liefen schnellen Schrittes über die Straße zum Museum.
„Und Sie glauben, unser Mann kommt hierher?", fragte Amber ihren Vorgesetzten und musterte sein Seitenprofil, während sie die Eingangshalle betraten. Große Banner hingen von den Wänden, die den Diamanten bewarben. ‚Neues Ausstellungsstück. Ein Muss für jeden Besucher' hieß es darauf. Und für jeden Dieb, fügte Amber in Gedanken hinzu. Joe zeigte seine Dienstmarke am Eingang der Ausstellung, Amber tat es ihm gleich. Sie passierten die Drehkreuze.
„Wie Sie in Ihrem Täterprofil bereits erläuterten, ist er ein Stratege, ein Planer. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er mehr als einmal hierherkommt, um sich vorzubereiten", offenbarte Joe nun seinen Gedankengang. Die Blondine nickte.
„Ja, das sagte ich", murmelte Amber teils überrascht, da sie eigentlich geglaubt hatte, dass er ihr bei ihrem Vortrag vor einigen Wochen nicht zugehört hatte. Wie es schien hatte sie sich geirrt. Das Duo lief zum Diamanten, der Weg dorthin war ausgeschildert. „Einfacher geht's kaum. Die Schilder zeigen dem Dieb auch noch, wo er den Diamanten finden kann", sagte die junge Polizistin leise. Sie und der West Vater kamen schließlich vor dem Glaskasten, in dem der Diamant ausgestellt wurde, zum Stehen und begutachteten ihn. Er war so groß wie ein Baseball, wenn nicht sogar größer. Das Licht brach in ihm in dutzende Farben. Amber machte sich nicht viel aus Edelsteinen und Schmuck, doch auch sie erkannte die Schönheit dieses Steins. Joe sah sich um, Amber tat es ihm gleich. Zugegeben besaß sie noch nicht allzu viel Erfahrung in Sachen Polizeiarbeit. Sie hatte die meiste Zeit hinter ihrem Schreibtisch verbracht.
„Was machen wir nun?", fragte sie den Detective daher vorsichtig. Joe sah aus dem Augenwinkel zu ihr.
„Ermitteln. Passen Sie auf und lernen Sie", sagte er selbstbewusst, ehe sein Blick zu einem der Museumsmitarbeiter wanderte, der soeben an ihnen vorbeilief. „Kommen Sie, Mason", wies er sie an und setzte sich in Bewegung. Amber folgte ihm. „Entschuldigen Sie", sprach Joe den älteren Herren mit roter Weste und weißem Hemd an. ‚Gregory' stand auf seinem Mitarbeiterschild.
„Ja?", fragte der Grauhaarige höflich. Joe zeigte ihm unauffällig seine Marke.
„Wir gehen der Annahme nach, dass jemand vor hat, den Diamanten der Kahndaq Dynastie zu stehlen", erklärte er mit gesenkter Stimme. Der Ältere schien verdutzt.
„Bei allem Respekt, Sir, aber das ist meiner Meinung nach nicht möglich." Er deutete auf die Vitrine. „Unsichtbare Laser lösen Alarm aus, bei jedem, der sich dem Glas auch nur etwas zu sehr nähert. Diverse andere Maßnahmen, um ihn zu schützen, wurden ebenfalls eingeleitet", erklärte der Touristenführer. Joe nickte.
„Dennoch ist es unsere Aufgabe, sicherzugehen", erwiderte er mit stetiger Stimme. „Wenn Sie also irgendetwas beobachtet haben, etwas Seltsames, Unübliches, dann lassen Sie es uns bitte wissen."
Gregory verzog sein Gesicht und schien zu überlegen.
„Etwas ist mir schon aufgefallen", sagte er zögerlich. Amber und Joe spitzten die Ohren. „Da ist ein Kerl, der die Ausstellung nun schon mehrfach besucht hat. Er macht auch viele Führungen mit, für gewöhnlich macht niemand die Führung mehr als einmal."
Die Blondine und ihr Vorgesetzter tauschten einen wissenden Blick aus.
