Kapitel 39 - Gedanken und Realität
Als ich am Freitag das Schulgebäude verlasse, atme ich erleichtert aus und spüre bereits, wie die Lebensfreude wieder in meinen Körper zurückkehrt. Die letzten zwei Wochen habe ich kaum Freizeit gehabt, stattdessen habe ich jeden Zentimeter meiner Schulbücher auswendig gelernt und zwischendurch angefangen vor Frust zu weinen.
Doch jetzt beginnen die Herbstferien und somit eine Zeit voller Freiheit. Und sie können gar nicht besser anfangen als mit Louis. Deswegen stehe ich auch hier draußen und warte sehnsüchtig auf ihn, denn wir haben geplant, dass wir heute bei mir an dem Aufsatz weiter schreiben.
»Hey, Bienchen.« Louis steht mit einem Grinsen im Gesicht neben mir, sieht wie immer atemberaubend aus und bringt meine ganzen Gefühle durcheinander.
»Hey, Erdbeerdieb.« Mein Herz schreit nach ihm, trampelt so laut herum, dass ich kurz das Gefühl habe, dass Louis den Aufstand in meiner Brust hören kann.
»Gehen wir?« Erwartungsvoll sieht er mich an, weil ich immer noch träumend auf der Treppe stehe.
»Äh.. klar.« Ich nicke und folge ihm, muss mich beherrschen nicht noch weiter an ihn zu denken.
Doch es ist so schwierig, wenn sein verlockender Duft mich komplett einhüllt und mich glücklich begrüßt. Und dann wäre da auch noch seine Präsenz, die mittlerweile vollkommen ausreicht, um mich zu begeistern.
Mich würde es nicht wundern, wenn plötzlich eine Wolke runterkommen würde und mich mit sich ziehen würde, damit ich auf dieser berühmten Wolke sieben schweben kann. So verknallt bin ich bereits.
Ich setze mich neben Louis ins Auto und versuche mich etwas zu beruhigen, bevor wir losfahren. Ich bin ziemlich nervös, denn ich weiß, dass meine Eltern bald nach Hause kommen. Und wenn sie auch noch erfahren, dass Louis bei uns ist, dann werden sie komplett durchdrehen.
Jedoch versuche ich nicht mehr daran zu denken, sondern mich auf das Essen zu konzentrieren, was wir gleich wohl am besten machen können. Ich habe so großen Hunger und ich weiß, dass meine Mutter wahrscheinlich erst kochen wird, wenn sie nach Hause kommt. Doch so lange kann ich nicht mehr warten.
Als wir an den Nachbarhäusern vorbei fahren und dann schließlich bei mir stehen bleiben, schnalle ich mich glücklich ab und steige mit Louis aus. Ich laufe auf die Haustür zu, öffne sie und lasse Louis den Vortritt.
»Mann voran«, grinse ich und zeige ihm mit der Hand, dass er vorgehen soll.
Louis sieht mich überrascht an. »Da ist aber jemand aufmerksam.«
»Natürlich, meine Lady«, kichere ich frech und schließe dann die Haustür.
»Bin ich denn eine hübsche Lady?«, kontert Louis.
»Aber sowas von!«
»Wer ist eine Lady?«, ertönt eine Stimme von oben und kurzerhand erscheint Ida auf der Treppe.
Sie kommt zu uns runter und lächelt Louis dann an. »Hallo, ich bin Ida, Majas Schwester.«
Sie reicht ihm die Hand und sieht dann kurz zu mir.
»Ich bin Louis.« Er schüttelt ihre Hand und strahlt bis über beide Ohren.
»Du bist also die Lady?«, meint Ida an Louis gerichtet und bringt mich damit zum lachen.
»Er hat leider schon einen anderen Spitznamen«, lächele ich dann frech. »Nicht wahr, Erdbeerdieb?«
»Da hast du Recht, Bienchen«, grinst er und betont meinen Spitznamen nochmal ganz deutlich.
Meine Schwester sieht lächelnd zu mir, als wenn sie sicher gehen möchte, dass er der Junge ist, von dem ich ihr einmal erzählt habe. Also lächele ich zurück.
»Na dann, ich geh mal wieder hoch und störe euch lieber nicht. Viel Spaß euch beiden«, meint Ida und ich sehe ihr zufrieden hinterher. Sie sieht schon so viel besser aus, als einige Wochen zuvor. Ich bin froh, dass sie es irgendwie schafft. Und in zwei Wochen hat sie dann endlich ihr erstes Gespräch, welches ihr vielleicht noch viel mehr helfen wird.
»Also, gehen wir jetzt hoch?«, schlägt Louis vor, doch ich habe ganz andere Pläne.
