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„Bring ihn mir an, dann finden wir es heraus" sagte er ernst und ich schluckte schwer.
Ich sollte ihm den Ring anbringen?
Hatte ich mich verhört oder hatte er tatsächlich gesagt, dass ich ihm den Ring anbringen soll?
In Masons Augen stand kein Schalk geschrieben, das heißt er meinte seine Aussage ernst. Ich senkte meinen Blick auf seine Hand, die mir entgegengestreckt war.
Zögerlich umfasste ich seine maskuline Hand mit meiner. Sie war kühl. Ich kämpfte gegen das Verlangen an seine Hand mit meinen beiden Händen zu umfassen, um sie aufzuwärmen. Störten ihn seine kalten Hände nicht?
Ich hielt meinen Blick stets auf seine Hand gesenkt und versuchte seinen Blick auf mir zu ignorieren.
Masons Hand war riesig im Vergleich zu meiner. Die Venen stachen auf seinem Handrücken hervor und verliefen zu seinem Arm zurück.
Ich brachte ihm den Ring an und er passte perfekt an seinem Ringfinger. Das matte Silber bildete einen interessanten Kontrast zu seiner gebräunten Haut.
„Passt" antwortete ich und ließ schnell von seiner Hand ab, als mir auffiel wie lange ich sie schon hielt.
Der Juwelier nahm ihm den Ring ab und packte beide ein. Wofür waren die Ringe? Ich wollte unbedingt wissen, was in seinem Kopf vor sich ging. Denn aus heiterem Himmel würde er mir wohl kaum einen Ring kaufen. Ich kannte ihn mittlerweile ganz gut.
___
„Der Diamant war bestimmt sehr teuer" sprach ich meine Gedanken leise aus und betrachtete die rote Schatulle in meiner Hand.
Nun wo keine zig weiteren Diamanten um meinen Ring herum prahlten, schien er noch teuerer und protziger zu sein. Im Laden hatte er relativ dezent gewirkt im Vergleich zu dem Rest.
Das Band des silbrigen Rings war schmal und in der Mitte prahlte ein edler auffälliger Diamant, der mich anfunkelte. Man wird merken, dass es sich hierbei um einen Ehering handelte. Meine Absicht war es mir einen sehr dezenten Ring zu suchen, der nicht wie ein Verlobungsring wirkte. Doch bei dem Juwelier war es wirklich schwer gewesen etwas dezentes zu finden.
„Ich kann dich in Diamanten abwiegen."
Mein Kopf schoss in Masons Richtung, der mit bloß einer Hand das Auto aus dem Parkplatz raus lenkte.
Ich verdrehte meine Augen über seine Aussage und seine Art wie er immer mit einer Hand fuhr. So ein eingebildeter reicher Macho. Ich glaubte es ihm zu gut, dass er mich in Diamanten abwiegen könnte. Schließlich war er super reich.
Ich schlug die Schatulle wieder zu und steckte sie zu Masons Ring in die kleine schicke Tüte. Er hatte sich zu dem Ring nicht geäußert. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass er den Ring nicht tragen wird. Ich werde meinen Ring auch erst dann tragen, wenn er seinen trägt.
„Und in Waffen bestimmt auch" murmelte ich leise.
Ich hasste seinen dunklen Lifestyle. Trug er Schuldgefühle mit sich herum? Taten ihm die Menschen nicht leid, die zu seinen Opfern wurden? Empfand er Last auf seinen Schultern?
Mason äußerte sich dazu nicht und fuhr durch die engen Straßen der überfüllten Innenstadt.
Ich mochte es in der Stadt zu sein. Es gab mir das Gefühl, dass alles in Ordnung war und ich nicht gezwungenermaßen bei Mason gefangen war. Die Stadt war voller Leben und bunten Lichtern. Mittlerweile war es bereits dunkel geworden.
Das Radio lief leise im Hintergrund und ich wollte die Lautstärke ungerne erhöhen. Ich wollte uns nämlich zweideutige Lieder ersparen, die die Atmosphäre anheizen würden.
Ich befreite meine Füße aus den weißen Nikes und zog meine Beine auf den Sitz hoch.
Ich machte es mir in seinem Auto gemütlich. Die Fahrt würde sicherlich noch dauern.
Ich erinnerte mich an den Mann mit dem Glasauge zurück. Wenn ich damals den Krankenwagen gerufen hätte, hätte man ihn vielleicht retten können. Dafür hätte mir aber Mason die nächste Kugel seiner Waffe durch den Kopf geknallt.
Ich erschauderte bei dem Gedanken. Nach diesem Vorfall konnte ich unzählige Nächte lang nicht schlafen. Erging es Mason ebenso? Bekam er Albträume von seinen dunklen Taten?
„Wieso hast du damals den Mann erschossen?" fragte ich, da mich die Ruhe im Auto störte.
„Er war ungehorsam."
Ich schluckte und bereute es das Thema angeschnitten zu haben. Warum hatte ich das Gefühl, dass er damit auf mich hinaus wollte? Er konnte einem mit seinen knappen und bedrohlichen Sätzen wirklich Angst machen.
Ich glaube kaum, dass Mason Schuldgefühle empfand. Denn seine eisigen Augen zeigten keine Gnade oder Barmherzigkeit.
„Was wohl über seine Familie ergangen ist" murmelte ich gedankenverloren und stellte mir Szenarien vor, wie die Familie um ihn getrauert haben könnte.
Schnell schüttelte ich diese Gedanken weg. Sie waren erschreckend. Der Gedanke daran einen Geliebten für immer und ewig zu verlieren, machte mir Angst. Ich war zwar auch von meiner Familie getrennt, aber sie waren Gottseidank am Leben. Es ging ihnen gut.
„Du bist naiv" sagte Mason nach kurzer Weile und seine tiefe Stimme durchbrach die Stille im Auto.
„Ich bin überhaupt nicht naiv. Woher willst du das wissen" giftete ich murmelnd und strich mir die Haare hinter die Ohren.
Sollte er es bloß nicht wagen mich so zu bezeichnen. Konnte er etwa Menschen lesen oder was? Seine Selbstsicherheit nervte mich sehr. Er urteilte jedes Mal über mich ohne mich wirklich zu kennen.
