Kapitel 41 - Viele Gefühle
Am nächsten Morgen werde ich von einem Klingelton aus dem Schlaf gerissen. Ich brauche erstmal ein paar Sekunden, um zu realisieren, was hier überhaupt passiert. Als ich dann jedoch mein Handy mit Louis' Namen aufblinken sehe, zögere ich keine Sekunde und schmeiße mich beinahe darauf.
»Morgen«, nuschele ich noch leicht verschlafen und reibe mir die Augen.
»Guten Morgen, Bienchen!«, ertönt Louis' Stimme und sofort fängt meine Laune an besser zu werden. »Hast du heute Zeit?«
Für dich habe ich immer Zeit, Louis.
»Klar. Was hast du vor?« Ich ziehe die Decke etwas weiter nach oben und plane gleich noch ein paar Stunden weiter schlafen zu gehen.
»Du hast dir doch gewünscht, dass wir einmal am Strand die Nacht durchmachen, oder? Ich dachte mir, dass wir heute deinen Wunsch erfüllen können.«
Am liebsten würde ich jetzt aufstehen, zu Louis fahren und ihn ganz feste umarmen, bis wir beide kaum noch Luft kriegen. Ich würde ihm so gerne meine Liebe schenken, denn, wenn es einer verdient hat Liebe zu bekommen, dann ist es Louis.
Ich schaue aus dem Fenster, sehe wie die Sonne mir zuzwinkert, als wenn sie die ganze Zeit darauf gewartet hat, dass Louis und ich es endlich mal schaffen uns zu verstehen und kneife kurz darauf meine Augen zusammen, weil sie so hell strahlt. Und auch, wenn es absurd ist, so denke ich trotzdem, dass sie heute besonders gut gelaunt ist, weil sie bereits weiß, dass es ein guter Tag wird.
»Maja?« Meine Gedanken lösen sich in Luft auf und Sekunden später bin ich wieder auf Louis fokussiert.
»Ja?«
»Also, bist du dabei? Die anderen kommen auch, aber soweit ich weiß, wollen sie nur Abends ein Lagerfeuer machen und dann wieder abhauen«, erklärt Louis langsam, weil er wahrscheinlich weiß, dass ich vor Minuten erst aufgestanden bin.
»Okay, wann treffen wir uns heute?«
»Ich wollte gegen Nachmittag noch zu Sams Training gehen und danach hätte ich dich abgeholt. Wenn du möchtest, kannst du mit zum Training kommen, dann schreibe ich dir später nochmal wann genau wir fahren.«
»Okay, ich gucke dann einfach spontan, ob ich mitkomme. Dann bis später, Louis.«
»Maja, warte kurz! Es gibt da noch etwas, was du wissen solltest.«
Mein Puls fängt urplötzlich an schneller zu schlagen. Adrenalin rauscht durch meinen Körper, der sich immer mehr versteift und das alles nur, weil Louis mich mit diesem kleinen Satz nervös macht. Was möchte er mir denn noch sagen?
Ich wusste nicht, dass man so viele Gedanken auf einmal haben kann, doch es laufen tausende Ideen in meinem Kopf herum, die mich anschreien und meinen, dass Louis genau das zu mir sagen würde.
»Was ist denn?«
»Ich fahre mit meinen Eltern für die restlichen Herbstferien weg. Wir fahren zu meinen Großeltern, weil deren Zustand sich immer mehr verschlechtert hat und wir sie noch ein letztes Mal sehen wollen. Wir wissen zwar nicht, wie lange sie noch haben, aber meine Eltern möchten da kein Risiko eingehen. Deswegen werden wir uns die nächsten zwei Wochen leider nicht mehr sehen, Bienchen.«
Ich weiß, um ehrlich zu sein, nicht wie ich damit umgehen soll. Ich kann verstehen, dass sie wegfahren, aber ich finde es so schade, dass ich Louis heute das letzte Mal für zwei Wochen sehen werde. Vor allem weil ich immer gedacht habe, dass wir uns in den zwei Wochen näher kommen werden.
»Ich wünsche dir alles Gute für deine Großeltern, Louis. Wir sehen uns ja wenigstens noch heute.« Ich schließe meine Augen und versuche mich wieder zu beruhigen.
»Genau. Also dann, bis später, Bienchen.«
»Bis später, Erdbeerdieb«, flüstere ich, bevor ich auflege und das Handy wieder auf den Nachttisch lege.
