Kapitel 6 - Lasagne
Lina und ich sind bei mir zu Hause, als mein Handy plötzlich klingelt.
»Ja?«, nehme ich ab, ohne zu schauen, wer mich anruft.
Man, heute bin ich aber besonders mutig.
»Bock auf Party?«, höre ich Alex sagen und kann mir schon denken, dass er wie ein Blödmann grinst.
»Da muss ich leider absagen«, meine ich und schaue zu Lina, die mich neugierig mustert.
»Was ist passiert? Ist jemand gestorben?«, will Alex sofort wissen und bringt mich somit zum lachen.
»Nein, aber Lina ist hier und unsere Lasagne ist gleich fertig. Das werde ich mir nicht entgehen lassen«, erkläre ich ihm meine Situation.
»Und nach der Lasagne?«
»Nach der Lasagne gibt es für mich nichts außer Filme und Schlaf.«
Ich schaue nochmal in den Backofen, um zu gucken, ob die Lasagne fertig ist, was jetzt eigentlich der Fall sein soll.
»Komm schon, Maja«, bettelt Alex weiter.
»Vielleicht am Wochenende, aber nicht am Dienstag, Alex. So sehr will ich mein Leben auch nicht genießen... obwohl das tue ich eigentlich schon mit Lina und der Lasagne.« Ich grinse meine beste Freundin an, was sie sofort erwidert.
»Sie ist fertig«, flüstert Lina.
»Ich muss auflegen, Wischmop. Wir sehen uns morgen.«
Und dann beschäftige ich mich wieder mit den wichtigen Dingen des Lebens. Mit Essen.
»Holst du deine Familie?«, fragt Lina, als wir den Tisch decken.
Ich nicke und schreie dann: »Essen!!«
Lina rollt mit den Augen. »Das hätte ich auch geschafft.«
»Wieso hast du es dann nicht gemacht?«, provoziere ich sie.
»Klappe«, zischt sie und stellt dann die Lasagne auf den Tisch.
Meine ältere Schwester, Ida, ist wie zu erwarten, die erste am Tisch. »Das riecht ja himmlisch«, schwärmt sie. »Seit wann kannst du kochen?«
»Du kannst doch auch nicht kochen«, meckere ich sie an. Was wirklich ein Wunder ist, denn normalerweise kann Ida alles perfekt. Nur was das Thema kochen angeht, sind wir beide absolute Nieten, obwohl Ida mich auch in dem Thema wieder schlägt. Egal, wie schlecht sie ist, ich bin immer schlechter.
»Aber trotzdem kann ich es besser, als du.« Ja, so wie alles andere auch.
»Du hattest ja auch ein paar Jahre mehr, um das zu üben«, verteidige ich mich.
»Ja, die Jahre, die ich aber nicht genutzt habe«, erwidert sie und legt sich ein großes Stück auf ihren Teller.
»Dein Problem.«
»Wow, das sieht ja toll aus«, meint meine Mutter und schaut auf die Lasagne.
Mein Vater taucht hinter ihr auf. »Das hat aber Lina gemacht, oder?«
Meine Mutter muss lachen. »Wer denn sonst?«
Was soll das denn bitte heißen?
Beleidigt sehe ich alle beide an und ernte dann noch von meiner Schwester einen Ich-hab's-dir-doch-gesagt-Blick, weswegen ich sie mit einem Halt-deine-blöde-Klappe-Blick ansehe.
»Warum denken hier alle, dass ich nicht kochen kann?«, frage ich in die Runde.
»Weil es die Wahrheit ist«, murmelt meine Schwester und fährt sich durch ihre glatten braunen Haare.
»Hast du meinen Blick nicht verstanden, oder was?!«, fauche ich sie an.
»Schatz«, höre ich meine Mutter sagen. »Dein Essen ist nicht schlecht, nur leider ist es entweder roh, oder verbrannt.«
»Autsch«, sage ich laut, sodass es alle hören können und fasse mir theatralisch an mein Herz.
