(7) Betrogen
Levi
Kurz nach Poppy verließ auch Parker den Poolbereich um nach Hause zu gehen. Er hatte sogar verkündet, sie aufzusuchen um sich zu verabschieden und sie zu fragen, ob er sie heim bringen sollte. Aber was wirklich erstaunlich war, war, dass sie das Angebot angenommen hatte. Sie hatte es gehasst, gestern von Levi nach Haus gebracht zu werden und hatte versucht sich davor zu drücken. Wenn man es so betrachtete, war sie heute drum herum gekommen mit ihm in einem Auto zu sitzen. Cleveres Ding.
Seine Mutter war zusammen gezuckt als Poppy den Bus erwähnt hatte. Das mochte in ihrer Nachbarschaft Gang und Gäbe sein, aber bei uns nutzen hauptsächlich die Angestellten den Bus. Vermutlich wartete sie nur darauf herauszufinden, welche Anforderungen Poppy an ein Auto stellte um es ihr dann zu kaufen.
Oder vielleicht würde sie ihr anbieten, einen der Wagen aus der Garage zu nutzen. Die Tiefgarage beherbergte 15 Autos, da würde wohl wenigstens eins ihren Geschmack treffen. Hauptsache sie ließ die Finger von seinem nagelneuen Camaro SS.
Es war spät am Nachmittag als Levi sich entschloss, es hinter sich zu bringen und Christy anzurufen. Er hatte keine Wahl. Es würde nicht besser werden je länger er wartete. Wie sollte er seine Hochzeit glaubhaft aussehen lassen, wenn er bis zur letzten Minute an Christy fest hielt. Aber vielleicht konnte er zu ihr fahren um ein letztes Mal-
Nein, er stoppte seine Gedanken. Das war genau das, was er vermeiden sollte. Er griff nach seinem Telefon und hielt es an sein Ohr während die Verbindung aufgebaut wurde.
Christy hob nach schier endlosem Klingeln ab. "Hallo?", flötete sie.
"Hey Christy."
"Hey Süßer. Ich hab lange nichts von dir gehört. Hast du mich vermisst?"
Levis Kinnlade fiel herunter. Die Beerdigung war einen Tag her. Zwei, wenn man den heutigen Tag mitzählte. Es gab nichts, was er mehr verabscheute als Kletten.
"Eigentlich wollte ich mit dir reden."
"Willst du rüber kommen?", schnurrte sie mit ihrer seidigen Stimme und Levi wusste genau, worauf sie hinaus wollte.
Nachdem er die letzten zwei Tage mit Poppy verbracht hatte und sich ihre kratzbürstigen Konter anhören hatte müssen, erfüllte ihn Christys billige Keckheit allerdings nur mit Ekel.
"Ich glaube nicht."
"Okay. Worüber möchtest du dann sprechen?"
Ja, worüber? Was genau sollte er ihr sagen? Ich habe dich benutzt, obwohl ich in ein Mädchen verliebt war, das ich in fünf Tagen heiraten werde? Was für ein Desaster. Dieser Gedanke kam ihm in letzter Zeit öfter. Er hasste sein Leben.
"Willst du hören, was ich gerade trage?", schlug sie vor.
Großer Gott. Musste er es ihr etwa buchstabieren? Er hatte gedacht, dass mit einem einfachen 'wir müssen reden' nichts schief gehen konnte. Aber allem Anschein nach hatte er sich getäuscht.
"Danke, aber wir müssen wirklich über uns sprechen."
Das ließ Christy aufhorchen. Levi stellte sich vor, wie sie eine Augenbraue hob. "Leg los."
Er räusperte sich. "Ich..." Levi beschloss, so nah wie möglich als der Wahrheit zu bleiben. "Ich habe jemand anderen kennen gelernt."
Ein schrilles Kreischen verleitete Levi dazu, das Telefon für einen Moment von seinem Ohr zu nehmen. Als er sich vergewissert hatte, dass kein Blut auf seiner Wangen herab lief, zeterte Christy bereits durch die Leitung.
"Was soll das heißen, du hast jemand anderen getroffen?"
"Genau das, was ich gesagt habe. Ich habe ein anderes Mädchen getroffen."