„Wenn du nicht naiv wärst, hättest du die Absichten deiner Freundin von ganz alleine erkannt" sagte er ruhig und schaute auf die rote Ampel vor uns.
Er meinte wahrscheinlich Chloe. Ich hatte ihm grob davon erzählt, als er mich mit Messern angezielt hatte. Der Tag war ein reines Spektakel gewesen. Von allen Menschen auf der Welt hätte ich am wenigsten von Chloe so etwas erwartet.
„Es liegt nicht daran, dass ich naiv bin, sondern daran dass sie es sehr geschickt gemacht hat" rechtfertigte ich mich.
„Falsch" entgegnete Mason und fuhr weiter. Sein Blick galt den beleuchteten Straßen.
„Was falsch?" fragte ich mürrisch und hasste seine kurzen Antworten. Ich musste ihm alles aus der Nase ziehen.
„Sie hat sich nicht sonderlich Mühe gemacht. Jeder im Saal konnte sehen wie gekünstelt das Verhalten deiner Freundin war. Du warst die einzige, die das nicht bemerkt hat."
Hatte er mich etwa so genau beobachtet, dass er sich so viel geprägt hatte? Laut meiner Wahrnehmung hatte er bloß einige Male zu mir geschaut. Und das nur flüchtig.
„Wieso sollte ich ihre Freundschaft in Frage stellen, wenn sie mir vorgespielt hat die ideale beste Freundin zu sein?"
„Es gibt etwas, das nennt sich gesundes Wahrnehmungsvermögen."
Ich verdrehte bloß meine Augen. „Hattest du etwa nie Freunde gehabt, die dir in den Rücken gefallen sind?"
„Ich habe keine Freunde" sagte er ruhig und war stets auf die Straße konzentriert.
Kein Wunder, so arrogant und eingebildet wie du bist.
„Was ist mit Jayden?"
Mason war wirklich ein Eisbrocken. Wie konnte er jemanden wie Jayden nicht als seinen Freund betiteln? Jayden war so ein sympathischer und lieber Mensch. Soweit ich den Eindruck hatte, bedeutete Mason ihm viel. Obwohl er sich größtenteils emotionslos gegenüber Jayden verhält.
„Er gehört zur Familie."
Ich wurde hellhörig. Das hätte ich jetzt wirklich nicht erwartet. Solche Worte aus Masons Mund zu hören war wie ein Wunder.
Das hieß, dass Jayden ihm mehr bedeutete als Mason es zeigte. Schließlich reagierte er recht kalt und abwesend in Jaydens Gegenwart. Ich habe ihn Jayden noch nie anlächeln gesehen. Weder zeigte er Freude oder gute Stimmung, wenn er Jayden sah.
„Wer gehört noch zu deiner Familie?" fragte ich zögerlich.
Hoffentlich wird er nicht wütend werden. Denn das war eine recht nahekommende Frage.
Ich wollte ihn eigentlich den ganzen Tag ignorieren, aber ich konnte mich nicht meine Klappe halten.
„Niemand."
Ich konnte seinem Tonfall entnehmen, dass ihn meine Frage nicht erfreute. Daher erwähnte ich das Gemälde aus seinem Zimmer nicht. Sein Vater war sicherlich verstorben. Deswegen zählte Mason nur Jayden als Familie auf. Aber was war mit dem Rest seiner Familie?
Irgendwie machte mich Masons Antwort sehr nachdenklich. Er hatte niemanden außer Jayden als Familie. Aber ich konnte mir Mason in einer Familie auch nicht vorstellen. Dafür besaß er zu wenig Empathie und war auch zu kalt dafür. Dennoch machte es mich an einem Punkt ein wenig traurig, dass er niemanden außer Jayden hatte.
Während ich von Familie und Freunden umgeben war, hatte Mason nur eine Person.
Die kommenden Minuten herrschte wieder Stille, die mich störte. Wie sollte denn die Zeit vergehen, wenn wir nicht miteinander redeten?
„Du hast mich also an dem Abend beobachtet?" fragte ich vorsichtig und spielte mit meiner blonden Haarsträhne. Hoffentlich klang die Frage nicht aufdringlich.
Wusste er zudem Zeitpunkt, dass ich die Zeugin des Mordes war?
Es war komisch seine Sichtweise zu dem Abend zu hören. Er hatte viel mehr wahrgenommen und an Informationen aufgefangen als ich den Anschein hatte. Ich hatte mein Leben lang gebraucht um Chloes hinterhältigen Charakter zu verstehen, während Mason es innerhalb von wenigen Stunden verstanden hatte.
„War schwer nicht hinzusehen, während du mich förmlich mit deinen Blicken ausgezogen hast" sagte Mason locker und schaltete geschickt in den nächsten Gang.
„Das habe ich überhaupt nicht" kreischte ich geschockt und riss meine Augen weit auf.
Die Selbstverständlichkeit in seiner ernsten Stimme war das Ausmaß. Wieso war er so selbstsicher von seiner Wahrnehmung? Es hätte auch sein können, dass er falsch lag.
Hatte ich an jenem Abend etwa so auffällig gegafft, dass es ihm sofort eingeleuchtet war?
Meine Ohren erhitzten sich vor Verlegenheit und ich wollte den Abend ungeschehen machen. Wenn ich Rückblick betrachtend mein Verhalten reflektierte, hatte er gar nicht so unrecht. Ich hatte ihn auffällig angeschmachtet. Jedoch nur weil ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste, welche grausame Wahrheit hinter seinem attraktiven Gesicht steckte!
„Doch, hast du."
„Nur weil du ein wenig gut aussehend bist, musst du nicht so eingebildet sein" redete ich mich in Rage und gestikulierte passend mit meinen Handbewegungen dazu.
Natürlich wusste er, dass er überdurchschnittlich attraktiv war und die Frauen sich um ihn rissen.
„Ein wenig? Das glaubst du dir doch selbst nicht, Bella" sagte er und warf mir einen flüchtigen Blick zu.
„Glaubst du allen Ernstes, dass dich jede Frau haben will" fragte ich gereizt und mein Gesicht hatte deutlich an Farbe angenommen.