Okay, die Cupcakes, die damals hart, wie Stein waren, sind für mich immer eine Ausnahme gewesen. Der Rest geht doch einigermaßen. Was ist denn so schlimm daran, wenn ein paar Nudeln roh sind, die anderen verbrannt und die restlichen versalzen? Dann hat man immerhin etwas Abwechslung.
»Das ist doch nicht böse gemeint«, erklärt mein Vater, während er genüsslich die Lasagne verspeist.
»Ich weiß«, gestehe ich lächelnd und höre dann auf meine Familie zu quälen. »Ist schon in Ordnung.«
Aber bei einem bin ich mir definitiv sicher: Lina kann unglaublich gut kochen. Und der Gedanke verschwindet auch so lange nicht, bis ich nicht den letzten Bissen gegessen habe.
***
Da meine Eltern im Wohnzimmer einen Film schauen, haben Lina und ich uns überlegt zu mir ins Zimmer zu gehen und dort einen Film zu sehen. Dann haben wir wenigstens die Wahl, welchen wir schauen wollen.
Doch bevor wir uns noch einen aussuchen können, klingelt es unten. Und kurz darauf höre ich, wie jemand die Treppe hochkommt und meine Zimmertür aufgeht.
»Du solltest mal lernen zu klopfen«, beginne ich direkt zu meckern, als ich Alex sehe. Hinter ihm taucht unser Blondschopf Jonas auf.
»Was für eine schöne Begrüßung«, lächelt Jonas.
»Was wollt ihr hier?«, will Lina dann wissen und schaut verwirrt zu den beiden.
»Da keiner von euch feiern gehen wollte und die anderen auch nicht, wollten wir einfach spontan zu euch kommen«, erklärt Alex.
»Also, wo ist die Lasagne?«, will Jonas wissen und schaut sich im Zimmer um. Ich schüttele lächelnd den Kopf. Ich hätte mir auch gleich denken können, dass die beiden größtenteils wegen dem Essen hier sind.
»In der Küche«, antworte ich. »Wenn ihr schnell genug seid, dann könnt ihr den Film noch mit uns gucken.«
In Sekundenschnelle sind die beiden aus meinem Zimmer gesprintet. Wenn das jetzt ein Film gewesen wäre, dann wäre an der Stelle, wo sie gerade noch standen, eine Staubwolke gewesen. Da bin ich mir sicher.
»Wo hast du die Liste?«, möchte Lina nun von mir wissen und steht von meinem Bett auf.
Ich zeige auf meinen Schreibtisch, den man mit einer Müllhalde gleichsetzen kann und hoffe, dass Lina ihn findet. Doch Sekunden später erscheint sie mit unserem Zettel auf meinem Bett. Wir haben vor ein paar Jahren einen Zettel erstellt, auf dem alle Filme und Serien stehen, die wir angucken möchten und jedes Mal, wenn wir einen Filmeabend machen, dann kramen wir ihn wieder heraus. Natürlich werden die Filme und Serien stets erneuert, sodass wir bald wahrscheinlich ein zweites Blatt brauchen.
Es gibt viele gute Filme, die ich noch schauen will. Klassiker wie Fight Club, Breakfast at Tiffany's oder Herr der Ringe. Horrorfilme wie Der Exorzismus oder The Conjuring. Es gibt so viele Filme, so viele Serien und so wenig Zeit, um sie alle zu schauen. Ich hoffe irgendwann habe ich alle Filme und Serien von meiner Liste abgehakt.
Ich hoffe, ich schaffe alles, was ich mir vornehme, bevor der Tod mich einholt. Ich hoffe es mit jeder Faser meines Körpers, denn ich habe nur dieses eine Leben, um so viel wie möglich von der Welt zu sehen. Auch wenn es nur ein Film ist oder ein Buch, welches seit Ewigkeiten auf meinem Regal steht und mich quasi anschreit es zu lesen. Auch wenn es nur das kleine Café ist, welches ich nie besucht habe oder die Stadt, die ich schon immer sehen wollte. Ganz egal, wie klein der Wunsch sein mag: Wenn es mein Wunsch ist, dann ist er genauso wichtig, wie all die anderen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der wir einen tollen Film nach dem anderen vorgeschlagen haben, sind Lina und ich endlich zu einem Entschluss gekommen, welcher The Fast and the Furious heißt.