Ich ziehe die Decke über meinen Kopf, rolle mich ein und versuche damit klarzukommen, dass mich tausende Gefühle überschütten.
Louis geht für zwei Wochen weg, allein schon der Gedanke daran, treibt mir die Tränen in die Augen, lässt mich verzweifelt in mein Kissen schreien und hoffen, dass er dort niemanden findet, den er mag.
Andererseits fühle ich ein paar Glückshormone in meinen Körper tanzen. Sie lachen, haben den Spaß ihres Lebens und wollen niemals, dass dieses Gefühl aufhört, denn sie sind wunschlos glücklich. Der realistische Teil meines Körpers freut sich ebenfalls Louis heute zu sehen, aber hegt trotzdem den Wunsch, dass er nicht für zwei Wochen wegfährt.
Es sind viele Gefühle und ich weiß nicht, welches am stärksten ist, aber ich weiß, dass nur eine einzige Person sowas in mir auslösen kann. Und das ist absolut faszinierend.
***
Am Nachmittag holt Louis mich ab, da ich mich dazu entschieden habe mit zum Training zu gehen. So kann ich heute noch mehr Zeit mit Louis verbringen, bevor er wegfährt.
Soweit ich weiß, will er schauen, wie weit Sam und Jonas mit dem Training gekommen sind und ob Louis noch irgendwo helfen kann. Da ich auch gerne wissen würde, wie gut Sam sich nun schlägt, habe ich nun wirklich nichts dagegen einzuwenden gehabt, warum ich nicht mitfahren sollte. Vielleicht hätte ich noch eine Stunde länger schlafen können, aber gegen die anderen Argumente verliert diese kleine Ausrede nunmal haushoch.
Aus dem Grund sitze ich aufgeregt in Louis' Auto und atme diesen schönen Geruch ein, der wie eine samtweiche Duftwolke um ihn herumschwebt und jeden Tag neue Menschen anhaucht.
Er sieht, wie immer, super aus, hat ein Lächeln auf den Lippen, während er leise das Lied aus dem Radio mitsingt. Seine braunen Haare sind heute frei von dem Haarlack, das sonst immer bombenfest sitzt. Stattdessen flattern sie ständig in sein Gesicht, genießen die Freiheit, die Louis ihnen heute gewährt hat und freuen sich immer wieder, wenn ein heftiger Windstoß kommt, der sie alle durcheinander wirbelt.
Ich schaue wieder aus dem Fenster, bevor Louis noch mitbekommt, wie sehr ich ihn beobachte, auch wenn ich glaube, dass er das längst bemerkt hat. Er ist heute erstaunlich gut gelaunt und auch meine Stimmung wird dadurch zum Glück besser. Ich muss einfach vergessen, dass mein Wunsch, dass Louis und ich uns noch näher kommen, in den Herbstferien nunmal nicht wahr wird und das ist okay. Für Louis warte ich so lange, wie es nötig ist.
Wir kommen Minuten später auf dem Sportplatz an, wo ich Sam bereits laufen sehe, während Jonas am Feldrand steht und genüßlich einen Donut verspeist.
»Wow, das nenne ich mal Quälerei«, gebe ich von mir, sobald wir Jonas erreichen.
»Hmm?«, meint er mit vollem Mund und mampft weiter.
»Du genießt hier dein Leben, während Sam schuften muss«, erkläre ich grinsend.
Jonas will antworten, doch auch er realisiert, dass er vielleicht erstmal zu Ende kauen sollte. »Ich schufte jeden Tag, glaub mir. Da darf man sich auch mal was gönnen.«
Amüsiert sehe ich zu ihm. »Na dann, genieß' deinen Donut.«
»Hey, ihr zwei«, keucht Sam, der verschwitzt bei uns ankommt.
Wir begrüßen ihn und schon fängt Louis damit an Fragen zu stellen, von denen ich nur die Hälfte verstehen. Und ob Sam diese Tricks mal zeigen könnte.
Ich setze mich daher also auf eine Bank und lehne mich entspannt zurück. Ein paar Sachen, die Sam vorführt, sehen ziemlich cool aus und ich wette, dass ich früher ausgerastet wäre, wenn ich Sam beim Fußball spielen gesehen hätte. Doch jetzt kann ich nicht wirklich was damit anfangen.
