Kapitel 28 - Spiel

»Ich liebe diese Muffins so sehr«, schwärmt Sam gegenüber von mir, der jetzt verliebt auf seinen Muffin schaut.

Ich kann mir ein schmunzeln nicht verkneifen, da ich seine Meinung sehr gut nachvollziehen kann. Die Muffins in unserer Cafeteria sind einfach die Besten. Sau teuer, aber verdammt lecker. Da kann man ab und zu einfach nicht widerstehen.

Ich bin froh, dass wir zu zweit sind und einfach mal in Ruhe quatschen können. Die anderen verbringen die Pause zusammen, während Sam und ich uns einfach mal nur zu zweit woanders hingesetzt haben. Ich finde seine Idee hervorragend und freue mich, dass er tatsächlich das versucht umzusetzen, was ich ihm am Wochenende gesagt habe.

Da meine Freunde dafür ebenfalls Verständnis haben, kann es gerade einfach nicht besser laufen. Wäre da nicht eine Stimme in meinem Kopf, die immer wieder einen bestimmten Namen schreit. Doch ich kann und will es einfach nicht mehr hören.

»Wie läuft es eigentlich mit deiner Mascara?«, hinterfragt er und macht mich deswegen wieder ganz glücklich. Es ist schön, dass er immer nachfragt, wenn ihn was interessiert.

»Ich habe sie heute aufgetragen«, strahle ich. »Siehst du einen Unterschied zu den anderen Tagen?«

Sam lehnt sich näher an mich, weswegen ich mich zusammenreißen muss, um nicht rot zu werden. Das wäre einfach nur peinlich. Doch es klappt ganz gut.

Seine Augen inspizieren mich, während ich auf seine Antwort warte. Normalerweise hätte ich ihn wohl am liebsten geküsst, aber jetzt gerade im Moment verspüre ich nicht einmal ansatzweise den Drang ihn zu küssen.

»Sieht gut aus«, murmelt er und lässt sich dann wieder entspannt auf den Stuhl fallen. »Sie sind eben schwarz, so wie immer.«

»Das ist üblich für Mascara«, lache ich.

Auch wenn seine Antwort mich amüsiert, so enttäuscht sie mich auch ein Stück. Sollte nicht ausgerechnet Sam mich fasziniert ansehen, weil meine Augen so strahlen? Das habe ich jedenfalls immer gehofft und so langsam merke ich, dass alles, was ich mir vorgestellt habe, nicht wahr geworden ist. Außer, dass wir zwei tatsächlich Kontakt haben.

Aber wir führen keine tolle Beziehung, die alle anderen neidisch macht. Wir strahlen uns nicht an und sind auch nicht das Traumpaar der Schule. Es ist alles so anders, als das, was ich immer wollte.

Ich fühle mich gut in seiner Gegenwart, das stimmt. Aber ich merke immer mehr, dass er mich nicht auf diese Art beeindruckt, wie Rob es damals getan hat. Ich war absolut hin und weg. Ich habe alles an Rob geliebt, sogar wenn er nur ein Wort ausgesprochen hat. Ich habe jede Sekunde gemerkt, wie die Luft zwischen uns geknistert hat. Doch bei Sam.... da ist es nicht der Fall. Er mag wunderschön sein, er mag lustig sein, ja vielleicht sogar perfekt. Aber die Perfektion bringt mich nicht dazu, einen Menschen zu lieben.

»Das weiß ich natürlich«, grinst er. »Ich kenne mich aber absolut nicht aus mit Schminke und deine Wimpern sehen eben so aus, wie normale Wimpern.«

»Autsch, das hat gesessen«, gebe ich theatralisch von mir und fasse mir ans Herz.

»Sorry«, erwidert er sofort. »Das war nicht böse gemeint.«

»Alles gut«, schmunzele ich. »Ich wollte dich nur ein bisschen ärgern.«

»Ach, ist das so?«, will er neckend wissen und wirft plötzlich ein Papierkügelchen auf mich.

»Hey! Was soll das?«

»Ich wollte dich nur ein bisschen ärgern«, wiederholt er meine Worte.

Ich muss mir das Grinsen verkneifen, weil ich den Moment so sehr genieße. Deswegen reiße ich ebenfalls ein Stück Papier ab und werfe es auf Sam, welches direkt in seinem Gesicht landet.

Ich kriege einen absoluten Lachanfall, während Sam unendlich viele Kugeln auf mich wirft, doch er scheint nie so zu treffen, wie ich es geschafft habe.