„Könnten Sie uns vielleicht beschreiben, wie genau er aussieht?", hakte Joe nach, während Amber ihren Block und einen Stift zückte, um mitzuschreiben. Der Grauhaarige grübelte, hielt jedoch inne, als er seinen Blick schweifen ließ.
„Ist ja verrückt", murmelte er und streckte seinen Finger aus, um auf einen Mann im dunkelblauen Mantel zu deuten. „Da. Das ist der Kerl."
Die Köpfe der beiden Polizisten schnellten herum. Joes Augen weiteten sich, als er das Gesicht erkannte. Leonard Snart. Er hatte ihn schon mal wegen Überfalles auf ein Pfandleihgeschäft vor einigen Jahren hochgenommen.
„Er ist es", sagte Joe fest überzeugt. Mit den Jahren als Polizist entwickelte man einen Riecher dafür. Der West Vater zückte sein Handy und schrieb zur Sicherheit eine SMS an Barry, die zwei Wörter beinhaltete: Museum, sofort.
„Was?", hakte Amber verdutzt nach. Sie musterte den Mann mit den kurzrasierten Haaren, während sich Joe bereits in Bewegung setzte und seine Marke vor hielt.
„Snart!", rief er. Der Mann mit den blauen Augen sah zu ihm auf, verharrte einen Moment und rannte dann los. Joe zuckte, ehe auch er los rannte. Amber tat es ihm gleich. Sie folgten dem Dieb die Treppe hinunter, hinaus ins Freie. Snart eilte über die befahrene Straße und schlitterte über ein Auto, Joe lief um den Wagen herum. Seine Kollegin war dicht hinter ihm. Sie war schnell, im Sportunterricht an der Polizeiakademie hatte sie zu den Besten gehört. Amber überholte Joe und holte allmählich zu Snart auf.
„Stehenbleiben, Polizei!", rief sie und zog ihre Waffe aus ihrem Holster. Zwar durfte sie nicht schießen, doch schüchterte es die Flüchtigen manchmal ein. Plötzlich blieb Leonard tatsächlich stehen und zog etwas unter seinem Mantel hervor. Eine Waffe. Eine seltsame Waffe. Amber hielt an.
„Mason!", wetterte Joe hinter ihr und rannte auf sie zu, während der Mann mit den blauen Augen abdrückte und einen blauen Kältestrahl auf die beiden Polizisten abfeuerte.

Wenn Joe schrieb ‚sofort', dann meinte er es auch so, weshalb Barry keine Sekunde nach Erhalt der SMS losgedüst war. Der Speedster raste durch die Straßen Central Citys, bog bei der dritten Kreuzung rechts ab und erreichte schließlich das Museum. Der West Vater hätte ihm diese kurze Zeile nicht geschickt, wäre es nicht wichtig.
Als Barry das Museum erreichte, weiteten sich seine Augen, als er Joe und seine jüngere Kollegin, Sams Freundin, auf dem gegenüberliegenden Bordstein stehen sah. Etwas wurde auf sie abgefeuert, ein blauer Strahl. Aus purem Reflex rannte der Speedster weiter, während er beobachtete, wie die blaue Flamme die beiden Polizisten fast erreicht hatte. Er stieß sie zur Seite und wurde nun stattdessen selbst erfasst. Das Standbild wurde wieder zu einem Bewegbild. Barry fiel vor Schmerzen schreiend zu Boden, Amber und Joe landeten auf dem Asphalt.
„Flash!", rief der West Vater und rappelte sich gemeinsam mit seiner Partnerin auf. Keuchend hielt sich Barry die Seite. Es brannte, doch war es nicht heiß, sondern eiskalt. Er sah zum Mann, der sich nun eine Schutzbrille aufsetzte und ihn angrinste.
„Wusste ich doch, dass du auch kommst", sagte er mit kühler Stimme. Snart erinnerte sich, erinnerte sich daran, wie Flash dem verletzten Fahrer vor einigen Tagen mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte als ihm und seinen davon fahrenden Partnern. Der Blauäugige setzte ein paar Schritte zurück. Barry, der seine Hand auf die beschädigte Stelle seines Anzugs presste, unter der sein Körper in Mitleidenschaft gezogen worden war, sah mit verzogenem Gesicht zu ihm auf.
