Kapitel 23 - Café
Wir stehen vor einem Café, welches ich bisher immer nur gesehen, aber nie betreten habe. Es ist mitten in der Innenstadt, was ich irgendwie schön finde, denn dann kann man sich ins Café setzen und die Menschen draußen beobachten.
Kaffezeit
Das steht in großen Buchstaben vor der Tür, während ich mich langsam nähere und auch das kleingedruckte lesen kann.
Das Café, in dem du dir einen Moment nur für dich genehmigen kannst.
Ich lächele, denn das klingt eigentlich sehr schön. Vielleicht gefällt es mir ja sogar so gut, dass ich irgendwann wieder hierherkomme.
»Kommst du?« Louis sieht mich erwartungsvoll an und hält mir bereits die Tür auf.
Ich glaube, ich war wieder für einen Moment ganz woanders. Doch als ich dann endlich zu mir komme und den schönen Laden betreten kann, habe ich das Gefühl ein Stück Heimat zu spüren. Überall sind Pflanzen und schöne Bilder, ganz links befindet sich sogar einen kleines Bücherregal, das mit Lichterketten geschmückt ist. Rechts ist ein ziemlich langer Tisch, mit vielen Stühlen, der direkt am Fenster steht und einen tollen Ausblick auf die Stadt bietet. Direkt dahinter befindet sich an der Wand eine Treppe, die bestimmt schon sehr lange hier ist und gewiss die verrücktesten Geschichten erzählen würde, wenn sie sprechen könnte.
Louis geht direkt zur Theke, die sich gegenüber von uns und somit auch vom Eingang befindet. Davor sind einige Hocker aufgestellt, die bestimmt auch schon seit etlichen Jahren dazugehören. Mitten im Raum befinden sich einige Tische, die bereits besetzt sind von Menschen, die mit Freunden einen Kaffee trinken, von Menschen die in Ruhe ein Buch lesen oder von Menschen, die einen Laptop vor sich stehen haben und eifrig darauf herumtippen. Im großen und ganzen ist die Atmosphäre im Café sehr friedlich, denn jeder scheint mit seiner eigenen Welt beschäftigt zu sein.
»Was möchtest du haben?«, will Louis von mir wissen und sieht dann zu mir, als wir die große Holztheke erreichen.
»Haben die hier auch Eiskaffee?«, frage ich nach und schaue dann nach oben auf die Karte. Sekunden später finde ich es. »Ah ja, haben sie!«
Ich nenne meinen Eiskaffee zuerst, während Louis danach seine Bestellung aufgibt, die aus einem Käsekuchen und einem schwarzen Kaffee besteht. Da uns die Getränke gebracht werden, suchen wir uns bereits einen Platz aus. Ich finde die Fensterplätze so faszinierend, dass ich direkt darauf zulaufe. Mann kann sich entweder so hinsetzten, dass man mit dem Rücken zum Fenster sitzt, oder mit dem Rücken zu den Gästen und dann nach draußen schauen kann. Ich finde beides toll.
»Möchtest du dich hierhin setzen?«, hakt Louis nach, da ich bereits eine Weile an dem Tisch stehe und nach draußen gucke. Ich nicke und setze mich dann mit dem Ausblick nach draußen auf die Stühle.
Louis setzt sich links neben mich und in dem Moment wird mir bewusst, dass er plötzlich so anders ist. Seitdem wir aus der Schule raus sind, hat es noch kein böses Blut zwischen uns gegeben und irgendwie finde ich das toll, denn jetzt gerade ist es so friedlich zwischen uns beiden, als wenn wir und schon immer gut verstanden hätten.
Louis holt einen Laptop heraus, während ich verwirrt zu ihm gucke. Wir sind doch direkt aus der Schule hierher gefahren. Dann muss er seinen Laptop ja bereits in der Schule dabei gehabt haben.
»Wieso nimmst du deinen Laptop mit zur Schule?«, hinterfrage ich und komme nicht umher ihn kurz zu beobachten, als er seine Jeansjacke auszieht.
