Kapitel 33 - Liebe

Wieder sitze ich mit Louis im Café, während wir den Aufsatz zur Seite geschoben haben und uns einfach unterhalten. In der Pause hatte Louis den guten Einfall, dass wir heute ebenfalls weiter schreiben können, denn in zwei Wochen beginnen die Herbstferien und wir hoffen beide, dass wir bis dahin fertig sind.

Dieses Mal sind wir in den zweiten Stock gegangen und haben somit herausgefunden, dass hier eine gemütliche graue Couch mit einem Holztisch steht. Natürlich haben wir uns den Platz sofort ausgesucht und sitzen seitdem auf der Couch und stellen uns gegenseitig Fragen.

»Also, den Tag oder die Nacht?«, will ich wissen und ziehe an meinem Strohhalm, woraufhin der herrliche Eiskaffee meinen Hals runterrinnt.

»Den Tag mag ich mehr«, antwortet Louis. »Man kann so viel aus einem Tag machen und in der Nacht muss ich immer leise sein, wenn ich zu Hause bin. Ich hasse das. Vielleicht werde ich die Nacht mehr mögen, wenn ich irgendwann alleine wohne. Und du?«

Es ist das erste Mal, seitdem zwischen Louis und mir alles in Ordnung ist und wir uns tatsächlich normal unterhalten können. Ich mag es wirklich sehr, mehr über ihn zu erfahren. Außerdem fühle ich mich einfach gut in seiner Nähe, ich fühle mich aufgehoben.

»Ich liebe den Tag auch. Vor allem ganz früh morgens, wenn man ohne Wecker aufsteht und einfach alles friedlich ist. Wenn man will, kann man richtig toll in den Tag starten«, teile ich ihm meine Meinung mit.

»Das stimmt, der Tag kann wirklich toll sein«, lächelt er. »Also nächste Frage: Hund oder Katze?« Louis sieht mich herausfordernd an.

»Diese Frage kann ich nicht beantworten, das wäre viel zu gemein«, meine ich überfordert.

Warum muss man sich denn auch immer auf eine Seite stellen? Ich mag Hunde und Katzen. Fertig.

»Du hast Recht.« Er nickt. »Ich nehme lieber eine süße kleine Schildkröte.«

Sofort muss ich schmunzeln, denn der Gedanke von Louis und einer lächelnden Schildkröte taucht in meinem Kopf auf. Das ist wirklich viel zu niedlich für die Welt.

Da ich nicht weiter träumen möchte, überlege ich mir eine weitere Frage. Doch ich möchte keine nehmen, die wieder so oberflächlich ist. Ob er lieber Pizza oder Döner mag. Ob er lieber Zitronen oder Pfirsicheistee mag. Viel lieber möchte ich einen Schritt weiter gehen.

Und eine Frage taucht in meinem Kopf auf, die mich nicht loslässt. Am liebsten würde ich wieder seine Meinung dazu hören, also stelle ich sie ihm.

»Okay.. also Freunde oder Familie?«, haue ich meine Frage heraus und frage mich, was er wohl diesmal antworten wird. Denn ich hätte keine Antwort darauf.

»Wer sagt denn, dass meine Freunde nicht zur Familie gehören?«, lächelt er und haut mich damit komplett aus der Bahn.

Ich bin total überwältigt und präsentiere ihm mein Lächeln, denn genau in dem Moment wird mir wieder einmal klar, dass ich Louis noch lange nicht kenne. Doch mit jedem Detail, mit jeder Meinung mehr, die er preisgibt, fange ich immer mehr an ihn zu mögen.

Mein Herz flattert ihn meiner Brust, ist glücklich, dass ich endlich wieder jemanden gefunden habe, den ich tatsächlich mag und kann kaum aufhören herumzutanzen.

Es ist absolut verrückt, was hier passiert. Schließlich lerne ich ihn doch gerade erst kennen. Wie sehr werden meinen Gefühle wohl explodieren, wenn ich ihn erst richtig kenne?

»Wow, das ist eine tolle Ansicht«, gebe ich nun endlich von mir.

Louis lächelt mich an, seine Augen strahlen. »Und was hättest du gesagt?«

»Eigentlich habe ich dir die Frage gestellt, weil ich eben keine Antwort dazu hatte. Ich habe sie schon so oft gelesen, aber nie eine Antwort dazu gehabt. Dank dir habe ich jetzt auch eine.«

»Du klaust also einfach so meine Antwort? Unfassbar!«, gibt er empört von sich.

