Kapitel 40 - fallen lassen

Louis und ich sitzen draußen auf einer gemütlichen Couch, die auf der Terrasse steht, und schauen einen Film nach dem anderen. Den Aufsatz haben wir ganz spontan zur Seite geschoben, weil keiner von uns beiden Lust darauf hat weiter zu schreiben.

Die Sonne verabschiedet sich von uns und lässt als Abschiedsgeschenk den Himmel in den schönsten rosa und lila Farben strahlen. Ich muss gestehen, dass ich mich seit einigen Minuten kaum noch auf den Film konzentrieren kann, weil ich so beschäftigt damit bin das Spektakel am Himmel keine Sekunde zu verpassen. Es ist einfach so wunderschön.

Ich bemerke jedoch, wie Louis mich von der Seite mustert. Da wir beide uns eine weiße Decke teilen, kriege ich so gut wie jede Bewegung mit, die er macht.
Es gefällt mir allerdings so gut, dass ich keine Sekunde daran gedacht habe, mir eine zweite Decke zu holen. Auf diese Weise kann ich Louis nämlich viel näher sein, ohne, dass es merkwürdig erscheint.

»Beobachtest du wieder den Himmel?«, flüstert Louis neben mir.

Mein Herz wird wahrscheinlich jede Sekunde anfangen vor Verzweiflung zu weinen, weil es immer noch in den Ketten gefangen ist, die ich erstellt habe, und sich nicht befreien kann. Es hüpft herum, schreit mich an, dass ich es endlich an Louis verschenken soll, doch ich möchte nicht riskieren, dass es am Ende wieder gebrochen zu mir angekrochen kommt. Auch wenn Louis wirklich toll ist und ich ständig das Verlangen habe mehr von ihm zu wollen, so habe ich doch Angst mich einfach wieder fallen zu lassen. Angst davor, dass ich knallhart auf dem Boden aufpralle, zersplittere und mich dann wieder selber zusammen setzen muss.

»Bienchen?«, ertönt seine Stimme wieder einmal und ich sehe zu ihm

Wirst du mich fallen lassen, Louis? Muss ich meine Scherben selber aufsammeln, wenn du mich verletzt?

»Ja?« Meine raue Stimme ertönt.

Sein Grinsen erscheint wieder einmal auf diesen wunderschönen Lippen. »Du kannst wirklich süß sein, wenn du so in Gedanken bist.«

Ich schreie innerlich so laut, dass ich mir kurz einbilde, dass ich tatsächlich auch äußerlich schreie. Ich bin so überwältigt von meinen Gefühlen und Sorgen. Ich weiß nicht, was falsch und was richtig ist. Im Moment weiß ich überhaupt nichts, weil dieser perfekte Erdbeerdieb neben mir sitzt und seine dunklen Augen mich alles mögliche fühlen lassen.

Und weil ich einfach nichts auf Louis' Kompliment antworten kann, lege ich meinen Kopf auf seine Schulter und seufze einfach zufrieden. Ich kann nicht begreifen, womit ich so einen Menschen in meinem Leben verdient habe. Seitdem wir uns so gut verstehen, ist er so liebenswürdig und gibt mir das Gefühl, dass ich gut bin, so wie ich bin. Egal, ob ich am träumen bin und ihm nicht zuhöre, ob ich nicht kochen kann, ob ich weine, oder ob ich auf die beklopptesten Ideen komme. Er scheint jede Seite von mir zu akzeptieren.

Louis legt seinen rechten Arm um meinen Körper und zieht mich ein wenig näher zu sich. Den Film hat er gestoppt, damit wir zwei uns den Sonnenuntergang anschauen können. Wir beide genießen die Stille, während der Wind die Luft zum Tanzen aufgefordert hat und uns dazu bringt noch näher aneinander zu rutschen und uns gegenseitig Wärme zu spenden.

Ich liebe den Moment so sehr, sodass ich meine Augen schließe, auf seine Brust rutsche, versuche den Augenblick gut abzuspeichern und nie wieder zu vergessen. Seine Hand fährt über meine Haare, beschert mir die größte Welle an Gänsehaut und bringt mich dazu mit dem Gedanken zu spielen, ob ich mein Herz nun gehen lassen soll, oder nicht. Doch bevor ich eine Entscheidung treffen kann, höre ich, wie die Terrassentür geöffnet wird.

Mir ist es allerdings egal, ob jemand sieht, wie eng wir nebeneinander liegen, denn ich möchte es nicht mehr abstreiten und das muss ich auch nicht. Meine Eltern wissen schließlich, dass ich Gefühle für Louis hege.

»Hey ihr zwei«, ertönt die Stimme meiner Mutter und ich öffne müde meine Augen. »Habt ihr Lust auf einen Eiskaffee?«

»Das wäre toll«, meint Louis sofort begeistert.

»Ich nehme auch einen«, gähne ich und strecke mich leicht.