Es war mir im Moment egal, dass er mich für diese Sätze töten könnte. Was fiel ihm ein so selbstsicher zu behaupten, dass ich ihn mit meinen Blicken ausgezogen hatte? Ich hatte ihn bloß betrachtet und seine Kleidung abgecheckt. Mehr nicht. Allein der Gedanke ihm auch nur das Oberteil nach oben zu schieben, ließ mich vor Verlegenheit dahinschmelzen.
Die ständigen Stöße seiner Zunge gegen die Wange, machten mir deutlich, dass Mason sich über meine Verlegenheit amüsierte.
Es war unfassbar, dass er in manchen Situationen etwas anderes außer Wut empfinden konnte. Denn anfangs dachte ich tatsächlich, dass er ein Roboter sei.
Jedoch waren es in den meisten Fällen sehr unangenehme Situationen für mich, die ihn amüsierten. Es war hauptsächlich meine Verlegenheit, die ihn amüsierte. Arroganter Mistkerl.
Im Moment gefiel er mir mehr, wenn er kalt war und mich ignorierte.
„Ja. Selbst kleine Mädchen reißen sich um mich."
Er betonte absichtlich das Wort kleine Mädchen und sein Tonfall klang amüsiert.
Ich schnaubte höhnisch und verschränkte meine Arme vor der Brust. Indirekt meinte er mich damit.
„Du bist nicht der einzig hübsche Mann auf dieser Welt, Mason Zachary Knight" sagte ich trocken.
Mason schnaubte amüsiert und zog seinen rechten Mundwinkel in die Höhe. Damit es nicht wie ein Lächeln wirkte, verzog er leicht die Lippen und zog wissend eine Augenbraue in die Höhe.
„Sicher?" fragte er und leckte sich diesmal über die Ecke seines rechten Mundwinkels. Selbst die kleinsten Gestikulationen ließen diesen Mann unglaublich attraktiv aussehen.
Warum wollte er nie zugeben, dass er lächeln konnte? Er war wirklich ein Fall für sich. Außerdem war ich froh, dass er es recht locker hingenommen hatte. Ich hatte ziemlich frech mit ihm gesprochen und hatte bedenken, dass er wütend werden könnte. Doch dies war ausnahmsweise mal nicht der Fall.
„Seit wann redest du eigentlich so viel? Sonst bist du doch auch immer still und ignorierst mich" sagte ich und hielt mürrisch seinem flüchtigen Blick stand.
„Du beschwerst dich sonst immer, dass ich nicht rede. Jetzt wo ich rede, stört es dich" sagte er und sein Arm lag lässig auf dem Lenkrad.
Ja, aber du sollst mich dabei nicht in Verlegenheit bringen.
Ich schnaubte beleidigt als Antwort.
„Verrücktes Mädchen."
„Ich bin kein kleines Mädchen" zischte ich und drehte mich soweit wie es ging von ihm weg. Wo sah ich bitte aus wie ein Mädchen?
Ich glaube kaum, dass kleine Mädchen einen ausgeprägten Körper mit Kurven hatten. War er blind? Dieser arrogante und eingebildete Mistkerl.
Heute brachte er mich so auf die Palme, dass ich ihn unzählige Male in meinen Gedanken beleidigte. Und für gewöhnlich hasste ich es Menschen zu beleidigen.
Mein Blick galt nun der Aussicht aus dem Fenster. Da ich mit Mason nicht mehr redete und er auch keine weiteren Gespräche einging, sah ich aus dem Fenster und beobachtete die Gebäude.
Vorhin hatte Mason für seine Verhältnisse relativ viel gesprochen. Die Zeit war schnell vergangen und ausnahmsweise hatte er mehr als nur zwei Wort Sätze mit mir gesprochen. So könnte er viel öfter sein. Es ließ ihn menschlicher wirken.
Wohin fuhren wir eigentlich? Anstatt aus der Stadt heraus zu fahren, fuhr er immer weiter rein.
„Wohin fahren wir?" fragte ich schließlich, als ich meine Neugier nicht mehr länger zähmen konnte.
„Ende der Woche findet ein Wohltätigkeitsball statt. Du begleitest mich. Kannst dir ein Kleid aussuchen" erklärte er und bog in eine Gasse ein.
„Du nimmst an sowas teil" fragte ich überrascht, als er das Auto parkte.
Er war doch der Bösewicht. Weshalb nahm er an solchen Wohltätigkeiten teil? Wahrscheinlich leitete er sich eigene Vorteile daraus hinaus.
„Ja" antwortete er und stieg aus.
Ich tat es ihm gleich. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Kraft und Lust zum Shoppen. Ich wollte etwas leckeres essen und schlafen. Aber soweit ich Mason kannte, musste ich mir wohl oder übel ein Kleid holen.
Während ich mit seiner Kreditkarte die Boutique betrat, blieb Mason draußen.
Ich wurde von einer Dame empfangen, die mir ihre Hilfe anbot.
Ich verneinte lächelnd und sah mich selbst um. Neben mir waren auch einige andere Frauen im Laden, die sich ihre Zeit ließen und sich in Ruhe umsahen.
Ich dahingegen wollte schleunigst ein Kleid finden und wieder rauslaufen. Es war ohnehin schon ein langer Tag gewesen.
Nach einer Ewigkeit konnte ich mich mit einem Kleid in weinrot anfreunden. Es hatte einen engen Meerjungfrauen Schnitt und würde mir bis zu den Knöcheln reichen. Der Stoff bestand aus elegantem Satin und würde bestimmt gemütlich sein. Die dezenten Spagettiträger sahen ebenfalls schön aus und der Rücken würde durch einige ineinander geflochtenen Schnüren bedeckt sein.
Ohne weiter nachzudenken nahm ich mir das Kleid in meiner Größe und suchte mir passende Pumps dazu aus. Ich entschied mich für einen 15 Zentimeter Absatz.
Nachdem ich mit Masons Kreditkarte bezahlt hatte, verließ ich den Laden.
Mason Zachary Knight. Selbst sein Name klang sexy.
„Was willst du essen?" fragte mich Mason, als er sein Auto aufschloss.
„Du meintest das ernst?" fragte ich verwundert und verstaute die Tüte auf den Rücksitzen.
Ich dachte er wollte mich bloß aus der Villa raushaben und hatte mir deshalb gesagt, dass er mir essen holen würde.
„Ich bin niemand der Scherze macht" sagte er ernst und zuckte sein Portemonnaie aus seiner hinteren Hosentasche hervor.
