Kapitel 35 - Geborgenheit

Der Wind besucht uns, flüstert uns zu, während wir an dem grauen alten Felsen angelehnt sitzen und den Sonnenuntergang genießen. Die Sonne verabschiedet sich gut gelaunt von uns, lässt sich Zeit, während die pinken Farben überall am Himmel herumtanzen. Ich spüre den Wein auf meiner Zunge, obwohl die Flasche noch immer geschlossen ist, also beschließe ich sie zu öffnen und an meine Lippen anzusetzen. Eine Wärme erfüllt meinen Hals, mein Herz, meine Gedanken. Ich reiche die Flasche weiter, atme den schönen Duft von Louis ein und genieße das Leben in diesem kleinen Moment.

»Also, wer hat Lust ne Runde zu schwimmen?«, schlägt Alex vor, steht euphorisch auf und wirft sein T-Shirt auf die warmen weichen Sandkörner unter uns.

»Ich bin dabei«, strahlt Lina, steht auf und läuft voraus. Ihre blonden Haare werden vom Wind begrüßt, während sie glücklich zum Wasser läuft.

»Was ist mit euch?«, möchte Alex wissen und geht bereits einige Schritte weiter in Richtung Meer.

»Ich bleibe noch eine Weile hier«, meine ich lächelnd und setze wieder einmal die Weinflasche an meine Lippen an.

»Ich auch«, erwidert Louis, weswegen Alex uns zunickt und dann zu Lina läuft, die gerade ihre Hose ausgezogen hat.

Alex packt Lina an den Oberschenkeln, hebt sie hoch und läuft dann mit einer kreischenden Lina ins Wasser. Ich kann nicht anders, als mich in diesem Moment für die beiden zu freuen. Und das Lächeln auf meinen Lippen begrüßt mich, wie ein alter Freund, der schon immer wusste, dass die zwei für einander bestimmt sind. Als wenn es nur auf diesen einen Moment gewartet hat.

»Sind die beiden eigentlich ein Paar, oder immer noch nicht?«, hakt Louis nach und ich sehe sofort schmunzelnd zu ihm herüber.

Seine Haare sind heute ganz zersaust, der Wind hat sich wohl einen Spaß erlaubt. Seine Lippen so rot, wie die dunkelste Erdbeere und diese Augen so schwarz, dass ich das Gefühl habe direkt in ihn blicken zu können. Und dann liegt auch noch diese freche Grinsen auf seinen schönen Lippen. Wie soll mein Herz in diesem Augenblick dann noch ruhig bleiben?

»Nein«, antworte ich ihm. »Aber ich hoffe, dass es bald dazu kommt.«

»Ihr drei seid wirklich tolle Freunde«, erwähnt Louis und macht mich damit nur noch glücklicher. »Und ihr tut euch gut, das ist so unfassbar wichtig.«

»Danke, Louis. Das bedeutet mir wirklich viel.« Ich lächele ihm zu und lege meinen Kopf wieder einmal auf seiner Schulter ab.

Ich glaube, das könnte meine neue Lieblingsbeschäftigung sein. Die Nähe von Louis suchen. Und dass er seinen Arm dann auch noch um mich legt, mich näher an sich zieht, lässt mein Herz wieder verrückt werden. Die nächste Kette an meinem Herzen wird zersprengt. Doch jetzt gerade mache ich mir keine Sorgen mehr darüber, denn ich werde von diesen beschützenden Armen festgehalten, schließe die Augen und spüre einfach nur Frieden. Mit mir selbst, mit der Welt, mit allem. Auch mit meinem Herzen, das am randalieren ist.

»Du riechst gut«, flüstert diese raue warme Stimme über mir und bringt die Gänsehaut auf meiner Haut wieder einmal zum tanzen.

»Du auch«, erwidere ich ehrlich, da ich endlich mal das aussprechen möchte, was ich bereits seit Ewigkeiten mit mir trage. Und heute passt es einfach so gut.

Denn genau jetzt sitzt der Louis neben mir, der keinen Grund mehr hat, sich von mir fernhalten zu wollen. Er hat all das für seinen besten Freund getan, doch ich hoffe, dass Louis nun weiß, dass ich nie böse Absichten hatte und auch nie haben werde.

»Möchtest du morgen nach der Schule zu mir kommen? Dann können wir zusammen für Deutsch lernen«, bietet Louis mir an.

Mir wird direkt warm bei dem Gedanken, dass ich womöglich seine Eltern zum ersten Mal sehen werde. Natürlich möchte ich einen guten Eindruck hinterlassen und aus diesem Grund spüre ich bereits die Nervosität durch meinen ganzen Körper ziehen. Wenn ich jetzt zusage, werde ich die ganze Nacht vermutlich nicht schlafen können, aber das ist mir sowas von egal.

»Gerne«, erwidere ich und kuschele mich noch näher an ihn.

Ich weiß nicht warum, aber die Nähe von Louis beschert mir so eine unfassbare Geborgenheit, dass ich ihn am liebsten ganz feste drücken würde und nie wieder loslassen möchte. Ich versuche mein Verlangen nach ihm nicht zu sehr zu zeigen, denn schließlich habe ich vor kurzer Zeit erst mit Sam abgeschlossen. Es geht alles so schnell, dass ich es selber kaum glauben kann. Womöglich liegt es auch daran, dass ich bereits angefangen habe, Gefühle für Louis zu entwickeln, als ich noch mit Sam beschäftigt war.