»Der ist aber ohne Koffein, Maja. So viel wird er nicht bringen«, lächelt meine Mutter.

»Egal, Eiskaffee geht immer.« Ich streiche mir meine braunen Haare aus dem Gesicht und lege mich dann wieder hin, sobald meine Mutter verschwunden ist.

»Du bist heute ja richtig müde«, erwähnt Louis und lacht kurz auf.

»Wenn du so gemütlich bist, dann werde ich eben müde«, verteidige ich mich mit dem größten Grinsen im Gesicht, das ich jedoch unter der kuscheligen Decke verstecke.

»Ach, jetzt bin ich daran Schuld?«, gibt er empört von sich.

»Natürlich, du bist immer alles Schuld«, grinse ich frech, doch meine damit, dass ich mich mal wieder verliebt habe und kaum glauben kann, was für Gefühle er in mir erweckt hat. Dass er mir jeden Tag ein gutes Gefühl gibt. Dass er mich zum glücklichsten Menschen aller Zeiten macht. Das ist er alles Schuld.

Bevor Louis etwas erwidern kann, kommt meine Mutter mit zwei Eiskaffees auf die Terrasse und hat so ein dickes Grinsen aufgesetzt, als wenn ich ihr erzählt habe, dass ich überall eine eins auf meinem Zeugnis habe. Dass die Realität allerdings anders aussieht, muss ich wohl gar nicht erst erklären.

»Ich hoffe, sie schmecken euch«, meint sie lächelnd und Louis bedankt sich noch, bevor meine Mutter wieder verschwindet und uns alleine lässt.

»Das ist wirklich aufmerksam von deiner Mutter«, lächelt Louis zufrieden und schlürft an seinem Eiskaffee.

»Ach, sie will bestimmt nur sicher gehen, dass wir keinen Blödsinn machen«, erkläre ich ihm.

»Was sollen wir denn bitte für Blödsinn machen?«, gibt Louis von sich, als wenn wir die unschuldigsten Kinder aller Zeiten wären.

Ich zucke mit den Schultern, sehe das Wasserglas neben mir stehen und grinse frech. »Ich weiß nicht.« Meine Hände wandern so schnell zum Glas, dass ich kaum Zeit habe darüber nachzudenken. »Vielleicht das hier.« Ich schüttele den ganzen Inhalt auf Louis, der mich plötzlich geschockt ansieht und seinen Eiskaffee fest umklammert hat.

Ich halte mir die Hand vor den Mund, weil ich selber nicht glauben kann, was ich gemacht habe und warte kurz auf Louis' Reaktion. Er stellt seinen Eiskaffee auf den Tisch und als ich sehe, wie er zu seinem Wasserglas guckt, stehe ich ruckartig auf und laufe weg.

»Komm her, das kriegst du zurück!», ruft er entsetzt und ich laufe so schnell im Garten herum, wie ich nur kann.

Ich bin barfuß, spüre das warme Gras unter mir und laufe lachend von Louis weg, der mich mit dem Glas langsam einholt. Doch als ich anfange im Kreis zu laufen, sehe ich, wie er das Wasser immer mehr ausschüttet und verzweifelt versucht mich zu kriegen. Und plötzlich hört Louis auf, läuft mit dem Wasserglas rein und ich gehe langsam wieder auf die Terrasse zurück, um zu gucken, ob er tatsächlich mit einem vollen Glas Wasser wiederkommt. Als ich jedoch sehe, dass mein Vater ihm einen blauen Plastikeimer in die Hand drückt, hoffe ich einfach, dass es nicht das ist, was ich denke.

»Das wagst du nicht!«, schreie ich und sehe, wie Louis und mein Vater zu mir gucken.

Louis bewegt sich lächelnd, kommt näher und ich laufe kreischend davon, während Louis diesmal derjenige ist, der lacht. Und so entsteht eine Jagd durch den Garten, die damit endet, dass Louis mich doch noch erreicht und den ganzen Eimer über mich schüttet.

Ich kreische laut auf, weil es eiskalt ist und rutsche schließlich auf dem nassen Gras aus. Ich kann nichts anders, als herzhaft zu lachen und spüre, wie der Wind mir hilft wieder trocken zu werden.

Louis taucht in meinem Blickfeld auf, reicht mir seine Hand und lächelt verschmitzt. Ich lege meine Hand in seine und lasse mich von ihm wieder auf die Beine ziehen. Und so stehen wir schließlich nass in meinem Garten, während ich ihn verliebt anlächele.

»Alles okay?«, will er sicherheitshalber wissen und ich nicke verträumt.

Und in dem Augenblick treffe ich eine Entscheidung und lasse mein Herz einfach los, lasse es aus all den Ketten raus und glücklich zu Louis laufen. Denn selbst, wenn ich falle und mich keiner rechtzeitig auffangen kann, hoffe ich, dass man mir nach dem Aufprall wieder hilft aufzustehen und ich glaube, dass Louis genau das für mich machen würde.

Also lasse ich mich fallen.

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