„Stopp!", rief er und rannte los. Snart richtete seine Waffe auf den Boden und drückte ab. Eine Eisschicht überzog die gesamte Straße sowie den Gehweg, sodass Barry zu rutschen begann und gegen die nahegelegene Bushaltestelle schlitterte. Er krachte durch die Scheibe, während Snart ins Theatergebäude floh.
„Flash, ist alles in Ordnung?", hörte Barry seinen Ziehvater rufen, während Glasscherben von seinem Anzug regneten, als er sich langsam aufrappelte.
„Ja! Halt dich da raus!", befahl er dem Detective und düste wieder los.
Leonard Snart war nicht dumm. Er wusste, wie er den roten Speedster ablenken konnte, um selbst unbemerkt zu fliehen. So lief er mit seiner Cold Gun durch den Theatersaal und begann willkürlich auf Zivilisten zu feuern. Barry zog die Leute aus der Schussbahn, jeden einzelnen, während er immer wieder selbst den blauen Flammen ausweichen musste, da Snart versuchte ihn zu erwischen. Seine Seite schmerzte. Er hatte das Gefühl, nicht richtig laufen zu können. Die Kälte fraß sich von Innen durch seine Muskeln und ließ sie träge werden.
„Geht dir die Puste aus, Flash?", hörte er Snarts selbstgefällige Stimme. Der junge Speedster kam vor ihm zum Stehen.
„Lass die Waffe fallen! Du hast keine Chance, ich bin schneller als du", warnte er sein Gegenüber atemlos. Der Kurzhaarige schnaubte. und richtete seine Waffe an ihm vorbei. Barry wollte nach vorne sprinten und Snart umstoßen, doch hatte dieser bereits abgedrückt und als der Forensiker über seine Schulter sah, erkannte er, auf wen er zielte. Der Strahl schoss in Richtung eines Angestellten in einem der Säle, gut fünfzig Meter entfernt. Der junge Mann kehrte auf dem Absatz um und rannte dem blauen Strahl nun hinterher, von Snart weg. Seine Beine, sie waren träger, viel träger als sonst. Barry biss die Zähne so fest zusammen, dass es wehtat, während er so schnell er konnte nach vorn sprintete, auf den Mann zu. Er hatte es fast, hatte den Kältestrahl fast eingeholt. Der Speedster streckte seine Arme aus, um den Arbeiter wegzustoßen, doch erfasste ihn im selben Moment die blaue Flamme und ließ ihn zu Eis erstarren.
„Nein!", schrie Barry aus voller Kehle, während der Mann zu Boden fiel. Leblos. Zu Eis erstarrt. Snart beobachtete die Szene, wie der Mann im roten Anzug sich über den Toten beugte, für einen Augenblick. Er schien vollkommen vergessen. Der Dieb wollte sein Glück jedoch nicht auf die Probe stellen und so ließ er seine Cold Gun wieder sinken und flüchtete durch den Hinterausgang.

Wann immer Barry seine Augen schloss, wann immer er auch nur blinzelte, sah er den Mann, den er nicht hatte retten könnten. Der Mann, der vom Strahl der Waffe erfasst und zu Eis erstarrt war. Hatte er Familie gehabt? Eine Frau? Kinder? Er hätte ihn retten müssen, hätte schneller sein müssen.
Oberkörperfrei saß der Speedster auf der Liege mitten im Cortex und ließ sich von Caitlin untersuchen. Ihre filigranen Finger glitten über die Stelle, an der ihn die Waffe verletzt hatte. Dort war Barrys Haut fast schwarz.
„Du hast großes Glück, dass du ein Speedster bist, Barry. Zwar ist deine Zellheilung stark beeinträchtigt, wodurch du dich nur langsam regenerierst, aber wäre die Nervenschädigung für jeden normalen Menschen tödlich gewesen. Du wirst wieder, auch wenn es ein paar Stunden dauern wird", stellte Caitlin ihre Diagnose. Sie rollte mit ihrem Hocker zum Schrank nahe der Liege und holte Verbandszeug heraus. Sam, die gemeinsam mit Harrison und Cisco rechts von Barry stand, atmete tief aus.
