Kapitel 34 - Roadtrip

Als ich am Montag endlich den Kursraum verlasse, seufze ich erleichtert auf. Die erste Klausur habe ich überstanden, ganz gut sogar. In den letzten Tagen habe ich nur dafür gelernt, mich abgeschottet und tausende von Formeln gelernt, die ich in den nächsten Wochen wahrscheinlich sowieso wieder vergesse. Mathe und ich werden nie Freunde sein.

Ich lasse mich auf den Stuhl fallen und schaue zu Lina, die sich gerade mit Alex über die Klausur unterhält. Die beiden haben vor mir ihre Klausur abgegeben und diskutieren nun darüber, welche Antwort die richtige ist. Da ich nichts davon hören möchte, konzentriere ich mich stattdessen auf Louis, der in dem Moment die Cafeteria betritt.

Das Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, ich sehe ihn, er sieht mich. Wieder spüre ich das Knistern in der Luft, obwohl er am anderen Ende des Raumes steht. Und als er dann endlich in meine Richtung läuft, fängt mein Herz langsam an sich aus einer Kette zu befreien. Es reißt sie auseinander, will auch die anderen Ketten zersprengen, doch schafft es nicht. Noch gehört es mir, doch ich weiß nicht, wie lange das so bleibt.

»Na, Bienchen. Wie lief die Klausur?«, begrüßt er mich und lächelt charmant.

Ich höre die Ketten an meinem Herzen rascheln, doch ich versuche das berauschende Gefühl, dass er mir gibt, zu verdrängen. Sonst würde ich ihn ständig lächelnd beobachten und das würde ihn sicher nur verschrecken.

»Gut«, teile ich ihm mit. »Ich denke, ich werde heute dann endlich mit Deutsch anfangen.«

Noch drei Tage habe ich, bis die nächste Klausur an der Tür klopft und mich aus meinem bequemen Alltagsleben zerrt. Das bedeutet, ich muss meine Freizeit erstmal hinten anstellen und lernen.

»Hast du schon bis zum zehnten Kapitel gelesen?«, möchte Louis wissen und setzt sich die Wasserflasche an den Mund.

»Ja, ich habe schon das ganze Buch gelesen«, gebe ich stolz von mir.

Wir mussten zwar noch nicht so weit lesen, aber immerhin muss ich mich dann später nicht darum kümmern. Außerdem können wir auf diese Weise auch die Charaktere der Geschichte in unseren Aufsatz packen, falls Louis und ich irgendwann nochmal dazu kommen weiter zu schreiben.

»Wow, du kannst mir gerne etwas von deiner Motivation abgeben«, seufzt Louis. »Aber dann musst du doch gar nicht mehr so viel lernen, oder?«

Ich zucke mit den Schultern. »Ich lerne lieber zu viel, als zu wenig.«

»Du kannst doch wohl einen Tag eine Pause einlegen«, meint er und sieht dann grinsend zu mir. »Hast du Lust den Rest des Tages zu schwänzen?«

»Also eigentlich hatte ich geplant, dass-«

»Dann schmeiße deinen Plan einmal über Bord und mach das, was du willst«, unterbricht er mich. »Und was ist mit euch beiden?« Er sieht zu Lina und Alex, die immer noch am diskutieren sind.

»Was?« Verwirrt sieht Alex zu ihm.

»Maja und ich wollen den Rest des Tages schwänzen, seid ihr dabei?«

Auch, wenn ich ihm nicht wirklich zugesagt habe, kann ich nicht leugnen, dass mir das lieber wäre, als Schule.

»Wo wollt ihr hin?«, möchte Lina wissen und packt bereits ihre Sachen in die Tasche.

»Wie wäre es mit einem Roadtrip zum Strand?«, schlägt Louis vor und sofort bin ich Feuer und Flamme für die Idee.

»Okay, lasst uns lieber jetzt abhauen, bevor uns noch die Lehrer sehen, die wir nachher im Unterricht haben«, drängele ich die anderen.

Ich stehe auf, werfe mir die Tasche über die Schulter und laufe mit den anderen nach draußen. Wir steigen in das Auto von Louis, beziehungsweise das von seinem Vater und sofort verbinde ich mein Handy mit dem Radio.

Ich lasse ein Lied nach dem anderen laufen und singe meine gute Laune nach draußen. Ich spüre den Wind durch die offenen Fenster und sehe zu den Menschen, die mich verwirrt ansehen, doch dadurch muss ich nur noch mehr lächeln. Und so verbringen wir die Fahrt zum Strand so gut gelaunt, wie noch nie. Ich spüre den Geruch von Freiheit an meinen Armen, wie er sich dort absetzt und mich nicht mehr loslassen möchte.

Neben mir singt Louis lautstark mit, während sein Blick immer mal kurz zu mir gleitet. Er schenkt mir sein Lächeln und das Strahlen seiner Augen. Er schenkt mir in dem Moment die Freiheit und meine gute Laune. Schenkt mir all das, was ich so sehr liebe.