Ich überreichte ihm seine Kreditkarte, die er wieder einsteckte. Bevor er sein Portemonnaie schließen konnte, fiel mir ein kleines Passbild ins Auge.
Beinahe hätte ich ihn gefragt, wessen Bild das war. Doch in letzter Sekunde konnte ich doch noch meine Klappe halten. Das war nämlich mein biometrisches Passbild.
Wieso hatte er das in seinem Portemonnaie? Weil er die Bilder damals sehr wahrscheinlich in sein Portemonnaie gesteckt hatte.
Als Mason plötzlich mit den Fingern vor meinem Gesicht schnippte, wurde ich aus meiner Trance gerissen.
„Was willst du essen?"
„Entscheide du" stotterte ich neben der Spur und hing immer noch mit dem Gedanken an sein Portemonnaie.
Mason zog kritisch eine dunkle Augenbraue in die Höhe. Ich wich seinem strengen Blick aus und strich mir die Haare hinter die Ohren.
Ich saß mittlerweile im Auto und wartete auf Mason. Wieso beschäftigte mich der Gedanke mit dem Passbild so sehr? Ich erinnerte mich verschwommen daran zurück, wie er damals die Hülle mit den Bildern ins Portemonnaie gesteckt hatte. Aber das Bild im Portemonnaie war aus der Hülle rausgeholt und ins Fotofach eingesteckt worden. Oder hatte er im Fotostudio die Bilder lose reingesteckt? Ich erinnerte mich nicht mehr haargenau daran.
Ich wurde erst aus meinen Gedanken gerissen, als Mason die Tür öffnete und wieder am Fahrersitz Platz nahm.
Er überreichte mir eine Box, die ich öffnete.
Mal sehen was er mir geholt hatte. Ich hatte üblen Hunger. Meine Vorfreude verflog jedoch, als ich Nudeln in der Box vorfand. Es waren Nudeln in einer Sahnesoße mit Gemüse. Waren das etwa Zucchini Stücke? Dieser Fitnessfreak.
„Nudeln?" fragte ich und warf ihm einen entgeisterten Blick zu.
„Ich sollte entscheiden" sagte er unbeeindruckt und öffnete eine seiner Pizza Boxen.
Während er drei leckere Pizzen hatte, sollte ich Nudeln essen?
„Ja, aber Nudeln? Wer isst denn außerhalb von Zuhause Nudeln?" murmelte ich und nahm demotiviert eine Gabel in den Mund.
Es schmeckte wie Nudeln mit einer Sahnesoße nun mal schmeckten. Etwas besonderes war da nicht dran. Ich sollte dankbar sein, dass er mir überhaupt etwas zum Essen geholt hatte. Sonst müsste ich es bis zu seiner Villa mit leeren Magen aushalten.
Ich nahm eine weitere Gabel in den Mund und ließ die Box auf meinen Schoß sinken. Diese Nudeln schmeckten nicht mal halb so gut wie sie aussahen. Hatte er mir etwa Nudeln geholt, weil ich zuhause welche kochen wollte? Aber wer verzichtete denn wegen Nudeln auf Pizza? Also ich nicht.
Mason nahm mir plötzlich die Box mit den Nudeln ab und schob mir seine Pizza Box rüber.
Ich wäre beinahe erschrocken hochgesprungen, weil seine Hand dabei meine Oberschenkel gestreift hatte. Jedoch konnte ich mich in letzter Sekunde noch davon abhalten, indem ich meine Hände in den Sitz krallte.
Es war bloß eine flüchtige und nicht beabsichtigte Berührung gewesen, dennoch pochte mein Herz wie wild. Was ist bloß falsch mit mir?
Ich blinzelte meine Gedanken weg und musste leicht grinsen, als ich auf die Pizza Packung auf meinem Schoß schaute. Sie sah sehr lecker aus und ich konnte es kaum abwarten reinzubeißen.
„Danke" sagte ich und nahm ein Stück Pizza in die Hand.
Die Pizza war für meine Verhältnisse ein wenig zu scharf, dennoch aß ich einige Stücke. Denn ich hatte Hunger und sie schmeckte wirklich sehr lecker.
„Scharf?"
Ich schüttelte zischend meinen Kopf und zog überrascht meine Augenbrauen in die Höhe, als er mir eine Wasserflasche hinhielt.
Ich nahm ihm die Flasche ab und war versucht seine Fingerspitzen nicht zu berühren.
Nachdem wir gegessen hatten, fuhren wir zurück zur Villa. „Kannst du diesmal bitte langsamer fahren? Ich will mich ungerne übergeben" bat ich ihn und lehnte mich im Sitz zurück. Er antwortete mir nicht, aber fuhr erstaunlicherweise nicht über 200 km/h diesmal.
Für Mason war das schon extrem langsam. Ich freute mich, dass er meine Äußerung wahrgenommen und umgesetzt hatte. Es könnte natürlich auch daran liegen, dass er ebenfalls gegessen hatte und sich nicht übergeben wollte. Was ich eigentlich bezweifelte.
„Ich habe vorhin in deinem Portemonnaie mein Bild gesehen" schnitt ich auf der Highway das Thema an, welches mich die ganze Zeit über beschäftigte.
Da er mir nicht antwortete, musste ich weitersprechen.
„Ich wollte nur wissen... warum du es bei dir hast" murmelte ich verlegen und biss mir auf die Unterlippe.
Wieso klang ich bloß so aufdringlich? Vielleicht hatte er ja seine guten Gründe.
„Für den Fall, dass du wieder ungehorsam bist und ich deinen Vornamen ändern muss" sagte Mason so ernst, dass ich es ihm sofort glaubte. Ich hatte keinen Zweifel an seiner psychopathischen Aussage, denn er war zu allem fähig.
War ich eigentlich verrückt geworden, dass ich dachte er würde es aus diversen anderen Gründen bei sich tragen? Ja, war ich.
___
Ich wachte am Samstag ausgeschlafen um 8 Uhr morgens auf. Da ich gestern eilig eingeschlafen war, war ich heute dementsprechend früh wach.
Ich sprang auf die Beine und schob die dicken Gardinen zur Seite.
Die Morgensonne schien am Himmel und man hörte die Vögel zwitschern.
