Kapitel 46 - Liebe und Herzschmerz
Die nächsten Tage ziehen in Zeitlupe an mir vorbei. Seitdem Louis nicht mehr bei mir ist, kommt mir alles so unglaublich lange vor. Alles zieht sich. Die Zeit geht nicht vorbei. Der Schmerz ebenfalls nicht. Alles tut weh.
Und wenn ich sehe, wie glücklich Lina mit Alex ist, vermisse ich das Gefühl bereits. Die zwei sind seit dem Strandtag offiziell zusammen. Und ich freue mich für die beiden. Nur muss ich immerzu daran denken, wie ich mich in Louis' Anwesenheit gefühlt habe. Jedenfalls bevor er sich von uns allen distanziert hat.
Deshalb verbringe ich meine Zeit momentan lieber mit Sam. Er hat ebenso Liebeskummer, weil er Jonas seine Gefühle nicht gestehen möchte. Er hat sich einfach noch nicht getraut. Und auch, weil Louis ihn ignoriert, seitdem Jess da ist. Sozusagen trauern wir beide ein Stück um Louis. Vielleicht ist er auch einfach wütend, dass Sam immer noch Zeit mit uns verbringt. Mit mir. Obwohl Louis keinen Kontakt mehr zu mir möchte.
Dass er keinen Kontakt mehr zu mir möchte, zeigt er mir jeden verdammten Tag. Denn ich sehe, wie er ständig mit Jess unterwegs ist. Ständig mit ihr plaudert. Ständig mit ihr lacht. Und ich könnte kotzen!
Und auch, wenn ich Louis heute nicht sehe, weil wir Sonntag haben, werde ich trotzdem den ganzen Tag an ihn denken. Vor allem auch, weil ich heute den Aufsatz zu Ende schreiben muss. Was noch fehlt, ist das Fazit und unsere eigenen Erfahrungen über die Liebe. Natürlich werde ich bei Letzterem nur an Louis denken können.
Ich sitze jedoch noch antriebslos in der Küche und starre auf mein Brot. Meine Schwester hat mich gezwungen etwas zu essen, nachdem sie mich die letzten Tage nichts essen gesehen hat. Sie hat sich Sorgen gemacht, also habe ich ihr erzählt, was passiert ist. Seitdem beobachtet sie mich mit Argusaugen. Und auch, wenn es ein wenig nervt, so ist es doch schön zu wissen, dass sie immer für mich da ist.
Und so wie ich erfahren habe, ist ihr erstes Gespräch vor einigen Tagen beim Psychotherapeuten super gelaufen. Ida fällt es zwar schwer darüber zu reden, aber dafür bekommt sie schließlich Hilfe. Und, wenn ich nicht so emotionslos durch die Welt laufen würde, wäre ich wahrscheinlich aufgesprungen und hätte ihr kreischend gesagt, wie stolz ich auf sie bin. Doch sie weiß ja bereits, wie sehr ich hinter ihr stehe.
»Noch ein Bissen, Maja«, ertönt ihre Stimme, am Tisch, gegenüber von mir.
Ich nehme das Brot seufzend in die Hand und beiße noch einmal ab. Ich kaue und kaue, aber schaffe es nicht, das trockene Brot herunterzuschlucken. Es ist, als wenn mein Körper sich dagegen wehren will, etwas zu essen. Also nehme ich einen Schluck Wasser und spüle es herunter.
Meine Schwester sieht mich bedrückt an und steht dann auf, um zum Schrank zu laufen. Sie holt eine Tafel Schokolade heraus und legt sie auf den Tisch. »Ich glaube, was ungesundes ist auch mal gut.«
»Danke Ida«, flüstere ich brüchig und habe das Gefühl, dass die Tränen gleich wieder ihren Weg hinausfinden. Sie weiß ganz genau, dass ein Brot das Letzte ist, was ich gerade essen will. Schokolade hingegen klingt schon viel verlockender.
Ich stehe langsam vom Tisch auf, räume meine Sachen weg, nehme die Schokolade mit und gehe dann wieder in mein Zimmer. Meine Eltern sind im Wohnzimmer. Sie wissen, dass ich gerade Zeit für mich brauche und akzeptieren das auch.
Ich lasse mich auf mein Bett fallen und kuschele mich in meine Decke, bevor ich wieder anfange zu weinen. Doch ich versuche es an meinem Kissen abzudämpfen, sodass Ida oder meine Eltern nicht plötzlich in mein Zimmer gestürmt kommen, weil sie sich Sorgen machen.
Als ich mich wieder beruhigt habe, putze ich meine Nase und greife nach der Schokolade auf dem Nachttisch. Ich öffne sie und esse dann ein paar Stück, während ich den Fernseher anmache, um mich ein wenig abzulenken. Und es klappt ganz gut. Jedenfalls besser als die Tage zuvor, denn diesmal ist der Fernseher endlich lauter, als meine Gedanken. Und so konzentriere ich mich die nächsten Stunden nur noch darauf und versuche Louis aus meinem Kopf zu bannen.