Ich bücke mich lachend und komme dann wieder hoch. In der Zwischenzeit hat Sam alle möglichen Schüler hinter mir abgeworfen, nur mich nicht.

»Könnt ihr endlich mal aufhören?«, meckert ein Mädchen, mit schwarzen Haaren, hinter mir und ich nicke ihr grinsend zu.

»Ist echt so Sam, warum bist du so gemein und wirfst andere Schüler damit ab?«

Sein Blick wechselt von amüsiert zu empört. »Das wirst du noch bereuen, Maja! Irgendwann wird meine Rache folgen. Dann, wenn du es am wenigsten erwartest.«

»Oh, jetzt habe ich aber Angst!«, meine ich ironisch und sehe neckend zu ihm.

Sam starrt mich böse an, und da ich nicht anders kann, erwidere ich seinen Blick. Wir liefern uns ein Blickduell, während ich immer wieder ein Lächeln auf seinem Gesicht erkenne, das sich herausschleichen möchte. Ich kann nicht anders und muss anfangen zu lachen, woraufhin er mich schmunzelnd betrachtet.

»Gewonnen«, gibt er arrogant vor sich und lehnt sich lässig gegen seine Lehne.

»Wer hat denn gesagt, dass das ein Wettbewerb war?«

Wenn das ein Wettbewerb gewesen wäre, dann hätte ich mir natürlich mehr Mühe gegeben. Dann hätte ich auch gewonnen.

»Das war doch klar!«

»Nein, das war es nicht«, protestiere ich.

»Na schön, dann noch eine Runde«, schlägt er vor und macht sich schon bereit.

Ich kann nicht verhindern, dass sofort das Lächeln auf meinen Lippen erscheint, als ich daran denken muss. Verdammt! Reiß dich zusammen, Maja. Du kannst auch gewinnen!

»Du hast schon verloren, bevor wir überhaupt richtig angefangen habe«, neckt Sam mich. »Ich denke, wir brauchen keine zweite Runde. Mich schlägst du sowieso nie.«

»Nimm das zurück!«

»Nur, wenn du mich besiegst«, fordert er mich grinsend heraus.

Ich verstecke mein Lächeln und sehe dann ernst zu ihm rüber. »Na schön.«

Sam rutscht ein Stück näher und schon geht es in die zweite Runde.

Vielleicht sollte ich seinen Blick genießen. Vielleicht sollte ich die vertraute Stille zwischen uns genießen. Aber ich kann es nicht. Es gibt einfach nichts, woran ich so richtig an Sam festhalten kann. Jedenfalls nicht in dem Sinne, in dem ich es mir immer erhofft habe.

Stattdessen merke immer wieder die Blicke der ganzen Mädels, die mich abschätzig ansehen. Sie sind eifersüchtig, sie kochen vor Wut, sie beneiden mich und irgendwie genieße ich es. Plötzlich wird mir klar, wie falsch das ist. Warum genieße ich die Blicke der anderen mehr, als die von Sam? Und genau in dem Moment, in dem ich mir diese Frage stelle, wird mir alles klar.

Ich bin so unfassbar bescheuert. Ich habe Sams Blicke nie gemocht, sondern die von den anderen. Ich wollte einmal die Rolle übernehmen, von dem Mädchen, dass von dem beliebtesten Jungen der Schule gemocht wird. Deswegen habe ich immer gedacht, dass er so wunderschön ist. Weil die meisten Mädels der Schule es so empfinden. Und deswegen habe ich immer daran gedacht, wie viele Mädels wohl am liebsten an meiner Stelle wären, als ich bei ihm war. Nicht weil ich Sam so sehr mochte, sondern weil ich sein Ansehen mochte. Ich wollte unbedingt das eine Mädchen sein, dass so besonders ist und ihm den Kopf verdreht. So sehr, dass ich kaum bemerkt habe, dass meine Gefühle für Sam nicht dem entsprechen, wovon ich immer geträumt habe. Dass der Sam, von dem ich immer geträumt habe gar nicht existiert.

Sams Lachen reißt mich aus meinen Gedanken und wieder wird mir klar, was ich hier mache. Ich spiele ein Spiel. Ich spiele mit seinen Gefühlen.

»Du hast gewonnen«, ertönt seine Stimme.

Ich schenke ihm ein falsches Lächeln und schlucke den dicken Kloß herunter.

Scheiße, was habe ich mir bloß dabei gedacht?

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