»Ich wollte heute nach der Schule sowieso hierhin gehen«, erklärt er. »Ich muss noch andere Sachen für die Schule erledigen, denn schließlich will ich nicht nochmal sitzenbleiben.«
Stimmt, darüber hat er bis jetzt noch gar nicht gesprochen. Ich frage mich wirklich, wie sich sowas anfühlt. Ich meine, für die einen ist das wahrscheinlicher ein totaler Niederschlag, während es für die anderen einfach nur ein Jahr länger Schule ist. Irgendwie ist es doch komisch, wie unterschiedlich Menschen tatsächlich sein können.
»Wie ist das eigentlich passiert?«, möchte ich wissen und hoffe, dass ich ihn damit nicht zu sehr nerve.
Louis seufzt und zögert mit seiner Antwort. Und genau in dem Moment will ich meine Frage am liebsten wieder zurückziehen, denn ich habe das Gefühl, dass er nicht darüber reden will. Auch wenn ich es wirklich gerne wissen würde.
»Du musst natürlich nicht antworten«, schiebe ich hinterher. »Es ist in Ordnung, wenn du nicht darüber reden willst.«
Die Kellnerin kommt mit unserer Bestellung und stellt Louis seinen warmen Käsekuchen und den brühend heißen Kaffee vor die Nase, während ich mich mit meinem kalten Eiskaffee zufrieden gebe. Ich liebe dieses Getränk so abgöttisch, ich glaube es ist fast schon eine Sucht.
»Das Problem ist«, fängt Louis an und schiebt den Kaffee näher zu sich, während mir wieder einmal der Ring an seinem Daumen auffällt. »Dass ich wünschte, dass es ein Problem geben würde.« Ein Grinsen bildet sich auf seinem Gesicht.
Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Er wünscht sich, dass es ein Problem geben würde? Wie bitte?
»Was?« Ich glaube mein verwirrter Gesichtsausdruck spricht Bände, denn Louis lacht auf und kurz wünsche ich mir den Moment festhalten zu können, weil er so unbeschwert ist.
»Okay, das hat sich vielleicht komisch angehört«, gesteht er. »Was ich damit meine ist, dass es eigentlich kein genaues Problem gab. Also ich hatte keinen Stress, weder in der Familie noch in der Schule oder sonstige Probleme, die bestimmt eine gute Entschuldigung dafür wären. Ich war schlichtweg zu faul, um etwas für die Schule zu tun.«
Ich grinse Louis an, da ich sein Problem, das eigentlich kein Problem ist, verstehen kann. Ich glaube jeder von uns hat doch eine faule Ader, oder? Die einen können sie nur mehr bändigen, als die anderen.
»Ich verstehe«, lächele ich. »Du bist also ein richtig fauler Sack.«
Louis' Lachen zaubert ein noch größeres Grinsen auf mein Gesicht, während ich kurz realisiere, dass wir gerade ein wirklich lockeres Gespräch hatten.
»So kann man es auch sagen.« Er sieht mich lächelnd an, seine Augen leuchten auf und am liebsten würde ich laut aufseufzen, weil mein Herz so viel schneller schlägt. Louis sieht heute so unfassbar attraktiv aus, dass ich mich frage, wie ich das nie wahrnehmen konnte.
Kurz darauf wendet er den Blick lächelnd von mir ab und konzentriert sich dann wieder auf seinen Laptop.
Und schlagartig wird mir wieder klar, wofür wir doch eigentlich hier sind: der Aufsatz! Irgendwie war ich mit meinen Gedanken gerade ganz woanders, sodass in ihn kurz aus meinem Gedächtnis gebannt habe.
»Also«, fange ich an und hole meinen Block heraus. »Hast du bereits die Sachen notiert, die wir im Unterricht besprochen haben?« Ich sehe auf meinen Block und bin wirklich froh, dass ich damals ein wenig davon notiert habe, denn dann haben wir bereits einen Teil der Definition.