„Dieser Typ", begann der Braunhaarige abwesend und starrte auf die Fliesen im Cortex. „Er hatte eine Waffe. So eine wie diese habe ich noch nie gesehen. Sie hat alles vereist. Wie kann das sein, wer baut so eine Waffe?", fragte der Forensiker ungläubig und sah nun zu seinem Team. Sam sah aus dem Augenwinkel zu Cisco, der sich neben ihr verkrampfte. Harrison räusperte sich kurz und fuhr dann ein Stück vor.
„Star Labs hat die Waffe gebaut", offenbarte er. Sam wusste, er übernahm soeben die Verantwortung. Vermutlich würde Harrison dem Speedster nicht einmal erzählen, wer genau die Waffe gebaut hatte, doch war Cisco niemand, der andere für einen Fehler, den er begangen hatte, geradestehen lassen würde, weshalb er an Barry herantrat und somit auf sich aufmerksam machte.
„Nicht Star Labs, sondern ich. Ich habe die Cold Gun gebaut", gestand er zerknirscht. Caitlin vollendete soeben die Bandage, sodass Barry sich wieder frei bewegen konnte. Er erhob sich von seiner Liege, Verwirrung zeichnete seine Gesichtszüge.
„Was? Das verstehe ich nicht", sagte er und trat an seinen Freund heran. „Du hast die Waffe gebaut? Wieso?"
Cisco zögerte einen Moment, schien all seinen Mut zusammenzunehmen, ehe er zu erklären begann:
„Kälte und Geschwindigkeit sind zwei Gegensätze. Die Teilchenbewegung wird bei Kälte verlangsamt und ist eine bestimmte Temperatur erreicht, dann findet keine Bewegung mehr statt. Man nennt es"
„Den absoluten Nullpunkt", beendete Barry den Satz und verzog das Gesicht. „Aber wieso hast du eine Waffe gebaut, die sowas kann?"
Sam presste ihre Lippen zusammen und dachte ebenfalls darüber nach. Caitlin und sie hatten sich schon exakt dasselbe gefragt, doch just in diesem Moment dämmerte es ihr plötzlich, als sie an die letzten Wochen zurückdachte.
„Um dich aufzuhalten", sprach Cisco den Gedanken, den Sam gerade gehabt hatte, laut aus. Unverständnis spiegelte sich in Barrys blaugrünen Augen wider.
„Was?", hakte er vom Neuen nach, diesmal schwang deutliche Wut in seiner Stimme mit.
„Barry, vor einigen Tagen, da hast du Polizisten angegriffen."
Der Braunhaarige schnellte einen Schritt vor und streckte seinen Arm aus.
„Ja, weil ich unter der Gedankenkontrolle dieser Frau stand, Cisco!", verteidigte er sich. Sam spürte, wie verraten sich der Forensiker in diesem Augenblick fühlte, doch hielten sie und der Rest des Teams sich vorerst raus.
„Ja, Barry, das weiß ich. Aber was, wenn wir dich nicht zurückgeholt hätten? Die Polizei hat keine Chance gehabt und wir hätten auch nichts gegen dich ausrichten können. Was hätten wir also getan, wenn unser Plan schiefgegangen wäre? Hätten wir Mr. Jordan anrufen und gegen dich kämpfen lassen sollen?", fragte Cisco verzweifelt und musterte seinen Freund entschuldigend. Barry schüttelte akribisch seinen Kopf.
„Ja, das mag ja sein, aber wieso hast du es hinter meinem Rücken gebaut, Cisco? Wieso hast du mich nicht eingeweiht, ich dachte wir wären Freunde, ich dachte du vertraust mir!"
„Ich vertraue dir, Barry", erwiderte Cisco hastig.
„Ach so? Und wieso hast du dann heimlich dieses Ding gebaut? Und überhaupt hatte ich das Gefühl, dass du mir total aus dem Weg gegangen bist in den letzten Tagen", wetterte er. Sam glaubte, den Speedster noch nie so wütend gesehen zu haben.
