Kapitel 14 - Sandwiches
Zusammen mit den anderen betrete ich den Supermarkt und mache mich direkt auf die Suche nach Süßigkeiten.
Da ich noch Schokolade kaufen muss, haben die anderen beschlossen sich ebenfalls schnell etwas zu holen.
Ich greife nach einer Milka Schokolade und hole dann ebenfalls noch eine Tafel für mich, bevor ich mich noch ein wenig umsehe. Wenn ich schon hier bin, dann kann ich auch direkt andere Lebensmittel mitnehmen. Also nehme ich noch eine Chipstüte mit, Weintrauben und Erdbeeren, bevor ich mich auf den Weg zur Kasse mache.
Da jeder für sich selber einkauft, haben wir beschlossen uns wieder alle am Ausgang zu treffen. Aus dem Grund sehe ich kurz nach draußen, wo jedoch nur einige Menschen rein und rauslaufen, die ich nicht kenne. So wie es aussieht bin ich die Erste, die fertig ist.
Als ich an der Reihe bin, bezahle ich schnell und gehe dann zum Ausgang. Ich lehne mich an die Wand, während die Sachen in meiner Hand schwerer werden. Ich schließe kurz die Augen und seufze dann. Meine Gedanken fliegen automatisch zu Sam und seinem Verhalten. Er ist so zuvorkommend, aber trotzdem ist er schwer einzuschätzen. Ist er nett zu mir, weil er mich nur freundschaftlich mag, oder weil er vielleicht mehr möchte? Schließlich hat er doch vor kurzem erst das Mädchen geküsst. Dann würde Letzteres keinen Sinn ergeben.
Ich öffne meine Augen wieder, als ich spüre, wie jemand neben mir stehen bleibt. Da die Person kein Wort sagt, sehe ich verwundert neben mich. Louis schaut auf sein Handy, während er eine Dose Energy in der Hand hält. Normalerweise hätte er wieder irgendeinen blöden Spruch gerissen, aber jetzt steht er neben mir und sieht sogar ganz freundlich aus. Als wenn wir uns nie schlecht verstanden hätten.
Seine braunen Haaren sind zerzaust, aber sehen dennoch gut aus, während er ein Lächeln auf den Lippen trägt und ziemlich fokussiert ist. Ich kann sogar einen silbernen Ring an seinem Daumen erkennen, bevor er plötzlich zu mir schaut.
»Ist was?«, will er verwirrt wissen, während meine Augen sich kurz in seinen dunkelbraunen Augen verlieren. Sie sind so dunkel, dass ich kaum seine Pupillen erkennen kann und irgendwie fasziniert mich das gerade.
Ich bin außerdem leicht überrascht, da er keinerlei bösen Unterton hat und mich einfach nur neugierig ansieht. Als wenn er komplett ausgewechselt ist.
Ich schüttle meinen Kopf und sehe dann wieder geradeaus, um die Unterhaltung zu beenden. Doch seinen Blick auf mir spüre ich noch eine ganze Weile. Es fühlt sich so an, als wenn er auf diese Weise versuchen würde mich zu studieren, weil er mich nicht versteht. Doch, dass das nicht funktioniert hat er dann wohl auch endlich eingesehen, als er seinen Blick wieder abwendet und wir beide in der Stille darauf warten, dass einer nach dem anderen langsam aus dem Laden kommt.
***
»Mom?«, rufe ich, sobald ich unser Haus betrete.
»Ja?« Sie streckt ihren Kopf aus der Küche und lächelt mich an. »Alles okay?«
Ich nicke, während ich mir die Schuhe von den Füßen streife und meine Jacke aufhänge. Mit meinen Gedanken bin ich wieder bei Ida.
»Ist Ida noch wach?«, will ich wissen und gehe zu meiner Mutter in die Küche, um die Erdbeeren und Weintrauben in den Kühlschrank zu legen.
»Ich weiß es nicht.« Sie seufzt und sieht mich dann verzweifelt an. »Ich war vor einer Stunde bei ihr, aber sie hat nicht mit mir geredet. Sie schottet sich einfach von allem ab.«
»Okay.« Ich nicke. »Ich gehe dann mal nach ihr schauen.«
Meiner Mutter nickt mir lächelnd zu, bevor ich die Küche verlasse und mich auf den Weg nach oben mache.
»Ida?« Ich klopfe mehrmals an die Tür, doch sie gibt keinen Laut von sich, also öffne ich langsam ihre Zimmertür.
Normalerweise hätte sie mich schon längst rausgeschmissen und mich ohne Ende angemeckert. Doch es ertönt kein Ton, während sie mit leerem Blick auf den Boden starrt.
Genau in dem Moment wünsche ich mir meine blöde nervige Schwester zurück, die mir immer auf die Nerven geht. Und dann wird mir klar, dass ich das schon längst hätte schätzen sollen, aber das habe ich nicht getan. Und genau deswegen fühle ich mich schrecklich, weil ich einfach nur will, dass sie mich anschreit. Ich will, dass alles so ist, wie immer. Ich will, dass sie die Kraft dazu hat aufzustehen und mich rauszuwerfen. Hauptsache sie leidet nicht, so wie jetzt. Denn sie scheint all ihre Kraft verloren zu haben.