Als die Sendung jedoch zu Ende ist, holen mich meine Gedanken wieder ein. Und ich weiß ganz genau, dass ich nun meinen Aufsatz weiter schreiben muss. Schließlich müssen wir ihn morgen abgeben. Beziehungsweise ich muss ihn abgeben. Louis hat seinen Aufsatz bereits einen Tag danach eingereicht, nachdem wir mit Frau Dropew geklärt haben, dass wir ihn alleine zu Ende schreiben. Ich hingegen konnte mich einfach nicht überwinden daran weiter zu schreiben. Doch jetzt muss ich mich leider daran setzen.
Ich krame meinen Laptop heraus, lege die Schokolade neben mich und überlege mir dann ein Fazit. Ich lasse mir extra viel Zeit, damit ich noch nicht über meine Erfahrungen mit Liebe schreiben muss.
Doch als ich mit allem fertig bin, fange ich mit gebrochenem Herzen an, über meine Erfahrungen zu schreiben. Und ich weiß, dass ich diesen Teil später nicht vortragen muss. Schließlich ist er unbedeutend für die Klasse. Doch mir bedeutet der Teil so viel, dass ich nicht anders kann, als meine Gefühle auszuschütten.
Ich würde behaupten, dass ich sowohl negative, als auch positive Erfahrungen mit der Liebe assoziiere. Meine erste Liebe war toll, alles war super. Nur endete all das mit gebrochenen Herzen. Meine zweite Liebe ließ mich realisieren, dass meine erste Liebe vielleicht doch nicht meine große Liebe war. Denn das sagt man doch immer, oder? Dass man die erste große Liebe nicht vergisst. Was für ein Blödsinn. Ich werde viel eher die zweite Liebe nicht vergessen. Ganz einfach, weil ich mich wie im Himmel gefühlt habe, als er in meiner Nähe war. Aber auch hier ist alles zu Bruch gegangen. Schon wieder. Und dabei habe ich so gehofft, dass dieser blöde Erdbeerdieb mir nicht mein Herz bricht.
Ich weiß, man sollte Liebe und Herzschmerz vielleicht nicht unbedingt vergleichen, aber für mich gehört der Schmerz beinahe schon dazu, weil ich nichts anderes gewohnt bin. Das mag sich ziemlich traurig anhören. Und das ist es für mich auch. Wie soll man sich denn sonst fühlen, wenn die Person, die du liebst, plötzlich Abstand zu dir halten möchte? Wenn die Person ihre Jugendliebe gefunden hat und dich nun fallen lässt. Wenn die Person nicht mit sich reden lässt und stattdessen den blöden Aufsatz alleine schreiben möchte? Es ist ein Schmerz, der einen kaum atmen lässt. Alles fühlt sich so unglaublich schwer an.
Was all das allerdings schwieriger macht, ist diese blöde verfluchte Hoffnung, die immer wieder angekrochen kommt. Die einen glauben lässt, dass es für all das eine Erklärung gibt und dass die Person dich nicht die ganze Zeit angelogen hat. Doch mir wurde einmal gesagt, dass Menschen eben lügen.
Und immer wieder stellt man sich diese blöden Fragen: Warum? Warum bin ich auf ihn reingefallen? Warum liebt er mich nicht? Warum liebt er sie? Warum möchte er keinen Kontakt? Warum bin ich ihm egal? Warum muss er mir mein Herz brechen? Und das Schlimmste ist, ich habe keine einzige Antwort zu den Fragen.
Wie soll ich dann eine Antwort zu dieser Aufgabe finden, wenn ich manchmal selber nicht weiß, ob die Liebe wunderbar und erfrischend, oder brutal und kaltblütig ist? Vielleicht ist sie beides. Ein Widerspruch in sich. Vielleicht verzweifeln deswegen so viele Menschen an ihr. Weil es nicht eine einzige richtige Antwort gibt.
Eine Zeit lang dachte ich, er wäre meine Antwort gewesen. Denn er war für mich die Liebe in Form eines Menschen. Doch so wie es aussieht, habe ich mich getäuscht und mir wieder mein Herz brechen lassen.
Mittlerweile weiß ich nicht, ob ich je eine Antwort darauf finden werde, was Liebe für mich ist.
Ich höre auf zu schreiben, als ich bemerke, wie die Tränen auf den Laptop fallen. Sekunden später fange ich fürchterlich an zu weinen. Doch ich lasse mich fallen und erinnere mich schmerzlich an alle schönen Erinnerungen mit Louis zurück. Und jetzt in dem Moment fehlt er mir wirklich ganz besonders, ganz egal, wie sehr er mir mein Herz gebrochen hat.
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