»Quatsch, zuerst kochen wir etwas, komm mit.« Ich laufe in die Küche und lasse Louis verwirrt im Flur stehen. Doch Sekunden später taucht er neben mir auf.
»Wir kochen?«, fragt er wenig begeistert und ich kann nicht anders, als zu lachen.
»Kannst du etwa nicht kochen? Ich dachte dein Vater hätte dir etwas beigebracht«, grinse ich und sehe schadenfroh zu ihm.
»Ich kann überhaupt nicht kochen«, gesteht Louis ehrlich.
»Schön, ich kann nämlich auch nicht kochen«, lache ich.
Louis sieht mich verzweifelt an, während ich seine Unsicherheit ignoriere und im Gefrierfach schaue, ob wir etwas brauchbares zum Essen haben. Als ich ein paar Kroketten finde, hole ich sie heraus und lege sie neben das Hähnchen, das bereits draußen zum auftauen liegt. Anscheinend will meine Mutter später irgendwas damit kochen, aber da ich eine viel bessere Idee habe, schnappe ich mir das Fleisch und hole es aus der Tüte. Ich habe einmal zugesehen, wie meine Mutter Hähnchenfilet zubereitet hat und es war so einfach, dass wir das sicher auch schaffen können. Sie wird sich bestimmt freuen, wenn ich ausnahmsweise auch mal etwas koche.
»Louis, kannst du bei uns im Keller eine Dose Möhren und Erbsen holen?«, frage ich ihn und ernte einen Blick, als wenn ich ihn nach einer Million Euro gefragt habe.
»Was?«
»Ach, Louis«, seufze ich. »Komm mit.«
Ich laufe voran in den Keller und zeige ihm die ganzen Lebensmittel, die meine Mutter hier unten bunkert. Und zwischen all den Dosen finde ich auch eine Dose mit Möhren und Erbsen. Meine Mutter hat das Gericht schon so oft gemacht, dass ich bereits weiß, dass es gut zusammen schmecken wird. Also kann ich bestimmt nicht allzu viel falsch machen.
»Also, wir brauchen Eier und Paniermehl«, erkläre ich Louis, als wir wieder in der Küche sind, nehme zwei Schüsseln heraus und Paniermehl, während er zwei Eier aus dem Kühlschrank holt.
Ich erkläre Louis noch, wie wir weiter vorgehen werden und schmeiße die Kroketten schon in den Backofen ohne ihn vorzuheizen. Das habe ich sowieso noch nie gemacht, es ist einfach nur Zeitverschwendung.
Ich schneide das Fleisch irgendwie zurecht, während Louis es in Eiern und Paniermehl ummantelt. Ich habe keine Ahnung, ob das wirklich richtig ist, aber ich mache einfach weiter und hoffe, dass alles gut ausgeht.
»Maja, hilfe«, meint Louis plötzlich und als ich mich umdrehe, sehe ich ihn mit dicken Paniermehl Fingern vor mir stehen. »Warum klebt das so?«
Ich kann mein Lachen nicht zurückhalten und sehe immer wieder auf das verzweifelte Gesicht von Louis, der wahrscheinlich denkt, dass er etwas falsch gemacht hat.
»Maja!«, quengelt er, weil ich ihn die ganze Zeit auslache. »Das fühlt sich nicht richtig an. Ich hab' was falsch gemacht.«
Wie ein kleines Kind läuft er zum Mülleimer und kratzt sich den Belag von seinen Fingern. Unsicher schaut er immer mal wieder zu mir rüber.
»Den Rest machst du«, schmollt er beleidigt und wäscht sich dann noch seine Hände.
Ich hab so ein Verlangen danach ihn jetzt einfach in den Arm zu nehmen, also zögere ich nicht und schließe meine Arme ganz feste um ihn, weil er so unfassbar süß ist.
»Danke, dass du überhaupt mit mir kochst«, flüstere ich und Sekunden später lässt er seine Arme ebenfalls um mich fallen. »Es war auch alles richtig, was du gemacht hast.«
Ich genieße den Moment, schließe kurz meine Augen und kann gar nicht glauben, dass ich ihn tatsächlich einfach so umarmt habe. Dass meine Gedanken so schnell zur Realität werden konnten.
Louis legt seine Hände an meine Hüfte und zieht mich leicht weg von sich, sodass ich ihn angucken kann und wieder einmal fängt mein ganzer Körper an zu randalieren.
»Warum hast du mir das denn nicht gleich gesagt?«, will er wissen.
»Ich fand es lustig zu sehen, was für eine Panik du schiebst, wegen ein bisschen Paniermehl«, kichere ich und sehe schadenfroh zu ihm.