Gerade, als ich den Film starten will, öffnet sich die Tür.
»Und genug gegessen?«, hinterfragt Lina, woraufhin die beiden glücklich nicken.
Dann legen sie sich neben mich und Lina auf das Bett, bevor ich dann endlich den Film starten kann.
Ich kriege viel davon mit, jedenfalls mehr als Lina und Jonas, denn die beiden schnarchen bereits. Ich kann den Film daher gar nicht ernst nehmen und muss immer wieder lachen. Da Alex auch noch wach ist, erleben wir einen Lachflash nach dem anderen.
Eine halbe Stunde später ist der erste Film vorbei, weswegen ich zu Alex schaue. »Also, ich denke ich gehe schnell meine Zähne putzen und dann schlafen. Du kannst hier bleiben, wie die beiden Schlafmützen, oder nach Hause gehen.«
»Ich denke ich bleibe dann hier«, meint Alex, während er gerade eine Nachricht tippt.
»Okay«, gähne ich und durchsuche meine Schlafsachen.
Wahrscheinlich habe ich nur noch die peinlichsten Pyjamas im Schrank, während die anderen in der Wäsche sind, aber das interessiert mich gerade herzlich wenig. Von mir aus, können die Drei mich in meiner pinken Schlafhose sehen, welche von gelben Entchen bedruckt ist. Hauptsache Sam sieht mich nicht so, denn das wäre mir definitiv peinlich.
»Sag mal, was läuft eigentlich zwischen dir und Sam?«, fragt Alex aus heiterem Himmel.
Ich halte kurz meine Luft an, da ich überhaupt nicht mit der Frage gerechnet habe und drehe mich dann zu Alex um.
»Wie meinst du das?«
Ich wünschte, zwischen uns würde was laufen, aber das ist leider nicht der Fall.
»Na ja, zuerst das beim Fußballspiel, als er dich zu ihm gerufen hat und dann am Strand danach, als er wieder deine Aufmerksamkeit gesucht hat und dann war er gestern auch wieder bei uns draußen in der Pause. Ich glaube so langsam, dass er etwas von dir will.«
»Ehrlich?!«, kommt es etwas zu euphorisch über meine Lippen.
»Scheint so, als wenn du ihn auch mögen würdest«, stellt Alex dann fest und grinst mich an.
»Das tue ich«, bestätige ich ihm. »Schon sehr sehr lange.«
»Dann freut es mich für dich, wenn er jetzt auch Interesse zeigt. Falls der Idiot aber irgendeine Scheiße macht, dann sagst du mir Bescheid, okay? Schließlich muss ich ja die Bruderrolle übernehmen, die du nie hattest.«
Ich nicke glücklich. »Danke, Alex. Aber erzähl den anderen nichts davon, okay? Bisher wissen es nur du und Lina.«
Und ich möchte auch erstmal, dass das so bleibt. Ich will mich nämlich nicht zu sehr in etwas reinsteigern, um später enttäuscht zu werden. Lieber warte ich darauf wirkliche Anzeichen von Sam zu bekommen, um mir sicher zu sein.
»Okay, ich sage nichts.« Alex lächelt mir zu.
»Okay gut, danke«, bedanke ich mich bei ihm und gehe dann anschließend ins Badezimmer mit der pink gelben Entchen Hose in der Hand.
Dort wasche ich mein Gesicht, putze meine Zähne und ziehe mich um, bevor ich wieder ins Zimmer laufe.
Gerade, als ich Alex etwas fragen will, nehme ich ein drittes Schnarchen wahr. Daher drehe ich mich um und finde drei Idioten, die so komisch eingeschlafen sind, dass ich einfach ein Foto machen muss.
Ich hole mein Handy raus, schieße das Foto und lege mich dann ebenfalls ins Bett.
»Gute Nacht, ihr Idioten«, murmele ich in mein Kiss hinein und drifte nach einiger Zeit in einen gemütlichen Schlaf.
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