„Jungs", versuchte sich Sam vorsichtig einzumischen.
„Weil ich Angst vor dir hatte, okay?!", rutschte es Cisco heraus. Plötzlich wurde es still im Raum. Barry verzog verwirrt und getroffen zugleich sein Gesicht.
„Was? Du hattest", begann er und verengte ungläubig seine Augen, „Angst vor mir?", wiederholte er zögerlich.
„Ja, Barry, ich hatte ne scheiß Angst, okay? Dir dabei zuzusehen, wie du Menschen angegriffen hast, das hat mich erkennen lassen, wie mächtig du wirklich bist und wie schwach wir hingegen sind. Ich wollte einfach sicher sein, dass wir dich aufhalten können, sollte es, aus welchem Grund auch immer, nochmal zu einer Situation wie dieser kommen. Du bist das einzige Meta-Wesen in unserem Team."
Zaghaft sah Sam zu Barry und musterte ihn. Sie konnte den Schmerz hinter seinen Augen erkennen. Die Enttäuschung. Den Verrat.
„Also vertraust du mir doch nicht", sagte er trocken.
„Barry, hör zu", versuchte Cisco ihm zu widersprechen, doch schüttelte der Forensiker nur seinen Kopf.
„Nein, Cisco, ein Mann ist heute gestorben, weil ich nicht schnell genug war. Weil ich nicht vorbereitet war."
Der Jüngere fuhr sich gestresst durchs schulterlange Haar.
„Ja und das ist meine Schuld, Barry. Es war meine Waffe, die ihn getötet hat."
Der Speedster schüttelte seinen Kopf.
„Ich war derjenige, der ihn hätte retten müssen, Cisco. Und ich war derjenige, der ihn hat sterben sehen, nicht du", blockte er seinen Freund nun ab und lief an den beiden Frauen und Harrison vorbei.
„Barry", rief Cisco, doch ignorierte er sein Rufen. Sam sah ihm hinterher, öffnete ihre Lippen, sagte jedoch nichts, um ihn aufzuhalten. Barry benötigte wohl einen Moment für sich. Cisco seufzte schwer und fuhr sich mit den Händen über sein Gesicht, während er langsam auf der Liege Platz nahm. Die junge Wissenschaftlerin überlegte, was sie sagen könnte, um Cisco aufzumuntern, denn war die Situation soeben gehörig eskaliert. Aus dem Augenwinkel sah sie zu Harrison, der nachdenklich Daumen und Zeigefinger übereinander rieb.
„Barry wird sich wieder beruhigen, Cisco", sagte der Dunkelhaarige schließlich und näherte sich seinem Schützling. „Ich verlange jedoch, dass du endlich einen Weg findest, die Waffe zu lokalisieren, damit Barry das nächste Mal vorbereitet ist", wies er den Ingenieur an und musterte ihn einen Moment lang, ehe er sich herum drehte und das Zimmer nun ebenfalls verließ. Nachdenklich sah Sam dem Wissenschaftler hinterher und schritt zu ihrem Freund, um ihm aufmunternd auf die Schulter zu klopfen.

Einige Zeit später saß Sam in ihrem Labor und ging den dicken Ordner mit den Aufzeichnungen und Rechercheergebnissen zur Stammzellenforschung durch. Sie sah die Wörter, wirklich lesen tat sie jedoch nicht. Die Brünette war abgelenkt, denn schweiften ihre Gedanken immer wieder zum Gespräch im Cortex. Das Team war gespalten, jeder schien für sich. Ihr Blick wanderte zur mikroskopischen Aufnahme von Barrys Zellen. Das, was Caitlin heute Morgen gesagt hatte; dass seine Zellen nicht funktionierten, wenn man sie in ihre Einzelteile zerlegte, wenn man versuchte, bestimmte Abschnitte zu isolieren, das traf seltsamerweise auch auf die derzeitige Situation zu. Das Team war ebenso gespalten und dementsprechend nicht funktionsfähig. Wenn sie funktionieren wollten, dann mussten sie sich wieder zusammenraffen und das würde nicht passieren, wenn jeder für sich war. So erhob sich Sam und legte den Ordner für den Moment beiseite. Sie durfte nicht zulassen, dass die Gruppe zerbrach, dafür war das, was sie hier taten, zu wichtig und dafür hatte sie die Menschen hier auch viel zu gern. Sie war offiziell Teil des Teams, also musste sie sich auch dementsprechend engagieren.