Sein Grinsen taucht wieder auf und er muss kurz auflachen, während ich den Moment in seinen Armen mehr genieße, als es wahrscheinlich gut für mich ist. So könnte ich den restlichen Abend verbringen, einfach nur in seinen Armen. Und wenn er mich dann auch noch anschaut, so sanft und vorsichtig, als wenn er mich mit seinen Blicken verletzen könnte, dann weiß ich gar nicht, was ich machen soll, denn es haut mich immer wieder aus der Bahn, bringt mich um den Verstand und lässt mich nur noch verrückter nach Louis werden.
Ich spüre, wie Louis eine Hand von meiner Hüfte entfernt und dann ganz sanft und vorsichtig an meiner Wange platziert, mit dem Daumen darüber streichelt und es fühlt sich an, als wenn mein Körper die ganze Zeit darauf gewartet hat, dass mich jemand mal so sanft berührt. So voller Liebe, dass ich beinahe das Atmen vergesse und nur an seine Wärme denke. Und in diesem kleinen Moment fühle ich mich so lebendig, wie noch nie in meinem ganzen Leben. Ich spüre meinen ganzen Körper, ich spüre, wie er sich nach Liebe verzerrt. Ich spüre jede Zelle nach ihm schreien.
Doch als die Haustür plötzlich ins Schloss fällt, lösen wir zwei uns schnell voneinander, während mein ganzer Körper einen Aufstand veranstaltet, weil ich nicht dazugekommen bin ihn endlich zu küssen, obwohl ich es so sehr will.
Ich gehe mit wackeligen Beinen zum Türrahmen und sehe meine Mutter im Flur stehen. Sie zieht sich gerade die Jacke aus und sieht mich dann im Flur stehen.
»Oh hallo, Schatz«, begrüßt sie mich. »Was riecht hier denn so toll?«
»Ich bin am kochen«, gestehe ich. »Für uns alle.«
Erstaunt sie mich an, als wenn ich ihr gerade verraten habe, dass ich schwanger bin. Mit Drillingen. »Wie bitte?«
»Eigentlich bin ich nicht alleine am kochen«, grinse ich und gehe dann wieder in die Küche hinein. »Louis hilft mir.«
Meine Mutter ist so überrascht, dass sie wohl gar nicht weiß, was sie sagen soll. »Du... was?«
Ich fange an zu lachen und sehe dann zu Louis. »Ich habe doch gesagt, dass ich auch nicht koche.«
»Wow.« Meine Mutter lässt ihre Tasche auf den Stuhl fallen und geht dann endlich auf Louis zu. »Schön dich endlich kennenzulernen, Louis.«
Louis schüttelt ihre Hand. »Freut mich auch, Frau Berger.«
»Ach bitte, ich heiße Pauline«, lächelt sie. »Also, wie weit seid ihr schon gekommen? Kann ich euch irgendwie helfen?«
Ich glaube tatsächlich, dass wir den Rest auch noch alleine schaffen können, schließlich müssen wir nur noch das Fleisch anbraten. Die Kroketten und - oh Gott!
»Die Kroketten!«, kreische ich und laufe zum Backofen.
Doch so wie es aussieht, habe wir noch Glück gehabt, denn sie sind wohl gerade erst fertig geworden. Durch Louis habe ich total die Zeit vergessen und gar nicht mehr nachgeschaut. Ich schalte also den Backofen noch rechtzeitig aus und lasse sie noch eine Weile drinnen, damit sie warm bleiben.
»Okay, sie sehen gut aus«, meine ich dann zufrieden und sehe zu den beiden, die am quatschen sind und mir gar nicht zuhören.
»Hallo?« Die zwei schauen zu mir. »Also wir müssen noch das Fleisch anbraten und dann sind wir fertig. Und nein, Mama, du musst uns nicht helfen.«
Wieder höre ich die Tür ins Schloss fallen und Sekunden später taucht mein Vater in der Küche auf. »Schatz, das riecht schon wieder so toll.«
Überrascht sieht er uns drei an. »Was ist denn hier los?«
»Maja und Louis haben heute gekocht«, gibt meine Mutter stolz von sich und ich lächele schüchtern.
Mein Vater hat genau die gleiche Reaktion, wie meine Mutter und schaut uns nur verwirrt an.
»Was?«
Sofort müssen wir drei anfangen zu lachen, während mein Blick zu Louis wandert und mir wieder einmal klar wird, wie sehr ich ihn doch mag. Außerdem schleicht sich auch der Gedanke dazu, dass wir uns vielleicht geküsst hätten, wenn meine Eltern nicht gekommen wäre. Und mein Herz explodiert allein schon bei dem Gedanken ihn zu küssen, doch ich hoffe, dass es irgendwann nicht nur ein Gedanke, sondern tatsächlich Realität ist.
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