Kapitel 10 - Rob

Die letzte Woche ist wie im Flug vergangen, während ich Sam jeden Tag angeschmachtet habe. Aber gemerkt hat er anscheinend nichts davon.

Als ich dann am nächsten Montag die Schule betrete und Sam sehe, will ich am liebsten direkt wieder nach Hause gehen. Denn er ist nicht alleine. Ein Mädchen leistet ihm Gesellschaft. Jedoch nicht nur ihm, sondern auch seinen Lippen, denn die beiden sind so wild am knutschen, als wenn es keinen Morgen mehr gibt.

Und dabei habe ich mir bereits Hoffnung gemacht, die ich jetzt absolut verfluche. Ich fühle, wie mich der Schmerz beinahe erdrückt, doch ich kann nichts dagegen tun. Schließlich bin ich einfach nur ein Mädchen, dessen Gefühle anscheinend nicht erwidert werden. Und es tut verdammt nochmal weh.

»Maja«, höre ich jemanden meinen Namen rufen.

Ich drehe mich um und sehe Louis auf mich zugehen. Hoffentlich versaut er mir meinen Tag nicht noch mehr.
»Was?«

»Weißt du, wo Alex ist?«, will er wissen und sieht mich fragend an.

Warum fragt er ausgerechnet mich?

»Keine Ahnung«, meine ich daher und zucke mit den Schultern. Bevor noch irgendwelche Beleidigung über seine Lippen kommen, mache ich mich bereits auf den Weg in die Schule.

Ich versuche bloß nicht auf Sam zu schauen, der immer noch beschäftigt ist, doch es gelingt mir nicht. Mit einem kurzen Blick sehe ich das Mädchen an und frage mich, was sie so viel besser macht, als mich. Vielleicht weil sie wunderschön ist?

Ich will gar nicht darüber nachdenken und seufze, als ich weiter gehe. Mein Herz schmerzt mit jedem Schritt und ich frage mich, wie ich Sam jemals dazubekomme mich zu mögen. So richtig zu mögen.

Ich muss mir dringend etwas einfallen lassen, sonst werden die nächsten Wochen und Monate die reinste Folter für mich, vor allem da er nun mit den anderen Jungs befreundet ist.

***

»Hast du es schon gehört?«, kommt Lina atemlos in der Pause auf mich gestürzt und streicht sich ihre blonden Haare aus dem Gesicht.

Sie sieht ziemlich durch den Wind aus und ich frage mich wirklich, woran das liegt.
»Was gehört?«

»Rob ist wieder da«, höre ich ihre brüchige Stimme und mein Herzschlag setzt für einen Moment aus.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe nur das Gefühl, dass ich kotzen muss. Denn die Erinnerung überkommen mich alle, wie eine Welle. Doch ich will es nicht. Ich will nicht daran denken.

»Maja«, holt mich eine sanfte Stimme aus meinen Gedanken.

»Was will er hier?« Meine Stimme ist so leise, dass ich mich selber kaum höre und ich habe das Gefühl, dass ich jeden Moment anfangen werde zu weinen.

»Anscheinend geht er wieder auf die Schule«, antwortet Lina und ich stehe sofort auf.

Ich muss ihn finden. So lange habe ich darauf gewartet, ihn wiederzusehen.

»Ich gehe ihn suchen«, flüstere ich ihr zu und verschwinde sofort. Ich ignoriere Linas Rufe und die komischen Blicke, die mir zugeworfen werden, weil ich mich, wie eine Verrückte, in der Gegend umsehe.

Mein Herz pocht wild in meiner Brust und vor meinem inneren Auge tauchen wieder alle Erinnerungen auf, die ich versucht habe zu verdängen. Wenn ich ihn finde, dann kann er sich wirklich auf etwas gefasst machen.

Ich suche und doch finde ich ihn nicht. Es ist, wie ein Déjà-vu, auch wenn ich nicht will, dass es sich so anfühlt, doch das tut es.

Dann bleibe ich abrupt an einer Ecke stehen, weil schwarze Haare in meinem Blickfeld auftauchen. Ich halte die Luft an, da ich kaum glauben kann, dass er wirklich hier ist. Und als ich ihm näher komme, wandert sein Blick zu mir. Es fühlt sich an, als wenn tausend Blitze auf mich einschlagen.

»Maja«, ertönt seine Stimme, die ich so lange vermisst und verflucht habe.