Und du klaust Stück für Stück mein Herz. Ich glaube, dann sind wir quitt.

»Ja«, antworte ich frech grinsend, während Louis seine Fassade fallen lässt und lächelt.

»Na schön, dir erlaube ich es.« Er zwinkert mir zu.

Es ist wirklich toll, dass wir so unbeschwert sein können und uns auch aus Spaß aufziehen können. Tatsächlich ist Louis nicht so ein Miesepeter, wie ich erwartet hätte. Aber ich habe ja bereits gelernt, dass man einen Menschen erst kennen lernen muss, um über ihn urteilen zu können. Vorstellungen und Wahrheit können sich immer stark voneinander unterscheiden.

Louis fährt sich durch seine Haare, verharrt kurz dort, bevor er seinen Arm an der Couchlehne ablehnt und kurz meine Schulter streift. Ich spüre, wie die Gänsehaut auf meinen Armen tanzt, sich weiter ausbreitet und nicht aufhören möchte. Ich sehe zu Louis, doch sein Blick haftet bereits auf mir, er schaut mich durch diese dunklen Augen an und raubt mir den Atem.
So gerne würde ich jetzt ihn seine Arme fallen. So gerne würde ich ihn jetzt berühren. Doch ich tue es nicht, stattdessen löse ich meinen Blick von ihm.

»Also«, ich rappele mich langsam von der Couch auf. »Sollen wir jetzt auch endlich weiter schreiben?«

Auf Louis' Lippen haftet ein Lächeln, genau wie auf meinen, denn wir wissen beide, dass wir eigentlich nur für den Aufsatz hier sind und doch haben wir bis jetzt noch kein Wort niedergeschrieben. Wahrscheinlich wollen wir beide die Situation einfach nur ausnutzen, da wir zwei uns gerade gut verstehen und bei uns kann man nie wissen, ob das auch so bleibt.

»Naja, eine Frage habe ich noch, wenn es nicht zu persönlich für dich ist.« Louis nippt kurz an seinem Kaffee und stellt ihn dann wieder auf den Tisch. Er lehnt sich gegen die Couch und sieht zu mir. »Warum wollte Rob unbedingt mit dir reden? Ich dachte die ganze Zeit, dass er auf dich steht, oder dass ihr euch gerade erst kennen gelernt habt, oder so, aber wenn er seit einem Jahr dein Exfreund ist, warum will er dann jetzt so plötzlich mit dir reden? Warum nicht vor einem Jahr, als ihr euch getrennt habt? Oder ein paar Wochen danach? Warum ein Jahr warten?«

Ich spüre seine Frage bis in mein Knochenmark, denn mit meiner Antwort würde ich ihm eine Schwachstelle zeigen. Es ist klar, dass der Vorfall mit Rob nicht spurlos an mir vorbei gegangen ist. Ich habe ihn geliebt und wurde enttäuscht. Doch bin ich bereit es auch Louis zu zeigen? Er könnte es jederzeit gegen mich verwenden, er könnte mich damit verletzen, irgendwann wenn wir uns wieder streiten.

Doch trotzdem hoffe ich, dass Louis das nicht tut. Und die einzige Möglichkeit das herauszufinden ist, ihm die Wahrheit zu sagen. Vielleicht hätte ich das sowieso gemacht. Sehr wahrscheinlich sogar, denn komischerweise habe ich das Gefühl, dass ich ihm vertrauen kann.

Und so fange ich an zu erzählen. Wie Rob und ich uns in der Schule kennen gelernt haben. Wie wir uns verliebt und schließlich verloren haben. Doch ich bemerke, dass ich ganz gut darüber reden kann. Da Rob und ich uns ausgesprochen haben, kann ich viel besser mit der Vergangenheit abschließen, weil ich weiß, dass er mich nie verletzen wollte.

»Maja, es tut mir so leid, dass ich dir das mit Rob vorgeworfen habe«, entschuldigt er sich direkt, nachdem ich zu Ende erzählt habe und rutscht ein Stück näher zu mir. »Wenn ich gewusst hätte, was zwischen euch passiert ist, dann hätte ich meine blöde Klappe gehalten. Stattdessen werfe ich dir an den Kopf, dass du leicht zu haben bist. Das tut mir wirklich leid.«

Ich lächele ihm zu, denn ich bin froh, dass ich Louis alles erzählt habe. So kann er in Zukunft nachvollziehen, was mich verletzt und was nicht. So kann er mich verstehen.