Ich erinnere mich an den Tag zurück, als wir zwei uns das erste Mal richtig unterhalten haben. Es war bei einem Fußballspiel und der einzige Grund, warum wir je zu einem Gespräch gekommen sind, ist meine Mascara, die ich tatsächlich heute mal wieder aufgetragen habe. Bis jetzt ist sie noch nicht ausgelaufen, was einem Wunder gleicht, wenn man bedenkt, wie warm es heute ist. Ich hoffe allerdings, dass es auch so bleibt.
Als Louis sich neben mich auf die Bank fallen lässt, lächelt er mich an und wuschelt mir durch die Haare. Weil ich nicht anders kann, wuschle ich ihm ebenfalls durch seinen fluffigen Haare und grinse stolz, wie ein kleines Kind.
»Warum bist du hier?«, hinterfrage ich. »Du wolltest ihnen doch helfen.«
»Das mach ich auch noch, aber zuerst möchte ich sehen, wie die beiden gegeneinander spielen. Dann gucken wir, was Sam verbessern kann«, erklärt Louis mir.
»Okay.«
Natürlich lenkt mich Louis' Anwesenheit ein wenig ab, aber ich versuche mich auf Sam und Jonas zu konzentrieren, die beide um den Ball kämpfen. Sie rempeln sich an, versuchen sich gegenseitig ein Bein zu stellen und lachen zusammen.
Als Jonas sich dann endlich den Ball geschnappt hat, läuft Sam ihm hinterher und springt ihm auf den Rücken.
»Hey, hör auf mit dem Blödsinn! Wir wollten doch richtig spielen«, meckert Jonas, der durch Sam leichte Gleichgewichtsstörungen bekommt.
Sam wuschelt ihm durch die Haare, macht sich extra schwer und springt dann von Jonas' Rücken wieder hinunter. Dieser wackelt so sehr, dass Sam es schafft den Ball an sich zu reißen. Er läuft in die andere Richtung, doch Jonas hat ihn fast wieder eingeholt. Kurz bevor Sam schießen kann, breitet Jonas seine Arme aus und reißt ihn mit sich auf den Boden. Sam landet auf dem Rücken und Jonas liegt strahlend auf ihm drauf.
Sekunden später steht immer noch keiner von den Beiden auf. Louis' und mein Blick kreuzen sich. Was ist denn jetzt los? Wollen die einfach da liegen bleiben?
»Alles okay?«, schreit Louis den Beiden zu, die aufeinander auf dem Gras liegen und sich nicht bewegen.
Doch urplötzlich steht Jonas auf, als wenn ein Blitz seinen ganzen Körper durchzuckt hätte. Er kratzt sich verlegen am Kopf, reicht Sam dann schließlich seine Hand und zieht ihn auf die Beine. Sam sagt kein Wort, während Jonas den Ball holt und dann schließlich wieder vor ihm auftaucht. »Noch eine Runde?«
Sam nickt perplex, schaut kurz in die Ferne um sich zu sammeln und stellt sich dann wieder vor ihm auf. Und diese Runde geht erstaunlich schnell, denn Jonas läuft einfach an Sam vorbei und schießt ein Tor, während Sam ihm verwirrt hinterher schaut.
»Was war das denn?«, will Jonas leicht enttäuscht wissen, da er ihn anscheinend bessert trainiert hat.
»Ich... äh.. ich geh mal was trinken!«, ruft er und läuft dann auf uns zu. Er setzt sich neben mich auf die Bank und trinkt so lange, dass ich das Gefühl habe, dass er beinahe verdurstet ist.
»Alles okay?«, frage ich sicherheitshalber nach.
Sam sieht mich mit großen Augen an, als wenn ich ihn bei etwas erwischt hätte, doch fängt sich sofort wieder, indem er ein Lächeln aufsetzt und nickt. »Klar, alles super.«
Sekunden später flitzt er wieder auf das Feld und lässt Louis und mich verwirrt zurück. »Was ist denn mit dem los?«, spricht Louis meine Gedanken aus.
Und wieder schreien die Ideen in meinem Kopf herum, was wohl mit Sam sein könnte. Und da wäre eine, die mich tatsächlich nicht loslässt, doch vorerst behalte ich den Gedanken nur für mich und schaue, ob dieser sich auch wirklich bewahrheitet.
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