"Du... Magst du sie mehr als mich?"
Offensichtlich. Anderenfalls würde er kaum mit ihr Schluss machen, um eine andere zu heiraten, nicht wahr?
Nur, dass Christy bis jetzt nichts von der Hochzeit wusste. Sollte er es für sich behalten? Oder sollte er es ihr erzählen, damit sie wusste, dass es ihm ernst war? Er wog seine Optionen ab und entschied sich für den leichteren Weg.
"Ich habe sie vor ein paar Wochen getroffen." Das war eine Lüge. Aber sie war nötig. Obwohl, genau genommen hatte er sie ja sicherlich zuvor in der Schule getroffen. Er hatte sie nur nicht wahrgenommen. "Ich musste seitdem immer an sie denken. Als ich sie wieder gesehen habe, habe ich versucht ihr zu widerstehen. Aber es ging nicht."
Verdammt, er klang wie ein Weichei und nicht wie der Captain des erfolgreichsten Schwimmteams der letzten zehn Jahre.
"Also hast du mich betrogen?", fragte Christy mit zitternder Stimme.
Das hatte er nicht kommen sehen. Vielleicht hatte Poppy Recht gehabt und er hätte sich auf Christys Fragen und die Folgen vorbereiten sollen. Aber das ließ ihn in einem noch schlechteren Licht da stehen.
Seit wann kümmerte es ihn überhaupt, was andere von ihm dachten? Scheinbar hatten seine Eltern die Büchse der Pandora geöffnet, als sie ihm diese Hochzeit aufgezwungen hatten.
"Nicht wirklich. Wir sind nie auf Tuchfühlung gegangen."
"Okay." Er hörte wie sie tief Luft holte und sie dann langsam ausblies. "Wir müssen deswegen nicht Schluss machen. Wir lassen das einfach hinter uns und sprechen nie wieder über dieses Mädchen. Und natürlich auch nicht mehr mit ihr, versteht sich."
Levi glaubte sich verhört zu haben. Sie wollte ihn weiterhin daten, obwohl er ihr gerade gestanden hatte, sich in jemand anderen verliebt zu haben?
"Das geht nicht."
"Warum nicht? Ich verstehe das nicht. Offensichtlich brauchtest du eher mich um deine körperlichen Bedürfnisse zu stillen als sie."
Verflucht noch mal. Sie konnte jedem Ermittler Konkurrenz machen. Zur Hölle damit. Er musste ihr alles sagen und ihre Wut ausbaden.
"Christy, ich versuche dir klarzumachen, dass ich nicht mehr mit dir zusammen sein will."
"Aber vor zwei Tagen waren wir es noch. Du hast mich gebraucht."
Die Situation war völlig absurd. Levi spürte, wie ihm die Kontrolle entglitt. Sein Geduldsfaden riss und die Worte strömten aus seinem Mund, bevor er sie überdenken konnte.
"Ich habe um ihre Hand angehalten. Ich kann mich nicht weiter mit dir treffen und ich möchte es auch nicht. Ich liebe sie."
Dann herrschte eine unangenehme Stille. Vermutlich zog Christy eine Grimasse. Levi bekam ein schlechtes Gewissen, ihre Gefühle derartig rücksichtslos verletzt zu haben. Obwohl er schon mit einigen Mädchen Schluss gemacht hatte, hatte er keine von ihnen auf eine so niederträchtige Art abserviert.
"Tut mir leid. Das klang härter als beabsichtigt."
"Schon okay, Süßer."
"Es wäre mir lieber, wenn du mich nicht mehr so nennst."
"Stimmt. Das wäre komisch. Aber alte Gewohnheiten..."
"Ja. Sieh mal, ich muss noch was erledigen."
"Halt, Levi. Warte. Wer ist sie?"
"Macht das einen Unterschied?"
Sie seufzte. "Vermutlich nicht. Ich hoffe, du hast die richtige Entscheidung getroffen. Es gibt keinen Weg zurück, wenn du erst verheiratet bist. So eine bin ich nicht."
Daran zurück denkend, was sie noch vor ein paar Minuten gesagt hatte, zweifelte er stark daran. Doch er unterdrückte sein Lachen.