Und in dem Moment, in dem er meine Hand nimmt und mich verletzt ansieht, weiß ich, dass es verdammt schwierig wird mein Herz zu behalten. Doch mein Herz befindet sich immer noch auf dem rechten Fleck, aber irgendwann, wenn es sich aus all den Fesseln, die ich erstellt habe, befreit hat, wird es sofort zu Louis laufen und nie wieder zurück kommen. Das muss ich vorerst verhindern.

»Es tut mir wirklich leid«, wiederholt er sich, doch ich kann im Moment nur an seine weichen Hände denken, die auf meinen liegen. An diese Berührung, die mich dazu bringt noch mehr zu wollen.

Ich sehne mich nach mehr. So gerne würde ich neben ihm liegen, seinen Duft einatmen. Einmal durch diese schönen braunen Haare fahren und mich in seinen schwarzen Augen verlieren. All das möchte ich machen.

»Danke Louis, aber du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich habe dir schon längst verziehen«, erkläre ich lächelnd. »Und was ist mit dir? Erzähl mir über deine vergangene Liebe.«

Das würde ich zu gerne wissen. Wen Louis geliebt hat und vor allem, warum.

Er entzieht mir vorsichtig seine Hand, trinkt einen Schluck von seinem Kaffee und lehnt sich dann wieder an die Couch. »Bei mir gab es noch niemanden.«

Kurz bin ich sprachlos, weil ich mich wirklich frage wie er bei all den Mädchen, die ihn anhimmeln, nicht eine gefunden haben kann.

»Wieso das denn? Es gibt viele Mädchen auf der Schule, die für dich schwärmen. Da müssen doch bestimmt schon einige dabei gewesen sein, oder?

»Ja, es gab zwei Mädchen«, erklärt er dann seufzend. »Aber das war noch lange keine Liebe. Wir haben uns gut verstanden, haben miteinander geschlafen, aber irgendwas hat einfach gefehlt. Und das war die Liebe.«

»Wow, das überrascht mich jetzt ein wenig«, gebe ich verblüfft von mir. »Ich meine, unser Aufsatz handelt über die Liebe? Was willst du denn dann bei deinen Erfahrungen schreiben?«

»Ich weiß es noch nicht«, gesteht er. »Vielleicht schreibe ich über die beiden Mädels und erkläre, dass ich gemerkt habe, dass das keine Liebe war.«

Ich nicke. »Ja, das wäre eine gute Idee. Schließlich bist du sowieso erst 18, du hast noch Zeit. Da muss man noch nicht die große Liebe gefunden haben.«

Ich bin froh, dass ich Louis die Wahrheit erzählt habe und er mir seine. Schließlich hätte er auch einfach damit angeben können, dass er ziemlich viele Mädchen aus der Schule haben kann, aber das hat er nicht getan. Wahrscheinlich interessiert ihn all das nicht und aus irgendeinem Grund, macht ihn das für mich nochmal umso sympathischer.

»Also, da wir beide unsere Fragen beantwortet haben, sollten wir jetzt am besten weiter schreiben oder?«, schlägt er grinsend vor und kramt den Laptop aus seinem Rucksack.

»Ja, du hast Recht.« Ich setze mich auf, spüre Louis' Oberschenkel neben meinem, aber tue so, als ob ich nichts gemerkt habe.

Doch stattdessen durchfährt mich eine Welle an Gefühlen, die mich auch in den nächsten Minuten kaum loslassen kann. Die Anziehung, die Louis auf mich ausübt, raubt mir wortwörtlich den Atem, weswegen ich erstmal ein paar Minuten schweige und Louis kaum zuhöre, bei dem was er sagt.

Ich sehe nur zu ihm und merke, was für ein großer Stein mir vom Herzen fällt, wegen dem, was er mir erzählt hat. Louis hat tatsächlich noch nie jemanden geliebt. Ich kann und will gar nicht abstreiten, wie glücklich mich das macht.

Und irgendwie, ich weiß nicht warum, hoffe ich, dass ich Louis vielleicht zeigen kann, was es bedeutet zu lieben.

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Nächstes Kapitel kommt am Freitag🥰

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