Seine schwarzen Haare stehen ihm überall ab und er trägt ein Lächeln auf den Lippen, während seine Augen mich mustern.

Ich spüre, wie die Gänsehaut sich ganz langsam an meinen Armen hocharbeitet und dann meinen ganzen Körper einnimmt. Und dann gehe ich auf ihn zu, während er mich ansieht. So wie früher. Doch es ist nichts mehr, wie früher. Es hat sich alles geändert.

»Ich...«, fängt er an, doch ich unterbreche ihn, indem ich ihm eine Backpfeife gebe.

Meine Lippen beben, doch ich will nicht weinen, also presse ich sie mit aller Kraft zusammen. Rob sieht mich geschockt an und fährt mit einer Hand über seine Wange.

»Ich hasse dich«, presse ich verachtend hervor und merke, wie eine Träne mein Auge verlässt.

»Maja...«

»Nein!«, unterbreche ich ihn. »Ich will nie wieder mit dir reden! Ich wollte dir nur klarmachen, dass du bei uns allen nichts mehr zu suchen hast. Nie wieder.«

Verletzt gehe ich davon und spüre, wie meine Tränen weiter fließen, ohne, dass ich es auch nur ansatzweise verhindern kann.

So lange habe ich darauf gewartet, dass er zurückkommt. So lange habe ich auf ihn gewartet. Doch irgendwann habe ich aufgehört zu warten, weil ich wusste, dass es nichts bringt. Und dann taucht er einfach wieder hier auf, meldet sich nicht einmal und tut, als wenn nie etwas passiert wäre. Doch ich weiß noch genau, was er getan hat. Und ich weiß, dass, egal welche Ausrede er hat, er es niemals wieder gut machen kann.

Und so verlasse ich die Schule mit einem gebrochenen Herzen, genau wie ich sie heute morgen erst betreten habe.

Ich laufe immer weiter, wische mir meine Tränen ständig weg und komme schließlich bei mir zu Hause an. Meine Eltern sind arbeiten, meine Schwester in der Uni und aus dem Grund schlürfe ich in mein Zimmer, lege mich ins Bett und fange direkt wieder an zu weinen.

***

Ich werde wach, als ich höre, wie jemand meine Zimmertür öffnet. Ich fühle mich total ausgelaugt, als wenn meine ganze Kraft aus meinem Körper gewichen wäre. So sehe ich wahrscheinlich auch aus.

Alex und Lina stehen vor mir und sehen mich besorgt an.

»Wie seid ihr reingekommen?«, will ich verwundert wissen und reibe mir müde meine Augen.

Alex lächelt zaghaft. »Der Schlüssel unter eurem Blumentopf.«

Ich nicke und setze mich dann langsam auf. »Und was gibt es so dringendes?«

Lina seufzt und setzt sich neben mich aufs Bett. »Ich weiß, dass du nicht darüber reden willst.« Da hat sie Recht. Das ist das Letzte, was ich möchte. »Deswegen haben wir dir etwas zu Essen besorgt. Wir bleiben heute bei dir und genießen den Tag zu dritt, okay? Du musst da nicht alleine durch.«

Ich nicke. »Ich danke euch.«

Alex setzt sich nun auch aufs Bett und ich umarme alle beide, während die Tränen wieder einmal fließen. Ich bin so froh, dass sie jetzt hier sind.

»Ich bin so verdammt schwach«, schluchze ich.

So oft habe ich mir vorgestellt, wie es sein wird, wenn wir uns wieder sehen. Aber nie habe ich gedacht, dass ich tatsächlich vor ihm Tränen vergießen werde.

»Das bist du nicht«, widerspricht Alex mir sofort, während wir uns aus der Umarmung lösen.

»Doch, ich habe direkt angefangen zu weinen.«

Ich hätte ihm stärker gegenübertreten sollen. Ich hätte ihm zeigen sollen, dass er mich nicht mehr interessiert, doch das habe ich nicht.

»Zu weinen ist keine Schwäche, Maja«, flüstert Lina. »Damit zeigst du die allergrößte Stärke, die ein Mensch zeigen kann. Du zeigst, wer du bist und was dich bedrückt. Du zeigst dein wahres ich, du zeigst genau das, was so viele verbergen wollen. Genau das zeugt von Stärke.«

Ich lächele sie glücklich an, während die Tränen über meine Wange fließen, doch dieses Mal tut es verdammt gut.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top