"Alles klar. Mach's gut, Christy." Er wartete nicht auf eine Antwort, bevor er auflegte. Er ließ den Kopf zurück fallen und beschloss, niemals wieder mit einem Mädchen Schluss zu machen, ohne vorher alle Argumente aufzulisten, mit denen seine zukünftige Ex ankommen könnte.
Keine Sekunde später flog die Tür zu seinem Schlafzimmer auf.
"Du hast sie endlich abgeschossen. Gut für dich. Jetzt hoch mit dir. Ich brauche deine Hilfe."
Er stöhnte. "Hast du gelauscht, Mom? Du weißt schon, dass das unhöflich ist?"
"Hab ich nicht."
"Woher weißt du dann, dass wir Schluss gemacht haben?"
"Nenn es mütterlichen Instinkt."
"Ja, genau." Nichts an ihr war mütterlich. Ihr Instinkt wohl noch am wenigsten. "Wofür brauchst du meine Hilfe?"
"Du musst dein Zimmer räumen."
Levi spürte seine Augenbraue in die Höhe schießen. "Welches?"
"Das Wohnzimmer. Wir haben keine Zeit, zwei Räume über Nacht renovieren zu lassen."
"Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Mom."
Sie rollte ungeduldig mit den Augen. "Benutz doch deinen hübschen Kopf von Zeit zu Zeit. Poppy braucht ein Zimmer, wenn sie hier einziehen soll."
"Warum aber meins?"
"Weil du der einzige in diesem Haus bist, der zwei Zimmer zur Verfügung hat. Möchtest du etwa, dass Kale nebenan einzieht und sie sein Zimmer nutzt?"
"Ist vielleicht nicht die schlechteste Idee." Immerhin war Kale meistens an der Uni und nur selten Zuhause. Genau genommen eigentlich nur während der Semesterferien. Da die vorletzte Woche der Schulferien fast um war, bedeutete dies, dass Kale noch gut anderthalb Monate vorlesungsfreie Zeit hatte. Er würde also über kurz oder lang nach Hause kommen.
Seine Mutter unterbrach seine Gedanken. "Wirklich? Und was erzählst du deinen Freunden? Dass du deine Frau nicht in deiner Nähe haben willst?"
Levi schnaubte. Das war kein Gespräch, das er mit seiner Mutter führen wollte. Aber sie bettelte ja förmlich darum. "Wenn ich sie in meiner Nähe haben wollte, warum würde sie dann ein eigenes Schlafzimmer bekommen? Niemand wird mir glauben, dass ich meine Frau nicht in meinem Bett haben will."
Entgegen seiner Erwartungen blieb seine Mutter von seinem letzten Satz unbeeindruckt. Unkontrolliert fuchtelte sie mit den Händen. "Denk dir was aus. Du schnarchst und willst, dass sie vernünftig schlafen kann. Du trittst nachts um dich und willst sie nicht verletzen. Was auch immer. Sei ein bisschen kreativ."
"Aber..."
"Das steht eigentlich nicht zur Diskussion", unterbrach sie ihn. "Die Möbel kommen in etwa zwei Stunden. Das ist der Zeitrahmen, den du hast, um dein Zeug aus dem Zimmer zu holen. Anderenfalls nehmen die Leute es gleich zur Entsorgung mit."
"Ist ja nicht kurzfristig, oder so. Ist das dein Ernst?"
"Wenn ich du wäre, würde ich meine Sachen packen", gab sie zurück, bevor sie sein Schlafzimmer verließ.
Wenn das keine strikten Anweisungen waren. Es schien als würden seine Eltern in den letzten Tagen alles an strenger Erziehung nachholen, das sie bisher versäumt hatten. Insgeheim fragte sich Levi, ob es nicht eigentlich seine Mutter war, die das Familienunternehmen leitete und dafür Sorge trug, dass alles glatt lief. Vermutlich hatte er den Nagel damit auf den Kopf getroffen.
Aber was spielte das jetzt für eine Rolle? Er musste sein Zeug schnellstmöglich aus dem Zimmer holen. Er rollte sich vom Bett und fing an.
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