Was mache ich heute bloß? Es war langweilig alleine zu sein. Gottseidank wurde ich die letzten Tage nicht paranoid. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich mich halbwegs ab mein neues Zuhause gewöhnt hatte.
Dennoch wollte ich wieder ein wenig Abwechslung in meinem Leben haben. Mason war gestern erst spät nachts wieder zurückgekehrt. Was hatte er wohl in seinem Apartment gemacht? Der Gedanke, dass er dort eventuell Besuch hatte, nervte mich zutiefst.
Wie schlief er denn bitte mit Frauen, wenn er keinerlei Feinfühligkeit besaß und über jede Kleinigkeit wütend wurde und alles auseinander nehmen wollte?
Ich beobachtete Mason, wie er in einem grauen Sportanzug gekleidet die Einfahrt betrat. Ich glaube er wollte joggen gehen.
Wieso sah er selbst in den schlichtesten Sachen sexy aus?
„Guten Morgen" rief ich ihm schnell zu und lehnte mich ans Geländer ran. Ich wollte mir die Gegend ein wenig ansehen und näher kennenlernen. Mason würde mich alleine niemals rauslassen. Wenn er jedoch dabei ist, konnte er es mir nicht verbieten.
Ich hatte keine Lust mehr in seiner Villa herumzuhocken. Selbst das gigantische Grundstück hatte ich analysiert und jeden einzelnen Grashalm näher kennengelernt.
Mason blieb stehen und sein Blick schoss in die Höhe zu mir. Neutral wie und je. Warum antwortete er mir nie auf mein Guten Morgen? Innerlich verdrehte ich die Augen über meine eigene Dummheit.
Wieso sagte ich das überhaupt zu ihm? Als ob er mir je ein guten Morgen zurück sagen würde.
„Darf ich mitkommen? Ich brauche nur fünf Minuten, um mich fertig zu machen" versicherte ich ihm.
Da Mason nichts sagte und sich in Bewegung setzte, ging ich davon aus, dass ich nicht mitdurfte.
Ich seufzte genervt über seine Ignoranz und verfluchte mich für meine Leichtsinnigkeit. Ich sollte ihn genauso ignorieren wie er es bei mir tat. Aber ich hatte nunmal die schlechte Angewohnheit viel zu reden. Denn ich konnte nicht Schweigen.
Ich beobachtete Mason dabei wie er vor dem großen Tor der Villa stehen blieb. Er drehte sich zurück und schaute nach oben zu mir.
War das etwa eine Einverständnis seinerseits? Als er eine dunkle Augenbraue in die Höhe zog und mich musterte, wusste ich dass er damit einverstanden war. Er hätte auch ruhig Ja sagen können, als ich ihn gefragt hatte. Doch dann würde er sich ja zivilisiert benehmen.
Ich rannte wieder rein und stürmte ins Badezimmer. Nachdem ich mich frisch gemacht hatte, zog ich mir einen rosa Sportanzug an. Mein glattes Haar band ich mir zu einem hohen Zopf und schlüpfte in Sportschuhe.
Da ich ein wenig blass aussah, tupfte ich mir rosa Lipgloss auf meine Lippen und zog jeweils einen Kajalstrich über meine Wasserlinien.
Ich war gespannt die Gegend zu erkunden. Außerdem wäre ich wieder an der freien Luft. Sein Grundstück zählte nicht, denn alles was Mason gehörte, zählte nicht unter Freiheit.
„Du hast 13 Minuten gebraucht" merkte Mason unzufrieden an, als er einen Blick auf seine silberne Rolex warf. Die Uhr wirkte sehr teuer.
„Entschuldige" murmelte ich und schloss den Reißverschluss meiner kleinen Sportjacke. Die frische Morgenluft ließ mich frösteln. Zum Glück hielt mich die Jacke warm.
„Wohin gehen wir?" fragte ich, als Mason aus dem Tor lief.
Ich gab mein bestes um seinen großen Schritten folgen zu können. Es war wirklich eine Herausforderung, denn Mason war ein Riese.
„Eine Runde durch die Gegend" sagte er.
Er joggte relativ schnell für meine Verhältnisse, daher sprintete ich förmlich neben ihm. Die Gegend lag in leichtem Nebel dennoch konnte ich entnehmen, dass sie wunderschön war. Der Weg, den wir joggten führte an einem langen Fluss entlang. Ich würde mich liebend gerne ins Gras setzen und eine Pause machen. Denn mein Körper war außer Puste.
„Können wir eine Pause machen" keuchte ich. Er war zu schnell, obwohl es bei ihm sehr frei und flüssig aussah. Es wirkte nicht, als würde er sich sonderlich viel Mühe machen. Woher tankte er diese ganze Energie? Ich könnte davon ein gutes Stück gebrauchen.
Mir stand der Schweiß bereits auf der Stirn und meine Waden pochten vor Schmerz. Ich hatte schon lange kein Sport mehr gemacht. Meine Ausdauer war nie sonderlich gut gewesen, doch heute war es besonders schwer. Es lag höchstwahrscheinlich daran, dass ich seit vielen Monaten keinen Sport mehr gemacht hatte.
„Ich kann nicht mehr" krächzte ich ergeben und verlangsamte meine Schritte.
Doch als sich Masons Hand um mein Handgelenk legte und er mich mit sich zog, stöhnte ich frustriert auf.
„Ich kann wirklich nicht mehr, Mason" brachte ich außer Atem aus meinem Mund hervor.
Mein Hals fühlte sich staubtrocken an und tat weh. Ich hatte auch kein Wasser mitgebracht. Könnte mir Mason denn nicht sein Wasser geben, bevor ich an einer trockenen Kehle sterbe?
„Das ist erst der Anfang" sagte Mason unbeeindruckt und zog mich gnadenlos mit sich.
Von welchem Anfang sprach er, während ich bereits am Ende war?
War es nicht schwer mit extra Gewicht zu joggen? Ich glaube kaum, dass ihm mein Gewicht etwas ausmachte. Sein Tempo hatte sich nämlich kein einziges Mal verlangsamt. Er schwitze ja nicht mal.
Es war unglaublich schwer ihm zu folgen, denn mein ganzer Körper tat ungeheuer weh.
„Meine Beine tun weh" krächzte ich und versuchte ihn zum Stoppen zu bringen.