Ich fühle mich so wohl, möchte am liebsten immer in seiner Nähe sein. Möchte diese Augen genau inspizieren und ihn kennen lernen. Ich möchte so vieles. Die Frage ist nur, ob ich auch dazu kommen werde. Doch jetzt gerade will ich mir darüber keine Sorgen machen.

Stattdessen sehe ich zu Alex und Lina, die hinten zusammen singen und sich genau so glücklich anschauen, wie Louis und ich es Sekunden zuvor auch getan haben. Wir schenken uns alle gegenseitig etwas: eine schöne Erinnerung.

Doch jetzt gerade lebe ich noch in dieser Erinnerung, also mache ich die Musik noch etwas lauter und wir vier singen so leidenschaftlich mit, dass jeder Außenstehende bemerkt, wie sehr wir das Leben in diesem Moment lieben. Ich frage mich wirklich, ob man das Leben noch mehr lieben kann, als ich es in dem Augenblick tue. Doch das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Ich drehe die Musik wieder leiser und sehe grinsend zu den anderen. »Wer hat Lust auf Wein und Brownies?«, schlage ich vor und zeige auf den Supermarkt am Ende der Straße.

Und da keiner etwas dagegen hat, schnappen wir uns einen Einkaufswagen und laufen ins Geschäft. Kurzerhand sind es doch mehr, als nur zwei Sachen geworden, die nun neben mir im Einkaufswagen gelandet sind.

Louis lenkt, als wenn er lebensmüde ist, denn jede Sekunde muss ich Angst haben gleich mit dem Wagen umzukippen. Doch auf seine Lippen schleicht sich ständig dieses schöne Versprechen, dass er mich nicht fallen lässt. Also vertraue ich ihm.

Nach dem bezahlen, läuft er mit dem Einkaufswagen zum Auto, weshalb ich kreischend drinnen sitze und hoffe, dass er sein Versprechen gleich nicht bricht, doch er schafft es noch kurz vor dem Auto anzuhalten, sodass nichts passiert.

»Ich habe doch gesagt, ich lasse dich nicht fallen«, zwinkert er mir zu.

Ich spüre die brennenden Blicke von Alex und Lina auf uns beiden bereits seit der Autofahrt. Doch seit dem Supermarkt haben die beiden uns angeschaut, als wenn wir Promis wären, die sie keine Sekunde aus den Augen lassen dürfen. Und als Louis mir seine Hand gibt, damit ich aus dem Einkaufswagen aussteigen kann und er ihn wieder zurück bringt, da kommt genau das auf mich zu, was ich bereits erwartet habe.

»Oh mein Gott, du und Louis?« Lina sieht mich mit großen Augen an. »Ist das jetzt offiziell?«

»Was?« Überfordert sehe ich sie an. »Da läuft noch nichts zwischen uns.«

»Noch nicht?«, hakt Alex grinsend nach.

»Ja«, gestehe ich lächelnd. »Noch nicht.«

Lina zappelt wild vor mir herum. »Oh mein Gott, Maja. Am liebsten würde ich jetzt herumschreien. Hast du mal gesehen, wie er dich angesehen hat? Da schmelze sogar ich dahin.«

Ich kann nicht anders, als mir Hoffnungen zu machen. Vielleicht empfindet Louis so ähnlich, wie ich? Vielleicht möchte er mich auch immer mehr und mehr kennenlernen. Vielleicht fängt er auch an, sein Herz zu verlieren.

»Wie ist das passiert?«, fragt Alex schnell, bevor Louis kommt, der gerade den Einkaufswagen reinschiebt.

»Durch den Aufsatz haben wir uns einfach ein bisschen besser kennengelernt. Ich mag ihn wirklich gerne und es ist ganz anders, als bei Sam. Jetzt im Moment möchte ich abwarten und gucken, was so auf mich zukommt. Ich weiß schließlich noch nicht, wie er mir gegenüber eingestellt ist.«

»Das ist so toll, Maja«, freut sich Lina und sieht mich überglücklich an.

»Du hast also nichts mehr gegen Louis?«, hinterfrage ich zur Sicherheit, denn am Anfang war Lina eher vorsichtig, was Louis betrifft. Schließlich war ich das auch.

»Nein, schon lange nicht mehr«, lächelt sie.

»Warum steht ihr denn noch hier?«, will Louis wissen, als er wieder bei uns ankommt. »Kommt, wir fahren weiter.«

Ich steige wieder neben Louis ein und bemerke, dass ich gar nicht mehr aufhören kann zu lächeln. Der spontane Ausflug ist viel besser, als ich ihn mir jemals hätte vorstellen können. Und das alles nur dank Louis.

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Morgen kommt schon das nächste Kapitel 🤪

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