»Ich habe dir etwas zum Essen mitgebracht«, flüstere ich in die Stille hinein und schließe die Tür hinter mir. »Schokolade und Chips, das magst du doch so sehr.«
Ich gehe auf sie zu und setze mich neben Ida aufs Bett. Ihr Blick bleibt jedoch genau an der Stelle haften, wie davor. Als wenn sie gar nicht hier wäre, sondern ganz woanders mit ihren Gedanken. Und ihr Blick bereitet mir so eine Gänsehaut, sodass ich mich kurz unwohl fühle.
»Ida.« Ich berühre ihre Schulter, während sie kurz zusammenzuckt und mich ängstlich ansieht. »Möchtest du darüber reden?«
Sie schüttelt ihren Kopf, während mir eine Last von den Schultern fällt. Immerhin ignoriert sie mich nicht komplett. Das ist wenigstens etwas.
»Ich lasse dir die Süßigkeiten hier, okay?« Die Schokolade und die Chips hole ich heraus und lege sie auf ihren Nachtschrank, bevor ich mich noch einmal zu Ida umdrehe. »Gute Nacht.«
Ich mache mich sofort auf den Weg in mein Zimmer und lasse mich seufzend auf mein Bett fallen.
Ich kann nicht mehr.
***
Ich werde irgendwann in der Nacht wach, als ich höre, wie die Toilettenspülung benutzt wird. Stöhnend drehe ich mich zur anderen Seite und hoffe, dass ich einfach wieder einschlafen werde.
Doch daraus wird nichts mehr, denn ich höre, wie Ida in ihrem Zimmer herumläuft. Da unsere Zimmer direkt nebeneinander sind und unsere Eltern schlafen ist es mucksmäuschenstill. Und genau deswegen höre ich, wie etwas anfängt zu knistern. Irgendwoher kenne ich das Geräusch, da bin ich mir sicher.
Deshalb drehe ich mich zu meinem Nachtschrank und nehme mein Handy zur Hand, um ihr zu schreiben.
Ida, es ist 4 Uhr morgens und ich kann hören wie du Chips isst.
Ich schmunzele, als ich sehe, dass sie die Nachricht gelesen hat, aber nicht darauf antwortet. Das macht sie manchmal ganz gerne. Es hat sich also nicht alles an ihrem Verhalten geändert. Diese Erkenntnis bringt mich dazu aufzustehen und zu ihr zu gehen. Auch wenn morgen Schule ist und ich wahrscheinlich vor Müdigkeit sterben werde, ist meine Schwester jetzt wichtiger.
»Hey.« Ich betrete ihr Zimmer, während sie auf dem Bett sitzt, Chips isst und eine Folge ihrer Lieblingsserie schaut. »Darf ich mit dir schauen?«
Ich sehe ein kleines Lächeln, das sich auf ihren Lippen ausbreitet, weswegen ich keine Sekunde zögere und mich unter ihre Decke schleiche.
»Ich bin immer für dich da«, flüstere ich, um ihr deutlich zu machen, dass sie nicht alleine ist.
Sie sieht mich eine Zeit lang an, bevor sie ihre Serie stoppt. »Wollen wir Käse-Schinken Sandwiches machen?«, ertönt ihre Stimme leise und zerbrechlich.
Ich sehe sie verwundert an, denn ich habe kurz das Gefühl, dass ich das alles nur träume. Wenn eines unser Verhältnis immer gestärkt hat, dann sind das die Sandwiches. Früher konnten wir sie noch nicht so gut machen, doch jetzt lieben wir sie beide.
Das letzte Mal, als wir zusammen Sandwiches gemacht haben, war als Rob plötzlich verschwunden ist. Ida hat mir mit meinen Freunden geholfen über ihn hinwegzukommen und ist so lange mit mir Nachts wach geblieben, bis ich zuerst eingeschlafen bin. So viele Tage habe ich in ihren Armen geweint, während sie immer für mich da war. Und jeden Tag wollte ich diese verdammten Sandwiches machen.
Jetzt bin ich für Ida da, während sie diesmal die Sandwiches machen will. Und im Moment ist mir nichts lieber als das.
»Klar.« Ich lächele sie begeistert an, während ich mich euphorisch vom Bett erhebe und sie aus dem Bett ziehe.
Ein Lachen entweicht ihren Lippen und mit einem Grinsen im Gesicht weiß ich, dass es Ida wieder gut gehen wird. Dass sie das alles überstehen wird. Genau so, wie ich es getan habe.
Denn nach einem Tief kommt immer ein Hoch und ich bin mir sicher, dass Ida nach dieser Zeit so eine verdammte Höhe erwartet, dass mir schon beinahe schwindelig von dem Gedanken wird.
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