Doch er ließ sich nicht von mir beirren und joggte seelenruhig weiter.
„Du bist zu schnell. Lass mich los man" zischte ich nach fünf qualvollen Minuten.
„Schnell?" fragte er und warf mir einen kurzen Blick zu.
„Ja du bist-„ ich brach mitten im Satz ab, denn Mason erhöhte sein Tempo enorm.
„Mason" schrie ich angestrengt und musste seinem plötzlich rasant schnellen Tempo stand halten. Sonst würde ich mir wahrscheinlich die Knie am Kiesel aufschürfen.
Meine Beine und insbesondere die Waden pochten vor Schmerz. Ich bekam kaum noch Luft.
Wenn ich nachlassen würde, würde er mich den steinigen Gehweg auf den Knien weiterschleppen.
„Luft" krächzte ich und versuchte mich vergebens an seinen Schritten zu orientieren.
Lange halte ich es nicht mehr aus. Er war viel zu schnell und meine Kräfte gaben letztendlich auf.
Als ich versehentlich über einen Stein stolperte, zog Mason meinen Körper anhand meines Armes nach rechts. Ich stolperte über meine eigenen Füße und wurde von ihm losgelassen.
Keuchend fiel ich ins weiche Gras und rollte den kleinen steilen Weg runter, der zum Fluss führte.
Ich hastete nach Luft und versuchte meine Lungen mit Sauerstoff zu füllen, als ich mit dem Rücken im Gras lag. Warum hat er das getan? Ich hatte ihm nichts Böses gewollt.
Jedoch musste ich zuerst an Luft rankommen und versuchen zu überleben. Danach konnte ich mich lange über ihn beschweren.
Es dauerte ungelogen fünf Minuten bis ich wieder normal atmen konnte. Obwohl die Morgenluft kühl war, war mir sehr warm. Ich fühlte mich wie in einer Sauna.
Mit zitternden Händen öffnete ich den Reißverschluss meiner Jacke, sodass ich nicht mehr an der Hitze erstickte.
Ich wollte vom kühlen Gras nicht mehr aufstehen. Dass Mason über mir stand und auf mich runter schaute, ignorierte ich mit geschlossenen Augen.
Ich werde nie wieder mit ihm etwas unternehmen. Mir egal wie sehr ich mich nach der Außenwelt sehnte.
„Du hast kaum Ausdauer."
Ich schlug meine Augen auf und sah hoch zu ihm. Er war kein bisschen aus der Puste und schwitzen tat er auch nicht. Ich wusste, dass er sehr sportlich war. Dennoch überraschte es mich. Keine einzige Schweißperle war auf seinem Gesicht zu erkennen. Weder klang seine Stimme kratzig.
„Ist das dein Ernst" schrie ich wutgeladen und sprang wieder auf die Beine.
Doch sobald ich auf den Füßen stand, drehte sich alles und ich war kurz davor wieder auf meinen Hintern zu fallen.
Masons große Hand umfasste rechtzeitig meinen Arm, sodass ich schwankend stehen blieb.
„Was hab ich dir getan? Ich wollte mir doch nur ein wenig die Gegend anschauen und nicht wie ein lebloser Gegenstand geschleppt werden" schrie ich ihn verschnauft an und schob seine Hand von meinem Arm weg. Er ließ von meinem Arm ab und sah mich ruhig an.
Ich schaffte es mich auf den Beinen zu halten ohne dabei umzukippen. Dennoch schmerzte mein Körper und meine Beine pochten. Das wird schönen Muskelkater mit sich bringen!
„Beim nächsten Mal wird es dir leichter fallen die Ausdauer zu halten" sagte er unbekümmert und trank einen Schluck aus seiner Wasserflasche.
Ich war doch nicht vom Pferd gefallen, dass ich mich ein zweites Mal auf so etwas krankes einlassen würde.
„Nächstes Mal? Ich werde nie wieder mit dir irgendwohin gehen."
Am liebsten wollte ich Masons Kopf mit einem Baseballschläger in zwei teilen. Ihm tat es nicht mal leid, dass er mir schmerzen zugefügt hatte oder dass er mich überanstrengt hatte. Warum überraschte mich das nicht?
„Werden wir sehen."
Ich zog wütend meine Augenbrauen zusammen und setzte mich wieder ins kühle Gras. Werden wir sehen äffte ich ihm innerlich nach und knirschte mit meinen Zähnen.
Ich wollte so gerne Rache an ihm ausüben. Er machte mich unglaublich wütend und ich wollte im Moment nichts sehnlicheres als seinen Mercedes schrottreif zu fahren. Dann würden wir sehen.
Mason hockte sich überraschenderweise zu mir runter und hielt mir seine Wasserflasche entgegen. Ich hatte unglaublichen Durst und mein Hals war sehr trocken. Daher blieb mir keine andere Wahl, als ihm die Flasche abzunehmen. Ich wollte mich ungerne an dem Wasser aus dem Fluss vergiften oder beim Versuch etwas zu trinken reinfallen und ertrinken.
Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck riss ich ihm die Flasche aus der Hand und trank daraus. Es war Sprudelwasser. Ich mochte kein Sprudelwasser. Er hatte sich also geschworen, mir niemals im Leben einen ordentlichen Gefallen zu tun.
„Machst du keinen Sport?" fragte er ruhig und beobachtete mich dabei wie ich aus seiner Flasche trank.
„Nein, ich bin seit Wochen bei einem Mafiaboss eingesperrt, der mir gerade mal so das Atmen erlaubt" rief ich energisch.
Doch als Mason ruhig mit seiner großen Hand ausholte, zuckte ich stark zusammen und rutschte ein Stück zurück.
Er nahm mir jedoch bloß die Wasserflasche wieder ab und zog eine Augenbraue fragend in die Höhe. Mit meinem panischen Zucken hatte er wohl nicht gerechnet.
Ich dachte er würde mich schlagen, weil ich frech mit ihm gesprochen hatte.
„Du hast ein gutes Stück an Land zur Verfügung" sagte er und trank einen Schluck Wasser.
Sein Adamsapfel stach beim Trinken deutlich hervor.
Schnell senkte ich meinen Blick, da ich erstens unglaublich wütend auf ihn war und zweitens seine Augen auf mir lagen.