Doch ich möchte es einfach nur genießen, denn solche Gefühle habe ich schon lange nicht mehr für einen Menschen empfunden. Und sie steigen mit jeder Sekunde, mit jedem Atemzug mehr. Und das Beste ist auch noch, dass Louis nun nicht mehr Abstand zu mir hält. Stattdessen lässt er sich auf die Situation ein und genießt es vielleicht genauso sehr, wie ich.

»Meine Eltern sind dann wahrscheinlich auch schon zu Hause, falls dich das nicht stört«, ergänzt er. »Und meine großer Bruder auch, aber der ist wahrscheinlich sowieso die ganze Zeit in seinem Zimmer.«

Bis jetzt wusste ich noch nicht mal, dass Louis einen Bruder hat, aber ich freue mich schon ihn kennenzulernen, genau wie seine Eltern. Vielleicht sind sie ja ganz nett.

»Nein, das stört mich überhaupt nicht«, flüstere ich und sehe zu, wie das letzte Stück der Sonne nun vollkommen verschwindet und die Dunkelheit bereits anfängt uns einzuhüllen, mit all diesen strahlenden Sternen. »Am liebsten würde ich einfach hier bleiben und morgen bei einem schönen Sonnenaufgang aufwachen.«

»Das klingt toll«, bestärkt Louis meine Idee. »Aber ich muss leider dafür sorgen, dass du heute Abend noch gut zu Hause ankommst.«

Ich löse mich leicht von Louis und sehe dann lächelnd zu ihm. »Danke Louis.«

Er grinst. »Wofür?«

»Für den ganzen Tag. Diese Ablenkung hat echt gut getan. Und vielleicht können wir ja nach den ganzen Klausuren hierher kommen und das mit der Übernachtung dann tatsächlich umsetzen?«

Ich bin so glücklich, wie schon lange nicht mehr. Und wenn ich dann auch noch etwas habe, worauf ich mich nach den Klausuren freuen kann, dann kann es gar nicht mehr besser werden. Denn Louis sorgt dafür, dass meine Seele verwöhnt und mein Herz verzaubert wird. Etwas, worauf ich so lange gewartet habe. Etwas, was mich bereits jetzt süchtig macht.

»Das können wir gerne machen«, lächelt Louis.

Ich glaube, ich war Louis noch nie so nah, wie in diesem Augenblick, doch ich genieße es vollkommen, denn dieses Lächeln in dieser Sekunde ist nur für mich bestimmt. Seine Augen liegen nur auf mir, lassen sich nicht ablenken. Das Knistern in der Luft setzt sich auf meiner Haut ab und lässt mein Herz immer wieder stolpern vor Nervosität. Und als Louis noch ein Stück näher rutscht und seine Hand meine Wange berührt, muss ich kurz die Augen schließen, da ich absolut überwältigt von den ganzen Gefühlen bin.

Doch, als ich sie wieder öffne, sehe ich von weitem, wie Lina und Alex langsam in unsere Richtung kommen. Louis folgt meinem Blick und zieht seine Hand dann wieder ganz sanft zurück. Ein letztes Mal lächelt er mich liebevoll an, bevor die beiden vor uns klatschnass zum Stehen kommen.

Ein dickes Grinsen ziert ihre beiden Gesichter, ihre Augen leuchten, als wenn sich Sterne darin verirrt hätten und nun den Weg zum Himmel suchen. So wie es aussieht, haben die beiden großen Spaß gehabt.

»Wo wart ihr denn?«, möchte Lina nun wissen und lässt sich langsam vor uns niederfallen.

»Ich hatte irgendwie keine Lust mehr ins Wasser zu steigen«, erkläre ich, da ich die Zeit vollkommen vergessen haben.

»Das müssen wir auf jeden Fall wiederholen«, strahlt Lina und sieht zu Alex, der sich nun auch hingesetzt hat. »Am besten wieder, wenn keiner hier ist.«

»Möchtet ihr noch was essen?« Ich reiche den beiden die Packung mit den Brownies, welche sofort angenommen wird.

»Ich hab' so Hunger«, grinst Lina, beißt in den Brownie und reicht die Packung dann an Alex weiter.

Alex ist verdächtig still, doch ich bemerke sofort, dass seine Augen nur auf Lina haften. Wahrscheinlich fragt er sich, ob Lina das gleiche empfindet, wie er. Vielleicht wachsen seine Gefühle momentan auch genauso schnell, wie meine. Vielleicht ist er auch so überrascht davon, wie geborgen man sich bei einem Menschen fühlen kann.

Denn, wenn ich zu Louis sehe, dann frage ich mich auch, wie stark meine Gefühle wohl noch werden können. Es ist absolut faszinierend, dass dieser schöne Junge, neben mir, mich dazu bringt, das Leben nur noch mehr zu genießen, es mit jedem Atemzug noch mehr zu spüren. Und das, obwohl ich das Leben davor schon so sehr geliebt habe.

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Morgen kommt noch ein Kapitel und ab nächster Woche geht's dann wieder ganz normal weiter, dass nur jeden Samstag ein Kapitel kommt 🙈

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