Die junge Wissenschaftlerin verließ ihr Labor und schlenderte durch den Flur, auf der Suche nach Barry. Eigentlich gab es, neben dem Cortex, nur einen Raum, in dem er sich aufhielt und das war der Trainingsraum, in dem Sam tatsächlich auch fündig wurde. Sie sah den Speedster auf dem Laufband rennen, wie ein Verrückter. Vorsichtig, um den Forensiker nicht zu stören, öffnete sie die Tür und trat ein. Barry bemerkte ihre Anwesenheit, rannte noch einen kurzen Augenblick weiter und verlangsamte seine Schritte schließlich allmählich, bis er gänzlich auf dem Laufband zum Stehen kam. Er keuchte und schnappte nach Luft. Sam fragte sich, wie lange er nun schon gerannt war.
„Hey", grüßte sie den Braunhaarigen mit einem schiefen Lächeln.
„Hey", kam es leise zurück. Barrys Stimmung war offensichtlich im Keller, doch konnte sie es ihm nicht verübeln. Er fühlte sich verraten. Langsam schritt Sam auf ihn zu, während sich der Braunhaarige auf das Podest, auf dem das Laufband stand, niederließ und seine Wasserflasche zur Hand nahm, die er dort abgestellt hatte. Er schraubte sie auf und trank einen kräftigen Schluck.
„Wie geht's dir?", versuchte Sam das Gespräch irgendwie zu beginnen und erntete einen Seitenblick. „Ja okay, blöde Frage, tut mir Leid", fügte sie hinzu und ließ sich ebenfalls auf der Stufe nieder. Sam streckte ihre langen Beine aus und sah auf ihre Schuhe. Kurz kehrte Stille ein. „Weißt du", ging es die junge Frau schließlich anders an und drehte ihren Kopf zu Barry. „Cisco hatte nie vor, dich zu hintergehen, geschweige denn zu verletzen, Barry. Er ist dein Freund, das weißt du, oder?"
Der Braunhaarige setzte seine Wasserflasche wieder ab und schraubte sie zu. Nachdenklich stellte er sie neben sich ab und sah anschließend zu Boden.
„Mag sein, aber das, was er getan hat"
„Das war falsch und dumm, keine Frage. Ich will ihn in der Hinsicht absolut nicht verteidigen", unterbrach Sam den Speedster vorsichtig. „Aber was ich dir damit sagen will ist, dass Cisco einen Fehler gemacht hat, aus Angst und ich verstehe auch, dass dich das trifft, dass er Angst vor dir hatte oder sie vielleicht noch hat."
Barry senkte den Blick.
„Ja, das tut es, aber um ehrlich zu sein, versteht ihn ein Teil tief in mir."
Fragend zog Sam ihre Augenbrauen zusammen.
„Wie meinst du das?", hakte sie nach und drehte ihren Oberkörper in Barrys Richtung, um ihm ihre volle Aufmerksamkeit zu signalisieren. Der junge Mann starrte an die gegenüberliegende Glasscheibe, sein Blick war abwesend.
„Diese Fähigkeiten, die ich habe, die sehe ich nicht zum ersten Mal", murmelte er leise. „Als ich elf war, wurde meine Mutter ermordet von etwas, das wahnsinnig schnell war." Sams Augen weiteten sich. „Ich habe erst richtig verstanden, was es war, als ich selbst diese Fähigkeiten in mir entdeckt habe, neun Monate nach der Explosion des Teilchenbeschleunigers. Erst da wusste ich, dass ich recht hatte, dass ich mir das, was ich als Junge gesehen habe, nicht eingebildet habe." Der Braunhaarige sah nun zu Sam, die ihn geschockt musterte. Sie hörte diese Geschichte zum ersten Mal. Sie hatte keine Ahnung gehabt. „Es war ein Mann. Ein Mann in Gelb, der meine Mutter getötet hat und er hatte dieselben Kräfte wie ich jetzt. Er ist ein Speedster, Sam", erklärte er. Sam glaubte, Barrys Stimme zittern zu hören. Es schien ihm noch immer wahnsinnig schwer zu fallen, darüber zu sprechen. „Ich war damals machtlos", fuhr er fort. „Und ich hatte wahnsinnige Angst, weil weder mein Dad noch ich auch nur das Geringste ausrichten konnten. Der elfjährige Junge in mir, das ist der Teil, der Cisco versteht", schloss er und erhob sich.