Störte es ihn nicht, dass ich vor kurzem aus der Flasche getrunken hatte?
„Das Land bringt mir nichts, wenn ich ständig von deinen Bodyguards beobachtet werde" sagte ich und fasste mir am Hals.
Ich sollte lieber nicht mehr reden. Mein Hals tat sehr weh.
„Steh auf. Wir laufen zurück" sagte Mason, als er seine vollen Lippen von der Flasche löste.
„Ich tue gar nichts" sagte ich trocken und schloss meine Jacke wieder. So langsam wurde mir wieder kalt. Die Hitze war verschwunden und die Kälte überkam mich.
Ich spitzte wütend meine Lippen und zog meine Knie an mich. Was wollte er schon machen? Mich in dem Fluss ertränken? Sollte er es doch wagen. Es liefen hier einige Passanten auf dem Gehweg herum. Das würde er vor Zeugen ganz sicherlich nicht machen. Außerdem hatte ich keine Lust ein zweites Mal von ihm geschleppt zu werden.
„Warum?"
„Weil meine Beine dank dir wehtun. Ich kann kaum noch stehen" sagte ich aufgebracht und hustete ein wenig. Mein Hals brannte sehr stark. Ich musste auf jeden Fall ein Hustenbonbon lutschen, damit sich die Schmerzen legen.
Etwas amüsiertes funkelte plötzlich in Masons eisigen Augen auf und auch seine Lippen waren nicht mehr zu einer geraden Linie verzogen. Stattdessen fuhr er sich mit der Zunge über die Innenseite seiner Unterlippe.
„Ist das so?"
„Ja" sagte ich spitz und verstand die Belustigung in seinen Augen nicht. Er nervte mich so sehr im Moment. Machte es ihm so viel Spaß, mich zu quälen?
Zuerst sorgte er dafür, dass ich kaum in der Lage war auf meinen Beinen zu stehen und jetzt funkelten seine Augen amüsiert.
Mason schüttelte plötzlich seinen Kopf über meine Anwort.
„Was?" sagte ich mürrisch. Was war sein Problem? Ich glaube mein schlechter Zustand amüsierte ihn.
„Steh auf."
„Ich will mich noch ausruhen" sagte ich und hatte keine Lust auf Diskussionen und auf Bewegung.
„Ich trage dich. Spring auf" sagte Mason plötzlich und machte mir mit einem Nicken deutlich auf seinen Rücken zu steigen.
Ich verschluckte mich beinahe an meiner eigenen Spucke und sah ihn perplex an.
„Ich finde den Weg auch schon alleine zurück. Keine Sorge" sagte ich murmelnd und ignorierte die Röte, die sich über meine Wangen legte.
Wieso wollte er mir jetzt helfen, obwohl er mich vor kurzem noch gequält hatte? Ich verstand ihn und seine Absichten nicht.
„In der Gegend gibt es Wölfe, die gerne auf Jagd sind."
Ich wurde hellhörig und die Idee zurückgetragen zu werden klang gar nicht mehr so übel.
Grimmig gab ich mich geschlagen und sprang schwankend auf die Beine.
Mit erhitzten Wangen umfasste ich Masons Schultern und versuchte auf seinen Rücken zu steigen. Sobald ich halbwegs drauf war, erhob sich Mason in voller Höhe. Ich quickte überrascht auf und schlang meine Arme fest um seinen Nacken, sodass mir der frische Duft seines Aftershaves in die Nase stieg.
Mason hielt mir seine Wasserflasche hin, während seine freie Hand mich halbwegs hielt.
Ich nahm sie ihm ab und schlang meine Arme diesmal enger um seinen Nacken. Es war verdammt hoch hier oben.
„Du lässt mich nicht fallen, oder?" piepste ich leise neben seinem Ohr und schluckte schwer bei seiner Berührung an meinen Schenkeln. Zum Glück trug ich eine lange Jogginghose.
„Wenn du still bist, dann nicht" sagte Mason und seine tiefe Stimme fühlte sich von nahen noch attraktiver an, als aus der Entfernung. Während er sprach bebte mein Inneres vor lauter Aufregung. Selten habe ich eine so angenehme und tiefe Stimme bei einem Mann gehört.
Was war in mich gefahren, als ich mich auf diese blöde Idee mit dem Tragen eingelassen habe? Ach stimmt ja, die Wölfe.
Mason sah die Welt aus komplett anderen Augen als ich. Wenn ich so groß wie Mason wäre, würde ich mich auch vor nichts und niemanden mehr fürchten.
„Du siehst die Welt aus ganz anderer Sicht. Wird dir manchmal nicht schwindelig?" fragte ich nach einer Weile und streifte versehentlich sein Ohr mit meinen Lippen. Schnell zog ich mich peinlich berührt zurück, während Masons Blick flüchtig zu mir schoss.
Zum Glück konzentrierte er sich wieder auf den Weg.
„Entschuldigung" murmelte ich schnell und kaute auf meinen Lippen herum.
„Du redest zu viel."
„Bitte?" rief ich empört und drückte meine Arme provokant fester um seinen Nacken.
Mal sehen was er fühlt, wenn ausnahmsweise mal ihm die Luft zum Atmen verwehrt wird.
„Ich rede überhaupt nicht viel. Außerdem ist es das mindeste, dass du mir zuhörst, nach alldem was du mir angetan hast. Du könntest mich gehen lassen, dann würde ich mit anderen Menschen reden" schlug ich ihm vor und hoffte er würde drauf reinfallen.
Doch er war natürlich viel zu schlau.
___
Als wir das große Tor seiner Villa erreichten, ließ mich Mason runter. Es hatte sichtlich mehr Spaß gemacht getragen zu werden, anstatt zu joggen. Ich spürte den Druck seiner großen Hände weiterhin auf meinen Schenkeln.
„Ihr versteht euch ja mittlerweile blendend."
Ich sprang erschrocken von Mason zurück und erkannte Jayden in der Einfahrt stehen.
Er stand mit verschränkten Armen vor seinem weißen Range Rover und grinste.
„Jayden" rief ich glücklich und sprang in seine Umarmung.
„Hallo, Sarah. Wie es den Anschein hat, hast du mich wohl sehr vermisst" lachte er mich an und erwiderte meine Umarmung.