»Ja.« Louis nickt und öffnet eine Word-Datei. »Ich habe das alles noch ein wenig ausgeschmückt.«
Ich lese mir die Sätze kurz durch und nicke dann zufrieden. »Okay, super.«
Damit kann ich meinen Block eigentlich direkt wieder beiseite legen und mein Handy zur Hand nehmen, um mehr zu recherchieren. Louis sucht währenddessen auf seinem Laptop weiter und eines fällt mir sofort wieder auf: Dieses Café hat WLAN!
Ich stöbere durch einige Seiten, die mir viel zu kitschig werden, weshalb ich schnell wieder von der Seite verschwinde, als ich plötzlich einen interessanten Satz lese.
Verliebtsein und Liebe ist etwas unterschiedliches. Verliebtsein hält meistens nur ein paar Monate oder ein Jahr und dann verschwindet das Verliebtsein. Die meisten denken dabei, dass die Beziehung so keinen Sinn mehr hätte, da mehr Routine, als am Anfang in der Beziehung steckt. Doch so nimmt man sich selber die Chance tiefere Gefühle für seinen Partner zu entwickeln, was dann auf Liebe hindeutet. Die Liebe entwickelt sich also aus dem Gefühl des Verliebtseins.
Kurz erscheint mir ein Gedanke, der eigentlich gar nichts in meinem Kopf zu suchen hat: Bin ich vielleicht tatsächlich schon in Sam verliebt? Denn das Gefühl, dass ich damals mit Rob erlebt habe, war ganz anders. Vielleicht ist es aber auch immer wieder ein neues Gefühl, dass sich mit jedem Menschen ändert? Vielleicht fühlt sich die Liebe bei jedem Menschen anders an? Vielleicht verändert sich das Gefühl der Liebe im Laufe des Lebens?
Doch ich will nicht weiter darüber nachdenken und zeige Louis anschließend den Abschnitt, damit er ihn ebenfalls einfügen kann. Und das macht er auch ohne Widerworte.
Ich muss ehrlich gestehen, dass das Thema irgendwas an sich hat. Ich habe das Gefühl ich könnte ewig stöbern und würde so viele Ansichten und Erfahrungen lesen, dass es mir endlos vorkommt. Das wundert mich jedoch nicht, denn jeder ist in seinem Leben schon einmal mit dem Gefühl konfrontiert wurden. Egal, ob es auf einen Partner, oder die Familie bezogen ist. Oder vielleicht einfach nur auf das Leben.
Jemanden zu lieben bedeutet, sich selber zu fragen, was man für den Partner tun kann. Man bemüht sich die Bedürfnisse des Partners zu erfüllen, da man möchte, dass der Partner glücklich ist und sich wohl fühlt. So wird die Liebe stärker und es kommt zu tiefer Verbundenheit und zu Vertrauen. Man sollte allerdings immer an der Partnerschaft arbeiten und sich nicht darauf ausruhen.
Ich muss kurz lächeln, als ich an die Beziehung mit Rob zurückdenke. Wir haben wirklich gut zusammengepasst, doch da ich nicht weiter in der Vergangenheit stecken will, zeige ich Louis auch diesen Abschnitt. Und irgendwie ist es schön, dass er es einfach notiert, weil mir der Satz gefällt. Dass er meine Sachen tatsächlich aufschreibt, ohne zu meckern.
Es fühlt sich gut an mit Louis hier zu sitzen und den schönen Moment zu teilen. Auch wenn ich es nicht erwartet hätte, so bin ich doch froh jetzt hier zu sein.
Genau in dem Moment fühle ich ein so unfassbares Gefühl von Geborgenheit, während ich an meinem Eiskaffee nippe und glücklich nach draußen schaue. Ich beobachte die Menschen und wieder einmal wird mir bewusst, wie schön das Leben doch sein kann, wenn man die kleinen Dinge schätzt.
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Anmerkung: Die Sätze die, die beiden über die Liebe geschrieben haben, habe ich auch tatsächlich so aus dem Internet. Ich habe sie nicht geschrieben und besitze auch keinerlei Rechte.
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