„Barry, ich", Sam wusste nicht, was sie sagen sollte. Jedes Wort des Trosts schien ihr nicht ausreichend. „Das wusste ich nicht. Das tut mir wirklich aufrichtig Leid", versuchte es die Brünette dennoch. Der Braunhaarige drehte sich zu ihr und sah ihr in die Augen. Sie konnte die Trauer in den seinen erkennen sowie den Zorn auf den Mann in Gelb, wie er ihn genannt hatte. Wie konnte das sein? Ein Speedster vor der Explosion des Beschleunigers. Wie hatte er seine Kräfte erhalten?
„Seitdem ich diese Kräfte habe, habe ich mir geschworen, die Menschen zu retten. Ich wollte anders sein der Mann in Gelb und meine Fähigkeiten benutzen um Gutes zu tun und ich dachte, dass dieses Team hinter mir steht, doch letztlich sieht mich Cisco wohl auch nur als Meta-Wesen, als Monster."
Sam tat es Barry gleich und erhob sich ebenfalls.
„Nein, das ist absolut nicht wahr, Barry. Du bist anders als der Mann in Gelb, du hilfst den Menschen", widersprach sie ihm. „Und ich bin noch nicht lange im Team, aber ich weiß, dass Cisco, Caitlin und Dr. Wells dich aufrichtig und aus tiefstem Herzen unterstützen und hinter dir stehen." Vorsichtig berührte sie den Speedster an der Schulter und lächelte aufbauend. „Das, was mit Mia Yamamoto passiert ist, dass sie dich kontrolliert hat, das hat Cisco in eine unheimlich prekäre Lage gebracht, Barry. Bevor er den Stromschlag durch deinen Kopf gejagt hat, da hatte er wahnsinnige Angst um dich. Angst davor, dich zu verletzen, den Menschen, der du bist, nicht das Meta-Wesen", berichtete sie ihm. Der Forensiker war nicht dabei gewesen, dementsprechend hatte er nichts davon gewusst. So blickte er Sam überrascht an und sah anschließend nachdenklich zur Seite. „Die Cold Gun, die er gebaut hat, die kann dich zwar verletzen, aber hat er sie sicher niemals gebaut, um dich zu töten, Barry. Er wollte sicher sein, dass es einen Weg gibt dich aufzuhalten, einen sicheren, weniger experimentellen Weg", schloss Sam. „Ich kann zwar auch nur spekulieren, aber glaube ich, dass Cisco niemals absichtlich etwas tun würde, um dich zu verletzen. Er wollte nur helfen, auf seine Art."
Barry verzog seine Lippen und lief ein paar Schritte durch den Trainingsraum. Sam ließ ihre Hand, die auf seiner Schulter geruht hatte, wieder sinken. Seine Augen schimmerten traurig im Licht, als er innehielt und sich wieder zur Brünetten drehte.
„Ich will niemanden mehr sterben sehen, Sam", offenbarte er plötzlich. Der Tod des Mannes, er schien noch immer an ihm zu nagen. Mitleidig verzog die junge Frau ihr Gesicht. Sie konnte sich nicht vorstellen, welche Last der Speedster auf seinen Schultern trug, doch kannte sie das Gefühl, etwas ausrichten zu wollen, sodass Menschen geholfen werden konnte. Auch sie wollte Mrs. Anderson und vielen anderen helfen, auf ihre Weise.
„Ich verstehe dich, Barry", murmelte sie. „Ich verstehe dich nur zu gut." 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top