Es war unglaublich wie geborgen ich mich bei Jayden fühlte. Er strahlte viel Sympathie und Wärme aus.
„Was machst du hier?" fragte ich und lächelte ihn an, als er mich wieder aus seiner Umarmung befreite.
„Ich bin dich besuchen gekommen. Dachte du langweilst dich sicherlich. Mason kann sich gut alleine beschäftigen. Er braucht meine Gesellschaft nicht" sagte er und grinste Mason an.
„Bist du zu jedem so lieb?" fragte ich schmunzelnd. „Nein, nur zu dir" sagte er mit einem Augenzwinkern. Ich lief leicht rot an und erwiderte sein Lächeln. Ich hätte mit Jaydens Flirten vor meinen Freunden so krass angegeben. Schließlich war er ein wandelndes Model wie man es den Zeitschriften kannte.
Jayden strahlte genau das aus, was ich im Moment gebrauchen konnte. Nämlich Freude und Spaß.
„Wo wart ihr beiden?"
„Du willst nicht wissen, was dein Freund so tolles gleich am Morgen gemacht hat" murmelte ich ihm zu und verzog mürrisch meine Lippen.
Dass was er mir früh am Morgen angetan hatte, würde ich ihm nicht so leicht verzeihen lassen. Ich werde ihm überhaupt nichts verzeihen.
Jaydens tiefes Lachen füllte die Einfahrt und er schlang seinen Arm um meine Schulter.
„Du hast wirklich eine sehr süße erwischt, Kumpel" sagte er an Mason gewandt und grinste mich danach süffisant an.
Masons Blick blieb gleich. Neutral und ohne jegliche Emotionen. Fast hätte ich behauptet Wut in seinen Augen gesehen zu haben. Doch ich täuschte mich sicherlich.
„Du kannst mir beim Frühstück erzählen, was mein Freund dir schon wieder angetan hat. Ich werde mit ihm schimpfen" sagte Jayden und zog mich ins Haus. Ich konnte mir ein Lachen nicht unterdrücken. Als ob.
Jayden zog mich auf einer sehr sanften und milden Art mit sich in die Villa. Es war beinahe schon angenehm. Während Mason mich im Gegensatz dazu grob und aggressiv anpackte. Seine Griffe hinterließen meistens rote Spuren auf meiner empfindlichen Haut.
„Ich muss davor aber erstmal duschen."
___
Frisch geduscht und umgezogen betrat ich mit guter Laune die Küche. Ich hatte mir einen Hustenbonbon in den Mund gesteckt, weil ich noch Halsschmerzen hatte und auch ein wenig hustete.
Mason tauchte überraschenderweise ebenfalls in der Küche auf. Seinen feuchten Haaren und der neuen Kleidung zu urteilen, hatte er ebenfalls geduscht.
„Ihr habt aber lange gebraucht beim Duschen. Ich dachte zu zweit würde es schneller gehen" sagte Jayden amüsiert, als er ebenfalls dazu stieß.
„Jayden" riefen Mason und ich wie aus einem Mund. Während meine Stimme empört klang, klang Masons ermahnend.
„Du bist so unverschämt" fuhr ich ihn mit erhitzen Ohren an.
„Was denn? Ist es nicht etwas ganz normales was Pärchen machen?" merkte Jayden unschuldig an, aber der Schalk in seinen Augen verriet ihn. Genauso wie sein schallendes Lachen daraufhin. Denn er konnte nicht lange ernst bleiben.
„Vielleicht überlege ich es mir mit dem Frühstück" knurrte ich, was eher wie ein quietschen klang.
„Ich konnte es mir nicht unterdrücken. Tut mir leid, mach mir bitte etwas zum Essen. Ich verhungere" sagte Jayden leise lachend. Er hatte sich mittlerweile von seinem Lachflash erholt.
„Nö" trällerte ich und lief auf die Kücheninsel zu.
Jayden folgte mir und ich war froh über seine große Größe. Dank ihm war ich Masons Blicken nicht mehr ausgesetzt. Ich wollte mich selbst ungerne mit Mason unter der Dusche vorstellen. Der alleinige Gedanke daran ließ mich erröten.
„Komm schon, Püppchen" scherzte Jayden und zog spielerisch an meinem Zopf.
„Ich dachte du bist kein Teenager mehr?" entgegnete ich und musste mir ein Lachen bei seinem Anblick unterdrücken.
„Ist diese Diva immer so frech?" fragte Jayden an Mason gewandt, der mich leicht genervt ansah.
Er sollte es nicht wagen mich so anzusehen. Schließlich hatte er mich durch die Gegend geschleppt. Ich sollte die einzig genervte sein.
„Bin ich nicht" antwortete ich für Mason.
„Aber da ich nett bin, mache ich dir trotzdem Frühstück. Was willst du essen?" fragte ich Jayden.
„Zauber mir einfach etwas schönes. Ich kann alles essen, solange es schmeckt. Ich schnappe mir schnell mein Handy aus dem Auto" sagte er und sprintete aus der Küche.
„Was hast du im Mund?" fragte Mason plötzlich, der mittlerweile dicht hinter mir stand.
„Einen Hustenbonbon" sagte ich beiläufig und wurde plötzlich nervös durch seine Nähe.
Wieso musste er mir immer so nah treten und mich nervös machen? Ich wollte ungerne etwas tollpatschiges anstellen. In seiner Nähe passierten mir nämlich ständig peinliche und tollpatschige Sachen.
Pancakes konnte ich gut machen.
Ich griff nach der Mehl Packung auf der Theke, doch hielt inne. Mason stützte nämlich seine Hand rechtes neben mir auf der Theke ab.
Ich lief reflexhaft einen Schritt zurück und stieß mit meinem Rücken gegen seine Brust. Mein Herz machte einen Sprung und ich trat schnell wieder nach vorne. Dies veranlasste Mason nur dazu seine linke Hand ebenfalls auf der Theke abzustützen, sodass ich in seinen Armen gefangen war.
„Du könntest auch etwas anderes im Mund haben, Bella."
✨Dieser Moment wenn einige nicht verstehen, dass Mason sie absichtlich kleines Mädchen nennt, um sie zu ärgern✨
Konnte keine Lesenacht machen, aber das Kapitel hat 6700 Wörter und sollte als Wiedergutmachung ausreichen (:
6700 Wörter 🤍
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